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VwGH 12.03.2021, Ra 2021/01/0050

VwGH 12.03.2021, Ra 2021/01/0050

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssatz


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Normen
AVG §38
AVG §68 Abs1
EURallg
VwGG §62 Abs1
32013L0032 IntSchutz-RL Art40 Abs2
32013L0032 IntSchutz-RL Art40 Abs3
32013L0032 IntSchutz-RL Art40 Abs4
RS 1
Das Revisionsverfahren wird bis zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union in der Rechtssache C-18/20 über die mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom , EU 2019/0008 (Ro 2019/14/0006), vorgelegten Fragen ausgesetzt.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des O, geboren 1997, vertreten durch Mag. Nadja Lindenthal, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Siebensterngasse 23/3, der gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W241 2163235-4/11E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag stattgegeben.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht - im Beschwerdeverfahren - den Folgeantrag des aus Afghanistan stammenden Revisionswerbers auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, legte keine Frist für die freiwillige Ausreise fest und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.

2 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, mit der ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verbunden ist. Begründend wird zusammengefasst vorgebracht, dem Revisionswerber drohe im Fall einer Abschiebung nach Afghanistan die reale Gefahr einer Verletzung seiner Rechte nach Art. 3 EMRK.

3 Gemäß § 30 Abs. 2 erster Satz VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

4 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat sich zu diesem Antrag innerhalb der gesetzten Frist nicht geäußert.

5 Ausgehend davon ist nicht zu erkennen, dass der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zwingende oder zumindest überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen, weshalb dem Antrag stattzugeben war.

Wien, am

Entscheidungstext

Entscheidungsart: Beschluss

Entscheidungsdatum:

Beachte

* EuGH-Zahl: C-18/20

Vorabentscheidungsverfahren:

EU 2019/0008

* EuGH-Entscheidung:

EuGH 62020CJ0018 B

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer sowie die Hofräte Dr. Kleiser und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des O A, in P, vertreten durch Mag.a Nadja Lindenthal, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Siebensterngasse 23/3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W241 2163235-4/11E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Das Revisionsverfahren wird bis zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union in der Rechtssache C-18/20 über die mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom , EU 2019/0008 (Ro 2019/14/0006), vorgelegten Fragen ausgesetzt.

Begründung

1 Mit rechtskräftigem Erkenntnis vom wies das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgericht) in der Sache den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

2 Am stellte der Revisionswerber einen (ersten Folge-) Antrag auf internationalen Schutz und brachte dazu unter anderem erstmals vor, er sei seit acht Jahren bisexuell und es drohe ihm deshalb in Afghanistan Verfolgung. Diesen Folgeantrag wies das Verwaltungsgericht mit rechtskräftigem Erkenntnis vom in der Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei und legte keine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass das Vorbringen des Revisionswerbers zu seiner Bisexualität keinen glaubhaften Kern aufweise.

4 Am stellte der Revisionswerber einen weiteren (Folge-)Antrag auf internationalen Schutz und machte in weiterer Folge zum Beweis für die von ihm bereits in seinem ersten Folgeantrag vorgebrachte Bi- bzw. Homosexualität Zeugen als „neue Beweismittel“ namhaft und legte dazu verschiedene Urkunden vor.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom wies das Verwaltungsgericht in der Sache - ohne Durchführung einer Verhandlung - den weiteren Folgeantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte die Zulässigkeit der Abschiebung fest, gewährte keine Frist für die freiwillige Ausreise und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.

6 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Revisionswerber habe in seinem dritten Antrag auf internationalen Schutz kein neues Vorbringen erstattet, sondern stütze sich auf dasselbe Vorbringen wie im zweiten Verfahren, das keinen glaubhaften Kern aufweise. Der neuerliche Antrag könne daher zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung führen wie jener in der unbekämpft gebliebenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom . Diese Entscheidung sei weiterhin maßgeblich. Dem Beweisantrag des Revisionswerbers auf Einvernahme von ihm erstmals namhaft gemachte Zeugen zu seiner sexuellen Orientierung entsprach das Verwaltungsgericht ebenso wie das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im verwaltungsbehördlichen Verfahren nicht.

