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VwGH 17.10.2023, Ra 2021/08/0121

VwGH 17.10.2023, Ra 2021/08/0121

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
ASVG §123
ASVG §51d
B-VG Art10 Abs1 Z11
MusterkrankenO 2016 §64 Abs1 Z3
RS 1
Bedenken, dass der Gesetzgeber mit § 123 ASVG eine von der Erwerbstätigkeit "losgelöste Pflichtversicherung" normiert hätte, welche die Grenzen des Kompetenztatbestandes Sozialversicherungswesen (Art. 10 Abs. 1 Z 11 B-VG) überschreitet, hegt der VwGH ebenso wenig wie der VfGH (vgl. , VfSlg. 16.381). Die Unbedenklichkeit der genannten Regelung hängt aber nicht davon ab, dass sie im Sinn der Möglichkeit eines "Opting-Out" mittels Willenserklärung des Versicherten ausgelegt wird, für welche der Normtext des ASVG keine Anhaltspunkte bietet. Der zitierte Kompetenztatbestand beschränkt sich nämlich nicht auf die Regelung der Sozialversicherung von Personen, die selbst erwerbstätig sind (oder waren), sondern lässt darüber hinaus Regelungen für einen personellen Geltungsbereich insofern zu, als zumindest ein mittelbarer Bezug zur Erwerbstätigkeit gegeben ist, wie im Fall der Einbeziehung von Angehörigen in den Schutz der Sozialversicherung. Kompetenzrechtlich gedeckt ist die Regelung somit auch insofern, als der Bestand und das Enden der Anspruchsberechtigung für Familienangehörige des Versicherten nach § 123 ASVG ex lege und unabhängig von etwaigen Willenserklärungen des Versicherten gegenüber der ÖGK eintreten. Wie Tomandl in seiner Besprechung des zitierten Erkenntnisses des VfGH (ZAS 2002, 54) zutreffend ausgeführt hat, hängt der Versicherungsschutz nicht von einer Meldung nach § 52 der vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger erlassenen Musterkrankenordnung ab (nunmehr § 64 Abs. 1 Z 3 der vom Hauptverband [nunmehr: Dachverband] der österreichischen Sozialversicherungsträger verlautbarten Musterkrankenordnung 2016, verlautbart unter avsv Nr. 67/2016), zumal diese keine Abmeldung, sondern nur die Meldung von Änderungen (die dann freilich zu einem Ende der Mitversicherung führen können) vorsieht. Solange der Ehegatte (hier: die eingetragene Partnerin) weder kraft Gesetzes krankenversichert ist, noch von einer Krankenfürsorgeeinrichtung eines öffentlich-rechtlichen Dienstgebers betreut wird, besteht auch die Beitragspflicht nach § 51d ASVG und kommt eine "Abmeldung" von dieser nicht in Betracht. Zum Ende einer Mitversicherung kommt es dadurch, dass der oder die Angehörige eine Erwerbstätigkeit aufnimmt oder eine Selbstversicherung in der Krankenversicherung eingeht.
Normen
ASVG §123
NAG 2005 §11 Abs2 Z3
RS 2
Es genügt die Mitversicherung nach § 123 ASVG, um die Voraussetzung des § 11 Abs. 2 Z 3 NAG 2005 zu erfüllen (vgl. ; , 96/19/0196).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie die Hofräte Mag. Stickler, Mag. Cede und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision der Österreichischen Gesundheitskasse, vertreten durch Mag. Markus Haibel, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Gumpendorferstraße 14/23, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , W209 2235217-1/5E, betreffend Anspruchsberechtigung gemäß § 123 ASVG (mitbeteiligte Partei: G K in A), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird, soweit darin über die Beitragspflicht nach § 51d ASVG abgesprochen wurde, wegen Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts, im Übrigen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Antrag der Österreichischen Gesundheitskasse auf Aufwandersatz wird abgewiesen.

