VwGH 28.06.2021, Ra 2021/06/0048
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Norm | AVG §33 Abs3 |
RS 1 | Der Einwurf einer Sendung in eine einem Briefkasten insofern gleichzuhaltende Postbox löst den Postlauf am selben Tag ebenfalls nur dann aus, wenn auf der Postbox der Vermerk angebracht ist, dass diese noch am selben Tag ausgehoben werde. Wird die Sendung noch vor Ende des Tages, aber nach der letzten Aushebung in die Postbox eingeworfen, so wird die Übergabe an die Post nicht an diesem Tag bewirkt (vgl. , betreffend Einwurf in einen Briefkasten). Die Postbox ist aufgrund der auf ihr bekannt gegebenen Schlusszeiten insofern einem Briefkasten gleichzuhalten. Das Einscannen des Einschreibeetikettes und der Ausdruck der "Aufgabeinformationen" sind in diesem Zusammenhang darüber hinaus auch deshalb nicht als "Übergabe" an die Post bzw. als "in Behandlung nehmen" durch die Post zu qualifizieren, weil es für diese Vorgänge nach den unbestritten gebliebenen Feststellungen des Verwaltungsgerichtes nicht erforderlich ist, dass das aufzugebende Schriftstück den Verfügungsbereich des Absenders tatsächlich verlässt. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ro 2017/17/0008 B RS 4 (hier: nur der erste Satz) |
Norm | AVG §33 Abs3 |
RS 2 | Nicht zutreffend ist die Rechtsansicht, es komme nur darauf an, dass das Schriftstück am letzten Tag "in die Sphäre der Post" gelangt sei, vielmehr ist für die Frage der Rechtzeitigkeit einer Briefsendung entscheidend, zu welchem Zeitpunkt der Postlauf ausgelöst, d.h die Sendung vom Zustelldienst, hier: der Post, in Behandlung genommen wurde (vgl. etwa , bis 0013, und , Ra 2017/17/0014, sowie ebenfalls , jeweils mwN). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie die Hofrätinnen Mag.a Merl und Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber BA, über die Revision der UmweltorganisationV in W, vertreten durch Dr. Heinrich Vana, MAS, Rechtsanwalt in 1020 Wien, Taborstraße 10/2, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom , W248 2236053-1/19Z, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde wegen Verspätung und Nichtstattgabe eines Wiedereinsetzungsantrages in einem Verfahren nach dem UVP-G 2000 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Steiermärkische Landesregierung; mitbeteiligte Partei: Stadt Graz, vertreten durch die Neger/Ulm Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Parkstraße 1), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Bundesverwaltungsgericht (in der Folge: BVwG) die Beschwerde der revisionswerbenden Partei gegen einen näher genannten Genehmigungsbescheid der belangten Behörde nach dem UVP-G 2000 als verspätet zurück und gab deren Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist nicht statt.
2 Dazu hielt das BVwG, soweit hier entscheidungsrelevant, Folgendes fest: Bei der revisionswerbenden Partei handle es sich um eine anerkannte Umweltorganisation. Mit Bescheid der belangten Behörde vom sei der mitbeteiligten Partei eine näher bezeichnete Bewilligung nach dem UVP-G 2000 erteilt worden; dieser Bescheid sei am per Edikt kundgemacht worden, gemäß § 17 Abs. 7 UVP-G 2000 sei zwei Wochen danach, d.h. am , die Zustellwirkung eingetreten. Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde habe daher in Anwendung des § 32 Abs. 2 AVG am geendet. Am um 23.27 Uhr habe die revisionswerbende Partei gegen den Bewilligungsbescheid vom per E-Mail Beschwerde an ein näher genanntes E-Mail Postfach der belangten Behörde erhoben; weiters sei am um 23.46 Uhr unter Benützung einer Postversandbox in einer näher genannten Postfiliale in Wien eine Ausfertigung der Beschwerde in Papierform an die belangte Behörde versendet worden. Die Postversandbox entspreche in ihrer Funktion einem Briefkasten, biete aber zusätzlich die Möglichkeit, die Gebührenentrichtung direkt zu erledigen. Laut Homepage der betreffenden Postfiliale seien ihre Öffnungszeiten Montag bis Freitag 8.00 Uhr bis 18.00 Uhr. Die belangte Behörde habe weiters in ihrem näher genannten Internetauftritt technische Voraussetzungen und organisatorische Beschränkungen des elektronischen Verkehrs zwischen ihr und den Beteiligten bekannt gemacht; darauf sei in der Rechtsmittelbelehrung des Bewilligungsbescheides vom hingewiesen worden.