7 Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom , E 3984/2020-5, die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde ab und trat diese gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

8 In der Folge erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof, über die der Verwaltungsgerichtshof das Vorverfahren eingeleitet hat.

9 Mit dem im Spruch genannten Beschluss vom hat der Verwaltungsgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

„1. Erfassen die in Art. 40 Abs. 2 und Abs. 3 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Neufassung), im Weiteren: Verfahrensrichtlinie, enthaltenen Wendungen ‚neue Elemente oder Erkenntnisse‘, die ‚zutage getreten oder vom Antragsteller vorgebracht worden sind‘, auch solche Umstände, die bereits vor rechtskräftigem Abschluss des früheren Asylverfahrens vorhanden waren?

Falls Frage 1. bejaht wird:

2. Ist es in jenem Fall, in dem neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im früheren Verfahren ohne Verschulden des Fremden nicht geltend gemacht werden konnten, ausreichend, dass es einem Asylwerber ermöglicht wird, die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen früheren Verfahrens verlangen zu können?

3. Darf die Behörde, wenn den Asylwerber ein Verschulden daran trifft, dass er das Vorbringen zu den neu geltend gemachten Gründen nicht bereits im früheren Asylverfahren erstattet hat, die inhaltliche Prüfung eines Folgeantrages infolge einer nationalen Norm, die einen im Verwaltungsverfahren allgemein geltenden Grundsatz festlegt, ablehnen, obwohl der Mitgliedstaat mangels Erlassung von Sondernormen die Vorschriften des Art. 40 Abs. 2 und Abs. 3 Verfahrensrichtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt und infolge dessen auch nicht ausdrücklich von der in Art. 40 Abs. 4 Verfahrensrichtlinie eingeräumten Möglichkeit, eine Ausnahme von der inhaltlichen Prüfung des Folgeantrages vorsehen zu dürfen, Gebrauch gemacht hat?“

10 Der Beantwortung dieser Fragen durch den Gerichtshof der Europäischen Union kommt für die Behandlung der vorliegenden Revision ebenfalls Bedeutung zu. Es liegen daher die Voraussetzungen des gemäß § 62 Abs. 1 VwGG auch vom Verwaltungsgerichtshof anzuwendenden § 38 AVG vor, weshalb das Revisionsverfahren auszusetzen war (vgl. , mwN).

Wien, am

Entscheidungstext

Entscheidungsart: Erkenntnis

Entscheidungsdatum:

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofräte Dr. Kleiser sowie Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Karger, LL.M., über die Revision des O A in P, vertreten durch Mag.a Nadja Lindenthal, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Siebensterngasse 23/3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W241 2163235-4/11E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Erkenntnis vom wies das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgericht) in der Sache den Antrag des Revisionswerbers, einen Staatsangehörigen von Afghanistan, auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

2 Am stellte der Revisionswerber einen (ersten Folge-) Antrag auf internationalen Schutz und brachte dazu unter anderem erstmals vor, er sei seit acht Jahren bisexuell und es drohe ihm deshalb in Afghanistan Verfolgung. Diesen Folgeantrag wies das Verwaltungsgericht mit Erkenntnis vom in der Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei und legte keine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass das Vorbringen des Revisionswerbers zu seiner Bisexualität keinen glaubhaften Kern aufweise.

4 Am stellte der Revisionswerber einen weiteren (Folge-)Antrag auf internationalen Schutz, brachte in weiterer Folge vor, er sei „im ersten Folgeantragsverfahren“ noch nicht öffentlich als homosexuell geoutet gewesen und habe noch keine Identität als homosexueller Mann gehabt, während das nunmehrige öffentliche Outing in einer Regionalzeitung einen neuen Sachverhalt darstelle. Er machte zum Beweis für die von ihm bereits in seinem ersten Folgeantrag vorgebrachte Bi- bzw. Homosexualität Zeugen als „neue Beweismittel“ namhaft und legte dazu verschiedene Urkunden vor.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom wies das Verwaltungsgericht in der Sache - ohne Durchführung einer Verhandlung - den weiteren Folgeantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte die Zulässigkeit der Abschiebung nach Afghanistan fest, gewährte keine Frist für die freiwillige Ausreise und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.

