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VwGH 30.08.2022, Ra 2021/08/0085

VwGH 30.08.2022, Ra 2021/08/0085

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
RS 1
Voraussetzung der Teilversicherung nach § 8 Abs. 1 Z 4 lit. b ASVG in der Fassung vor dem ASRÄG 1997, BGBl. I Nr. 139, war neben der Pflichtmitgliedschaft in der Tierärztekammer und dem Nichtbestehen eines Dienstverhältnisses nach § 5 Abs. 1 Z 3 ASVG (somit insbesondere einer dort genannten Beschäftigung bei Gebietskörperschaften), dass die Tätigkeit als Tierärztin bzw. Tierarzt den Hauptberuf und die Hauptquelle der Einnahmen der bzw. des Versicherten war. Unter dieser Voraussetzung waren grundsätzlich auch geringe Einkünfte ausreichend, um den Pflichtversicherungstatbestand zu begründen (vgl. idS ErlRV 286 BlgNR 11. GP 12). Notwendig war allerdings, dass überhaupt ein steuerpflichtiges Einkommen erzielt wurde, sich also aus der Tätigkeit ein Überschuss der Einnahmen über die (Betriebs-)Ausgaben (bzw. Werbungskosten) ergab (vgl. zur vor dem ASRÄG 1997 gleich gelagerten Teilversicherung der freiberuflich tätigen bildenden Künstler nach § 8 Abs. 1 Z 4 lit. a ASVG ). Mit dem ASRÄG 1997 wurde durch § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG 1978 eine einheitliche Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung für alle selbständig erwerbstätigen Personen, die auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit Einkünfte im Sinn der §§ 22 Z 1 bis 3 und 5 und (oder) 23 des EStG 1988 erzielen, eingeführt und im Zuge dessen unter anderem die in § 8 Abs. 1 Z 4 lit. b ASVG für Pflichtmitglieder der Tierärztekammern angeordnete Teilversicherung aufgehoben. Weiterhin im ASVG geregelt blieb - nunmehr hinsichtlich des gesamten von § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG 1978 erfassten Personenkreises, wozu bei Erfüllung der dort genannten Voraussetzungen auch freiberuflich tätige Pflichtmitglieder der Tierärztekammern zählen - die jetzt in § 8 Abs. 1 Z 3 lit. a ASVG angeordnete Teilversicherung in der Unfallversicherung (vgl. idS zu § 8 Abs. 1 Z 4 lit. a ASVG ).
Normen
RS 2
Voraussetzung des Fortbestehens der durch das ASRÄG 1997 aufgehobenen Teilversicherung in der Kranken- und Unfallversicherung nach dem ASVG - insbesondere von freiberuflich tätigen Pflichtmitgliedern der Tierärztekammern nach § 8 Abs. 1 Z 4 lit. b ASVG - ist nach dem insoweit nicht zweifelhaften Wortlaut der Bestimmung zunächst, dass zum die Teilversicherung nach dem ASVG bestand und die Tätigkeit weiter ausgeübt wird. Darüber hinaus verlangt § 273 Abs. 6 GSVG 1978, dass aufgrund der ausgeübten Tätigkeit „nunmehr“ eine Pflichtversicherung nach dem GSVG 1978 bestünde, somit aufgrund der ausgeübten Tätigkeit die Voraussetzungen einer Pflichtversicherung nach dem GSVG 1978 erfüllt sind. Für Tierärzte kommt hinsichtlich der Pflichtversicherung nach dem GSVG 1978 der Pflichtversicherungstatbestand nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG 1978 in Betracht. Die vom Fortbestehen der Teilversicherung in der Kranken- und Unfallversicherung nach § 8 Abs. 1 Z 4 lit. b ASVG (idF vor dem ASRÄG 1997) gemäß § 273 Abs. 6 GSVG 1978 erfassten Tierärzte unterliegen somit - infolge Erfüllung der Voraussetzungen nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG 1978 - der Pensionsversicherung nach dem GSVG 1978.
Normen
RS 3
