VwGH 13.06.2023, Ra 2021/08/0032
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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RS 1 | Anhaltspunkte dafür, dass eine "teleologische Reduktion" der Anordnung des § 26 Abs. 2 AlVG 1977 dahingehend geboten sei, dass diese (im Fall der Beschäftigung in einem Saisonbetrieb) so zu lesen sei, dass "Zeiten, die für die Berechnung der Anwartschaft auf Arbeitslosengeld berücksichtigt wurden, für die Berechnung der Anwartschaft im Hinblick auf das Weiterbildungsgeld erneut berücksichtigt werden können", werden mit dem Hinweis auf § 11 Abs. 1a AVRAG 1993 sowie etwa auf den Umstand, dass einem Saisonbetrieb "Unterbrechungen immanent" seien, nicht aufgezeigt. Die - einem Saisonbetrieb immanente - "Besonderheit" von Unterbrechungen findet bei der Berechnung einer Anwartschaft bereits durch die - dem Wesen einer Rahmenfrist entsprechende - Zusammenrechnung zeitlich nicht unmittelbar aufeinander folgender Beschäftigungszeiten Berücksichtigung, sodass in dieser Hinsicht eine Gesetzeslücke nicht ersichtlich ist. Weiters trägt das Gesetz "Unterbrechungen", wie sie etwa bei Beschäftigungen in einem Saisonbetrieb auftreten, auch dadurch Rechnung, dass sich solche Unterbrechungen, wenn die (oder der) davon Betroffene während dieser Zeiten "arbeitsuchend gemeldet" war (§ 15 Abs. 1 Z 2 AlVG 1977), bei der Ermittlung der Anwartschaftszeiten rahmenfristerstreckend auswirken. Dass aber darüber hinaus eine mehrfache Berücksichtigung von Anwartschaftszeiten zu erfolgen hätte, liefe auf eine dem Gesetzeswortlaut widersprechende (und der Gesetzessystematik zuwiderlaufende) Rechtsanwendung hinaus, ohne dass die Voraussetzungen für eine Analogie oder teleologische Reduktion vorliegen (vgl. im Übrigen zum Nichtvorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung in einem solchen Fall , mwN). |
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RS 2 | Die das Arbeitslosengeld betreffenden Vorschriften und Verfahrensregelungen sind auf das Weiterbildungsgeld nur insoweit anzuwenden, als dies im § 26 Abs. 7 AlVG 1977 ausdrücklich angeordnet wird (). Nach ihrem insofern eindeutigen Wortlaut verweisen die Regelungen betreffend das Weiterbildungsgeld in § 26 Abs. 7 AlVG 1977 (unter anderem) auf die Vorschriften zum "Fortbezug" des Arbeitslosengeldes (§ 19 AlVG 1977) in der Weise, dass diese Regelung "mit der Maßgabe, daß an die Stelle des Arbeitslosengeldes das Weiterbildungsgeld tritt, anzuwenden" ist. Daraus folgt, dass nach § 19 Abs. 1 in Verbindung mit § 26 Abs. 7 AlVG 1977 ein Fortbezug von Weiterbildungsgeld vorgesehen ist, wenn das zuerkannte Weiterbildungsgeld nicht bis zur zulässigen Höchstdauer in Anspruch genommen wird (vgl. zum Fortbezug des Weiterbildungsgeldes etwa ). Dass ungeachtet dieses eindeutigen Wortlauts ein Fortbezug auch übergreifend zwischen unterschiedlichen Arten von Leistungen nach dem AlVG 1977 angeordnet wäre, ist nicht zu sehen. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Cede als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision der K N in K, vertreten durch Mag. Peterpaul Suntinger, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Pfarrplatz 17, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , G302 2206650-2/4E, betreffend Zuerkennung von Weiterbildungsgeld (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Arbeitsmarktservice Klagenfurt), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die revisionswerbende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht im Beschwerdeverfahren einen Antrag der Revisionswerberin auf Gewährung von Weiterbildungsgeld (§ 26 AlVG) wegen Nichterfüllung der erforderlichen Anwartschaft ab. Die Revision im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Bundesverwaltungsgericht für nicht zulässig. Das Verwaltungsgericht legte seinem Erkenntnis die folgenden Feststellungen zugrunde:
2 Die Revisionswerberin habe am beim AMS den Anspruch auf Zuerkennung von Weiterbildungsgeld geltend gemacht. Sie sei zuvor von bis (98 Tage) bei der F KG beschäftigt gewesen, bei der es sich um einen Saisonbetrieb im Sinne des § 53 Abs. 6 ArbVG handle, weil dieser Betrieb regelmäßig zu gewissen Zeiten des Jahres verstärkt arbeite. Von bis habe die Revisionswerberin Arbeitslosengeld bezogen.