Begründung

1 Der Mitbeteiligte ist gesetzlich krankenversichert und lebt seit in einer eingetragenen Partnerschaft. Seiner eingetragenen Partnerin wurde am für die Zeit vom bis ein Aufenthaltstitel als Familiengehörige erteilt. Am richtete der Mitbeteiligte an die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) ein ausgefülltes Formular „Prüfung der Anspruchsberechtigung für Angehörige gemäß § 123 ASVG“ unter Nennung seiner eingetragenen Partnerin als Angehörige. Von bis sowie ab war diese aufgrund einer Beschäftigung selbst in der Krankenversicherung nach dem ASVG pflichtversichert. Mit Schreiben vom teilte der Mitbeteiligte der ÖGK mit, dass er mit der Mitversicherung seiner Partnerin nicht einverstanden sei und seinen „Antrag“ (vom ) „stornieren“ wolle. Am beantragte er die Feststellung, dass im Jahr 2019 sowie von Jänner bis April 2020 keine Mitversicherung seiner Angehörigen gemäß § 123 ASVG bestanden habe. Zur Begründung führte er aus, dass 2019 keine Mitversicherung beantragt worden sei, weil eine private Krankenversicherung bestanden habe, dass sich seine Partnerin von Dezember 2019 bis nicht in Österreich aufgehalten habe und sie danach selbst versichert gewesen sei.

2 Mit dem Bescheid vom stellte die belangte Behörde (im Folgenden: ÖGK) fest, dass für die eingetragene Partnerin des Mitbeteiligten seit aus der Versicherung ihres eingetragenen Partners, des Mitbeteiligten, eine Anspruchsberechtigung gemäß § 123 ASVG bestehe. Im zweiten Spruchteil wurde der Antrag des Mitbeteiligten auf Beendigung der Anspruchsberechtigung ab dem abgewiesen.

3 In der Begründung des Bescheides wurde ausgeführt, dass die eingetragene Partnerin des Mitbeteiligten mit dem Tag der Begründung der eingetragenen Partnerschaft am die Anspruchsvoraussetzungen für die Anspruchsberechtigung als Angehörige aus der Versicherung des Mitbeteiligten erfüllt habe. Der Mitbeteiligte sei verpflichtet, den Zusatzbeitrag für Angehörige gemäß § 51d ASVG wie folgt zu entrichten: Die Beitragspflicht bestehe für die Zeiträume bis und bis . Im Zeitraum vom bis und vom bis „laufend“ bestehe keine Beitragspflicht, weil die Angehörige des Mitbeteiligten in diesen Zeiträumen aufgrund einer Beschäftigung selbst in der Krankenversicherung versichert gewesen sei.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde des Mitbeteiligten teilweise Folge und stellte fest, dass der Anspruch auf Leistungen aus der Krankenversicherung gemäß § 123 ASVG für die Angehörige des Mitbeteiligten mit ende und der Mitbeteiligte somit ab diesem Zeitpunkt „unabhängig vom Zutreffen der Voraussetzungen des § 51d Abs. 3 ASVG“ nicht mehr der Beitragspflicht gemäß § 51d ASVG unterliege (Spruchpunkt A.I.). Im Übrigen wies es die Beschwerde ab (Spruchpunkt A.II.).

5 In der Begründung führte das Bundesverwaltungsgericht nach Wiedergabe von Teilen des § 123 und des § 51d ASVG Folgendes aus:

6 Dem Einwand des Mitbeteiligten, dass er die von der ÖGK festgestellte Anspruchsberechtigung seiner eingetragenen Partnerin „gar nicht beantragt“ habe, sei nicht zu folgen, weil der Anspruch auf Leistungen der Krankenversicherung für eingetragene Partner als Angehörige (gemäß § 123 ASVG) bestehe, wenn sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hätten und nicht einer anderen gesetzlichen Krankenversicherung unterlägen. Eine „Mitversicherung gemäß § 123 Abs. 1 ASVG“ trete somit mit dem gewöhnlichen Aufenthalt des Angehörigen im Inland ein (Hinweis auf ). Die Anspruchsberechtigung der Partnerin des Mitbeteiligten habe mit dem Zeitpunkt der Begründung der eingetragenen Partnerschaft im Inland begonnen, ohne dass es dafür eines gesonderten Antrages bedurft hätte. Das Bestehen einer privaten Krankenversicherung habe keinen Einfluss auf die Begründung der Angehörigeneigenschaft und die damit verbundene Anspruchsberechtigung (Hinweis auf ). Dem Vorbringen des Mitbeteiligten, dass seine Partnerin sich von Dezember 2019 bis nicht in Österreich aufgehalten habe, sei entgegenzuhalten, dass diese den Angaben des Mitbeteiligten zufolge seit Juni 2019 bis zu ihrer Ausreise und auch danach wieder ständig in Österreich aufhältig gewesen sei, weswegen davon auszugehen sei, dass sie seit Juni 2019 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich habe (Hinweis auf ).