3 In rechtlicher Hinsicht führte das BVwG zu der per E-Mail eingebrachten Beschwerde aus, die Amtsstunden der belangten Behörde seien laut deren Internetauftritt mit „Montag bis Donnerstag 8.00 Uhr bis 15.00 Uhr“ und „Freitag 8.00 Uhr bis 12.30 Uhr“ festgelegt. Die am um 23.27 Uhr per E-Mail eingebrachte Beschwerde erweise sich daher als verspätet.
4 Zu der in Papierform per Post eingebrachten Beschwerde begründete das BVwG, die (näher genannte) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stelle für die Rechtzeitigkeit einer fristgebundenen Briefsendung auf den Zeitpunkt ab, zu dem die Sendung in postalische Behandlung genommen und damit der Postlauf ausgelöst worden sei. Entscheidend sei nicht der Zeitpunkt des Einwurfes der Briefsendung in einen Briefkasten, sondern der Zeitpunkt, in dem der Briefkasten geleert und damit die Sendung von der Post in Behandlung genommen werde. Nichts anderes könne gelten, wenn die Sendung nicht in einen Briefkasten geworfen, sondern außerhalb der Dienstzeiten in eine Versandbox eingelegt werde. Werde auf einem Briefkasten ein Entleerungszeitpunkt angegeben, gelte die Einbringung als rechtzeitig, wenn die Briefsendung vor dem angegebenen Zeitpunkt in den Briefkasten geworfen werde. Werde hingegen kein Entleerungszeitpunkt angegeben, trage der Versender das Risiko der Verspätung, wenn die Briefsendung von der Post nicht vor Ende der Einbringungsfrist in Behandlung genommen werde. Auf der gegenständlichen Versandbox sei kein konkreter Entleerungszeitpunkt angegeben gewesen. Die revisionswerbende Partei habe sich daher nicht darauf verlassen können, dass ihre am um 23.46 Uhr eingelegte Briefsendung noch am selben Tag vor 24.00 Uhr in Behandlung genommen werde, was auch faktisch nicht geschehen sei. Der von der revisionswerbenden Partei im Verfahren vorgelegte Aufgabeschein, der noch am ausgedruckt worden sei, ändere daran nichts, da dieser lediglich den Zeitpunkt der Gebührenentrichtung dokumentiere, aber keine Aussage darüber treffe, wann der Postlauf in Gang gesetzt worden sei. Gegenständlich sei es der revisionswerbenden Partei daher zwar gelungen, nachzuweisen, dass sie die Gebührenentrichtung für ihre eingeschriebene Briefsendung am außerhalb der Öffnungszeiten der Postfiliale an der Versandbox erledigt habe; nicht gelungen sei ihr jedoch damit der Beweis, dass am auch die postalische Bearbeitung des Schreibens erfolgt sei, die den Postlauf an diesem Tag in Gang gesetzt hätte. Wie der revisionswerbenden Partei offenkundig sein habe müssen, sei die Postfiliale zum Zeitpunkt der Benutzung der Versandbox nicht mehr geöffnet und daher eine postalische Bearbeitung des Schreibens erst am nächsten Tag möglich gewesen. Der bei Benutzung der Versandbox automatisch gedruckten Bestätigung komme nicht der Beweis der postalischen Inbehandlungnahme des Schreibens durch die Post und damit der Ingangsetzung des Postlaufes zu, sondern es sei damit lediglich die Gebührenentrichtung bestätigt worden. Wie sich aus der von der revisionswerbenden Partei vorgelegten und durch das BVwG auch noch einmal gesondert abgerufenen Sendungsverfolgung eindeutig ergebe, sei die postalische Inbehandlungnahme erst am um 7.15 Uhr erfolgt. Auch die im Postweg erhobene Beschwerde erweise sich daher als verspätet.
