VwGH 25.05.2021, Ra 2021/02/0120
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Das VwG hat grundsätzlich in der Sache zu entscheiden (vgl. nur etwa ); es hat dabei seine Entscheidung an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgebenden Sach- und Rechtslage auszurichten (vgl. nur etwa ). "Sache" ist im Fall einer Beschwerde gegen einen Bescheid iSd § 13 Abs. 2 VwGVG 2014 ebenso wie im Fall eines Antrags nach § 22 Abs. 3 VwGVG 2014 die Frage der Zu- bzw. Aberkennung der aufschiebenden Wirkung. Das VwG hat diese Sache - ohne Bindung an die im behördlichen Verfahren vorgebrachten Argumente - umfassend und eigenständig zu beurteilen und dabei auch auf allfällige Sachverhaltsänderungen Bedacht zu nehmen (vgl. , bzw. , Ra 2017/03/0105). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2021/03/0035 B RS 3 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision der L GmbH in W, vertreten durch Dr. Friedrich Helml, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stallburggasse 4/13, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom , W107 2240383-1/3E, betreffend Abweisung einer Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzmarktaufsichtsbehörde; weitere Partei: Bundesminister für Finanzen), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom wurde der Revisionswerberin Folgendes aufgetragen (wörtlich, auszugsweise):
„1. Die L hat die unerlaubte Verwaltung eines alternativen Investmentfonds gemäß § 2 Abs. 1 Z 2 AIFMG zu unterlassen.
Dies durch Unterlassung der folgenden Tätigkeit: Die Verwaltung des Genussrechtskapitals, das durch die Emission von unverbrieften und nachrangigen Genussrechten mit einer Laufzeit bis zum laut Kapitalmarktprospekt vom über das öffentliche Angebot von Genussrechten eingesammelt wurde (siehe Genussrechtsbedingungen laut Punkt 2.1.3. des Kapitalmarktprospektes vom , die einen integrierten Bestandteil dieses Bescheides darstellen).
Die Genussrechte gewähren eine Beteiligung am Gewinn der L. Das Genussrechtskapital dient der direkten Unternehmensfinanzierung der L. Den Genussrechtsinhabern kommen keine Mitspracherechte zu, sodass die L den Geschäftsbetrieb, in welchen das Genussrechtskapitel investiert wird, selbst lenkt.
2. Dies ist der FMA binnen sechs Wochen ab Zustellung dieses Bescheides durch Vorlage geeigneter Unterlagen nachzuweisen.
3. Bei Nichtbefolgung der Spruchpunkte 1. und 2. wird die Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) über die L eine Zwangsstrafe in Höhe von jeweils EUR 10.000,- verhängen.
4. Der Antrag der L vom auf Akteneinsicht in den gesamten Akt des Verfahrens FMA wird abgewiesen.
5. Die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beschwerde ist gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen.“
2 Mit dem angefochtenen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts wurde die Beschwerde der Revisionswerberin gegen Spruchpunkt 5. des Bescheides der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom , mit dem die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beschwerde gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG aberkannt worden war, als unbegründet abgewiesen und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof für nicht zulässig erklärt.
3 Ausschließlich gegen diesen Teilbeschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (nur) im Rahmen der dafür in der Revision (gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert) vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Dementsprechend erfolgt nach der Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung (vgl. für viele , mwN).
7 In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. , mwN).
8 Diesen Anforderungen an die Zulassungsbegründung wird die vorliegende Revision nicht gerecht. In der gesamten, weitwendigen Zulässigkeitsbegründung werden keine auf den Sachverhalt bezogenen, konkreten Rechtsfragen formuliert, sondern ausschließlich allgemein Verfahrensmängel behauptet, etwa Begründungsmängel, eine fehlerhafte Interessenabwägung, Beweiswürdigungsmängel, die Verletzung des Parteiengehörs und die Verletzung der Verhandlungspflicht, ohne jedoch deren Relevanz konkret darzulegen.
9 Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. etwa , mwN).
10 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat das Verwaltungsgericht grundsätzlich in der Sache zu entscheiden (vgl. nur etwa ); es hat dabei seine Entscheidung an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgebenden Sach- und Rechtslage auszurichten (vgl. nur etwa ). „Sache“ ist im Fall einer Beschwerde gegen einen Bescheid iSd § 13 Abs. 2 VwGVG ebenso wie im Fall eines Antrags nach § 22 Abs. 3 VwGVG die Frage der Zu- bzw. Aberkennung der aufschiebenden Wirkung. Das Verwaltungsgericht hat diese Sache - ohne Bindung an die im behördlichen Verfahren vorgebrachten Argumente - umfassend und eigenständig zu beurteilen und dabei auch auf allfällige Sachverhaltsänderungen Bedacht zu nehmen (vgl. , bzw. , 0106).
11 Die Entscheidung über Zuerkennung oder Aberkennung (Ausschluss) der aufschiebenden Wirkung ist das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung. Wurde eine im Einzelfall vorzunehmende Interessenabwägung vom Verwaltungsgericht auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Leitlinien vorgenommen, so ist eine solche fallbezogene Beurteilung im Allgemeinen nicht erfolgreich mit Revision bekämpfbar (vgl. dazu , , , 0112, ).
12 Dass dies im vorliegenden Revisionsfall anders zu beurteilen wäre, zeigt die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung (§ 28 Abs. 3 VwGG) nicht auf:
13 Das Verwaltungsgericht begründete auf dem Boden des Vorbringens der Parteien das Vorliegen gravierender Nachteile für das öffentliche Wohl bei gleichzeitiger mangelnder Konkretisierung und Untermauerung des behaupteten Nachteils der Revisionswerberin und nahm entgegen der Ansicht der Revisionswerberin eine Abwägung der entgegenstehenden Interessen vor. Es kam zusammengefasst zum Schluss, dass die öffentlichen Interessen an der Finanzmarktstabilität, der Vermeidung von Beeinträchtigungen des Vertrauens in einen funktionierenden Kapitalmarkt und des Schutzes der Anleger und Kunden und an der unionsrechtlich gebotenen Aufsicht über AIFM die Interessen der Revisionswerberin überwögen, zumal diese auch selbst ausgeführt habe, dass sie der Einsammlung von Genussrechtskapital gar nicht mehr nachgehe. Eine unvertretbare Fehlbeurteilung ist darin nicht zu erkennen.
14 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Schlagworte | Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021020120.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
KAAAF-45425