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VwGH 17.03.2021, Ra 2021/03/0035

VwGH 17.03.2021, Ra 2021/03/0035

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
VwGVG 2014 §13 Abs2
VwGVG 2014 §13 Abs5
VwGVG 2014 §24
VwGVG 2014 §9 Abs1 Z3
RS 1
Das VwG hat über die Beschwerde gegen einen Bescheid nach § 13 Abs. 2 VwGVG 2014 gemäß § 13 Abs. 5 letzter Satz VwGVG 2014 "ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden". Dies impliziert, dass grundsätzlich keine mündliche Verhandlung durchzuführen ist (). Da die Entscheidung "ohne weiteres Verfahren" ergeht, hat die gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung beschwerdeführende Partei insbesondere die nicht ohne weiteres erkennbaren bzw. die in ihrer Sphäre liegenden Umstände, die ihr Interesse am Unterbleiben des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung untermauern, spätestens in der Begründung (§ 9 Abs. 1 Z 3 VwGVG 2014) ihrer Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung konkret darzutun und zu bescheinigen (vgl. dazu ).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2017/03/0105 E RS 5
Normen
VwGVG 2014 §13 Abs2
VwGVG 2014 §13 Abs5
RS 2
Das VwG kann sich in seiner Entscheidung nach § 13 Abs. 5 VwGVG 2014 auch auf Beschwerdevorbringen stützen, dem die anderen Verfahrensparteien, obgleich es ihnen möglich war, nicht entgegengetreten sind (vgl. dazu ).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2017/03/0105 E RS 6
Normen
VwGVG 2014 §13 Abs2
VwGVG 2014 §22 Abs3
VwGVG 2014 §27
VwGVG 2014 §28
VwRallg
RS 3
Das VwG hat grundsätzlich in der Sache zu entscheiden (vgl. nur etwa ); es hat dabei seine Entscheidung an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgebenden Sach- und Rechtslage auszurichten (vgl. nur etwa ). "Sache" ist im Fall einer Beschwerde gegen einen Bescheid iSd § 13 Abs. 2 VwGVG 2014 ebenso wie im Fall eines Antrags nach § 22 Abs. 3 VwGVG 2014 die Frage der Zu- bzw. Aberkennung der aufschiebenden Wirkung. Das VwG hat diese Sache - ohne Bindung an die im behördlichen Verfahren vorgebrachten Argumente - umfassend und eigenständig zu beurteilen und dabei auch auf allfällige Sachverhaltsänderungen Bedacht zu nehmen (vgl. , bzw. , Ra 2017/03/0105).
Normen
EURallg
VwGVG 2014 §13
VwGVG 2014 §13 Abs1
31997L0067 Postdienste-RL Art22 Abs3
32011R1178 FlugpersonalV Zivilluftfahrt
RS 4
Fehlt es - anders als etwa nach Art. 22 Abs. 3 der Postdiensterichtlinie 97/67/EG (vgl. idZ ) - an einer Regelung, wonach die Entscheidung der Behörde in Kraft bleibt, sofern nicht die Beschwerdeinstanz anders entscheidet (sodass einer Beschwerde also grundsätzlich kein Suspensiveffekt zukommt), bleibt es - auch in unionsrechtlich determinierten Luftfahrtangelegenheiten - dabei, dass entsprechend der Grundregel des § 13 Abs. 1 VwGVG 2014 einer Beschwerde aufschiebende Wirkung zukommt, sofern sie nicht von der Behörde bzw. dem VwG nach der zu treffenden Abwägungsentscheidung ausgeschlossen wird (vgl. , wonach aus der dort in Rede stehenden, "Personen" (und nicht wie hier "Organisationen") betreffenden, an die Luftfahrtbehörde gerichteten Aufsichtsregelung nach ARA.GEN 355 lit. b Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 nicht abgeleitet werden kann, dass diesfalls einem Rechtsmittel automatisch aufschiebende Wirkung zu versagen wäre, weshalb der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung vielmehr eine Abwägungsentscheidung nach § 13 VwGVG 2014 erfordert).
Normen
VwGVG 2014 §13
VwGVG 2014 §22
32011R1178 FlugpersonalV Zivilluftfahrt
RS 5
Das BVwG hat (zusammengefasst) dargelegt, dass einer hinreichenden und missverständnisfreien Kommunikation von Piloten (sei es mit dem Tower oder etwa dem Kopiloten) im Luftverkehr große Bedeutung zukommt, führten allfällige Missverständnisse doch zu gravierenden, kaum mehr rückgängig zu machenden Folgen und damit zu gravierenden Nachteilen für die Sicherheit des Luftverkehrs. Wenn es vor diesem Hintergrund den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung für erforderlich angesehen hat, um der Gefahr des Einsatzes von nicht ausreichend sprachkundigen Piloten - samt den damit verbundenen negativen Konsequenzen für die Sicherheit der Luftfahrt - zu begegnen, kann diese (entgegen der Revision auf das Vorliegen einer konkreten Gefahr gestützte) Abwägungsentscheidung nicht als unschlüssig beurteilt werden. Eine - iS von VwGH Ra 2014/03/0028 unzulässige - "automatische" Aberkennung der aufschiebenden Wirkung hat das BVwG damit gerade nicht vorgenommen.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der D GmbH in W, vertreten durch MMag. Dr. Christian Waldhart, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Museumstraße 29, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W249 2236725-1/4E, betreffend eine Angelegenheit nach dem LFG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Austro Control Österreichische Gesellschaft für Zivilluftfahrt mit beschränkter Haftung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Austro Control Österreichische Gesellschaft für Luftfahrt mit beschränkter Haftung, die belangte Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht (iF: ACG), hatte mit Bescheid vom gemäß § 68 Abs. 6 AVG iVm VO (EU) Nr. 1178/2011, Anhang VI (Teil ARA), ARA GEN 350 (d) (3) iVm (1) die der Revisionswerberin am erteilte Genehmigung der Verwendung von alternativen Nachweisverfahren zur Durchführung von Sprachkompetenzprüfungen ohne anwesenden Gesprächspartner widerrufen (Spruchpunkt I) und die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid ausgeschlossen (Spruchpunkt II).

