VwGH 13.09.2021, Ra 2021/06/0126
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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RS 1 | Dem klaren Wortlaut des § 7a Z 1 BauPolG Slbg 1997 iVm § 3 Abs. 3 Slbg BauTG 2015 zufolge können Nachbarn unzumutbare Belästigungen auf ihrem Grundstück als subjektiv-öffentliche Rechte geltend machen. Ob mögliche Immissionen als zumutbar oder als unzumutbar zu beurteilen sind, kann erst nach einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Vorbringen beurteilt werden. Es trifft zu, dass Nachbarn kein subjektiv-öffentliches Recht hinsichtlich der Versickerung und Ableitung von Niederschlagswässern zukommt. Im vorliegenden Verfahren brachten die revisionswerbenden Parteien jedoch unstrittig rechtzeitig die Einwendung der möglichen Beeinträchtigung ihres Grundstückes durch Wassereintritte aufgrund der Situierung der Sickerschächte - und somit Belästigungen auf ihrem Grundstück - vor. Daher ist die Unterscheidung zwischen den Maßnahmen der Versickerung oder Ableitung von Niederschlagswässern einerseits und dadurch möglicherweise verursachten Einwirkungen auf Nachbargrundstücke andererseits relevant. Der VwGH führte diesbezüglich zur Rechtslage in Oberösterreich bereits mehrfach (vgl. etwa ; , 2000/05/0154; , 97/05/0143; , 93/05/0157) aus, einem Nachbarn stehe hinsichtlich Anlagen zur Beseitigung von Niederschlagswässern und Abwässern insoweit ein subjektiv-öffentliches Recht zu, als damit Immissionen, also schädliche Einflüsse auf sein Grundstück, zur Debatte stünden; sofern Niederschlagswässer bei der Ableitung von einem Grundstück mittels einer baulichen Anlage auf das Nachbargrundstück gelangen könnten, bestehe demgemäß ein Mitspracherecht des Nachbarn. |
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RS 2 | Das Erkenntnis vom , 98/06/0158, enthält Aussagen zu der Veränderung der natürlichen Abflussverhältnisse und Versickerungsgegebenheiten betreffend Niederschlagswässer aus dem Blickwinkel der §§ 39, 60 und 34 Slbg BauTG 1976 idF LGBl. Nr. 26/1994 aufgrund einer Veränderung der Höhenlage eines Bauvorhabens am Hang. Der VwGH verneinte ein Nachbarrecht im Hinblick auf das Abfließen atmosphärischer Niederschläge und der Abwasserbeseitigung, nicht jedoch betreffend ein vermehrtes Zufließen von Oberflächenwässern auf das Nachbargrundstück aufgrund der Veränderung der Höhenlage. Aus dem in Rede stehenden Erkenntnis lässt sich somit nicht ableiten, dass ein Nachbar betreffend Emissionen aus einer Anlage zur Abwasserbeseitigung, die Immissionen auf seinem Grundstück verursachen könnte, kein subjektiv-öffentliches Recht geltend machen könnte. Dies ergibt sich auch nicht aus § 7a Slbg BauPolG 1997. |
Entscheidungstext
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2021/06/0127
Ra 2021/06/0128
Ra 2021/06/0129
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Anträge 1. des C, 2. der B, 3. des R und 4. der S, alle vertreten durch Mag. Alfred Hütteneder und Mag. Michaela Hütteneder-Estermann, Rechtsanwälte in 5600 St. Johann/Pongau, Hauptstraße 41, den gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom , 405-3/824/1/19-2021, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Gemeinde F, vertreten durch Mag. Friedrich Kühleitner, Mag. Franz Lochbichler, Rechtsanwälte in 5630 Bad Hofgastein, Salzburgerstraße 3; weitere Partei: Salzburger Landesregierung; mitbeteiligte Parteien: 1. A und 2. J, beide vertreten durch Dr. Gerhard Lebitsch, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Rudolfskai 48), erhobenen Revisionen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird den Anträgen nicht stattgegeben.
