VwGH 19.03.2021, Ra 2021/08/0031
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
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RS 1 | Die Entscheidung über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG isr das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Gesamtabwägung der maßgeblich für bzw. gegen das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses sprechenden Umstände und Merkmale. Wurde diese auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen, so ist eine solche einzelfallbezogene Beurteilung im Allgemeinen nicht revisibel. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht diese Gesamtabwägung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. etwa , 0004, mwN). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision der M GmbH, vertreten durch die Quintax Gerlich-Fischer-Kopp Steuerberatungsgmbh in 5020 Salzburg, Rainbergstraße 3a, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. L511 2164428-1/28E, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Österreichische Gesundheitskasse; mitbeteiligte Partei: R S in S), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Mit dem angefochtenen, im Beschwerdeweg ergangenen Erkenntnis stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, dass der Mitbeteiligte in näher bezeichneten Zeiträumen als Dienstnehmer der revisionswerbenden Partei der Pflichtversicherung in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG und der Arbeitslosenversicherung gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterlegen sei. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
5 Der Revisionswerber erblickt entgegen diesem Ausspruch eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darin, dass die vorgenommene rechtliche Beurteilung in zahlreichen Punkten von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche. Mit Prüfung der Dienstgebereigenschaft und unter Heranziehung der einschlägigen Rechtsprechung hätte festgestellt werden müssen, dass ein versicherungspflichtiges Dienstverhältnis nach dem ASVG bzw. eine Arbeitskräfteüberlassung im Sinn des AÜG nicht vorgelegen sei. Außerdem habe das Bundesverwaltungsgericht durch Nichtanhörung von zwei Zeugen (des Mitbeteiligten und des Beschäftigers) gegen die Verpflichtung zur vollständigen Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts verstoßen.
6 Diesem Vorbringen ist entgegen zu halten, dass die Entscheidung über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Gesamtabwägung der maßgeblich für bzw. gegen das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses sprechenden Umstände und Merkmale ist. Wurde diese auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen, so ist eine solche einzelfallbezogene Beurteilung im Allgemeinen nicht revisibel. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht diese Gesamtabwägung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. etwa , 0004, mwN).
7 Dies wird in der Revision aber nicht aufgezeigt. Vielmehr erweist sich die nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffene Beurteilung, dass bei der Beschäftigung des Mitbeteiligten die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG überwogen hätten, jedenfalls als vertretbar. Auf Basis seiner Feststellungen - insbesondere betreffend eine mündliche Vereinbarung zwischen der revisionswerbenden Partei, dem Mitbeteiligten und dem Beschäftiger -, die auf einer nicht als unschlüssig zu erkennenden Beweiswürdigung beruht haben, und in der nach § 539a ASVG gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise hat das Bundesverwaltungsgericht auch ohne Rechtsirrtum die Dienstgebereigenschaft der revisionswerbenden Partei als Überlasserin im Sinn des § 35 Abs. 1 ASVG iVm. § 5 Abs. 1 AÜG bejaht. Was aber die gerügte Unterlassung von Zeugeneinvernahmen betrifft, so ist der revisionswerbenden Partei zu erwidern, dass es der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts unterliegt, ob eine Beweisaufnahme notwendig ist; eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. , mwN). Von einer derartigen Fehlbeurteilung kann hier keine Rede sein, zumal die Einvernahmen - nachdem die beiden zu vernehmenden Personen zur mündlichen Verhandlung nach ordnungsgemäßer Ladung (in einem Fall entschuldigt, im anderen Fall unentschuldigt) nicht erschienen waren - von der revisionswerbenden Partei nicht beantragt wurden.
8 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021080031.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
DAAAF-45530