2 Dem legte die ACG im Wesentlichen Folgendes zu Grunde:

3 Gemäß VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang I FCL.055 (b) (1) müsse der Bewerber um einen Sprachkompetenzvermerk nachweisen, zur effektiven Kommunikation sowohl bei rein akustischem Kontakt als auch mit einem anwesenden Gesprächspartner in der Lage zu sein.

4 Gemäß Anhang VI ARA.GEN 120 (a) erarbeite die Agentur annehmbare Nachweisverfahren (Acceptable Means of Compliance, AMC), die zur Einhaltung der Verordnung und ihrer Durchführungsbestimmungen verwendet werden könnten. Würden die AMC erfüllte, seien auch die damit zusammenhängenden Anforderungen der Durchführungsbestimmungen erfüllt.

5 Während gemäß AMC1 FCL.055 (l) (2) (i) idF des Anhangs zur Entscheidung des Exekutivdirektors 2011/016/R die Bewertung entweder bei rein akustischem Kontakt oder mit anwesendem Gesprächspartner erfolgen könne, solle die Bewertung nunmehr - idF 2020/005/R - bei rein akustischem Kontakt und mit anwesendem Gesprächspartner erfolgen.

6 Gemäß Anhang VI ARA.GEN 120 (b) könnten alternative Nachweisverfahren verwendet werden, um die Einhaltung der Durchführungsbestimmungen zu erreichen.

7 Gemäß Anhang VI ARA.GEN 120 (c) überprüfe die zuständige Behörde alle alternativen Nachweisverfahren, die von einer Organisation vorgeschlagen würden, mittels einer Analyse der vorgelegten Unterlagen und gegebenenfalls einer Inspektion der Organisation. Stelle die Behörde fest, dass die alternativen Nachweisverfahren den Durchführungsbestimmungen entsprechen, werde sie unverzüglich dem Antragsteller mitteilen, dass sie angewandt werden können, und gegebenenfalls die Zulassung oder das Zeugnis des Antragstellers entsprechend ändern.

8 Anhang VI ARA.GEN 350 beschreibe das Verfahren zur Behebung von Beanstandungen bzw. Verstößen, wobei diese in zwei verschiedene Stufen eingeteilt würden. Ein Verstoß der Stufe 2 („Level 2 Finding“) werde gemäß Absatz c durch die zuständige Behörde beanstandet, wenn eine Nichteinhaltung der einschlägigen Anforderungen der VO (EG) Nr. 216/2008 und ihrer Durchführungsverordnungen, der Verfahren und Handbücher der Organisation oder der Bedingungen einer Zulassung oder eines Zeugnisses festgestellt werde, die den Sicherheitsstatus senken oder die Flugsicherheit gefährden könnte.

9 Gemäß ARA.GEN 350 (d) (2) räume die zuständige Behörde der Organisation eine Frist für die Durchführung von Abhilfemaßnahmen ein, die der Art des Verstoßes angemessen sei und anfänglich nicht mehr als drei Monate betrage. Am Ende dieser Frist und unter Berücksichtigung der Art des Verstoßes könne die Behörde die Frist verlängern, wenn ihr ein zufriedenstellender Abhilfeplan vorgelegt und von ihr genehmigt werde; sie habe die Abhilfemaßnahmen und den vorgeschlagenen Umsetzungsplan zu bewerten und dann zu akzeptieren, wenn sie ausreichten, um der Nichteinhaltung abzuhelfen.

