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VwGH 26.03.2021, Ra 2021/08/0016

VwGH 26.03.2021, Ra 2021/08/0016

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
RS 1
Die Einstellung der Leistung gemäß § 24 Abs. 1 AlVG ist vom Ausspruch eines Anpruchsverlustes gemäß § 10 AlVG zu unterscheiden (vgl. dazu auch ). Der Ausspruch eines Anspruchsverlustes gemäß § 10 AlVG hat stets bescheidmäßig zu erfolgen; eine formlose Einstellung gemäß § 24 Abs. 1 AlVG kommt in Fällen, in denen es zu einer Rechtsfolge nach § 10 AlVG kommen soll, schon auf Grund des Wortlauts des § 24 Abs. 1 AlVG, der darauf abstellt, dass "eine der Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld wegfällt", nicht in Betracht. Das schließt allerdings nicht aus, dass die Auszahlung der Leistung schon vor der Erlassung eines Bescheides für den Mindestzeitraum des Anspruchsverlusts von sechs bzw. (im Wiederholungsfall) acht Wochen ausgesetzt wird, bestimmt doch § 10 AlVG, dass die arbeitslose Person den Anspruch für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung folgenden sechs bzw. acht Wochen, "verliert". Der Anspruchsverlust tritt nach diesem Konzept ex lege ein und ist mit dem aus Rechtsschutzgründen und im Hinblick auf eine mögliche Nachsicht nach § 10 Abs. 3 AlVG jedenfalls zu erlassenden Bescheid festzustellen. Ein konstitutiv wirkender Bescheid käme hingegen - setzt man die zeitlichen Erfordernisse eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens voraus - regelmäßig zu spät, um eine Bezugssperre ab dem Zeitpunkt der Pflichtverletzung bewirken zu können, zumal es in diesem Zusammenhang auch an einer gesetzlichen Grundlage für eine Verpflichtung zur Rückzahlung bereits erhaltener Bezüge fehlt. Die Auszahlung der in Anwendung des § 10 Abs. 1 AlVG zunächst einbehaltenen Leistung hat rückwirkend zu erfolgen, sobald entweder geklärt ist, dass die Voraussetzungen für den Anspruchsverlust nicht vorliegen oder der Beschwerde gegen den einen Anspruchsverlust aussprechenden Bescheid aufschiebende Wirkung zukommt.
Norm
RS 2
Vom Arbeitslosen wären die weiteren im Bewerbungsverfahren erforderlichen Schritte zu setzen gewesen, um mit der potentiellen Arbeitgeberin die tatsächlichen Anforderungen des Arbeitsplatzes und seine Eignung dafür zu klären (vgl. in diesem Sinn etwa , Rn. 15 ff, mwN).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision des A G in S, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/2/23, gegen das am  mündlich verkündete und am schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts Zl. G302 2224994-1/12E, betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Voitsberg), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem angefochtenen, im Beschwerdeweg ergangenen Erkenntnis wurde ausgesprochen, dass der Revisionswerber gemäß § 38 iVm § 10 AlVG für den Zeitraum von bis den Anspruch auf Notstandshilfe verloren habe, weil er es unterlassen habe, zum Vorstellungsgespräch für eine angebotene Stelle als Abwäscher mit möglicher Arbeitsaufnahme am zu erscheinen, und damit das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses vereitelt habe.

5 Das Bundesverwaltungsgericht sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

6 Der Revisionswerber erblickt entgegen diesem Ausspruch eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zunächst darin, dass sein Leistungsbezug in einem ersten Schritt formlos mit einer Mitteilung gemäß § 24 AlVG eingestellt worden sei, der von ihm in der Folge beantragte Bescheid aber entgegen § 24 Abs. 1 4. Satz AlVG nicht fristgerecht binnen vier Wochen ergangen sei. Es gebe keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage, ob nach Ablauf der vierwöchigen Frist noch ein Bescheid erlassen werden könne.

7 Darauf ist zu erwidern, dass die Einstellung der Leistung gemäß § 24 Abs. 1 AlVG vom Ausspruch eines Anpruchsverlustes gemäß § 10 AlVG zu unterscheiden ist (vgl. dazu auch ); das AMS hat sich im vorliegenden Fall auch nicht auf § 24 Abs. 1 AlVG berufen. Der Ausspruch eines Anspruchsverlustes gemäß § 10 AlVG hat stets bescheidmäßig zu erfolgen; eine formlose Einstellung gemäß § 24 Abs. 1 AlVG kommt in Fällen, in denen es zu einer Rechtsfolge nach § 10 AlVG kommen soll, schon auf Grund des Wortlauts des § 24 Abs. 1 AlVG, der darauf abstellt, dass „eine der Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld wegfällt“, nicht in Betracht.

