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VwGH 22.06.2022, Ra 2021/02/0241

VwGH 22.06.2022, Ra 2021/02/0241

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Norm
MRKZP 07te Art4 Abs1
RS 1
Nach Art 4 Abs 1 des 7. ZPEMRK darf niemand wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden (vgl , mwH). Zur Würdigung der Frage, ob "dieselbe Sache" vorliegt, ist iSd gefestigten Rechtsprechung allein auf die Fakten abzustellen und nicht auf die rechtliche Qualifikation derselben; eine neuerliche Strafverfolgung ist dann unzulässig, wenn sie sich auf denselben oder zumindest im Wesentlichen denselben Sachverhalt bezieht (vgl , , und , alle mwH; vgl weiters ; siehe insoweit auch ).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2016/03/0083 E VwSlg 19453 A/2016 RS 3
Norm
MRKZP 07te Art4
RS 2
Der EGMR hat in seiner Rechtsprechung zu Art 4 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK Kriterien entwickelt, nach denen die Frage der Doppelbestrafung zu prüfen und zu beurteilen ist. Jüngst (EGMR vom (Große Kammer), A und B/Norwegen, 24130/11, RNr 131 bis 134) hat er seine Judikatur wie folgt zusammengefasst: Werden gegen eine Person aus ein- und demselben Vorfall von verschiedenen Behörden in verschiedenen Verfahren mehrere Sanktionen verhängt, die als Strafen im Sinne der EMRK angesehen werden können, so liegt kein Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot vor, wenn ein ausreichend enger Zusammenhang zwischen den Verfahren gegeben war, und zwar sowohl inhaltlich ("in substance") als auch zeitlich ("in time"). Bei einem solchen engen Zusammenhang kann nämlich nicht davon gesprochen werden, dass der Betroffene nach einer endgültigen Entscheidung wegen derselben Sache nochmals bestraft worden ist. Die Verfahren werden vielmehr als Einheit betrachtet. Um von einem ausreichend engen inhaltlichen Zusammenhang ausgehen zu können, sind nach der Rechtsprechung des EGMR mehrere Faktoren entscheidend: Zum einen ist maßgeblich, ob die verschiedenen Verfahren auch verschiedene Zwecke verfolgen und damit, nicht bloß abstrakt, sondern auch konkret, verschiedene Aspekte des in Rede stehenden Fehlverhaltens sanktioniert werden. Zum anderen ist zu beachten, ob die unterschiedlichen Verfahren für den Beschuldigten vorhersehbar waren, ob die Verfahren so aufeinander abgestimmt sind, dass eine doppelte Beweisaufnahme und unterschiedliche Beweiswürdigung möglichst vermieden bzw Beweisergebnisse in den jeweils anderen Verfahren berücksichtigt werden, und, vor allem, ob die später auferlegte Sanktion auf die bereits erfolgten vorangegangen Sanktionen Bedacht nimmt, sodass die Gesamtstrafe als verhältnismäßig anzusehen ist. Selbst wenn diese inhaltlichen Kriterien erfüllt sind, ist zusätzlich erforderlich, dass zwischen den in Rede stehenden Verfahren ein enger zeitlicher Zusammenhang besteht, also die Verfahren möglichst gleichzeitig geführt und abgeschlossen werden.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2017/03/0020 E RS 3
Normen
AVG §66 Abs4
VStG §24
VStG §31 Abs1
VStG §31 Abs2
VStG §32 Abs2
VStG §44a Z1
VwGVG 2014 §38
RS 3
Durch die innerhalb der Frist nach § 31 Abs. 1 VStG erfolgte Übermittlung der fallbezogenen Erhebungsergebnisse, konkret der Zeugenaussagen der Unfallgegner des Revisionswerbers, welche klar den Beschuldigten als Unfalllenker des anderen am Unfall beteiligten Fahrzeuges bezeichneten, an den rechtsfreundlichen Vertreter des Beschuldigten mit der Aufforderung zur Stellungnahme wurde eine taugliche Verfolgungshandlung iSd. § 32 Abs. 2 VStG vorgenommen (vgl. ; ; ; ). Das VwG war daher fallbezogen berechtigt und auch gehalten, die Ergänzung des Tatbestandsmerkmals der Lenkereigenschaft vorzunehmen (vgl. z.B. ).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Dr. Köller als Richter sowie die Hofrätinnen Mag. Dr. Maurer-Kober und Mag. Schindler als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schörner, über die Revision des M, vertreten durch Mag. Dr. Anton Karner, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Steyrergasse 103/2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom , Zl. LVwG 30.11-520/2021-33, betreffend Übertretung der StVO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg vom  wurde der Revisionswerber schuldig erachtet, er sei zu näher genannter Tatzeit an einem näher genannten Tatort mit einem dem Kennzeichen nach bestimmten betroffenen Fahrzeug mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden und habe an der Sachverhaltsfeststellung nicht mitgewirkt, da er es durch Verlassen der Unfallstelle unmöglich gemacht habe, seine körperliche und geistige Verfassung zum Unfallzeitpunkt festzustellen (Spruchpunkt 1.), er sei mit einem Verkehrsunfall mit Personenschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden und habe es unterlassen, unverzüglich Hilfe zu leisten, obwohl beim Verkehrsunfall Personen verletzt worden seien (Spruchpunkt 2.) und er habe, obwohl sein Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, nicht die zur Vermeidung von Schäden notwendigen Maßnahmen getroffen, obwohl solche Schäden für Personen oder Sachen zu befürchten gewesen seien, da die verunfallten Kraftfahrzeuge noch die B 79 blockiert hätten (Spruchpunkt 3.). Dadurch habe der Revisionswerber im Punkt 1. § 4 Abs. 1 litc. c StVO, im Punkt 2. § 4 Abs. 2 1. Satz StVO und im Punkt 3. § 4 Abs. 1 lit. b StVO verletzt. Über ihn wurde gemäß § 99 Abs. 2 lit. a StVO je eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