10 Lege die Organisation keinen akzeptablen Abhilfeplan vor oder führe sie die Abhilfemaßnahmen nicht fristgerecht durch, werde die Beanstandung gemäß Abs. 3 auf einen Verstoß der Stufe 1 („Level 1 Finding“) hochgestuft und würden die unter Abs. 1 festgelegten Maßnahmen ergriffen. Gemäß Abs. 1 habe die Behörde bei Verstößen der Stufe 1 sofortige und angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um Tätigkeiten einzuschränken oder zu verbieten; sie ergreife, falls angemessen, Maßnahmen zum Widerruf des Zeugnisses oder bestimmter Zulassungen oder schränke diese ganz oder teilweise ein oder setze sie aus, je nach dem Ausmaß des Verstoßes der Stufe 1, bis die Organisation erfolgreiche Abhilfemaßnahmen durchgeführt hat.

11 Fallbezogen legte die ACG Folgendes dar:

12 Der Revisionswerberin sei am die Genehmigung zur Verwendung eines alternativen Nachweisverfahrens zur Durchführung von Sprachkompetenzprüfungen erteilt worden, beinhaltend (als wesentlichsten Unterschied zum davor verwendeten Testverfahren) eine Bewertung lediglich bei rein akustischem Kontakt. Dies habe den damals geltenden AMC entsprochen, die eine Wahlmöglichkeit zwischen einer Bewertung bei rein akustischem Kontakt und einer solchen mit anwesendem Gesprächspartner enthalten hätten.

13 Am sei mit der Entscheidung des Exekutivdirektors der EASA 2020/0005R eine Änderung der AMC erfolgt, wonach nunmehr eine Bewertung auch mit anwesendem Gesprächspartner notwendig sei. Am sei seitens der EASA im Zuge einer Prüfung der gegenständlichen Nachweisverfahren angekündigt worden, eine negative Empfehlung bezüglich dieser Verfahren abzugeben, weil diese nicht im Einklang mit Anhang I FCL.055 (b) (1) stünden; die ACG sei aufgefordert worden, die Genehmigung zu widerrufen und umgehend einen rechtskonformen Zustand herzustellen. Dies sei der Revisionswerberin am zur Kenntnis gebracht worden. Am habe die EASA schließlich - wie angekündigt - eine offizielle Feststellung erlassen, dass das genehmigte alternative Nachweisverfahren nicht Anhang I FCL (b) (1) entspreche und die ACG aufgefordert, den rechtskonformen Zustand wiederherzustellen. Dies sei der Revisionswerberin mitgeteilt und sie aufgefordert worden, die Nichteinhaltung von Anhang I FCL.055 (b) (1) binnen 14 Tagen abzustellen. Vor Fristablauf habe die Revisionswerberin dazu am eine Stellungnahme übermittelt und am einen Abhilfeplan, der aber, bis auf die stichprobenartige Einführung von „face-to-face“-Gesprächen bei Kandidaten nach Abschluss des Onlinetests, um beurteilen zu können, ob diese das Testergebnis beeinflusst hätten, und einer fortlaufenden Beobachtungsstatistik, keine Änderung des Verfahrens iS eines Tests mit anwesendem Gesprächspartner beinhaltet habe.

14 Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte die ACG im Wesentlichen Folgendes aus: Mit der Änderung der AMC seien diese an den Wortlaut von Anhang I FCL.055 (b) (1) - wonach der Bewerber um einen Sprachkompetenzvermerk nachweisen müsse, mit einem anwesenden Gesprächspartner effektiv kommunizieren zu können - angepasst worden, sodass nunmehr die Rechtsvermutung des Anhang VI ARA.GEN 120 (a) 2. Fall nicht mehr zur Anwendung komme. Die Änderung habe den Zweck verfolgt, klarzustellen, dass ein anwesender Gesprächspartner auch bei der Durchführung der Sprachkompetenzprüfung erforderlich sei und nicht durch eine Simulation ersetzt werden könne. Das mit Bescheid vom genehmigte Testverfahren stimme daher insoweit nicht mehr mit Anhang I FCL.055 (b) (1) überein. Diese Bestimmung bezwecke die behördliche Sicherstellung, dass sich Inhaber einer Lizenz effektiv verständigen können und bezwecke damit, wie die übrigen Regelungen der Verordnung, die Wahrung der Flugsicherheit. Ihre Nichteinhaltung sei damit gemäß Abs. c jedenfalls geeignet, die Flugsicherheit zu gefährden bzw. zumindest den Sicherheitsstatus zu senken; auf eine konkrete Sicherheitsbeeinträchtigung hingegen komme es nicht an, vielmehr reiche - ausgehend vom Wortlaut der Bestimmung („... den Sicherheitsstatus senken oder die Flugsicherheit gefährden könnte“) - die abstrakte Möglichkeit einer Sicherheitsbeeinträchtigung durch Nichteinhaltung von Anhang I FCL.055 (b) (1).