6 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Revisionswerber habe in seinem dritten Antrag auf internationalen Schutz kein neues Vorbringen erstattet, sondern stütze sich auf dasselbe Vorbringen zu der ihm drohenden Verfolgungsgefahr wegen seiner sexuellen Orientierung wie im zweiten Verfahren. Soweit der Revisionswerber einen Artikel einer Regionalzeitung zu seinem öffentlichen Outing vorgelegt habe, sei dies nur einer „kleinen Leserschaft bekannt geworden“ und erweise sich „angesichts der Zielgruppe dieser Regionalzeitung“ das Vorbringen zu der ihm daraus wegen seiner sexuellen Orientierung in Afghanistan drohenden Verfolgung „als in höchstem Maße spekulativ“. Da der Revisionswerber im Verfahren über seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz mehrfach die Möglichkeit gehabt habe, seine Fluchtgründe umfassend vorzubringen, weise sein erst danach erstattetes Vorbringen zu seiner sexuellen Orientierung keinen glaubhaften Kern auf. Da der Revisionswerber „im gegenständlichen Verfahren kein neues Vorbringen erstattete, ist die Beurteilung des BVwG in seiner Entscheidung vom , die unbekämpft geblieben ist und daher dem Rechtsbestand angehört, in der gegenständlichen Entscheidung weiterhin maßgeblich ... . Die gegenständlich dritte Asylantragstellung, die sich auf dasselbe Vorbringen wie im zweiten Verfahren stützt, kann daher nicht zu einer anderen rechtlichen Beurteilung führen.“ Dem Beweisantrag des Revisionswerbers auf Einvernahme von ihm erstmals namhaft gemachte Zeugen zu seiner sexuellen Orientierung entsprach das Verwaltungsgericht ebenso wenig wie das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) im verwaltungsbehördlichen Verfahren.

7 Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom , E 3984/2020-5, die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde ab und trat diese gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

8 In der Folge erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision.

9 Mit Beschluss vom hat der Verwaltungsgerichtshof das gegenständliche Revisionsverfahren bis zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) über die mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom , EU 2019/0008 (Ro 2019/14/0006), vorgelegten Fragen ausgesetzt, weil der Beantwortung dieser Fragen auch für die Behandlung der vorliegenden Revision Bedeutung zukommt.

10 Mit Urteil vom , C-18/20, hat der EuGH über das Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichtshofes vom entschieden.

11 Das BFA brachte am eine Stellungnahme zum Urteil des EuGH ein.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision nach Durchführung des Vorverfahrens - eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

12 Die Revision bringt in ihrer Zulässigkeit unter anderem vor, das Verwaltungsgericht sei von näher bezeichneter Rechtsprechung zur Verhandlungspflicht und zur Aufnahme der nötigen Beweise abgewichen.

13 Die Revision ist zulässig und berechtigt.

14 In Hinblick auf wiederholte Anträge auf internationalen Schutz entspricht es der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten kann, der rechtlich für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen Relevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen „glaubhaften Kern“ aufweisen, dem Relevanz zukommt (vgl. etwa , mwN).

15 In jenem Fall, in dem das BFA den verfahrenseinleitenden Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat, ist insoweit „Sache des Beschwerdeverfahrens“ vor dem Verwaltungsgericht die Frage, ob diese Zurückweisung zu Recht erfolgt ist. Das Verwaltungsgericht hat diesfalls zu prüfen, ob die Behörde auf Grund des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen früheren Asylverfahren keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist. Die Prüfung der Zulässigkeit eines Folgeantrags auf Grund geänderten Sachverhalts hat - von allgemein bekannten Tatsachen abgesehen - im Beschwerdeverfahren nur anhand der Gründe, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens vorgebracht wurden, zu erfolgen (vgl. , mwN).

16 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich - nach Einholung einer Vorabentscheidung durch den EuGH (vgl. das schon erwähnte ) - in seinem Erkenntnis vom , Ro 2019/14/0006, des Näheren mit der Vereinbarkeit der asylrechtlichen Folgeanträge betreffenden Rechtslage mit den unionsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie 2013/32/EU (Verfahrensrichtlinie) befasst. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen.