7 Die ÖGK habe daher zu Recht im Zeitraum von bis „die Anspruchsberechtigung (und die damit verbundene Beitragspflicht gemäß § 51d ASVG des [Mitbeteiligten])“ festgestellt.

8 Was die Zeit von bis sowie ab betreffe, habe die ÖGK „zu Recht keine Beitragspflicht fest[gestellt]“, weil die Angehörige des Mitbeteiligten in dieser Zeit aufgrund einer Beschäftigung über eine eigene Krankenversicherung verfügt habe (Hinweis auf § 123 Abs. 1 Z 2 ASVG).

9 Soweit die ÖGK den „Antrag“ des Mitbeteiligten auf Beendigung der Anspruchsberechtigung ab abgewiesen habe, verkenne sie jedoch die Rechtslage. Sowohl der Verwaltungsgerichtshof (Hinweis auf ) als auch der Verfassungsgerichtshof (Hinweis auf , VfSlg. 16.381) hätten „klargestellt“, dass eine „Mitversicherung“ nach § 123 ASVG keine Pflichtversicherung begründe, wenngleich der Gesetzgeber offenbar davon ausgegangen sei, eine Pflichtversicherung für kinderlose Ehepartner und Lebensgefährten geschaffen zu haben (Hinweis auf den Ausschussbericht 369 BlgNR 21. GP 203). Diese „Mitversicherung“ vermittle eine (bloße) Anspruchsberechtigung auf Leistungen im Rahmen der Krankenversicherung eines Versicherten (auch) für bestimmte Angehörige und beruhe auf Freiwilligkeit. Die Inanspruchnahme durch den Versicherten sei daher auch nicht zwingend. Der Verfassungsgerichtshof habe dazu im zitierten Erkenntnis näher ausgeführt, dass es einem Versicherten, der für seinen Angehörigen die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht in Anspruch nehmen möchte, freistehe, dies dem zuständigen Krankenversicherungsträger zu melden. Nach § 52 der vom Hauptverband (nunmehr: Dachverband) der österreichischen Sozialversicherungsträger erlassenen Musterkrankenordnung 1999, SozSi Nr. 40/1999, habe derjenige, der Leistungen der Kasse erhalte, jede Änderung der Anspruchsberechtigung für Angehörige der Kasse zu melden. Nichts anderes als eine derartige Mitteilung gemäß § 52 Musterkrankenordnung 1999 könne in der Mitteilung des (unvertretenen) Mitbeteiligten vom erblickt werden, in welcher er angegeben habe, mit der „Mitversicherung“ seiner Partnerin nicht einverstanden zu sein und seinen „Antrag“ (vom ) zurückzuziehen.

10 Dass die Beitragspflicht unabhängig von der Inanspruchnahme der „Mitversicherung“ nach § 123 ASVG weiterbestehe, sei nicht anzunehmen. Wie der Verfassungsgerichtshof nämlich weiters ausgeführt habe, sei durch die Einführung des § 51d ASVG in den von dieser Bestimmung erfassten Fällen - anstatt wie bisher ein (bloßer) Leistungsanspruch im Krankheitsfall - ein beitragspflichtiges Versicherungsverhältnis im Rahmen der Krankenversicherung begründet worden, weswegen mit dem Verzicht auf die Inanspruchnahme der „Mitversicherung“ auch das (die Beitragspflicht begründende) Versicherungsverhältnis erloschen sei und dementsprechend auch keine Beitragspflicht mehr gegeben sein könne.