15 Zwar könnten in Rechtskraft erwachsene Bescheide zu Lasten des Adressaten nur eingeschränkt aufgehoben bzw. abgeändert werden, doch bilde § 68 Abs. 6 AVG iVm Anhang VI ARA.GEN 350 (d) (1) der Verordnung - wonach die zuständige Behörde ermächtigt werde, „das Zeugnis oder bestimmte Zulassungen“ zu widerrufen oder einzuschränken, wenn ein Verstoß der Stufe 1 vorliege - die notwendige Grundlage dafür. Ein Zulassungsbescheid könne also unter den in Anhang VI ARA.GEN 350 genannten Voraussetzungen auch widerrufen werden. Da die ACG entsprechend (d) (2) eine Frist zur Behebung der Beanstandung gesetzt habe und der vorgelegte Abhilfeplan die Beanstandung nicht bzw. nicht zur Gänze behoben habe, sei die ACG entsprechend (2) (ii) iVm (1) zur Einschränkung, Aussetzung oder zum Widerruf der Genehmigung berufen gewesen. Auch wenn dabei - entsprechend dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz - das gelindeste noch zum Ziel führende Mittel auszuwählen gewesen sei, sei - was näher dargelegt wurde - nur der Widerruf der Genehmigung als zielführendes Mittel, um die Beanstandung gänzlich zu beheben, verblieben.

16 Da die Behörde bei Vorliegen eines Verstoßes der Stufe 1 sofortige Maßnahmen setzen müsse, um die Beanstandung abzustellen, stünde die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde dem unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz entgegen, weil dann die gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 vorgesehenen sofortigen Maßnahmen erst nach Abschluss des Rechtsmittelverfahrens umgesetzt werden könnten. Folge man „einer teleologischen Interpretation dieser Bestimmung“, so bedinge „das Setzen von sofortigen Maßnahmen denklogisch zwingend auch deren sofortige Wirkung“. Der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde sei somit notwendig, um das unionsrechtliche Effektivitätsprinzip zu wahren.

17 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis wurde die Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung als unbegründet abgewiesen bzw. dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde nicht stattgegeben; die ordentliche Revision wurde für unzulässig erklärt.

18 Nach einer zusammenfassenden Wiedergabe des Verfahrensgangs und einer Darlegung der maßgebenden Rechtsvorschriften führte das BVwG im Rahmen der rechtlichen Beurteilung einleitend Folgendes aus:

19 Die gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG vorzunehmende Interessenabwägung habe die Interessen des Beschwerdeführers am Erfolg des Rechtsmittels gegen die berührten öffentlichen Interessen und die Interessen anderer Parteien abzuwägen. Voraussetzung für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung sei jedenfalls, dass der vorzeitige Vollzug wegen Gefahr in Verzug dringend geboten sei, weil den berührten öffentlichen Interessen (bzw. den anderer Parteien) ansonsten ein gravierender Nachteil drohe. Gemäß § 13 Abs. 4 VwGVG habe das Verwaltungsgericht über die Beschwerde gegen einen Bescheid, mit dem die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, unverzüglich, also ohne weiteres Verfahren, zu entscheiden.

20 Fallbezogen führte das BVwG aus, die ACG habe einerseits dargelegt, Anhang I FCL.055 (b) (1) der Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 bezwecke die behördliche Sicherstellung der Fähigkeit von Lizenzinhabern zur effektiven Verständigung und solle damit die Wahrung der Flugsicherheit gewährleisten, weshalb deren Nichteinhaltung geeignet sei, die Flugsicherheit zu gefährden bzw. zumindest den Sicherheitsstatus zu senken; andererseits habe sie auf das unionsrechtliche Effektivitätsprinzip Bezug genommen.

21 Demgegenüber habe die Revisionswerberin insbesondere geltend gemacht, der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung sei weder wegen des öffentlichen Wohls noch aufgrund von Gefahr im Verzug geboten, weil der Testmodus des bisherigen Prüfungssystems geeignet sei, eine vollständige Bewertung der Kandidaten zu ermöglichen, und weil die Art der Prüfungsdurchführung keine direkten Auswirkungen auf die Flugsicherheit habe, die „Kausalkette“ für das Vorliegen einer gewissen Wahrscheinlichkeit einer Sicherheitsgefährdung daher unterbrochen sei. Auch der unionsrechtliche Effektivitätsgrundsatz bilde keinen ausreichenden Grund für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung.

