VwGH 14.06.2023, Ra 2020/16/0170
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
RS 1 | Die Bezeichnung der Behörde ist ein wesentliches Merkmal, dessen Fehlen zur absoluten Nichtigkeit führt. Dem Erfordernis zur Bezeichnung der Behörde ist dann Rechnung getragen, wenn nach objektiven Gesichtspunkten für jedermann - also unabhängig von der subjektiven Kenntnis seitens des Adressaten des Schriftstückes - erkennbar ist, von welcher Behörde der Bescheid erlassen wurde. Ob und welcher Behörde eine Erledigung zuzurechnen ist, ist anhand ihres äußeren Erscheinungsbildes, also insbesondere anhand des Kopfes, des Spruches und seiner Einleitung, der Begründung, der Fertigungsklausel und der Rechtsmittelbelehrung zu beurteilen. Es ist demnach nicht von Bedeutung, an welcher Stelle der Erledigung die Behörde genannt ist (Hinweis E vom , Ra 2015/03/0051). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2016/11/0103 E RS 1 (hier ohne den ersten Satz) |
Norm | BAO §96 Abs1 |
RS 2 | Fehlt in der Ausfertigung die Bezeichnung der Behörde und enthält die Ausfertigung auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, von welcher Behörde die Erledigung ausgeht, so liegt keine wirksame amtliche Erledigung vor (Hinweis E , 90/14/00112 zu § 96 BAO). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 96/17/0086 E RS 1 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofräte Mag. Straßegger und Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision der V GMBH in R, vertreten durch Martin Friedl, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 4650 Lambach, Marktplatz 2, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/5200011/2017, betreffend Einfuhrabgaben und Verzugszinsen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Zollamt Österreich), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung der Beschwerde der Revisionswerberin insoweit Folge, als es die Höhe der mit den dort angefochtenen Bescheiden festgesetzten Verzugszinsen gemäß Art. 114 Abs. 2 UZK herabsetzte. Im Übrigen wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Es sprach weiters aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
2 Das Bundesfinanzgericht führte - soweit für das Revisionsverfahren relevant - aus, mit zwei Bescheiden vom habe das Zollamt der Revisionswerberin für jene eingangsabgabenpflichtigen Waren, die mit mehreren Zollanmeldungen in den Jahren 2013 bis 2015 in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr überführt worden seien, gemäß Art. 102 Abs. 3 UZK einen Einfuhrabgabenbetrag (Antidumpingzoll bzw. Ausgleichszoll) - infolge unzutreffender Ursprungsangaben in den Anmeldungen bzw. aufgrund Nichterfüllung der Voraussetzungen für die Befreiung von Antidumpingzoll und Ausgleichszoll - in näher genannter Höhe mitgeteilt. Weiters seien als Folge der Entstehung der Zollschuld Verzugszinsen festgesetzt worden.
3 Die Bescheide seien vom Vorstand des Zollamtes Linz Wels als Behördenleiter genehmigt worden und enthielten die Behördenbezeichnung „Zollamt Linz Wels Außenstelle Schärding“ mit einer Anschrift in Schärding. In der Rechtsbehelfsbelehrung sei u.a. angeführt, dass gegen diese Bescheide innerhalb eines Monats nach Zustellung „bei dem oben angeführten Amt“ der Rechtsbehelf der Beschwerde eingebracht werden könne.
4 Das Vorbringen der Revisionswerberin, wonach die angefochtenen Bescheide keinen Bescheidcharakter hätten - weil diese nicht dem Zollamt Linz Wels, sondern der Organisationseinheit „Außenstelle Schärding“ zuzurechnen seien, die aber zur Bescheiderlassung nicht befugt gewesen sei - erweise sich als nicht berechtigt. Die Frage, welcher Behörde eine Erledigung zuzurechnen ist, sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes anhand des äußeren Erscheinungsbildes und somit nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen.
5 Im Kopf der angefochtenen Bescheide scheine das Zollamt Linz Wels im vollen Wortlaut gemäß § 11 Abs. 1 AVOG 2010 - DV auf. Die Bescheide seien vom Vorstand ebendieses Zollamtes (unter Namensbeisetzung in Maschinenschrift) unterfertigt. Damit sei für jedermann erkennbar, welcher Behörde die Bescheide zuzurechnen seien.