2 Der dagegen erhobenen Beschwerde des rechtsfreundlich vertretenen Revisionswerbers gab das Verwaltungsgericht nach Durchführung zweier Tagsatzungen einer mündlichen Verhandlung betreffend Spruchpunkte 2. und 3. statt, behob das Straferkenntnis und stellte die Verwaltungsstrafverfahren in Punkt 2. gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG und in Punkt 3. gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG ein. Hinsichtlich Spruchpunkt 1. wies es die Beschwerde mit der Maßgabe ab, dass der Spruch in diesem Punkt dahingehend präzisiert werde, dass der Revisionswerber als Lenker des nach dem Kennzeichen bestimmten Kraftfahrzeugs mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt.

3 In der Begründung stellte das Verwaltungsgericht nach einer umfassenden Beweiswürdigung detailliert den Hergang und die Umstände des Unfalls sowie die Handlungen des Revisionswerbers fest und kam zum Schluss, dass der Revisionswerber an der Feststellung des Sachverhalts nicht mitgewirkt habe, insbesondere habe sein Zustand nach dem Unfall nicht festgestellt werden können, weil er zum Zeitpunkt des Eintreffens der Polizei nicht mehr an der Unfallstelle anwesend gewesen sei. Seine Verantwortung, es habe eine Amnesie vorgelegen, werde aufgrund seines orientierten und zielgerichteten Verhaltens unmittelbar nach dem Verkehrsunfall, im Zuge dessen er den Unfallgegnern Erklärungen für den Unfall angegeben und im Anschluss telefoniert habe, sowie aufgrund - näher dargestellter - widersprüchlicher Angaben als Schutzbehauptung gesehen. Die Spruchpräzisierung hinsichtlich seiner Lenkereigenschaft sei rechtens, zumal ihm binnen Verjährungsfrist Zeugeneinvernahmen übermittelt worden seien, aus denen hervorgehe, dass die Zeugen gesehen hätten, dass er das Unfallfahrzeug gelenkt habe.