22 Dazu legte das Verwaltungsgericht dar, im vorliegenden Fall sei das öffentliche Interesse an der Flugsicherheit bzw. der Sicherheit der Luftfahrt und des Luftverkehrs berührt: Am Sprechfunkverkehr im Flugfunkdienst teilnehmende Piloten dürften entsprechend der Verordnung (EU) Nr. 1178/2011, Anhang I FCL.055 (b) (1), die mit ihren Lizenzen verbundenen Berechtigungen nur ausüben, wenn sie in ihrer Lizenz einen Sprachenvermerk für Englisch bzw. die beim Flug im Sprechfunkverkehr verwendete Sprache besäßen; das verfahrensgegenständliche Testverfahren solle dafür die Grundlage sein.

23 Dem stehe das (wirtschaftliche) Interesse der Revisionswerberin gegenüber, das von ihr entwickelte Testverfahren weiter anbieten und durchführen zu können.

24 Dabei sei von einem Überwiegen der öffentlichen Interessen im Verhältnis zu den Interessen der Revisionswerberin auszugehen: Vor dem Hintergrund der Notwendigkeit eines „Eilverfahrens“ bei Beurteilung des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung sei es nicht von vornherein als unschlüssig zu erkennen, dass ein Testmodus, der zusätzliche Elemente enthalte (nämlich die Durchführung des Tests in Anwesenheit eines Gesprächspartners und nicht nur mit bloß akustischem Kontakt), umfassender zur Beurteilung der Sprachkompetenz geeignet sein könne als ein Test, der dieses Element nicht aufweise oder der nur stichprobenweise „face-to-face“-Gespräche mit Kandidaten nach Abschluss des Onlinetests vorsehe. Zudem liege es auf der Hand, dass eine aussagekräftige Prüfung der Sprachkompetenz von Piloten im Sinne der Flugsicherheit von großer Bedeutung sei, weil damit sichergestellt werde, dass die Kommunikation etwa zwischen Pilot und Tower oder zwischen Pilot und Kopilot hinreichend und ohne Missverständnisse funktioniere. Dies liege eindeutig im öffentlichen Interesse der Sicherheit des Luftverkehrs. Zudem sei jede der Erhöhung der Sicherheit der Luftfahrt dienende Verbesserung im öffentlichen Interesse gelegen (Verweis auf ). Die Ausführungen der Revisionswerberin, das Führen eines Gesprächs mit einem Prüfer habe statistisch keinen Einfluss auf das Ergebnis der Prüfung und es ergebe sich mangels Fehlergebnissen auch keine hypothetische Gefahr für die Flugsicherheit, seien insoweit zu relativieren, als auch die EASA die Bewertung der Sprachkompetenz mit anwesendem Gesprächspartner empfehle.

25 Es sei auch zu bejahen, dass die Unterlassung der Ausübung der mit dem angefochtenen Bescheid widerrufenen Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten sei: Bei einer nicht ausreichend umfassenden Sprachprüfung von Piloten drohe ein gravierender Nachteil für die Sicherheit der Luftfahrt, konkret durch die Folgen einer missverständlichen Kommunikation im Flugverkehr, die kaum mehr rückgängig gemacht werden könnten. Vor diesem Hintergrund sei nicht mehr darauf einzugehen gewesen, ob - auch - wegen des unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatzes die aufschiebende Wirkung auszuschließen sei.

26 Es sei daher die Beschwerde gegen Spruchpunkt II des Bescheids ebenso abzuweisen gewesen wie der in der Beschwerde gestellte Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

27 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich - nachdem der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom , E 33/2021-5, die Behandlung der zunächst an ihn gerichteten Beschwerde abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten hat - die vorliegende außerordentliche Revision.

28 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

29 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

30 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

31 Die demnach für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgebende Zulässigkeitsbegründung der Revision macht zusammengefasst Folgendes geltend: Es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs dazu, ob bei unionsrechtlich determinierten luftfahrtbehördlichen Rechtseingriffen die europäischen Luftverkehrsvorschriften, insbesondere ihre Maßnahmenbestimmungen, den § 13 VwGVG aufgrund ihres Anwendungsvorrangs verdrängten; ob „Gefahr im Verzug“ aus rein formellen unionsrechtlichen Gründen vorliegen könne, insbesondere wenn vermeintliche Verstöße der Stufe 2 nur aus formellen Gründen auf die Stufe 1 „hochgestuft“ würden; ob Maßnahmen unter Ausschluss der aufschiebenden Wirkung iS von ARA.GEN 350 (d) (1) angemessen seien, wenn diese Bestimmung nur zur Anwendung komme, um Rechtsschutz gegen eine behördliche Feststellung eines Verstoßes der Stufe 2 in Anspruch zu nehmen; ob ein Verwaltungsgericht ohne weitere Ermittlungen in einem Eilverfahren von einer sachverhaltsevidenten Beurteilung der belangten Behörde gemäß ARA.GEN 350 (a) zu Lasten der Partei abweichen dürfe.