Die Teilversicherung bleibt nach dem ersten Satz des § 273 Abs. 6 GSVG 1978 aufrecht, solange die Tätigkeit weiter ausgeübt wird und „keine Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes“ eintritt. Verlangt wird somit, dass der Tatbestand, der das Fortbestehen der Teilversicherung nach dem ASVG im Sinn von § 273 Abs. 6 GSVG 1978 begründet hat, weiterhin aufrecht ist. Es müssen somit durch die ausgeübte Tätigkeit weiterhin die Voraussetzungen, die in § 8 Abs. 1 Z 4 lit. b ASVG vor dem ASRÄG 1997 für die Teilversicherung vorgesehen waren, erfüllt werden sowie weiters auch die Voraussetzungen einer Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG 1978 vorliegen. Entsprechend käme als eine Änderung des maßgeblichen Sachverhalts in diesem Sinn - neben der gänzlichen Aufgabe der Tätigkeit bzw. dem Ausscheiden aus der Pflichtmitgliedschaft in der Tierärztekammer und dem Antritt eines Dienstverhältnisses nach § 5 Abs. 1 Z 3 ASVG - insbesondere in Betracht, dass die Tätigkeit als Tierarzt nicht mehr den Hauptberuf und die Hauptquelle der Einnahmen bildet (vgl. idS zu § 8 Abs. 1 Z 4 lit. a ASVG VwGH 2005/08/0113) oder - etwa in Folge des Unterschreitens der Versicherungsgrenze - durch die Tätigkeit nicht mehr die Voraussetzungen der Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG 1978 erfüllt werden. Davon, dass durch eine Änderung des maßgeblichen Sachverhalts in diesem Sinn die Pflichtversicherung beendet wird, ordnet der zweite Satz des § 273 Abs. 6 GSVG 1978 eine Ausnahme an. Danach gilt - neben dem (durch BGBl. I Nr. 92/2010 ergänzend eingefügten) Ruhen nach § 22a K-SVFG - ein Anfall einer Pension nach dem GSVG 1978 oder einem anderen Bundesgesetz nicht als Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes. Der Anwendungsbereich der Bestimmung könnte insoweit zweifelhaft erscheinen, als die genannten Voraussetzungen des Fortbestehens der Pflichtversicherung nach § 273 Abs. 6 erster Satz GSVG 1978 allein durch den Bezug einer Pension nicht berührt werden und der Anfall einer Pension per se dem Fortbestehen der Teilversicherung nach § 8 Abs. 1 Z 4 lit. b ASVG somit nicht entgegenzustehen scheint. Aus dem Zusammenhang ergibt sich jedoch, dass auch die Auswirkungen, die sich aus dem Anfall bzw. dem Bezug der Pension ergeben, die Teilversicherung nicht beenden sollen. Daher steht auch der Umstand, dass die Pension - und nicht mehr der Bezug aus der betrieblichen Tätigkeit als Tierarzt - die Hauptquelle der Einnahmen bildet, dem Fortbestehen der Teilversicherung nach § 8 Abs. 1 Z 4 lit. b ASVG nicht entgegen. Dadurch wird erreicht, dass für freiberuflich tätige Pflichtmitglieder der Tierärztekammer, die neben ihrer Pension ihre bisherige Tätigkeit als Tierärztin bzw. Tierarzt unverändert fortsetzen, eine nach § 8 Abs. 1 Z 4 lit. b ASVG iVm. § 273 Abs. 6 GSVG 1978 bestehende Teilversicherung erhalten bleibt. Im Übrigen müssen aber auch während des Bezuges einer Pension die Voraussetzungen nach § 273 Abs. 6 erster Satz GSVG 1978 aufrecht bleiben.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie die Hofräte Mag. Stickler, Mag. Cede und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision des Mag. G L in S, vertreten durch Braunsberger-Lechner & Loos Rechtsanwälte in 4400 Steyr, Leopold-Werndl-Straße 9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , W156 2236074-1/4E, betreffend Pflichtversicherung in der Unfall- und Krankenversicherung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Österreichische Gesundheitskasse; weitere Partei Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Revisionswerber hat der Österreichischen Gesundheitskasse Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber war seit dem Jahr 1983 hauptberuflich als Tierarzt tätig und Pflichtmitglied der Tierärztekammer. Er unterlag aufgrund dieser Tätigkeit gemäß § 8 Abs. 1 Z 4 lit. b ASVG (idF vor dem ASRÄG 1997) - unstrittig jedenfalls bis  - der Kranken- und Unfallversicherung nach dem ASVG.