4 Hinsichtlich des Vorwurfs nach Spruchpunkt 2. aber sei das Straferkenntnis zu beheben und das Verfahren einzustellen gewesen, weil aufgrund der strafgerichtlichen Verfolgung wegen § 94 Abs. 1 StGB und des Freispruchs durch das Bezirksgericht D. eine weitere Verfolgung nicht zulässig sei. Die in Spruchpunkt 3. angelastete Verwaltungsübertretung habe er nicht begangen, es sei angesichts der näher dargestellten Maßnahmen der Feuerwehr und der Polizei nämlich nicht nachvollziehbar, welche Maßnahmen der Revisionswerber persönlich hätte ergreifen können; daher sei auch in diesem Punkt das Straferkenntnis zu beheben und das Verfahren einzustellen gewesen.

5 Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 In den gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorzubringenden Gründen ist konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte und in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage dieser uneinheitlich oder noch nicht beantwortet hat. Dabei hat der Revisionswerber konkret darzulegen, dass der der gegenständlich angefochtenen Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt einer der von ihm ins Treffen geführten hg. Entscheidungen gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden hat und es damit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist, wobei die bloße Wiedergabe von Rechtssätzen zu verschiedenen hg. Entscheidungen nicht ausreicht. Ebenso reicht auch die bloße Nennung von hg. Entscheidungen nach Datum und Geschäftszahl, ohne auf konkrete Unterschiede in dieser Rechtsprechung hinzuweisen, nicht aus (vgl. zum Ganzen den , mwN).

10 Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der sonstigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision führen könnten, aufzugreifen (vg. , mwN).

11 Als Zulässigkeitsbegründung bringt der Revisionswerber vor, die Revisionsgegnerin habe sich „von gefestigter Rechtsprechung entfernt“. Die gegenständliche Bestrafung sei eine Verletzung des Art. 4 7. ZP EMRK, da der Revisionswerber rechtskräftig von einem inländischen Gericht freigesprochen worden sei. Das gesamte Verfahren sei eine unzulässige Doppelverfolgung und das Verwaltungsgericht habe sich über diese Rechtsprechung hinweggesetzt. Auf die diesbezügliche Judikatur des Falles Gradinger-Österreich und danach folgend des VfGH, VwGH und EGMR dürfe verwiesen werden.

12 Damit erfüllt die Zulässigkeitsbegründung die oben dargelegten Anforderungen nicht, zumal weder Bezug auf den konkreten im angefochtenen Erkenntnis festgestellten Sachverhalt genommen wird, noch nach den oben dargestellten Leitlinien die behauptete Abweichung von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufgezeigt wird.

13 Im Übrigen zeigt die Revision mit ihrem Hinweis auf das Verbot der Doppelbestrafung iSd Art. 4 Abs. 1 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK (ZPEMRK) schon deshalb keine zur Zulässigkeit führende Rechtswidrigkeit auf, weil fallbezogen betreffend die Verfolgung (Bestrafung) wegen § 4 Abs. 1 lit. c StVO und wegen § 94 Abs. 1 StGB (Freispruch) kein Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1 des 7. ZPEMRK vorliegt.

14 Nach Art. 4 Abs. 1 des 7. ZPEMRK darf niemand wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden (vgl. , mwH). Zur Würdigung der Frage, ob „dieselbe Sache“ vorliegt, ist iSd gefestigten Rechtsprechung allein auf die Fakten abzustellen und nicht auf die rechtliche Qualifikation derselben; eine neuerliche Strafverfolgung ist dann unzulässig, wenn sie sich auf denselben oder zumindest im Wesentlichen denselben Sachverhalt bezieht (vgl , mwH).