5 Zur Nichtstattgabe des Wiedereinsetzungsantrages führte das BVwG, soweit relevant, aus, der Grund für die Verspätung der Beschwerde sei weder ein unvorhergesehenes noch ein unabwendbares Ereignis (wird näher ausgeführt, Hinweis auf näher bezeichnete Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).
6 In der gegen diesen Beschluss erhobenen außerordentlichen Revision führt die revisionswerbende Partei zu deren Zulässigkeit zusammengefasst aus, das BVwG sei aus näheren Gründen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum „Postlauf-Privileg“ abgewichen. Aus dieser Rechtsprechung werde deutlich, dass das Schriftstück für dessen Vorliegen nachweislich in die Sphäre der Post gelangen müsse. Die „Postbox“ als „Vormodell der nunmehrigen Versandboxen“ sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufgrund der auf ihr bekannt gegebenen Schlusszeiten einem Briefkasten gleichzuhalten (Verweis auf bis 0013). Die Frage der Rechtzeitigkeit der Aufgabe sei eine Frage des Nachweises und daher des Ermittlungsverfahrens; durch die „elektronisch automatisierte Annahme von Briefen und Paketen- Versandbox“ werde der Nachweis der rechtzeitigen Einbringung des Schriftstückes in die Sphäre der Post erbracht. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur „Postbox“ könne daher nicht auf den verfahrensgegenständlichen Sachverhalt übertragen werden, da im gegenständlichen Fall der Nachweis der rechtzeitigen Aufgabe „sehr wohl vorliegt“. Es komme nur darauf an, dass das Schriftstück am letzten Tag in die Sphäre der Post gelangt sei; dieser Nachweis sei gegenständlich gelungen. Darüber hinaus weiche das BVwG von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab (Verweis auf ). In der genannten Entscheidung habe sich der Verwaltungsgerichtshof mit der Frage der Zulässigkeit eines Wiedereinsetzungsantrages einer am letzten Tag der Revisionsfrist in eine Versandbox eingeworfenen Revision beschäftigt und die Wiedereinsetzung bewilligt. Dazu habe der Verwaltungsgerichtshof in der bezeichneten Entscheidung begründend u.a. ausgeführt: Zur Verschuldensfrage sei entscheidend ins Gewicht gefallen, dass im Zeitpunkt der Einbringung der Revision noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Rechtzeitigkeit einer Postaufgabe über eine „24h-Versandbox“ bestanden habe; es habe auch nicht von verlautbarten Kundeninformationen über bestimmte Uhrzeiten für die taggleiche Weiterbeförderung von Briefen ausgegangen werden können. Das ergänzende Vorbringen über das Fehlen einer Hinweises auf Schlusszeiten sei daher zuzulassen und mangels gegenteiliger Erhebungsergebnisse dem Verfahren zugrunde zu legen gewesen. Auch gegenständlich könne dem Vertreter des Revisionswerbers daher ohne Angabe von Schlusszeiten kein über einen minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden vorgeworfen werden. Die zitierte Rechtsprechung zur „24h Versandbox“ (Ra 2017/02/0155) stehe „im klaren Widerspruch zur Rechtsansicht des Bundesverwaltungsgerichts“. Außerdem habe das BVwG gegen das Überraschungsverbot verstoßen (Verweis auf ), indem die revisionswerbende Partei keine Möglichkeit gehabt habe, zu den Ermittlungsergebnissen hinsichtlich der Versandbox Stellung zu nehmen. Dadurch sei der revisionswerbenden Partei nicht bewusst gewesen, dass das „per Versandbox um 23.46 am letzten Tag der Frist an die Behörde übermittelte Rechtsmittel ein Problem“ darstelle.