11 Eine Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Bundesverwaltungsgericht für nicht zulässig.

12 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision der ÖGK, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Durchführung des Vorverfahrens, in dem der Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattet hat, erwogen hat:

13 Die Revision der ÖGK ist aus dem darin geltend gemachten Grund, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehle, „ob eine Anspruchsberechtigung gemäß § 123 ASVG ex lege erlischt oder ob diese beliebig vom Versicherten jederzeit storniert, gekündigt bzw. abgemeldet werden kann“, zulässig. Sie ist auch berechtigt.

14 Der Spruch des Bescheides der ÖGK vom lautete wie folgt:

„Für Frau S [Anm: die Partnerin des Mitbeteiligten], SVNR ..., wohnhaft in ..., besteht seit aus der Versicherung ihres eingetragenen Partners, [des Mitbeteiligten], SVNR ..., eine Anspruchsberechtigung gemäß § 123 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes.

Der Antrag des [Mitbeteiligten], SVNR ..., auf Beendigung der Anspruchsberechtigung von Frau S, SVNR ..., ab dem wird abgewiesen.“

15 Mit diesem - klar formulierten - Spruch wurde ausschließlich über den Bestand der Anspruchsberechtigung aus der Pflichtversicherung des Mitbeteiligten, nicht aber über eine Beitragspflicht entschieden.

16 Dem steht der Umstand nicht entgegen, dass die Bestimmung des § 51d ASVG als eine der Rechtsgrundlagen des Bescheides zitiert und sich in der Begründung des Bescheides nähere Ausführungen dazu finden, für welche Zeiträume eine Beitragspflicht entstanden sei. Eine Auslegung des Spruchs eines Bescheides nach dessen Begründung kommt nämlich nur in jenen Fällen in Betracht, in denen der Spruch für sich allein Zweifel an seinem Inhalt offen lässt. Dagegen kommt eine Umdeutung (oder auch Ausweitung) eines klar gefassten Spruchs anhand der Begründung des Bescheides nicht in Betracht. Ist somit der Spruch des Bescheides eindeutig, dann kommt der Begründung eine den Inhalt des Bescheides modifizierende Wirkung nicht zu. Selbst ein Widerspruch der Begründung zum Spruch ist unerheblich, wenn nach dem Wortlaut des Spruchs eines Bescheides über dessen Inhalt kein Zweifel herrschen kann. Eine über den formalen Spruchinhalt hinausgehende Gesamtbetrachtung von Spruch und Begründung findet somit ihre Grenze dann, wenn der formale Spruchinhalt durch Ausführungen im Begründungsteil nicht ergänzt bzw. komplettiert wird, sondern mit diesem in Widerspruch gerät (vgl. , mwN).

17 Zutreffend bringt die revisionswerbende ÖGK in diesem Zusammenhang somit vor, dass die Beitragspflicht des Mitbeteiligten nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheides war. Soweit der Spruch des angefochtenen Erkenntnisses die Entscheidung enthält, dass der Mitbeteiligte ab dem „unabhängig vom Zutreffen der Voraussetzungen des § 51d Abs. 3 ASVG - nicht mehr der Beitragspflicht gemäß § 51d ASVG unterliegt“, hat das Bundesverwaltungsgericht sohin die Sache des Beschwerdeverfahrens überschritten und das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belastet.

18 Das angefochtene Erkenntnis entspricht aber auch im übrigen Umfang nicht dem Gesetz.

19 Durch die Abweisung der Beschwerde mit der Maßgabe, dass die Anspruchsberechtigung ab endet, hat das Bundesverwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid insofern bestätigt, als mit diesem Bescheid der Bestand dieser Anspruchsberechtigung „seit “ festgestellt wurde, ihn insofern jedoch abgeändert, als es das Enden dieser Anspruchsberechtigung mit feststellte.

20 Die §§ 123 und 51d ASVG, BGBl. Nr. 189/1955, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2018, lauten auszugsweise:

„Anspruchsberechtigung für Angehörige

§ 123. (1) Anspruch auf die Leistungen der Krankenversicherung besteht für Angehörige,

1. wenn sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben und

2. wenn sie weder nach der Vorschrift dieses Bundesgesetzes noch nach anderer gesetzlicher Vorschrift krankenversichert sind und auch für sie seitens einer Krankenfürsorgeeinrichtung eines öffentlich-rechtlichen Dienstgebers Krankenfürsorge nicht vorgesehen ist.