Begründung
1 Im vorliegenden Antrag wird als unverhältnismäßiger Nachteil für die revisionswerbenden Parteien vorgebracht, die Ausführung des bewilligten Bauprojektes würde die geländebedingte Ableitung der Oberflächen- und Niederschlagswässer auf die unterliegenden Liegenschaften der revisionswerbenden Parteien bedingen; dadurch könnte das Risiko einer Hangdurchfeuchtung, einer Beeinträchtigung der Bausubstanz des Wohnhauses sowie Rutschungen nicht ausgeschlossen werden. Darüber hinaus bestehe die Gefahr vermögensrechtlicher Nachteile im Fall der erweiterten Kostentragung für die Kanalanlage, weil die Anlage durch die Zuleitung der mitbeteiligten Parteien Mehrkosten verursache.
2 Dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung treten sowohl die mitbeteiligten Parteien als auch die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht entgegen. Letztere verweist insbesondere auf das Vorliegen öffentlicher Interessen an der Sanierung der mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau vom rechtskräftig bewilligten Abwasserregulierung im Bereich des Güterweges G., wodurch eine Verbesserung u.a. auch für die Liegenschaft der revisionswerbenden Parteien verbunden wäre. Eine erweiterte Kostentragung durch die revisionswerbenden Parteien sei - so die Behörde sowie die mitbeteiligten Parteien - nicht zu befürchten (Hinweis auf die beigefügte privatrechtliche Vereinbarung vom ).
3 Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
4 Vorweg ist festzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof in dem die aufschiebende Wirkung der Revision betreffenden Verfahren die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erkenntnisses nicht zu prüfen hat, sondern einzig die Auswirkung eines (möglichen) sofortigen Vollzuges dieses Erkenntnisses.
5 Abgesehen von dem geltend gemachten öffentlichen Interesse an der Sanierung der mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau vom rechtskräftig bewilligten Abwasserregulierung im Bereich des Güterweges G. hätten im Falle des Obsiegens der revisionswerbenden Parteien allein die mitbeteiligten Bauwerber die Folgen einer dann allenfalls eingetretenen Konsenslosigkeit eines inzwischen ausgeführten Baues und die damit verbundenen finanziellen Nachteile zu tragen. Es ist nicht erkennbar, dass durch die Ausübung der Berechtigung für die Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ein unverhältnismäßiger Nachteil auf Seiten der revisionswerbenden Parteien zu erwarten ist (vgl. etwa , mwN).
6 Dem Antrag musste daher ein Erfolg versagt bleiben.
Wien, am
Entscheidungstext
Entscheidungsart: Erkenntnis
Entscheidungsdatum:
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma, die Hofrätinnen Mag.a Merl und Mag. Rehak, den Hofrat Mag. Haunold sowie die Hofrätin Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision 1. des C B, 2. der B B, 3. des R B und 4. der S B, alle in M, alle vertreten durch Mag. Alfred Hütteneder und Mag. Michaela Hütteneder-Estermann, Rechtsanwälte in 5600 St. Johann/Pongau, Hauptstraße 41, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom , 405-3/824/1/19-2021, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Gemeinde Filzmoos, vertreten durch Mag. Friedrich Kühleitner und Mag. Franz Lochbichler, Rechtsanwälte in 5620 Schwarzach im Pongau, Marktplatz 2; weitere Partei: Salzburger Landesregierung; mitbeteiligte Parteien: 1. A R und 2. J R, beide vertreten durch Dr. Gerhard Lebitsch, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Rudolfskai 48), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Gemeinde Filzmoos hat den revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Eingabe vom beantragten die mitbeteiligten Parteien die Erteilung einer Baubewilligung für den Neubau eines Wohnhauses mit drei Wohneinheiten samt PKW-Parkdeck und Tiefgarage auf einem näher genannten Grundstück in der KG F.
2 Die revisionswerbenden Parteien sind Nachbarn im Sinn des § 7 Abs. 1 Z 1 lit. a Salzburger Baupolizeigesetz 1997 (BauPolG) und erhoben fristgerecht Einwendungen. Sie brachten unter anderem vor, aufgrund der Situierung der Sickerschächte sei nicht auszuschließen, dass es wegen der Bodenbeschaffenheit zu einer Beeinträchtigung ihres Grundstückes durch Wassereintritte komme.