15 Der EGMR hat in seiner Rechtsprechung zu Art 4 des 7. ZPEMRK Kriterien entwickelt, nach denen die Frage der Doppelbestrafung zu prüfen und zu beurteilen ist. In EGMR  [Große Kammer], A und B/Norwegen, 24130/11, Rnr 131 bis 134, hat er seine Judikatur wie folgt zusammengefasst: Werden gegen eine Person aus ein- und demselben Vorfall von verschiedenen Behörden in verschiedenen Verfahren mehrere Sanktionen verhängt, die als Strafen im Sinne der EMRK angesehen werden können, so liegt kein Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot vor, wenn ein ausreichend enger Zusammenhang zwischen den Verfahren gegeben war, und zwar sowohl inhaltlich („in substance“) als auch zeitlich („in time“). Bei einem solchen engen Zusammenhang kann nämlich nicht davon gesprochen werden, dass der Betroffene nach einer endgültigen Entscheidung wegen derselben Sache nochmals bestraft worden ist. Die Verfahren werden vielmehr als Einheit betrachtet.

16 Um von einem ausreichend engen inhaltlichen Zusammenhang ausgehen zu können, sind nach der Rechtsprechung des EGMR mehrere Faktoren entscheidend: Zum einen ist maßgeblich, ob die verschiedenen Verfahren auch verschiedene Zwecke verfolgen und damit, nicht bloß abstrakt, sondern auch konkret, verschiedene Aspekte des in Rede stehenden Fehlverhaltens sanktioniert werden. Zum anderen ist zu beachten, ob die unterschiedlichen Verfahren für den Beschuldigten vorhersehbar waren, ob die Verfahren so aufeinander abgestimmt sind, dass eine doppelte Beweisaufnahme und unterschiedliche Beweiswürdigung möglichst vermieden bzw Beweisergebnisse in den jeweils anderen Verfahren berücksichtigt werden, und, vor allem, ob die später auferlegte Sanktion auf die bereits erfolgten vorangegangen Sanktionen Bedacht nimmt, sodass die Gesamtstrafe als verhältnismäßig anzusehen ist. Selbst wenn diese inhaltlichen Kriterien erfüllt sind, ist zusätzlich erforderlich, dass zwischen den in Rede stehenden Verfahren ein enger zeitlicher Zusammenhang besteht, also die Verfahren möglichst gleichzeitig geführt und abgeschlossen werden (vgl. zu den Kriterien näher etwa ).

17 Fallbezogen verfolgten die Bestrafung des Revisionswerbers wegen Übertretung des § 4 Abs. 1 lit. c StVO (mangelnde Mitwirkung an der Feststellung des Sachverhaltes durch alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht) und die strafrechtliche Verfolgung wegen Imstichlassens eines Verletzten nach § 94 Abs. 1 StGB (welche in einem Freispruch durch das Bezirksgericht endete) unterschiedliche Zwecke und es wurden völlig unterschiedliche Aspekte eines Verhaltens beurteilt. Aufgrund der gesetzlichen Determinierung waren die Verfahren für den Revisionswerber vorhersehrbar. Zudem ist von einem engen zeitlichen Zusammenhang auszugehen, zumal - den vorgelegten Verfahrensakten zufolge - der Freispruch gemäß § 259 Z 3 StPO vom Vorwurf nach § 94 Abs. 1 StGB durch das Bezirksgericht D. am (rechtskräftig mit ) erfolgt ist, nachdem das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft am ergangen war. Das Verwaltungsstrafverfahren und das Strafverfahren vor Gericht wurden aufeinander abgestimmt geführt; die Verwaltungsbehörde wurde von der Staatsanwaltschaft Graz mit Schreiben vom von der Einstellung des Verfahrens (betreffend § 88 StGB) gemäß § 190 Z 1 StPO benachrichtigt, das Verwaltungsgericht nahm im Rahmen des Beschwerdeverfahrens Einsicht in die Gerichtsakten des Bezirksgerichts Deutschlandsberg. Damit sind die Kriterien für die Annahme, dass nicht dieselbe Sache vorlag, erfüllt.