(2) Als Angehörige gelten:

1. der/die Ehegatte/Ehegattin oder eingetragene Partner/Partnerin;

...

Zusatzbeitrag für Angehörige

§ 51d. (1) Für Angehörige (§ 123) ist ein Zusatzbeitrag im Ausmaß von 3,4% der für den Versicherten (die Versicherte) heranzuziehenden Beitragsgrundlage (Pension) zu leisten. Der Zusatzbeitrag entfällt zur Gänze auf den (die) Versicherte(n).

(2) Alle für die Beiträge zur Pflichtversicherung in der Krankenversicherung geltenden Rechtsvorschriften sind, sofern nichts anderes bestimmt wird, auf den Zusatzbeitrag nach Abs. 1 anzuwenden. Der (die) Versicherte schuldet jedoch den Zusatzbeitrag selbst und hat ihn auf seine (ihre) Gefahr und Kosten selbst einzuzahlen. Davon abweichend ist bei Pensionsbeziehern auf Antrag der Zusatzbeitrag von der jeweiligen Pension (Pensionssonderzahlung) einzubehalten und an den zuständigen Krankenversicherungsträger zu überweisen.

(3) Kein Zusatzbeitrag nach Abs. 1 ist einzuheben

1. für Personen nach § 123 Abs. 2 Z 2 bis 6 sowie Abs. 4 und 7b;

2. wenn und solange sich der (die) Angehörige der Erziehung eines oder mehrerer im gemeinsamen Haushalt lebender Kinder nach § 123 Abs. 4 erster Satz widmet oder durch mindestens vier Jahre hindurch der Kindererziehung gewidmet hat;

3. wenn und solange der (die) Angehörige Anspruch auf Pflegegeld zumindest in Höhe der Stufe 3 nach § 5 des Bundespflegegeldgesetzes oder nach den Bestimmungen der Landespflegegeldgesetze hat.

(4) Der Versicherungsträger hat bei Vorliegen einer besonderen sozialen Schutzbedürftigkeit des (der) Versicherten nach Maßgabe der vom Dachverband hiezu erlassenen Richtlinien (§ 30a Abs. 1 Z 16) von der Einhebung des Zusatzbeitrages nach Abs. 1 abzusehen oder diesen herabzusetzen. Eine besondere soziale Schutzbedürftigkeit liegt jedenfalls dann vor, wenn das Nettoeinkommen im Sinne des § 292 des (der) Versicherten den Richtsatz nach § 293 Abs. 1 lit. a aa nicht übersteigt.“

21 Aus diesen Bestimmungen folgt, dass eine Anspruchsberechtigung für einen Angehörigen gemäß § 123 ASVG nicht besteht, wenn dieser Angehörige „nach der Vorschrift dieses Bundesgesetzes“ oder „nach anderer gesetzlicher Vorschrift krankenversichert“ ist (§ 123 Abs. 1 Z 2 ASVG). Das Bundesverwaltungsgericht ist - insofern im Einklang mit der Begründung des angefochtenen Bescheides - davon ausgegangen, dass die eingetragene Partnerin des Mitbeteiligten sowohl in der Zeit von bis als auch ab aufgrund einer Beschäftigung krankenversichert war. Es hat jedoch die im Spruch des Bescheides der ÖGK getroffene Feststellung einer Anspruchsberechtigung auch für den Zeitraum bis  bestätigt und das angefochtene Erkenntnis ist bereits insoweit mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Dazu kommt Folgendes:

22 Zutreffend sind sowohl die ÖGK als auch das Bundesverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Anspruchsberechtigung gemäß § 123 ASVG bei Vorliegen der in dieser Bestimmung normierten Voraussetzungen ex lege eintritt, ohne dass es hiefür eines Antrags o.ä. bedürfte.