32 Zudem weiche das angefochtene Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs insofern ab, als das Vorliegen einer konkreten Gefahr auf eine sachverhaltsbezogene Beurteilung zu stützen sei (Verweis auf ), was das Verwaltungsgericht unterlassen habe, indem es die Verneinung einer konkreten Gefahr durch die ACG außer Acht gelassen habe. Schließlich bedeute das Vorliegen eines gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1178/2011, Anlage VI (Teil ARA), festgestellten flugsicherheitsrelevanten Verstoßes nicht automatisch, dass einem Rechtsmittel gegen eine behördliche Maßnahme die aufschiebende Wirkung zu versage wäre (Verweis auf ).

33 Mit diesem Vorbringen wird nicht dargelegt, dass der Verwaltungsgerichtshof bei Entscheidung über die vorliegende Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen hätte.

34 Die §§ 13 und 22 VwGVG lauten auszugsweise wie folgt:

„Aufschiebende Wirkung

§ 13. (1) Eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat aufschiebende Wirkung.

(2) Die Behörde kann die aufschiebende Wirkung mit Bescheid ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Ein solcher Ausspruch ist tunlichst schon in den über die Hauptsache ergehenden Bescheid aufzunehmen.

(3) Die Behörde kann Bescheide gemäß Abs. 2 von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei aufheben oder abändern, wenn sich der maßgebliche Sachverhalt so geändert hat, dass seine neuerliche Beurteilung einen im Hauptinhalt des Spruchs anderslautenden Bescheid zur Folge hätte.

(4) Die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß Abs. 2 hat keine aufschiebende Wirkung. Sofern die Beschwerde nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Das Verwaltungsgericht hat über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden und der Behörde, wenn diese nicht von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absieht, die Akten des Verfahrens zurückzustellen.

...

Aufschiebende Wirkung

§ 22. (1) ...

(2) Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG kann das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung durch Beschluss ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.

(3) Das Verwaltungsgericht kann Bescheide gemäß § 13 und Beschlüsse gemäß Abs. 1 und 2 auf Antrag einer Partei aufheben oder abändern, wenn es die Voraussetzungen der Zuerkennung bzw. des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung anders beurteilt oder wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über den Ausschluss bzw. die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde maßgebend waren, wesentlich geändert haben.“

35 Die Verordnung (EU) Nr. 1178/2011, auf die sich die ACG in ihrem Bescheid gestützt hatte, trifft in ihrem Anhang VI („Anforderungen an Behörden bezüglich des fliegenden Personals“) im Teil ARA, Teilabschnitt GEN, Abschnitt III der Allgemeinen Anforderungen Regelungen betreffend „Aufsicht, Zertifizierung und Durchsetzung“.

36 ARA.GEN 350 („Beanstandungen und Abhilfemaßnahmen - Organisationen“) lautet auszugsweise wie folgt:

„a) Die für die Aufsicht gemäß ARA.GEN.300 Buchstabe a zuständige Behörde verfügt über ein System für die Analyse von Beanstandungen hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Sicherheit.

b) Ein Verstoß der Stufe 1 (‚Level 1 Finding‘) wird durch die zuständige Behörde beanstandet, wenn eine wesentliche Nichteinhaltung der einschlägigen Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 216/2008 und ihrer Durchführungsbestimmungen, der Verfahren und Handbücher der Organisation oder der Bedingungen einer Zulassung oder eines Zeugnisses festgestellt wird, die den Sicherheitsstatus senkt oder die Flugsicherheit schwerwiegend gefährdet. Verstöße der Stufe 1 (‚Level 1 Findings‘) schließen ein:

...

c) Ein Verstoß der Stufe 2 (‚Level 2 Finding‘) wird durch die zuständige Behörde beanstandet, wenn eine Nichteinhaltung der einschlägigen Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 216/2008 und ihrer Durchführungsbestimmungen, der Verfahren und Handbücher der Organisation oder der Bedingungen einer Zulassung oder eines Zeugnisses festgestellt wird, die den Sicherheitsstatus senken oder die Flugsicherheit gefährden könnte.

d) Liegt eine Beanstandung im Rahmen der Aufsicht oder auf sonstige Weise vor, teilt die zuständige Behörde, unbeschadet erforderlicher zusätzlicher Maßnahmen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 216/2008 und ihren Durchführungsbestimmungen, der Organisation die Feststellung schriftlich mit und verlangt Abhilfemaßnahmen bezüglich der festgestellten Nichteinhaltung(en). Gegebenenfalls informiert die zuständige Behörde das Land, in dem das Luftfahrzeug registriert ist.