17 Wie der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis ausgesprochen hat, darf ein Folgeantrag auf internationalen Schutz nicht allein deswegen wegen entschiedener Sache zurückgewiesen werden, weil der nunmehr vorgebrachte Sachverhalt von der Rechtskraft einer früheren Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz erfasst sei, ohne dass die Prüfung im Sinn des Art. 40 Abs. 2 und Abs. 3 Verfahrensrichtlinie vorgenommen worden wäre, ob „neue Elemente oder Erkenntnisse zutage getreten oder vom Antragsteller vorgebracht worden sind, die erheblich zu der Wahrscheinlichkeit beitragen, dass der Antragsteller nach Maßgabe der Richtlinie 2011/95/EU als Person mit Anspruch auf internationalen Schutz anzuerkennen ist“ (VwGH Ro 2019/14/0006, Rn 75).

18 Kommt bei dieser Prüfung hervor, dass - allenfalls entgegen den Behauptungen eines Antragstellers - solche neuen Elemente oder Erkenntnisse nicht vorliegen oder vom Antragsteller gar nicht vorgebracht worden sind, so ist eine Zurückweisung wegen entschiedener Sache weiterhin - in einem Verfahren, in dem auch die Vorgaben des Kapitels II der Verfahrensrichtlinie zu beachten sind - statthaft. Das gilt auch dann, wenn zwar neue Elemente oder Erkenntnisse vorliegen, die Änderungen aber lediglich Umstände betreffen, die von vornherein zu keiner anderen Entscheidung in Bezug auf die Frage der Zuerkennung eines Schutzstatus führen können. Der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt hat nämlich in diesen Konstellationen keine Änderung erfahren (VwGH Ro 2019/14/0006, Rn. 76).

19 Ergibt aber die Prüfung des im Folgeantrag erstatteten Vorbringens, dass neue Elemente oder Erkenntnisse zutage getreten oder vom Antragsteller vorgebracht worden sind, die erheblich zu der Wahrscheinlichkeit beitragen, dass der Antragsteller nach Maßgabe der Richtlinie 2011/95/EU als Person mit Anspruch auf internationalen Schutz anzuerkennen ist, ist die Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache nicht statthaft. Dies gilt im Besonderen auch dann, wenn das Vorbringen schon in einem früheren Verfahren hätte erstattet werden können und den Antragsteller ein Verschulden daran trifft, den fraglichen Sachverhalt nicht schon im früheren Verfahren geltend gemacht zu haben (VwGH Ro 2019/14/0006, Rn. 78).

20 Vorliegend hat sich der Revisionswerber zur Begründung seines weiteren (Folge-)Antrags auf internationalen Schutz in Bezug auf eine Verfolgungsgefahr wegen seiner sexuellen Orientierung unter anderem auf Beweismittel berufen, die weder im ersten noch im zweiten Asylverfahren dem BFA und dem Verwaltungsgericht bekannt waren und daher in diesen Verfahren auch keiner Überprüfung unterzogen wurden, ob ihm deswegen ein Schutzstatus zuzuerkennen wäre. Insoweit wurden von ihm zur Stützung seines (Folge-)Antrags auf internationalen Schutz neue Elemente vorgebracht, die seiner Ansicht nach sein Fluchtvorbringen untermauern und die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten rechtfertigen würden (vgl. , Rn. 23, mit Hinweis auf ).

21 Das Verwaltungsgericht hat die Zurückweisung des zweiten Folgeantrags des Revisionswerbers wegen entschiedener Sache für rechtmäßig erklärt, weil er kein neues Vorbringen erstattet habe, die Beurteilung des Verwaltungsgerichts in seiner Entscheidung vom über den ersten Folgeantrag, die unbekämpft dem Rechtsbestand angehöre, weiterhin maßgeblich sei und daher dasselbe Vorbringen wie im zweiten Asylverfahren zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung führen könne. In Hinblick auf die zur Stützung seines zweiten Folgeantrags beantragten Beweismittel hat das Verwaltungsgericht keine Erheblichkeitsprüfung im Sinne des Art. 40 Abs. 2 und 3 Verfahrensrichtlinie in der Weise vorgenommen, wie zuvor - hinweisend auf die neuere, das , zugrunde legende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - dargestellt.

22 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

23 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

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Normen
MRK Art3
VwGG §30 Abs2
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021010050.L01
Datenquelle

Fundstelle(n):
SAAAF-45405