3 Nach Durchführung der Bauverhandlung legten die mitbeteiligten Parteien sodann die Projektunterlagen vom betreffend die Ableitung von häuslichen Abwässern und Niederschlagswässern (im Folgenden kurz: Kanalprojekt) vor und beantragten dafür eine Bewilligung gemäß § 2 Abs. 1 Z 2 BauPolG.
4 Der Bürgermeister der Gemeinde F (Behörde) erteilte mit Bescheid vom die beantragte Baubewilligung für den Wohnhausneubau; das Kanalprojekt wurde vidiert und es wurde vermerkt, dass dieses dem Baubewilligungsbescheid zugrunde liege.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Salzburg (LVwG) die Beschwerde der revisionswerbenden Parteien gegen den Baubewilligungsbescheid mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass der Spruchpunkt I des Bescheides vom insofern ergänzt werde, als die Einwendungen der revisionswerbenden Parteien „betreffend Ableitung und Versickerung von Oberflächenwässern und damit befürchteten Beeinträchtigungen [...] als unzulässig zurückgewiesen“ werden.
Weiters sprach das LVwG aus, dass die ordentliche Revision unzulässig sei.
Dies begründete das LVwG - soweit für das gegenständliche Verfahren relevant - zusammengefasst damit, dass Nachbarn der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge kein subjektiv-öffentliches Recht in Zusammenhang mit dem Abfließen oder Versickern atmosphärischer Abwässer zukomme (Hinweis auf ). Auch in Zusammenhang mit dem geltend gemachten Belästigungsschutz gemäß § 3 Abs. 3 Bautechnikgesetz (BauTG) werde den revisionswerbenden Parteien im Hinblick auf den Abfluss von atmosphärischen Niederschlägen kein subjektiv-öffentliches (Abwehr) Recht eingeräumt, weil der Abfluss von atmosphärischen Niederschlägen keine Belästigung darstelle (Hinweis nochmals auf VwGH 98/06/0158; sowie Giese, Salzburger Baurecht2 § 7a BauPolG Rz 3 und 6 sowie § 3 BauTG Rz 17). Die Aufzählung der subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte in § 7a BauPolG sei taxativ; § 16 BauTG betreffend die Abwasserbeseitigung sei davon nicht umfasst, daher begründeten Fragen der Abwasserbeseitigung ebenfalls keine subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte (Hinweis auf ). Die von den revisionswerbenden Parteien ins Treffen geführte Entscheidung , zur oberösterreichischen Rechtslage sei in Anbetracht des Erkenntnisses , und der taxativen Aufzählung der bautechnischen Nachbarrechte in § 7a BauPolG nicht anwendbar.
Mangels eines Mitspracherechtes zu Fragen der Ableitung oder Versickerung von atmosphärischen Niederschlägen oder Abwässern seien die revisionswerbenden Parteien durch die Vorlage des Kanalprojektes erst nach der Bauverhandlung „in keiner Weise betroffen“. Aus dem Kanalprojekt sei nicht ersichtlich, inwieweit die revisionswerbenden Parteien „überhaupt nachteilig betroffen sein könnten“, was von diesen auch nicht behauptet werde. Daher sei „auch bei einer anzunehmenden nachträglichen Änderung des Bauantrages (Projektergänzung durch Vorlage eines Kanalprojektes) die Präklusion der [revisionswerbenden Parteien] weiterhin anzunehmen“, weil durch die Projektergänzung die Möglichkeit der Beeinträchtigung subjektiv-öffentlicher Nachbarrechte im Vergleich zu dem vor der Kundmachung erfassten Projekt in einer die revisionswerbenden Parteien belastenden Weise nicht verändert worden sei. Ein weiteres Parteiengehör sei daher nicht erforderlich gewesen.
Infolge der Fiktion des § 59 Abs. 1 AVG seien die Einwendungen der revisionswerbenden Parteien betreffend die Oberflächenentwässerung mit der Erteilung der Baubewilligung meritorisch miterledigt worden. Dadurch, dass die Behörde die Einwendungen abgewiesen habe, seien die revisionswerbenden Parteien nicht in Rechten verletzt worden. Eine entsprechende Spruchkorrektur sei jedoch zur Klarstellung der verfahrensrechtlichen Position der revisionswerbenden Parteien vorzunehmen gewesen.