1. Bei Verstößen der Stufe 1 (‚Level 1 Findings‘) ergreift die zuständige Behörde sofortige und angemessene Maßnahmen, um Tätigkeiten einzuschränken oder zu verbieten, und ergreift, falls angemessen, Maßnahmen zum Widerruf des Zeugnisses oder bestimmter Zulassungen oder schränkt diese ganz oder teilweise ein oder setzt sie aus, je nach Ausmaß des Verstoßes der Stufe 1 (‚Level 1 Finding‘), bis die Organisation erfolgreiche Abhilfemaßnahmen durchgeführt hat.

2. Bei Verstößen der Stufe 2 (‚Level 2 Findings‘):

i) räumt die zuständige Behörde der Organisation eine Frist für die Durchführung von Abhilfemaßnahmen ein, die der Art des Verstoßes angemessen ist, anfänglich jedoch nicht mehr als 3 Monate beträgt. Am Ende dieser Frist und unter Berücksichtigung der Art des Verstoßes kann die zuständige Behörde die Frist von 3 Monaten verlängern, wenn ihr ein zufrieden stellender Abhilfeplan vorgelegt und dieser von ihr genehmigt wird, und

ii) bewertet die zuständige Behörde die Abhilfemaßnahmen und den von der Organisation vorgeschlagenen Umsetzungsplan und akzeptiert diese, wenn sie bei der Beurteilung zu dem Ergebnis kommt, dass sie ausreichen, um der Nichteinhaltung abzuhelfen.

3. Legt eine Organisation keinen akzeptablen Abhilfeplan vor oder führt sie innerhalb der von der zuständigen Behörde akzeptierten oder verlängerten Frist die Abhilfemaßnahmen nicht durch, wird die Beanstandung auf einen Verstoß der Stufe 1 (‚Level 1 Finding‘) hochgestuft und werden die unter Buchstabe d Absatz 1 festgelegten Maßnahmen ergriffen.

...“

37 Das Verwaltungsgericht war aufgrund der auch den Ausspruch über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt II des Bescheids der ACG) erfassenden Beschwerde dazu aufgerufen, darüber „unverzüglich“ zu entscheiden (vgl. § 13 Abs. 5 VwGVG). Dies impliziert, dass grundsätzlich keine mündliche Verhandlung durchzuführen ist. Da die Entscheidung „ohne weiteres Verfahren“ ergeht, hat die gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung beschwerdeführende Partei insbesondere die nicht ohne weiteres erkennbaren bzw. die in ihrer Sphäre liegenden Umstände, die ihr Interesse am Unterbleiben des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung untermauern, spätestens in der Begründung (§ 9 Abs. 1 Z 3 VwGVG) ihrer Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung konkret darzutun und zu bescheinigen. Schließlich kann sich das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung nach § 13 Abs. 5 VwGVG auch auf Beschwerdevorbringen stützen, dem die anderen Verfahrensparteien, obgleich es ihnen möglich war, nicht entgegengetreten sind (vgl. zum Ganzen , mwN).

38 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hat das Verwaltungsgericht grundsätzlich in der Sache zu entscheiden (vgl. nur etwa ); es hat dabei seine Entscheidung an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgebenden Sach- und Rechtslage auszurichten (vgl. nur etwa ). „Sache“ ist im Fall einer Beschwerde gegen einen Bescheid iSd § 13 Abs. 2 VwGVG ebenso wie im Fall eines Antrags nach § 22 Abs. 3 VwGVG die Frage der Zu- bzw. Aberkennung der aufschiebenden Wirkung. Das Verwaltungsgericht hat diese Sache - ohne Bindung an die im behördlichen Verfahren vorgebrachten Argumente - umfassend und eigenständig zu beurteilen und dabei auch auf allfällige Sachverhaltsänderungen Bedacht zu nehmen (vgl. , bzw. , Ra 2017/03/0105).

39 Die Entscheidung über Zuerkennung bzw. Aberkennung (Ausschluss) der aufschiebenden Wirkung ist das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung. Wurde eine im Einzelfall vorzunehmende Interessenabwägung vom Verwaltungsgericht auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Leitlinien vorgenommen, so ist eine solche fallbezogene Beurteilung im Allgemeinen nicht erfolgreich mit Revision bekämpfbar (vgl. dazu , , Ra 2015/08/0049, , Ra 2018/03/0111, , Ra 2019/05/0114).