23 Das Bundesverwaltungsgericht vertrat aber darüber hinaus die Auffassung, dass die Anspruchsberechtigung durch eine Willenserklärung des Mitbeteiligten am beendet wurde. Es begründete dies zum einen damit, dass der Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom , Ra 2017/08/0137, „klargestellt“ habe, dass eine „Mitversicherung“ nach § 123 ASVG „keine Pflichtversicherung“ begründe, und stützte sich zum anderen auf Ausführungen im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 998/01 (VfSlg. 16.381).

24 Dazu ist zunächst festzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Beschluss lediglich zum Ausdruck gebracht hat, dass eine Anspruchsberechtigung nach § 123 ASVG erlischt, sobald der Angehörige von der Möglichkeit Gebrauch macht, sich - bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen (etwa nach § 16 oder nach § 19a ASVG) - in der Krankenversicherung selbst zu versichern. Unter Bezugnahme darauf führte er aus, dass eine Anspruchsberechtigung nach § 123 ASVG „einer gesetzlichen Pflichtversicherung nicht gleichzusetzen“ ist und folglich „das Eingehen einer Selbstversicherung“ nicht ausschließt. Dass die Anspruchsberechtigung (oder die daraus entstehenden Rechtsfolgen) - wie vom Bundesverwaltungsgericht angenommen - durch eine bloße Willenserklärung beendet werden könne, geht aus diesem Beschluss hingegen nicht hervor.

25 Entgegen der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts kann Derartiges auch nicht aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 998/01 (VfSlg. 16.381), abgeleitet werden. Dieses Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes erging zu einer von einem Versicherten gegen die Vorschreibung eines Zusatzbeitrags für seine Ehefrau gemäß § 51d ASVG erhobenen Beschwerde, in der unter anderem geltend gemacht wurde, dass sich die Regelung des § 51d ASVG nicht auf den Kompetenztatbestand „Sozialversicherungswesen“ stützen könne, weil Anknüpfungspunkt der Pflichtversicherung die Erwerbstätigkeit sei und eine „Versicherungspflicht für nicht erwerbstätige Ehegatten“ daher jenseits dieses Kompetenztatbestandes liege. Der Verfassungsgerichtshof trat den in der Beschwerde aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Bedenken nicht bei. Dem Vorbringen einer Überschreitung des Kompetenztatbestandes „Sozialversicherungswesen“ hielt er in Punkt 1.2.2. des zitierten Erkenntnisses Folgendes entgegen:

„Während sich die beitragsfreie Mitversicherung als ein (bloßer) Leistungsanspruch im Krankheitsfall darstellt, wurden durch die Einführung des § 51d ASVG in den von dieser Bestimmung erfaßten Fällen (auch) beitragspflichtige Versicherungsverhältnisse im Rahmen der Krankenversicherung begründet. Will nun ein Versicherter für seinen Angehörigen die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht in Anspruch nehmen, so steht es ihm aber frei, dies dem zuständigen Krankenversicherungsträger zu melden (vgl. § 52 der vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger erlassenen Musterkrankenordnung 1999, SozSi Nr. 40/1999, wonach derjenige der Leistungen der Kasse erhält, jede Änderung der Anspruchsberechtigung für Angehörige der Kasse zu melden hat). Auch steht es dem Angehörigen frei, sich gem. § 16 ASVG in der Krankenversicherung selbst zu versichern, womit seine Angehörigeneigenschaft im Sinne des § 123 ASVG - dieser stellt nicht auf eine Pflichtversicherung, sondern nur auf eine Krankenversicherung ab - ex lege erlischt.