8 Das schließt allerdings - wie der Vollständigkeit halber anzumerken ist - nicht aus, dass die Auszahlung der Leistung schon vor der Erlassung eines Bescheides für den Mindestzeitraum des Anspruchsverlusts von sechs bzw. (im Wiederholungsfall) acht Wochen ausgesetzt wird, bestimmt doch § 10 AlVG, dass die arbeitslose Person den Anspruch für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung folgenden sechs bzw. acht Wochen, „verliert“. Der Anspruchsverlust tritt nach diesem Konzept ex lege ein und ist mit dem aus Rechtsschutzgründen und im Hinblick auf eine mögliche Nachsicht nach § 10 Abs. 3 AlVG jedenfalls zu erlassenden Bescheid festzustellen. Ein konstitutiv wirkender Bescheid käme hingegen - setzt man die zeitlichen Erfordernisse eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens voraus - regelmäßig zu spät, um eine Bezugssperre ab dem Zeitpunkt der Pflichtverletzung bewirken zu können, zumal es in diesem Zusammenhang auch an einer gesetzlichen Grundlage für eine Verpflichtung zur Rückzahlung bereits erhaltener Bezüge fehlt. Die Auszahlung der in Anwendung des § 10 Abs. 1 AlVG zunächst einbehaltenen Leistung hat rückwirkend zu erfolgen, sobald entweder geklärt ist, dass die Voraussetzungen für den Anspruchsverlust nicht vorliegen oder der Beschwerde gegen den einen Anspruchsverlust aussprechenden Bescheid aufschiebende Wirkung zukommt.

9 Der Revisionswerber beruft sich unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung weiters darauf, dass er am Tag des Vorstellungsgesprächs krankheitsbedingt verhindert gewesen sei, wofür er auch eine ärztliche Bestätigung vorgelegt habe. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dürfe eine arbeitslose Person, solange sie infolge Krankheit arbeitsunfähig im Sinn des § 138 ASVG sei, nicht zu einer Bewerbung verhalten werden. Dies müsse umso mehr für ein Vorstellungsgespräch gelten, aber auch für andere in diesem Zusammenhang zu treffende „Aktivitäten und Veranlassungen“.

10 Damit bezieht sich der Revisionswerber offenbar darauf, dass das Bundesverwaltungsgericht ihm zwar nicht die Unterlassung der Wahrnehmung des Vorstellungsgesprächs, sehr wohl aber das Unterbleiben einer rechtzeitigen Entschuldigung zum Vorwurf gemacht hat, da er die potentielle Arbeitgeberin erst zwei Tage nach dem Vorstellungstermin kontaktiert hatte. Dass dem Revisionswerber eine frühere Kontaktaufnahme trotz seiner Erkrankung möglich gewesen wäre, hat das Bundesverwaltungsgericht aber auf Grund einer nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung vorgenommenen, jedenfalls nicht als unschlüssig zu erkennenden Beweiswürdigung bejaht. Auf Basis dieser Feststellungen war davon auszugehen, dass der Revisionswerber zumutbare Schritte zum Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses unterlassen und dieses dadurch im Sinn des § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG vereitelt hatte.

11 Soweit der Revisionswerber schließlich noch vorbringt, dass für die angebotene Beschäftigung laut Stellenausschreibung „Reinigungserfahrung“ erforderlich gewesen wäre, die ihm jedoch fehle, ist ihm entgegenzuhalten, dass der betreffende Punkt im Anforderungsprofil „Praxis wäre von Vorteil, Reinigungserfahrung“ lautete. Vor dem Hintergrund dieser Formulierung konnte nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei der genannten Vorerfahrung um eine zwingende Voraussetzung für die Tätigkeit als Abwäscher handelte, die - wie der Revisionswerber meint - einer Zuweisung der Beschäftigung an ihn entgegengestanden wäre. Vielmehr wären vom Revisionswerber die weiteren im Bewerbungsverfahren erforderlichen Schritte zu setzen gewesen, um mit der potentiellen Arbeitgeberin die tatsächlichen Anforderungen des Arbeitsplatzes und seine Eignung dafür zu klären (vgl. in diesem Sinn etwa , Rn. 15 ff, mwN).

12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am

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Fundstelle(n):
WAAAF-45528