6 In der dagegen erhobenen außerordentlichen Revision wurde vorgebracht, das angefochtene Erkenntnis leide unter einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit, und es wurde die Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof beantragt.
7 Die Behörde und die mitbeteiligten Parteien beantragten in ihren Revisionsbeantwortungen jeweils die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Revision.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
8 Die Revision ist angesichts der in der Zulässigkeitsbegründung aufgeworfenen Rechtsfrage, ob Nachbarn gemäß § 7a Z 1 BauPolG iVm § 3 Abs. 3 BauTG ein Nachbarrecht insofern geltend machen können, als durch Anlagen zur Beseitigung von Niederschlagswässern Belästigungen auf ihrem Grundstück zu erwarten sind, zulässig.
9 § 7a Salzburger Baupolizeigesetz 1997 (BauPolG), LGBl. Nr. 40/1997LGBl. Nr. 19/2018, lautet auszugsweise:
„Bautechnische Nachbarrechte
§ 7a
Folgende bautechnische Bestimmungen stellen für Nachbarn subjektiv-öffentliche Rechte im Baubewilligungsverfahren dar:
1. § 3 Abs 3 BauTG hinsichtlich der Vermeidung unzumutbarer Belästigungen; dabei gelten Emissionen, die mit Wohnnutzungen einhergehen oder von Kindern in Schulen, Kindergärten, Horten und Tagesbetreuungseinrichtungen odgl typischerweise verursacht werden, als zumutbar;
2. ...“
10 § 3 Salzburger Bautechnikgesetz 2015 (BauTG), LGBl. Nr. 1/2016, lautet auszugsweise:
„Allgemeine Anforderungen
§ 3
(1) Bauliche Anlagen müssen in ihrer Gesamtheit, unabhängig ob für ihre Errichtung eine baurechtliche Bewilligung, Anzeige odgl erforderlich ist, in allen Teilen so errichtet, gestaltet und ausgestattet sein, dass sie nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der technischen Wissenschaften der Bauaufgabe gerecht werden und im Hinblick auf ihren Verwendungszweck, ihre Größe und die örtlichen Verhältnisse den Anforderungen folgender Gesichtspunkte entsprechen:
...
(3) Bauliche Anlagen sind so zu planen und auszuführen, dass ihre Verwendung keine unzumutbaren Belästigungen der Nachbarn erwarten lässt.
(4) ...“
11 Durch die Änderung des Spruches des Bewilligungsbescheides vom durch die Maßgabebestätigung im angefochtenen Erkenntnis wurden die Einwendungen der revisionswerbenden Parteien betreffend Ableitung und Versickerung von Oberflächenwässer und damit befürchtete Beeinträchtigungen zurückgewiesen. Im Hinblick auf das Zulässigkeitsvorbringen der Revision war im vorliegenden Verfahren nur zu beurteilen, ob diese Zurückweisung rechtens war und nicht, ob mögliche Belästigungen auf deren Grundstück zumutbar sind.
12 Dem klaren Wortlaut des § 7a Z 1 BauPolG iVm § 3 Abs. 3 BauTG zufolge können Nachbarn unzumutbare Belästigungen auf ihrem Grundstück als subjektiv-öffentliche Rechte geltend machen. Ob mögliche Immissionen als zumutbar oder als unzumutbar zu beurteilen sind, kann erst nach einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Vorbringen beurteilt werden.
13 Es trifft zu - und wird von den revisionswerbenden Parteien auch nicht bestritten -, dass Nachbarn kein subjektiv-öffentliches Recht hinsichtlich der Versickerung und Ableitung von Niederschlagswässern zukommt. Im vorliegenden Verfahren brachten die revisionswerbenden Parteien jedoch unstrittig rechtzeitig die Einwendung der möglichen Beeinträchtigung ihres Grundstückes durch Wassereintritte aufgrund der Situierung der Sickerschächte - und somit Belästigungen auf ihrem Grundstück - vor. Daher ist die Unterscheidung zwischen den Maßnahmen der Versickerung oder Ableitung von Niederschlagswässern einerseits und dadurch möglicherweise verursachten Einwirkungen auf Nachbargrundstücke andererseits relevant.
