TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH 27.04.2023, Ra 2021/01/0032

VwGH 27.04.2023, Ra 2021/01/0032

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
AVG §13 Abs2
AVG §13 Abs5
VwGG §24 Abs1
VwGG §26 Abs1
VwGVG 2014 §17
VwRallg
RS 1
Nach der Kundmachung des Präsidenten des VwG Wien vom u.a. betreffend die "II. Rechtswirksame Einbringung von schriftlichen Anbringen", GZ: VGW - ORG 468/2020-1, sind Empfangsgeräte für Telefax und E-Mail des VwG Wien auch außerhalb der Amtsstunden ("Montag bis Freitag von 07.30 Uhr bis 13.00 Uhr [werktags] Karfreitag, 24. und 31. Dezember von 7.30 Uhr bis 11.00 Uhr [sofern diese nicht auf einen Samstag oder Sonntag fallen]") empfangsbereit, sie werden aber nur während der Amtsstunden betreut. "Anbringen, die außerhalb der Amtsstunden an diese Empfangsgeräte übermittelt werden, können daher nicht entgegengenommen werden; diese Anbringen gelten, daher auch dann, wenn sie bereits in den Verfügungsbereich des Verwaltungsgerichtes Wien gelangt sind, erst mit Wiederbeginn der Amtsstunden als eingebracht (und eingelangt) und werden erst ab diesem Zeitpunkt in Behandlung genommen." Mit dieser Kundmachung des Präsidenten des VwG Wien wurde gemäß § 13 Abs. 2 und 5 AVG bestimmt, dass schriftliche Anbringen nur während der Amtsstunden entgegengenommen werden. (hier: Die vorliegende Revision ist - zumal sie zwar am letzten Tag der Frist, allerdings außerhalb der Amtsstunden, in den elektronischen Verfügungsbereich des VwG gelangt ist - als verspätet anzusehen.)
Norm
VwGG §46 Abs1
RS 2
Es obliegt einem berufsmäßigen Parteienvertreter, sich mit den Schritten, die für die Übermittlung von Revisionsschriftsätzen an das Verwaltungsgericht erforderlich sind, ausreichend vertraut zu machen. Nähere Regelungen zu den technischen Einbringungsmöglichkeiten beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (auch betreffend Revisionen) finden sich in § 1 der im Internet erfolgten Kundmachung des Präsidenten dieses Landesverwaltungsgerichts vom , LVwGI-2020-3861/5/Fi/SHe (siehe auch den in § 1 Abs. 1 leg. cit. für den elektronischen Rechtsverkehr angeführten "ERV-Anschriftcode"). Ein Rechtsanwalt hat sich derartige Informationen zu beschaffen (vgl. ).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2021/11/0148 B RS 1 (hier ohne den zweiten Satz)
Norm
VwGG §46
RS 3
Die Unkenntnis der Rechtslage oder ein Rechtsirrtum eines berufsmäßigen Parteienvertreters für sich allein stellt kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis, das die Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bilden könnte, dar (Hinweis Beschlüsse vom , Ra 2014/08/0001, und vom , Ro 2014/05/0030, mwN).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2016/05/0001 B VwSlg 19395 A/2016 RS 3

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer sowie die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Terlitza als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über 1. den Antrag des M D in W, vertreten durch Dr. Georg Zanger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Neuer Markt 1, auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einbringung einer außerordentlichen Revision gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom , VGW-152/044/2137/2020-36, betreffend Staatsbürgerschaft, und 2. in der Revisionssache gegen dieses Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

I. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

II. Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Antrag des Revisionswerbers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 abgewiesen.

2 Das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) wies mit dem angefochtenen Erkenntnis die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3 Dagegen erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision, indem sein Rechtsvertreter diese am Mittwoch, den , um 15:27 Uhr per E-Mail an das Verwaltungsgericht übersendete, das dort um 15:28 Uhr einlangte.

4 Über Verspätungsvorhalt des Verwaltungsgerichtshofes vom wurde vom Revisionswerber am der vorliegende Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Revision eingebracht und damit die außerordentliche Revision verbunden.

5 Zum Wiedereinsetzungsantrag bringt der Revisionswerber vor, dass es ihm „absolut unbekannt“ gewesen sei, dass eine Kundmachung des Präsidenten des Verwaltungsgerichtes Wien die Amtsstunden derart einschränke, dass die Amtsstunden des Verwaltungsgerichtes an einem Mittwoch (Werktags) bereits um 13:00 Uhr endeten. Die Tatsache, dass eine um 15:27 Uhr eingebrachte außerordentliche Revision „innerhalb der Frist nicht mehr rechtzeitig“ sei, stelle ein unvorhergesehenes Ereignis im Sinne des § 71 AVG dar.

6 Die Revision erweist sich als verspätet:

7 Gemäß § 26 Abs. 1 VwGG beträgt die Frist zur Erhebung einer Revision gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes (Revisionsfrist) sechs Wochen und beginnt gemäß § 26 Abs. 1 Z 1 leg. cit. in einem Fall wie dem vorliegenden mit dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses an den Revisionswerber. Ausgehend vom Zustellungszeitpunkt endete die sechswöchige Revisionsfrist somit am Mittwoch, den .

8 Gemäß § 13 Abs. 2 AVG können schriftliche Anbringen der Behörde in jeder technisch möglichen Form übermittelt werden, mit E-Mail jedoch nur insoweit, als für den elektronischen Verkehr zwischen der Behörde und den Beteiligten nicht besondere Übermittlungsformen vorgesehen sind. Etwaige technische Voraussetzungen oder organisatorische Beschränkungen des elektronischen Verkehrs zwischen der Behörde und den Beteiligten sind im Internet bekanntzumachen.