2 Der Revisionswerber teilte am der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) mit, er beziehe seit dem - vier Monate nach Erreichen seines 65. Lebensjahres - eine Pension nach dem GSVG. Er sei jedoch weiterhin - wenngleich nunmehr „in reduziertem Ausmaß“ - als Tierarzt tätig.

3 Mit Bescheid vom sprach die ÖGK aus, die Teilversicherung des Revisionswerbers in der Kranken- und Unfallversicherung nach dem ASVG werde wegen Wegfalls der Voraussetzungen zum „beendet“.

4 Begründend wurde ausgeführt, der Revisionswerber sei weiterhin als Tierarzt tätig, wobei sein Einkommen aus dieser Tätigkeit seit dem die Versicherungsgrenze nach dem GSVG nicht übersteige. Er unterliege daher, wie von der Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen mitgeteilt worden sei, seitdem nicht mehr der Pensionsversicherung nach dem GSVG. Damit sei aber im Sinn des § 273 Abs. 6 GSVG eine Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten, sodass die Pflichtversicherung nach § 8 Abs. 1 Z 4 lit. b ASVG (idF vor dem ASRÄG 1997) in der Kranken- und Unfallversicherung nach dem ASVG nicht mehr bestehe.

5 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab und sprach aus, die Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

6 Das Bundesverwaltungsgericht führte aus, der Revisionswerber habe wohl bis Ende Februar 2017 aufgrund seiner selbständigen Tätigkeit als Tierarzt die Voraussetzungen der Teilversicherung nach dem ASVG gemäß § 8 Abs. 1 Z 4 lit. b ASVG (gemeint idF vor dem ASRÄG 1997) iVm. § 273 Abs. 6 GSVG erfüllt. Seit dem erziele er als Tierarzt jedoch nur mehr Einkünfte unter der Versicherungsgrenze. Es treffe zu, dass dies im Sinn des § 273 Abs. 6 GSVG eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes darstelle, die zur Beendigung der Teilversicherung führe. Der Verwaltungsgerichtshof habe sich zur Auslegung des § 273 Abs. 6 GSVG schon hinsichtlich freiberuflich tätiger bildender Künstler, die nach § 8 Abs. 1 Z 4 lit. b ASVG der Pflichtversicherung unterlegen seien, geäußert (Hinweis auf ; , 2006/08/0200). Diese Rechtsprechung sei auf die vorliegende Teilversicherung nach § 8 Abs. 1 Z 4 lit. b ASVG zu übertragen.

7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Durchführung des Vorverfahrens, in dem die Österreichische Gesundheitskasse und der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Revisionsbeantwortungen erstattet haben, erwogen:

8 Zur Zulässigkeit der Revision wird zusammengefasst geltend gemacht, entgegen den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts sei eine Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes, die im Sinn des § 273 Abs. 6 GSVG zum Ende der Pflichtversicherung des Revisionswerbers nach dem ASVG führe, nicht eingetreten. Das Bundesverwaltungsgericht übergehe, dass nach dem letzten Satz des § 273 Abs. 6 GSVG der Anfall einer Pension jedenfalls keine Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes darstelle. Aus den im angefochtenen Erkenntnis zitierten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs ergebe sich insoweit zur Auslegung des § 273 Abs. 6 GSVG nichts. Es fehle daher fallbezogen Rechtsprechung zur Auslegung dieser Bestimmung.

9 Die Revision ist zulässig, weil - wie zutreffend dargelegt - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Auslegung des letzten Satzes des § 273 Abs. 6 GSVG fehlt. Die Revision ist aber nicht berechtigt.

10 Nach § 8 Abs. 1 Z 4 lit. b ASVG in der Fassung vor dem Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz 1997 (ASRÄG 1997), BGBl. I Nr. 139, unterlagen freiberuflich tätige Pflichtmitglieder der Tierärztekammern, wenn diese Tätigkeit ihren Hauptberuf und die Hauptquelle ihrer Einnahmen bildete und wenn diese Personen nicht in einem der im § 5 Abs. 1 Z 3 ASVG bezeichneten Dienstverhältnisse standen, der Pflichtversicherung (Teilversicherung) in der Kranken- und Unfallversicherung.

11 Voraussetzung der Teilversicherung nach § 8 Abs. 1 Z 4 lit. b ASVG (in der genannten Fassung) war somit neben der Pflichtmitgliedschaft in der Tierärztekammer und dem Nichtbestehen eines Dienstverhältnisses nach § 5 Abs. 1 Z 3 ASVG (somit insbesondere einer dort genannten Beschäftigung bei Gebietskörperschaften), dass die Tätigkeit als Tierärztin bzw. Tierarzt den Hauptberuf und die Hauptquelle der Einnahmen der bzw. des Versicherten war. Unter dieser Voraussetzung waren grundsätzlich auch geringe Einkünfte ausreichend, um den Pflichtversicherungstatbestand zu begründen (vgl. idS ErlRV 286 BlgNR 11. GP 12). Notwendig war allerdings, dass überhaupt ein steuerpflichtiges Einkommen erzielt wurde, sich also aus der Tätigkeit ein Überschuss der Einnahmen über die (Betriebs-)Ausgaben (bzw. Werbungskosten) ergab (vgl. zur vor dem ASRÄG 1997 gleich gelagerten Teilversicherung der freiberuflich tätigen bildenden Künstler nach § 8 Abs. 1 Z 4 lit. a ASVG ).