14 Der Verwaltungsgerichtshof führte diesbezüglich zur Rechtslage in Oberösterreich bereits mehrfach (vgl. etwa ; , 2000/05/0154; , 97/05/0143; , 93/05/0157) aus, einem Nachbarn stehe hinsichtlich Anlagen zur Beseitigung von Niederschlagswässern und Abwässern insoweit ein subjektiv-öffentliches Recht zu, als damit Immissionen, also schädliche Einflüsse auf sein Grundstück, zur Debatte stünden; sofern Niederschlagswässer bei der Ableitung von einem Grundstück mittels einer baulichen Anlage auf das Nachbargrundstück gelangen könnten, bestehe demgemäß ein Mitspracherecht des Nachbarn.
15 Das LVwG beurteilte diese Rechtsprechung als nicht auf die Rechtslage in Salzburg übertragbar und begründete dies mit dem hg. Erkenntnis vom , 98/06/0158, sowie der taxativen Aufzählung der Nachbarrechte in § 7a BauPolG.
Diese Begründung überzeugt nicht. Das genannte Erkenntnis enthält Aussagen zu der Veränderung der natürlichen Abflussverhältnisse und Versickerungsgegebenheiten betreffend Niederschlagswässer aus dem Blickwinkel der §§ 39, 60 und 34 BauTG idF LGBl. Nr. 26/1994 aufgrund einer Veränderung der Höhenlage eines Bauvorhabens am Hang. Der Verwaltungsgerichtshof verneinte ein Nachbarrecht im Hinblick auf das Abfließen atmosphärischer Niederschläge und der Abwasserbeseitigung, nicht jedoch betreffend ein vermehrtes Zufließen von Oberflächenwässern auf das Nachbargrundstück aufgrund der Veränderung der Höhenlage. Diesbezüglich wurde auf die inhaltliche Auseinandersetzung der Berufungsbehörde auf Basis eines eingeholten Sachverständigengutachtens verwiesen, welches die Beschwerdeführer nicht hätten entkräften können. Aus dem in Rede stehenden Erkenntnis lässt sich somit - entgegen der vom LVwG vertretenen Ansicht - nicht ableiten, dass ein Nachbar betreffend Emissionen aus einer Anlage zur Abwasserbeseitigung, die Immissionen auf seinem Grundstück verursachen könnte, kein subjektiv-öffentliches Recht geltend machen könnte. Dies ergibt sich - wie bereits in Rn. 11 ausgeführt wurde - auch nicht aus § 7a BauPolG.
16 Für den vorliegenden Fall bedeutet das, dass die revisionswerbenden Parteien mit ihren Einwendungen der möglichen Beeinträchtigung ihres Grundstückes durch Wassereintritte aufgrund der Situierung der Sickerschächte ein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht im Sinn des § 7a Z 1 BauPolG iVm § 3 Abs. 3 BauTG geltend machten und ihre Parteistellung nicht durch Präklusion verloren.
17 Die Maßgabebestätigung des Bescheides vom dahingehend, dass die Einwendungen der revisionswerbenden Parteien betreffend die auch im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses angeführten „befürchteten Beeinträchtigungen“ als unzulässig zurückgewiesen wurden, erweist sich somit als rechtswidrig.
18 Das LVwG merkte „[i]m Übrigen“ zwar an, aus dem Kanalprojekt sei nicht ersichtlich, inwieweit die revisionswerbenden Parteien „überhaupt nachteilig betroffen sein könnten“, was von diesen auch nicht behauptet werde. Aus dieser Formulierung kann jedoch - entgegen der von der Behörde in der Revisionsbeantwortung vertretenen Ansicht - nicht abgeleitet werden, das LVwG hätte die Einwendungen der revisionswerbenden Parteien inhaltlich geprüft. Ein Vergreifen im Ausdruck (Zurückweisung statt Abweisung) ist aufgrund der klaren Formulierungen im angefochtenen Erkenntnis auszuschließen. Im fortzusetzenden Verfahren wird daher - unter Berücksichtigung des zwischenzeitlich vorgelegten Kanalprojektes - inhaltlich auf die Einwendungen der revisionswerbenden Parteien einzugehen sein.
19 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
20 Die Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG unterbleiben.
21 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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Norm | VwGG §30 Abs2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021060126.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
OAAAF-45509