40 Dass dies im vorliegenden Revisionsfall anders zu beurteilen wäre, zeigt die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung (§ 28 Abs. 3 VwGG) nicht auf:

41 Mit den das Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs geltend machenden Argumenten der Zulässigkeitsbegründung kann die Zulässigkeit der Revision schon deshalb nicht begründet werden, weil nicht dargelegt wird, dass die Beantwortung der dabei angesprochenen Fragen für die Entscheidung des Revisionsfalls relevant sind:

42 Das BVwG hatte dahingestellt lassen, ob - unabhängig von der nach § 13 VwGVG zu treffenden Abwägungsentscheidung - die aufschiebende Wirkung der Beschwerde etwa schon wegen des „unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatzes“ auszuschließen gewesen wäre; es hat sich bei seiner Entscheidung also (entgegen der Revision) gerade nicht auf einen allfälligen „Anwendungsvorrang“ des Unionsrechts, aber auch nicht auf „rein formelle unionsrechtliche Gründe“ gestützt. Inwieweit das BVwG von einer sachverhaltsevidenten flugsicherheitsspezifischen Beurteilung der ACG abgewichen sei, wird von der Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht dargelegt.

43 Ausgehend von den Feststellungen, wonach der von der Revisionswerberin vorgelegte Abhilfeplan den von der ACG festgestellten Verstoß der Stufe 2 nicht (vollständig) behoben hat, war die Beanstandung iSd lit. d Abs. 3 leg. cit. auf einen Verstoß der Stufe 1 hochzustufen, mit der Konsequenz, dass die unter lit. d Abs. 1 leg. cit. festgelegten Maßnahmen (also die gleichen wie bei einem „originären“ Verstoß der Stufe 1) zu ergreifen sind.

44 Einen Automatismus derart, dass etwa allen auf Stufe 1 hochgestuften Verstößen mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen die verhängte Maßnahme zu begegnen sei, kennt die in Rede stehende Bestimmung der Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 nicht. Fehlt es aber - anders als etwa nach Art. 22 Abs. 3 der Postdiensterichtlinie 97/67/EG (vgl. idZ ) - an einer Regelung, wonach die Entscheidung der Behörde in Kraft bleibt, sofern nicht die Beschwerdeinstanz anders entscheidet (sodass einer Beschwerde also grundsätzlich kein Suspensiveffekt zukommt), bleibt es - auch in unionsrechtlich determinierten Luftfahrtangelegenheiten - dabei, dass entsprechend der Grundregel des § 13 Abs. 1 VwGVG einer Beschwerde aufschiebende Wirkung zukommt, sofern sie nicht von der Behörde bzw. dem Verwaltungsgericht nach der zu treffenden Abwägungsentscheidung ausgeschlossen wird (vgl. , wonach aus der dort in Rede stehenden, „Personen“ (und nicht wie hier „Organisationen“) betreffenden, an die Luftfahrtbehörde gerichteten Aufsichtsregelung nach ARA.GEN 355 lit. b Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 nicht abgeleitet werden kann, dass diesfalls einem Rechtsmittel automatisch aufschiebende Wirkung zu versagen wäre, weshalb der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung vielmehr eine Abwägungsentscheidung nach § 13 VwGVG erfordert).

45 Die Revision zeigt aber auch nicht auf, dass das angefochtene Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abwiche. Das BVwG hat (zusammengefasst) dargelegt, dass einer hinreichenden und missverständnisfreien Kommunikation von Piloten (sei es mit dem Tower oder etwa dem Kopiloten) im Luftverkehr große Bedeutung zukommt, führten allfällige Missverständnisse doch zu gravierenden, kaum mehr rückgängig zu machenden Folgen und damit zu gravierenden Nachteilen für die Sicherheit des Luftverkehrs. Wenn es vor diesem Hintergrund den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung für erforderlich angesehen hat, um der Gefahr des Einsatzes von nicht ausreichend sprachkundigen Piloten - samt den damit verbundenen negativen Konsequenzen für die Sicherheit der Luftfahrt - zu begegnen, kann diese (entgegen der Revision auf das Vorliegen einer konkreten Gefahr gestützte) Abwägungsentscheidung nicht als unschlüssig beurteilt werden. Eine - iS von VwGH Ra 2014/03/0028 unzulässige - „automatische“ Aberkennung der aufschiebenden Wirkung hat das BVwG damit gerade nicht vorgenommen.

46 In der Revision werden nach dem Gesagten also keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
EURallg
VwGVG 2014 §13
VwGVG 2014 §13 Abs1
VwGVG 2014 §13 Abs2
VwGVG 2014 §13 Abs5
VwGVG 2014 §22
VwGVG 2014 §22 Abs3
VwGVG 2014 §24
VwGVG 2014 §27
VwGVG 2014 §28
VwGVG 2014 §9 Abs1 Z3
VwRallg
31997L0067 Postdienste-RL Art22 Abs3
32011R1178 FlugpersonalV Zivilluftfahrt
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Gemeinschaftsrecht Verordnung EURallg5
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021030035.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
OAAAF-45441