12 Mit dem ASRÄG 1997 wurde durch § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG eine einheitliche Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung für alle selbständig erwerbstätigen Personen, die auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit Einkünfte im Sinn der §§ 22 Z 1 bis 3 und 5 und (oder) 23 des EStG 1988 erzielen, eingeführt und im Zuge dessen unter anderem die in § 8 Abs. 1 Z 4 lit. b ASVG für Pflichtmitglieder der Tierärztekammern angeordnete Teilversicherung aufgehoben. Weiterhin im ASVG geregelt blieb - nunmehr hinsichtlich des gesamten von § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG erfassten Personenkreises, wozu bei Erfüllung der dort genannten Voraussetzungen auch freiberuflich tätige Pflichtmitglieder der Tierärztekammern zählen - die jetzt in § 8 Abs. 1 Z 3 lit. a ASVG angeordnete Teilversicherung in der Unfallversicherung (vgl. idS zu § 8 Abs. 1 Z 4 lit. a ASVG ).

13 Im vorliegenden Fall ist die zum ASRÄG 1997 ergangene Übergangsbestimmung des § 273 Abs. 6 GSVG maßgeblich. Diese lautet in der anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 92/2010:

„(6) Freiberuflich tätige bildende Künstler, freiberuflich tätige Pflichtmitglieder der Tierärztekammern und freiberuflich tätige Mitglieder der Österreichischen Dentistenkammer, die eine selbständige Erwerbstätigkeit ausüben und die am nach den zu diesem Zeitpunkt geltenden Vorschriften des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes in der Kranken- und Unfallversicherung pflichtversichert sind, nunmehr aber nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes pflichtversichert wären, bleiben weiterhin nach den genannten Vorschriften des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes in der Kranken- und Unfallversicherung pflichtversichert, so lange die selbständige Erwerbstätigkeit, welche die Pflichtversicherung nach den bisherigen Vorschriften begründet hat, weiter ausgeübt wird und keine Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes eintritt. Dabei gilt der Anfall einer Pension nach diesem oder einem anderen Bundesgesetz sowie das Ruhen nach § 22a K-SVFG nicht als Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes.“

14 Voraussetzung des Fortbestehens der durch das ASRÄG aufgehobenen Teilversicherung in der Kranken- und Unfallversicherung nach dem ASVG - insbesondere von freiberuflich tätigen Pflichtmitgliedern der Tierärztekammern nach § 8 Abs. 1 Z 4 lit. b ASVG - ist nach dem insoweit nicht zweifelhaften Wortlaut der Bestimmung somit zunächst, dass zum die Teilversicherung nach dem ASVG bestand und die Tätigkeit weiter ausgeübt wird. Darüber hinaus verlangt § 273 Abs. 6 GSVG, dass aufgrund der ausgeübten Tätigkeit „nunmehr“ eine Pflichtversicherung nach dem GSVG bestünde, somit aufgrund der ausgeübten Tätigkeit die Voraussetzungen einer Pflichtversicherung nach dem GSVG erfüllt sind. Für Tierärzte kommt hinsichtlich der Pflichtversicherung nach dem GSVG der Pflichtversicherungstatbestand nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG in Betracht.

15 Die vom Fortbestehen der Teilversicherung in der Kranken- und Unfallversicherung nach § 8 Abs. 1 Z 4 lit. b ASVG (idF vor dem ASRÄG 1997) gemäß § 273 Abs. 6 GSVG erfassten Tierärzte unterliegen somit - infolge Erfüllung der Voraussetzungen nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG - der Pensionsversicherung nach dem GSVG.

16 Die Teilversicherung bleibt nach dem ersten Satz des § 273 Abs. 6 GSVG aufrecht, solange die Tätigkeit weiter ausgeübt wird und „keine Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes“ eintritt. Verlangt wird somit, dass der Tatbestand, der das Fortbestehen der Teilversicherung nach dem ASVG im Sinn von § 273 Abs. 6 GSVG begründet hat, weiterhin aufrecht ist. Es müssen somit durch die ausgeübte Tätigkeit weiterhin die Voraussetzungen, die in § 8 Abs. 1 Z 4 lit. b ASVG vor dem ASRÄG 1997 für die Teilversicherung vorgesehen waren, erfüllt werden sowie weiters auch die Voraussetzungen einer Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG vorliegen. Entsprechend käme als eine Änderung des maßgeblichen Sachverhalts in diesem Sinn - neben der gänzlichen Aufgabe der Tätigkeit bzw. dem Ausscheiden aus der Pflichtmitgliedschaft in der Tierärztekammer und dem Antritt eines Dienstverhältnisses nach § 5 Abs. 1 Z 3 ASVG - insbesondere in Betracht, dass die Tätigkeit als Tierarzt nicht mehr den Hauptberuf und die Hauptquelle der Einnahmen bildet (vgl. idS zu § 8 Abs. 1 Z 4 lit. a ASVG nochmals VwGH 2005/08/0113) oder - etwa in Folge des Unterschreitens der Versicherungsgrenze - durch die Tätigkeit nicht mehr die Voraussetzungen der Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG erfüllt werden.