7 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 Vorauszuschicken ist, dass sich das Zulässigkeitsvorbringen der Revision nur mit der Frage der Verspätung der in Papierform per Post eingebrachten Beschwerde und dem damit in Zusammenhang stehenden Wiedereinsetzungsantrag beschäftigt, nicht jedoch mit der Frage der Verspätung der per E-Mail eingebrachten Beschwerdeausfertigung, weshalb auf Letzteres nicht weiter einzugehen ist.
12 Im angefochtenen Beschluss hat das BVwG die in der Revision unbestritten gebliebene Feststellung getroffen, die in Rede stehende Briefsendung der revisionswerbenden Partei sei am letzten Tag der Beschwerdefrist um 23.46 Uhr in eine Versandbox der Post in einer zu diesem Zeitpunkt nicht geöffneten Postfiliale in Wien eingelegt worden; auf dieser Versandbox sei ein konkreter Entleerungszeitpunkt nicht angegeben gewesen.
13 Die Frage der Rechtzeitigkeit einer am letzten Tag der Frist nach Ende der Öffnungszeit der Postfiliale in eine solche Versandbox eingelegten Briefsendung hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung bereits beantwortet (vgl. die von der revisionswerbenden Partei selbst ins Treffen geführte Revisionssache zu Ra 2017/02/0155 mit den Beschlüssen des Verwaltungsgerichtshofes vom bzw. vom ). Demnach löst der Einwurf einer Sendung in eine solche einem Briefkasten insofern gleichzuhaltende Postbox den Postlauf am selben Tag nur dann aus, wenn auf der Postbox der Vermerk angebracht ist, dass diese noch am selben Tag ausgehoben werde (Verweis auf bis 0013, mwN). Der Feststellung des BVwG im gegenständlichen Fall, dass auf der Versandbox ein konkreter Entleerungszeitpunkt nicht angegeben gewesen sei, tritt die Revision wie erwähnt nicht entgegen. Zum einen besteht damit bereits Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu einer Sachverhaltskonstellation wie der vorliegenden, zum anderen ist das BVwG mit seiner Rechtsansicht im angefochtenen Beschluss, der Einwurf der in Rede stehenden Briefsendung in die Postversandbox um 23.46 Uhr am letzten Tag der Frist habe den Postlauf an diesem Tag nicht ausgelöst und die Beschwerde sei somit nicht rechtzeitig erhoben worden, auch nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Nicht zutreffend ist jedenfalls vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die in der Zulässigkeitsbegründung zum Ausdruck gebrachte Rechtsansicht, es komme nur darauf an, dass das Schriftstück am letzten Tag „in die Sphäre der Post“ gelangt sei, vielmehr ist für die Frage der Rechtzeitigkeit einer Briefsendung entscheidend, zu welchem Zeitpunkt der Postlauf ausgelöst, d.h die Sendung vom Zustelldienst, hier: der Post, in Behandlung genommen wurde (vgl. etwa , bis 0013, und , Ra 2017/17/0014, sowie ebenfalls , jeweils mwN). Da ein der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechendes „In-Behandlung-Nehmen“ der in Rede stehenden Briefsendung durch die Post (und damit der rechtlich relevante Beginn des Postlaufes) am unstrittig nicht erfolgt ist, hat das BVwG die Beschwerde insoweit zu Recht wegen Verspätung zurückgewiesen und ergibt sich aus dem vorliegenden Sachverhalt in diesem Zusammenhang keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.