6 Weiters sei auch in den Begründungen der Bescheide auf das Zollamt Linz Wels Bezug genommen worden, womit auch dem Inhalt der Erledigungen nach keine Zweifel entstehen würden, welcher Behörde die Erledigungen zuzurechnen seien. Die lediglich der Information dienende zusätzliche Nennung der Außenstelle des Zollamtes und deren Anschrift führe zu keinem Mangel der Erledigung, der ihr Nichtzustandekommen als Bescheid bewirken könne.
7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die vom Bundesfinanzgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt wurde.
8 Der Verwaltungsgerichtshof leitete das Vorverfahren ein (§ 36 VwGG); das Zollamt Österreich als belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag auf Zuerkennung von Aufwandersatz.
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist nach § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, der Verwaltungsgerichtshof habe „in einem ähnlich gelagerten Fall“ () ausgesprochen, dass die im Kopf einer Erledigung verwendete Bezeichnung „Amt der Landesregierung“ nichts darüber aussage, ob die Erledigung von der Landesregierung oder vom Landeshauptmann ausgehe, weil das Amt der Landesregierung bloßes Hilfsorgan beider Behörden sei. Da in einem solchen Fall eine Erledigung keiner bestimmten Behörde zurechenbar sei, könne sie auch nicht als Bescheid qualifiziert werden. Weiters fehle Rechtsprechung hinsichtlich der Behördeneigenschaft der Organisationseinheit „Zollamt Linz Wels Außenstelle Schärding“.
13 Mit diesem Vorbringen werden keine Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt.
14 Gemäß § 96 Abs. 1 BAO müssen schriftliche Erledigungen der Abgabenbehörden u.a. die Bezeichnung der Behörde enthalten.
15 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dem Erfordernis der Bezeichnung der Behörde Rechnung getragen, wenn - nach objektiven Gesichtspunkten für jedermann, also unabhängig von der subjektiven Kenntnis des Adressaten des Schriftstückes - erkennbar ist, von welcher Behörde die Erledigung erlassen wurde (vgl. ; , 2002/16/0231, jeweils mwN). Ob und welcher Behörde eine Erledigung zuzurechnen ist, ist somit anhand ihres äußeren Erscheinungsbildes, also insbesondere anhand des Kopfes, des Spruches und seiner Einleitung, der Begründung, der Fertigungsklausel und der Rechtsmittelbelehrung zu beurteilen (vgl. , mwN). Es ist demnach nicht von Bedeutung, an welcher Stelle der Erledigung die Behörde genannt ist (vgl. ; , 2008/15/0008, jeweils mwN).
16 Fehlt die Bezeichnung der Behörde und enthält die Ausfertigung keinerlei Anhaltspunkte dafür, von welcher Behörde die Erledigung ausgeht, so liegt keine wirksame amtliche Erledigung vor (vgl. ; , 96/17/0086, jeweils mwN).
17 Das Bundesfinanzgericht hat in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, es sei für jedermann erkennbar, welcher Behörde die angefochtenen Bescheide zuzurechnen seien. Dies ergebe sich aufgrund der vollständigen Bezeichnung des Zollamtes im Kopf, der Unterfertigung durch den Vorstand des Zollamtes, sowie der Begründung der beiden Bescheide. Die zusätzliche Nennung der Außenstelle könne keine Zweifel an der erlassenden Behörde entstehen lassen.
18 Dass diese Beurteilung unvertretbar wäre, oder dass das Bundesfinanzgericht mit dieser Beurteilung von der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre, wird in der Revision nicht aufgezeigt und ist auch nicht ersichtlich.
19 Bestehen aber keine Zweifel daran, welcher Behörde die erlassenen Bescheide zuzurechnen sind, stellt sich die weitere von der Revisionswerberin aufgeworfene Rechtsfrage - nach der Behördeneigenschaft der „Außenstelle“ - nicht. Zur Lösung abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof auf Grund von Revisionen aber nicht zuständig (vgl. , mwN).
20 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
21 Von der von der Revisionswerberin beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
22 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RA2020160170.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
ZAAAF-45378