17 Davon, dass durch eine Änderung des maßgeblichen Sachverhalts in diesem Sinn die Pflichtversicherung beendet wird, ordnet der zweite Satz des § 273 Abs. 6 GSVG eine Ausnahme an. Danach gilt - neben dem hier nicht maßgeblichen (durch BGBl. I Nr. 92/2010 ergänzend eingefügten) Ruhen nach § 22a K-SVFG - ein Anfall einer Pension nach dem GSVG oder einem anderen Bundesgesetz nicht als Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes.

18 Der zweite Satz des § 273 Abs. 6 GSVG wurde im Zuge der Beratungen im parlamentarischen Ausschuss für Arbeit und Soziales eingefügt, wobei sich im Ausschussbericht (AB 912 BlgNR 20. GP) dazu keine Erläuterungen finden. Der Anwendungsbereich der Bestimmung könnte insoweit zweifelhaft erscheinen, als die genannten Voraussetzungen des Fortbestehens der Pflichtversicherung nach § 273 Abs. 6 erster Satz GSVG allein durch den Bezug einer Pension nicht berührt werden und der Anfall einer Pension per se dem Fortbestehen der Teilversicherung nach § 8 Abs. 1 Z 4 lit. b ASVG somit nicht entgegenzustehen scheint. Aus dem Zusammenhang ergibt sich jedoch, dass auch die Auswirkungen, die sich aus dem Anfall bzw. dem Bezug der Pension ergeben, die Teilversicherung nicht beenden sollen. Daher steht auch der Umstand, dass die Pension - und nicht mehr der Bezug aus der betrieblichen Tätigkeit als Tierarzt - die Hauptquelle der Einnahmen bildet, dem Fortbestehen der Teilversicherung nach § 8 Abs. 1 Z 4 lit. b ASVG nicht entgegen. Dadurch wird erreicht, dass für freiberuflich tätige Pflichtmitglieder der Tierärztekammer, die neben ihrer Pension ihre bisherige Tätigkeit als Tierärztin bzw. Tierarzt unverändert fortsetzen, eine nach § 8 Abs. 1 Z 4 lit. b ASVG iVm. § 273 Abs. 6 GSVG bestehende Teilversicherung erhalten bleibt. Im Übrigen müssen aber auch während des Bezuges einer Pension die Voraussetzungen nach § 273 Abs. 6 erster Satz GSVG aufrecht bleiben.

19 Im vorliegenden Fall hat der Revisionswerber unstrittig mit eine Pension nach dem GSVG angetreten. Diese stünde dem Fortbestehen der Teilversicherung im dargestellten Sinn auch dann nicht entgegen, wenn die Tätigkeit als Tierarzt aufgrund des Pensionsbezuges nicht mehr die Hauptquelle der Einnahmen darstellen sollte. Nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts, denen die Revision nicht entgegentritt, haben beim Revisionswerber aber die Voraussetzungen der Pflichtversicherung nach dem GSVG aufgrund seiner Tätigkeit als Tierarzt mit Ablauf des infolge Unterschreitens des Versicherungsgrenze (unterjährig; vgl. § 7 Abs. 4 Z 3 ASVG) geendet. Damit ist eine der Voraussetzungen des Fortbestehens der Pflichtversicherung nach § 273 Abs. 6 erster Satz GSVG weggefallen. Das Unterschreiten der Versicherungsgrenze wird nicht durch den Antritt der Pension bedingt und somit nicht von § 273 Abs. 6 zweiter Satz GSVG erfasst.

20 Damit ist aber das Bundesverwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass eine Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes im Sinn des § 273 Abs. 6 GSVG eingetreten ist. Der als Feststellung der Beendigung der Pflichtversicherung (Teilversicherung) des Revisionswerbers in der Kranken- und Unfallversicherung nach dem ASVG zu deutende Ausspruch ist daher zu Recht ergangen.

21 Die Revision erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

22 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

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Normen
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021080085.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
KAAAF-45545