Es kann daher keine Rede davon sein, daß der Gesetzgeber - wie der Beschwerdeführer meint - für Angehörige von Pflichtversicherten eine von der Erwerbstätigkeit losgelöste Pflichtversicherung geschaffen hat, sodaß schon der Prämisse, aus welcher der Beschwerdeführer die Kompetenzwidrigkeit des § 51d ASVG ableiten möchte, nicht zu folgen ist.“

26 Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich den aus diesem Erkenntnis abgeleiteten Schlussfolgerungen des Bundesverwaltungsgerichts nicht an. Bedenken, dass der Gesetzgeber mit § 123 ASVG eine von der Erwerbstätigkeit „losgelöste Pflichtversicherung“ normiert hätte, welche die Grenzen des Kompetenztatbestandes Sozialversicherungswesen (Art. 10 Abs. 1 Z 11 B-VG) überschreitet, hegt der Verwaltungsgerichtshof ebenso wenig wie der Verfassungsgerichtshof. Die Unbedenklichkeit der genannten Regelung hängt aber nicht davon ab, dass sie (gemäß dem vom Bundesverwaltungsgericht vertretenen Verständnis) im Sinn der Möglichkeit eines „Opting-Out“ mittels Willenserklärung des Versicherten ausgelegt wird, für welche der Normtext des ASVG keine Anhaltspunkte bietet. Der zitierte Kompetenztatbestand beschränkt sich nämlich nicht auf die Regelung der Sozialversicherung von Personen, die selbst erwerbstätig sind (oder waren), sondern lässt darüber hinaus Regelungen für einen personellen Geltungsbereich insofern zu, als zumindest ein mittelbarer Bezug zur Erwerbstätigkeit gegeben ist, wie im Fall der Einbeziehung von Angehörigen in den Schutz der Sozialversicherung (vgl. Pfeil in Kneihs/Lienbacher [Hg], Rill-Schäffer-Kommentar Bundesverfassungsrecht Art 10 Abs 1 Z 11 B-VG Tz 13). Kompetenzrechtlich gedeckt ist die Regelung somit auch insofern, als der Bestand und das Enden der Anspruchsberechtigung für Familienangehörige des Versicherten nach § 123 ASVG ex lege und unabhängig von etwaigen Willenserklärungen des Versicherten gegenüber der ÖGK eintreten. Wie Tomandl in seiner Besprechung des zitierten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes (ZAS 2002, 54) zutreffend ausgeführt hat, hängt der Versicherungsschutz nicht von einer Meldung nach § 52 der vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger erlassenen Musterkrankenordnung ab (nunmehr § 64 Abs. 1 Z 3 der vom Hauptverband [nunmehr: Dachverband] der österreichischen Sozialversicherungsträger verlautbarten Musterkrankenordnung 2016, verlautbart unter avsv Nr. 67/2016), zumal diese keine Abmeldung, sondern nur die Meldung von Änderungen (die dann freilich zu einem Ende der Mitversicherung führen können) vorsieht. Solange der Ehegatte (hier: die eingetragene Partnerin) weder kraft Gesetzes krankenversichert ist, noch von einer Krankenfürsorgeeinrichtung eines öffentlich-rechtlichen Dienstgebers betreut wird, besteht auch die Beitragspflicht nach § 51d ASVG und kommt eine „Abmeldung“ von dieser nicht in Betracht. Zum Ende einer Mitversicherung kommt es dadurch, dass der oder die Angehörige eine Erwerbstätigkeit aufnimmt oder eine Selbstversicherung in der Krankenversicherung eingeht.

27 Im Übrigen genügt die Mitversicherung nach § 123 ASVG, um die Voraussetzung des § 11 Abs. 2 Z 3 NAG zu erfüllen (vgl. ; , 96/19/0196), mag der Mitbeteiligte auch - wie er in der Revisionsbeantwortung vorbringt - mangelhaft aufgeklärt worden sein.

28 Das angefochtene Erkenntnis war daher in Ansehung des Abspruchs über die Beitragspflicht wegen Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG und im Übrigen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

29 Der Antrag der ÖGK auf Kostenersatz war abzuweisen, weil sie gemäß § 47 Abs. 4 VwGG im Fall einer Amtsrevision nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG keinen Anspruch auf Aufwandersatz hat. Ein solcher kommt auch deswegen nicht in Betracht, weil sie selbst Rechtsträgerin im Sinn des § 47 Abs. 5 VwGG ist (vgl. , 0007, mwN).

Wien, am

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Normen
ASVG §123
ASVG §51d
B-VG Art10 Abs1 Z11
MusterkrankenO 2016 §64 Abs1 Z3
NAG 2005 §11 Abs2 Z3
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2021080121.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
YAAAF-45549