3 In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Verwaltungsgericht diesen Sachverhalt dahingehend, dass für den Anspruch auf Weiterbildungsgeld (neben der Arbeitsfähigkeit und der Vereinbarung nach § 11 AVRAG) gemäß § 26 Abs. 1 AlVG die Erfüllung der Anwartschaft (§ 14 AlVG) erforderlich sei. Eine Anwartschaft, die bereits für die Beurteilung eines Arbeitslosen- oder Karenzgeldanspruches herangezogen worden sei, gelte aber als verbraucht und könne für den Anspruch auf Weiterbildungsgeld nicht mehr herangezogen werden (§ 26 Abs. 2 AlVG), was den Bezug von Weiterbildungsgeld im Anschluss an einen Arbeitslosengeldbezug ohne neue Anwartschaft unmöglich mache. Durch die erfolgreiche Geltendmachung von Arbeitslosengeld sei somit die dafür herangezogene Anwartschaft als verbraucht anzusehen, unabhängig davon, wie lang Arbeitslosengeld bezogen worden sei (Hinweis auf Sdoutz/Zechner, Arbeitslosenversicherungsgesetz 16. Lfg, Rz 557).
4 Die Revisionswerberin habe von bis Arbeitslosengeld bezogen. Die dafür herangezogenen Anwartschaftszeiten seien „verbraucht“ und könnten nicht noch einmal herangezogen werden. Es widerspreche auch dem Versicherungsprinzip, aus ein- und demselben Beitragszeitraum mehrere verschiedenartige Leistungen hintereinander zu erhalten. Es könnten daher nur mehr die Zeiten von bis (98 Tage), in denen die Revisionswerberin bei der F KG beschäftigt gewesen sei, für die Berechnung einer Anwartschaft herangezogen werden. Mit diesen Zeiten sei die erforderliche Anwartschaft aber nicht erfüllt.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Soweit sich das Zulässigkeitsvorbringen unter Hinweis auf die zwischen und liegenden Beschäftigungszeiten darauf beruft, dass die Revisionswerberin im Zeitpunkt der Antragstellung „Beschäftigungszeiten von 245 Tagen“, davon „98 Tage für den Zeitraum 6.3. bis “ aufgewiesen habe, ist ihr der eindeutige Inhalt der Bestimmungen des § 26 Abs. 1 und 2 AlVG entgegenzuhalten. Die Geltendmachung von Weiterbildungsgeld setzt die Erfüllung einer „Anwartschaft auf Arbeitslosengeld“ voraus (Abs. 1). Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 26 Abs. 2 AlVG können „bei der Beurteilung der Anwartschaft ... Zeiten, die für die Beurteilung der Anwartschaft auf Arbeitslosengeld ... herangezogen wurden, ... nicht nochmals berücksichtigt werden“. Dem Bundesverwaltungsgericht ist vor dem Hintergrund dieses eindeutigen Gesetzeswortlauts nicht entgegenzutreten, wenn es die für den Bezug des Arbeitslosengeldes (hier: von bis ) herangezogenen Anwartschaftszeiten als „verbraucht“ qualifiziert und deren neuerliche Heranziehung als Anwartschaft für die Geltendmachung des Weiterbildungsgeldes ablehnt.
9 Anhaltspunkte dafür, dass - wie es in der Revision geltend gemacht wird - eine „teleologische Reduktion“ der Anordnung des § 26 Abs. 2 AlVG dahingehend geboten sei, dass diese (im - hier gegebenen - Fall der Beschäftigung in einem Saisonbetrieb) so zu lesen sei, dass „Zeiten, die für die Berechnung der Anwartschaft auf Arbeitslosengeld berücksichtigt wurden, für die Berechnung der Anwartschaft im Hinblick auf das Weiterbildungsgeld erneut berücksichtigt werden können“, zeigt die Revision auch mit ihrem Hinweis auf § 11 Abs. 1a AVRAG sowie etwa auf den Umstand, dass einem Saisonbetrieb „Unterbrechungen immanent“ seien, nicht auf.