18 Auch mit dem weiteren Vorbringen in der Zulässigkeitsbegründung, der Revisionswerber sei innerhalb der Verfolgungsverjährung nicht als Lenker bestraft worden und die Ergänzung des Spruchs im angefochtenen Erkenntnis sei rechtswidrig, da sie gegen die Verjährungsjudikatur verstoße bzw. gegen die Normen, die den Spruch des Bescheides festsetzen würden (Hinweis auf ), wird keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt.

19 Das für die behauptete Abweichung von Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ins Treffen geführte Erkenntnis, welches im Übrigen einen anders gelagerten Sachverhalt betraf, hält zu den Grundsätzen jedes Strafverfahrens fest, dass die zur Last gelegte Tat so eindeutig zu umschreiben sei, dass kein Zweifel darüber bestehen könne, wofür der Täter bestraft werde und dass die Möglichkeit ausgeschlossen werde, dass er etwa wegen derselben Handlung nochmals zur Verantwortung gezogen werden könne, wobei die Unverwechselbarkeit der Tat auch auf andere Weise (als durch eine genaue Angabe der Tatzeit) sichergestellt werden könne. Ausgehend von den Einvernahmen des Beschwerdeführers im dortigen Fall, in denen bestimmte Beweismittel Gegenstand waren, konnte der Beschwerdeführer selbst nicht im Zweifel über die näheren Umstände der ihm angelasteten Straftaten sein. Eine Abweichung von dieser Rechtsprechung durch das angefochtene Erkenntnis - welche die Revision auch verabsäumt hat, aufzuzeigen - kann nicht erkannt werden.

20 Im konkreten Fall bestehen auch keine Anhaltspunkte für die Annahme, der Revisionswerber wäre im Unklaren über den Tatvorwurf gewesen und daher in seinen Verteidigungsrechten eingeschränkt oder der Gefahr der Doppelbestrafung ausgesetzt gewesen, zumal er sich selber in seinen Aussagen (etwa der Beschuldigtenvernehmung vom ) als Lenker („ich fuhr...“) bezeichnet hat, und auch weder jemals im Verfahren behauptet hat, nicht selbst das Fahrzeug gelenkt zu haben, noch, dass außer ihm noch andere Personen in seinem Fahrzeug gewesen seien, die als Lenker in Frage kämen.

21 Im Übrigen hat schon das Verwaltungsgericht zutreffend zur Frage der Verfolgungsverjährung darauf verwiesen, dass durch die innerhalb der Frist nach § 31 Abs. 1 VStG erfolgte Übermittlung der fallbezogenen Erhebungsergebnisse, konkret der Zeugenaussagen der Unfallgegner des Revisionswerbers, welche klar den Revisionswerber als Unfalllenker des anderen am Unfall beteiligten Fahrzeuges bezeichneten, an den rechtsfreundlichen Vertreter des Revisionswerbers mit der Aufforderung zur Stellungnahme eine taugliche Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG vorgenommen wurde (vgl. dazu etwa ; ferner betreffend Zeugenvernehmungen als taugliche Verfolgungshandlung z.B. , , ). Das Verwaltungsgericht war daher fallbezogen berechtigt und auch gehalten, die Ergänzung des Tatbestandsmerkmals der Lenkereigenschaft vorzunehmen (vgl. z.B. ).

22 Ein Abweichen von hg. Judikatur wird daher von der Revision damit nicht aufgezeigt.

23 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
AVG §66 Abs4
MRKZP 07te Art4
MRKZP 07te Art4 Abs1
VStG §24
VStG §31 Abs1
VStG §31 Abs2
VStG §32 Abs2
VStG §44a Z1
VwGVG 2014 §38
Schlagworte
Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verwaltungsstrafrecht Spruch der Berufungsbehörde Änderungen des Spruches der ersten Instanz
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021020241.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
NAAAF-45437

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