9 Nach § 13 Abs. 5 AVG ist die Behörde nur während der Amtsstunden verpflichtet, schriftliche Anbringen entgegenzunehmen oder Empfangsgeräte empfangsbereit zu halten. Die Amtsstunden und die für den Parteienverkehr bestimmte Zeit sind im Internet und an der Amtstafel bekanntzumachen.

10 Nach § 24 Abs. 1 VwGG sind Revisionsschriftsätze beim Verwaltungsgericht einzubringen.

11 Nach der hier maßgeblichen Kundmachung des Präsidenten des Verwaltungsgerichtes Wien vom u.a. betreffend die „II. Rechtswirksame Einbringung von schriftlichen Anbringen“, GZ: VGW - ORG 468/2020-1, sind Empfangsgeräte für Telefax und E-Mail des Verwaltungsgerichtes Wien auch außerhalb der Amtsstunden

(„Montag bis Freitag von 07.30 Uhr bis 13.00 Uhr [werktags] Karfreitag, 24. und 31. Dezember von 7.30 Uhr bis 11.00 Uhr [sofern diese nicht auf einen Samstag oder Sonntag fallen]“)

empfangsbereit, sie werden aber nur während der Amtsstunden betreut.

„Anbringen, die außerhalb der Amtsstunden an diese Empfangsgeräte übermittelt werden, können daher nicht entgegengenommen werden; diese Anbringen gelten, daher auch dann, wenn sie bereits in den Verfügungsbereich des Verwaltungsgerichtes Wien gelangt sind, erst mit Wiederbeginn der Amtsstunden als eingebracht (und eingelangt) und werden erst ab diesem Zeitpunkt in Behandlung genommen.“

12 Mit dieser Kundmachung des Präsidenten des Verwaltungsgerichtes Wien wurde (soweit hier maßgeblich) gemäß § 13 Abs. 2 und 5 AVG bestimmt, dass schriftliche Anbringen nur während der Amtsstunden entgegengenommen werden.

13 Laut Mitteilung des Präsidenten des Verwaltungsgerichtes Wien vom war die Kundmachung vom , GZ: VGW - ORG 468/2020-1, seit dem an der Amtstafel angeschlagen. Diese Kundmachung war seit diesem Zeitpunkt auch auf der Homepage des Verwaltungsgerichts kundgemacht.

14 Der Verwaltungsgerichtshof hat zu einer inhaltlich vergleichbaren Bestimmung in einer Kundmachung des Präsidenten des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich betreffend die Wirksamkeit der Einbringung von schriftlichen Anbringen bereits festgehalten, dass das Verwaltungsgericht damit die mangelnde Bereitschaft zur Entgegennahme von Schriftstücken, die außerhalb der Amtsstunden tatsächlich in ihren elektronischen Verfügungsbereich gelangt sind, im Sinne des § 13 Abs. 2 und 5 AVG zum Ausdruck gebracht hat (vgl. den , auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz iVm Abs. 9 VwGG verwiesen wird).

15 Ausgehend davon ist die vorliegende Revision - zumal sie zwar am letzten Tag der Frist, allerdings außerhalb der Amtsstunden, in den elektronischen Verfügungsbereich des Verwaltungsgerichts gelangt ist - als verspätet anzusehen.

16 Zu dem sich angesichts der Verspätung der Revision als zulässig erweisenden Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsfrist ist auszuführen, dass gemäß § 46 Abs. 1 VwGG der Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen ist, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Begriff des minderen Grades des Versehens als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber - oder sein Vertreter - darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben; dabei ist an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige und bisher noch nie an einem gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen; die Einhaltung der Rechtsmittelfristen erfordert von der Partei oder ihrem Vertreter größtmögliche Sorgfalt (vgl. etwa wiederum , mwN).

17 Nach ebenso ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei, wobei an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (vgl. etwa ; auch , Ra 2021/11/0148, jeweils mwN).

18 Der ins Treffen geführte Wiedereinsetzungsgrund führt den Antrag schon deshalb nicht zum Erfolg, weil es einem berufsmäßigen Parteienvertreter obliegt, sich mit den Schritten, die für die Übermittlung von Revisionsschriftsätzen an das Verwaltungsgericht erforderlich sind, ausreichend vertraut zu machen. Ein Rechtsanwalt hat sich derartige Informationen zu beschaffen (vgl. neuerlich , mwN). Die Unkenntnis der Rechtslage oder ein Rechtsirrtum eines berufsmäßigen Parteienvertreters für sich allein stellt kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis, das die Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bilden könnte, dar (vgl. wiederum ).

19 Mit dem wiedergegebenen Antragsvorbringen wurde somit vom Revisionswerber nicht dargelegt, dass die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt eingehalten wurde sowie dass seinem Rechtsvertreter und damit ihm kein Verschulden an der Versäumung der Revisionsfrist oder ein lediglich minderer Grad des Versehens im Sinne des § 46 Abs. 1 zweiter Satz VwGG angelastet werden könne. Der Antrag auf Wiedereinsetzung war daher abzuweisen.

20 Dies hat zur Folge, dass die - wie oben dargestellt - verspätet erhobene Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen war.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
AVG §13 Abs2
AVG §13 Abs5
VwGG §24 Abs1
VwGG §26 Abs1
VwGG §46
VwGG §46 Abs1
VwGVG 2014 §17
VwRallg
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2021010032.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
OAAAF-45402