14 Wenn die Revision in ihren Zulässigkeitsgründen hinsichtlich der Nichtstattgabe des Wiedereinsetzungsantrages weiters rügt, das BVwG sei von der im , vertretenen Rechtsansicht abgewichen, ist dazu Folgendes auszuführen:
15 Die Frage, ob das Verwaltungsgericht bei der Entscheidung über einen Wiedereinsetzungsantrag fallbezogen zu Recht das Vorliegen eines minderen Grades des Versehens verneint hat, ist grundsätzlich keine Rechtsfrage, der über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zukommt. Eine solche Rechtsfrage läge nur dann vor, wenn die Beurteilung des Verwaltungsgerichtes in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. etwa , mwN).
16 Der der von der revisionswerbenden Partei genannten Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt unterscheidet sich von dem vorliegenden bereits insofern, als im Zeitpunkt der Einbringung der Revision in der zitierten Rechtssache noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Frage der Rechtzeitigkeit einer Postaufgabe über eine „24h-Versandbox“ bestand (vgl. , Rz 7); eben diese Rechtsprechung lag jedoch zum Zeitpunkt der Einbringung der verfahrensgegenständlichen Beschwerde im Oktober 2020 jedenfalls mit den Entscheidungen zu der von der Revisionswerberin selbst ins Treffen geführten Revisionssache Ra 2017/02/0155 in einer insofern vergleichbaren Sachverhaltskonstellation bereits vor.
17 Im Hinblick darauf ist die einzelfallbezogene Beurteilung des BVwG zum Nicht-Vorliegen eines bloß minderen Grades des Verschuldens als Voraussetzung für eine Stattgabe des Wiedereinsetzungsantrages im Ergebnis jedenfalls nicht als unvertretbar anzusehen.
18 Zu dem von der Revision zu ihrer Zulässigkeit außerdem gerügten Verstoß gegen das Überraschungsverbot genügt es, darauf hinzuweisen, dass darunter das Verbot zu verstehen ist, dass die Behörde in ihre rechtliche Würdigung Sachverhaltselemente einbezieht, die der Partei nicht bekannt waren. Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt festgehalten, dass sich das zum Überraschungsverbot in Beziehung gesetzte Parteiengehör nur auf die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts, nicht aber auf die von der Behörde vorzunehmende rechtliche Beurteilung erstreckt. Auch führt ein Verstoß gegen das Überraschungsverbot nur dann zu einer Aufhebung der beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Erledigung, wenn diesem Verfahrensmangel Relevanz zukommt, was im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof (bereits in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung, vgl. dazu z.B. , mwN) darzulegen ist (vgl. etwa , oder auch das von der revisionswerbenden Partei selbst ins Treffen geführte Erkenntnis des , jeweils mwN).
19 Im Hinblick auf die oben dargestellte Vorjudikatur ist zur rechtlichen Beurteilung der Verspätung der gegenständlich per Post aufgegebenen Beschwerde allein maßgeblich, dass die Briefsendung am letzten Tag der Frist nach Ende der Filialöffnungszeit in eine Versandbox eingelegt wurde, auf der ein Vermerk, dass diese noch am selben Tag ausgehoben werde, nicht angebracht war. Diese Sachverhaltselemente konnten für die revisionswerbende Partei nicht überraschend sein: Dass die Briefsendung am letzten Tag der Frist um 23.46 Uhr in die Versandbox eingelegt wurde, bringt sie selbst vor, dass weiters die Postfiliale zum betreffenden Zeitpunkt nicht mehr geöffnet und auf der Versandbox kein Entleerungszeitpunkt am selben Tag nach 23.46 Uhr angegeben war, musste für die revisionswerbende Partei ebenso evident sein, bzw. hätte auch ein diesbezüglicher Verspätungsvorhalt, da die revisionswerbende Partei die genannten Sachverhaltselemente auch in der Revision gar nicht in Abrede stellt, an dieser Sachverhaltslage nichts geändert. Auf die vom Verwaltungsgericht vorzunehmende rechtliche Beurteilung erstreckt sich das Überraschungsverbot, wie bereits oben darstellt, aber nicht.
20 In der Revision werden damit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am
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Norm | AVG §33 Abs3 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021060048.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
JAAAF-45499