VwGH 22.04.2021, Ra 2021/06/0030
Entscheidungsart: Erkenntnis
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, Hofrätin Mag.a Merl und Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber BA, über die Revision des Bürgermeisters der Stadt Graz in 8020 Graz, Europaplatz 20, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom , LVwG 30.34-1700/2020-7, betreffend Übertretung nach dem Stmk. BauG (weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung; mitbeteiligte Partei: G K in H), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt G (Revisionswerber) vom wurde über den Mitbeteiligten gemäß § 118 Abs. 2 Z 2 iVm § 20 Z 3 lit. a Steiermärkisches Baugesetz (Stmk. BauG) eine Geldstrafe in der Höhe von € 800,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 37 Stunden) verhängt, weil er es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der K GmbH zu verantworten habe, dass in der Zeit von bis auf einer näher genannten Liegenschaft in G drei Werbeanlagen ohne baubehördliche Genehmigung errichtet worden seien.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis behob das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) das Straferkenntnis aufgrund einer Beschwerde des Mitbeteiligten und erklärte eine ordentliche Revision für unzulässig.
Begründend führte das LVwG zusammengefasst aus, der Revisionswerber habe mit der Aufforderung zur Rechtfertigung an den Mitbeteiligten vom (zugestellt am ) erstmals eine taugliche Verfolgungshandlung gesetzt. Diese sei jedoch gemäß § 32 Abs. 2 VStG verspätet, sodass Verfolgungsverjährung eingetreten und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 leg. cit. einzustellen gewesen sei.
3 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision.
4 Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der er die Verwirklichung des vorgeworfenen Tatbestands bestreitet, ohne jedoch einen konkreten Antrag zu stellen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
5 In der Zulässigkeitsbegründung rügt der Revisionswerber ein Abweichen des angefochtenen Erkenntnisses von der hg. Rechtsprechung, weil das LVwG die Hemmung der Verjährungsfrist gemäß § 2 Abs. 1 Z 3 COVID-19-VwBG nicht beachtet habe. Unter Berücksichtigung dieser Fristhemmung sei die Verjährungsfrist erst am abgelaufen und die am zugestellte Verfolgungshandlung somit nicht verjährt im Sinn des § 31 Abs. 1 VStG.
6 Die Revision ist angesichts dieses Vorbringens zulässig und auch berechtigt.
7 § 118 Abs. 2 Steiermärkisches Baugesetz (Stmk. BauG), LGBl. Nr. 59/1995 in der (im Tatzeitraum geltenden) Fassung BGBl. Nr. 34/2015 lautet auszugsweise:
„§ 118
Strafbestimmungen
(1) ...
(2) Eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu € 7.267,- zu bestrafen ist, begeht, wer
1. ...
2. Vorhaben gemäß § 19 und § 20 ohne die erforderliche Baubewilligung ausführt, sofern sie nicht nach Abs. 1 Z.1, 2 und 3 zu bestrafen sind;
3. ...“
Gemäß § 20 Z 3 lit. a Stmk. BauG war zum Tatzeitpunkt die Errichtung, Änderung oder Erweiterung von Werbe- und Ankündigungseinrichtungen (Tafeln, Schaukästen, sonstige Vorrichtungen und Gegenstände, an denen Werbungen und Ankündigungen angebracht werden können, Bezeichnungen, Beschriftungen, Hinweise u. dgl.) anzeigepflichtig.
§ 31 Abs. 1 VStG, BGBl. Nr. 52/1991 in der (im Tatzeitraum geltenden) Fassung BGBl. I Nr. 57/2018, lautet:
„Verjährung
§ 31. (1) Die Verfolgung einer Person ist unzulässig, wenn gegen sie binnen einer Frist von einem Jahr keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2) vorgenommen worden ist. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.
(2) ...“
Gemäß § 32 Abs. 2 VStG ist Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Beratung, Strafverfügung u. dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.
§ 2 Abs. 1 Verwaltungsrechtliches COVID-19-Begleitgesetz, BGBl. I Nr. 16/2020 idF BGBl. I Nr. 24/2020, lautete auszugsweise:
„Sonderregelungen für bestimmte Fristen
§ 2. (1) Die Zeit vom bis zum Ablauf des wird nicht eingerechnet:
...
3. in Verjährungsfristen.
(2) ...“
8 Der Revisionswerber weist zutreffend darauf hin, dass die am ausgelöste einjährige Verjährungsfrist gemäß § 31 Abs. 1 VStG unter Berücksichtigung des § 2 Abs. 1 Z 3 COVID-19-Begleitgesetz am , als die Aufforderung zur Rechtfertigung des Revisionswerbers an den Mitbeteiligten zugestellt wurde, noch nicht abgelaufen war und aus diesem Grund keine die Verfolgung ausschließenden Umstände vorlagen.
Nach Ablauf der Fristhemmung am lief die Frist in dem bis zum noch nicht abgelaufenen Ausmaß - im vorliegenden Fall also im Ausmaß von 27 Tagen - weiter. Insofern kann dem Revisionswerber nicht gefolgt werden, wenn er meint, das durch die Fristhemmung bereinigte Fristende wäre der . Am war die Verjährungsfrist aber jedenfalls noch nicht abgelaufen.
9 Das angefochtene Erkenntnis ist daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes behaftet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | BauG Stmk 1995 §118 Abs2 Z2 idF 2015/034 BauG Stmk 1995 §20 Z3 lita idF 2015/034 COVID-19-VwBG 2020 §2 Abs1 Z3 VStG §31 Abs1 VStG §32 Abs2 VwGG §42 Abs2 Z1 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021060030.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
PAAAF-45497