10 Die in der Revision ins Treffen geführte - einem Saisonbetrieb immanente - „Besonderheit“ von Unterbrechungen findet bei der Berechnung einer Anwartschaft bereits durch die - dem Wesen einer Rahmenfrist entsprechende - Zusammenrechnung zeitlich nicht unmittelbar aufeinander folgender Beschäftigungszeiten Berücksichtigung, sodass in dieser Hinsicht eine Gesetzeslücke nicht ersichtlich ist. Weiters trägt das Gesetz „Unterbrechungen“, wie sie etwa bei Beschäftigungen in einem Saisonbetrieb auftreten, auch dadurch Rechnung, dass sich solche Unterbrechungen, wenn die (oder der) davon Betroffene während dieser Zeiten „arbeitsuchend gemeldet“ war (§ 15 Abs. 1 Z 2 AlVG), bei der Ermittlung der Anwartschaftszeiten rahmenfristerstreckend auswirken. Dass aber - wie es die Revisionswerberin für Beschäftigte in Saisonbetrieben vertritt - darüber hinaus eine mehrfache Berücksichtigung von Anwartschaftszeiten zu erfolgen hätte, liefe auf eine dem Gesetzeswortlaut widersprechende (und der Gesetzessystematik zuwiderlaufende) Rechtsanwendung hinaus, ohne dass die Voraussetzungen für eine Analogie oder teleologische Reduktion vorliegen (vgl. im Übrigen zum Nichtvorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung in einem solchen Fall , mwN).
11 Die Zulässigkeitsbegründung der Revision beruft sich weiters auf § 19 Abs. 1 AlVG und weist darauf hin, dass nach dieser Bestimmung Arbeitslosen, die das zuerkannte Arbeitslosengeld nicht bis zur zulässigen Höchstdauer in Anspruch genommen haben, der Fortbezug des Arbeitslosengeldes für die restliche Bezugsdauer zu gewähren sei. Die Revisionswerberin habe das Arbeitslosengeld nicht bis zur zulässigen Höchstdauer in Anspruch genommen; es wäre ihr (für die Geltendmachung des Weiterbildungsgeldes) daher ein Fortbezug „zu gewähren“ und es sei keine „unverbrauchte“ Anwartschaft auf Arbeitslosengeld erforderlich. Damit wird keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgeworfen. Die das Arbeitslosengeld betreffenden Vorschriften und Verfahrensregelungen sind auf das Weiterbildungsgeld nur insoweit anzuwenden, als dies im § 26 Abs. 7 AlVG ausdrücklich angeordnet wird (). Nach ihrem insofern eindeutigen Wortlaut verweisen die Regelungen betreffend das Weiterbildungsgeld in § 26 Abs. 7 AlVG (unter anderem) auf die Vorschriften zum „Fortbezug“ des Arbeitslosengeldes (§ 19 AlVG) in der Weise, dass diese Regelung „mit der Maßgabe, daß an die Stelle des Arbeitslosengeldes das Weiterbildungsgeld tritt, anzuwenden“ ist. Daraus folgt, dass nach § 19 Abs. 1 in Verbindung mit § 26 Abs. 7 AlVG ein Fortbezug von Weiterbildungsgeld vorgesehen ist, wenn das zuerkannte Weiterbildungsgeld nicht bis zur zulässigen Höchstdauer in Anspruch genommen wird (vgl. zum Fortbezug des Weiterbildungsgeldes etwa ). Dass ungeachtet dieses eindeutigen Wortlauts ein Fortbezug auch übergreifend zwischen unterschiedlichen Arten von Leistungen nach dem AlVG angeordnet wäre, zeigt das Zulässigkeitsvorbringen nicht auf und ist auch sonst nicht zu sehen.
12 Jene Sachverhaltsannahmen, auf denen die die Beschwerdeabweisung tragenden rechtlichen Überlegungen des angefochtenen Erkenntnisses fußen (nämlich die Tatsache, dass die Revisionswerberin im Zeitraum vom bis Arbeitslosengeld bezogen hat und im Zeitraum danach von 6. März bis beschäftigt war), wurden von der Revisionswerberin im Beschwerdeverfahren selbst schriftlich vorgebracht. Ausgehend davon und vor dem Hintergrund der dargelegten (eindeutigen) Rechtslage zeigt die Revision nicht auf, dass in rechtlicher Hinsicht relevante Tatsachen strittig gewesen wären, die ein Absehen von der mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG unvertretbar erscheinen ließen.
13 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
14 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Das Kostenmehrbegehren des AMS war abzuweisen, weil ein Vorlageaufwand an die Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG in den genannten Bestimmungen keine Deckung findet.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Schlagworte | Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RA2021080032.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
NAAAF-45531