VwGH 22.08.2022, Ra 2020/16/0085
Entscheidungsart: Beschluss
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofräte Mag. Straßegger und Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision der D S in L, vertreten durch Mag. Martin Streitmayer, Rechtsanwalt in 8700 Leoben, Franz-Josef-Straße 4, als bestellter Verfahrenshelfer, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/2101151/2019, betreffend Rückforderung der Familienbeihilfe für den Zeitraum Jänner bis Mai 2018 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt Österreich), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 553,20 € binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom forderte das (damalige) Finanzamt Bruck Leoben Mürzzuschlag (nunmehr Finanzamt Österreich) von der Revisionswerberin die für ihren Sohn L im Zeitraum Jänner 2018 bis Mai 2018 bezogene Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag gemäß § 26 Abs. 1 FLAG iVm. § 33 Abs. 3 EStG 1988 zurück. Der Sohn habe in dieser Zeit eine Maturaschule besucht, was alleine nicht ausreichend sei, um das Vorliegen einer Berufsausbildung anzunehmen. Es müsse das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen hinzutreten, die Externistenreifeprüfung abzulegen, was den Antritt zu den einschlägigen (Vor-)Prüfungen innerhalb angemessener Zeit erfordere. Dabei sei von einem erforderlichen Vorbereitungsaufwand von maximal vier Monaten pro Teilprüfung auszugehen.
2 Die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin wies das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab.
3 Mit Schriftsatz vom stellte die Revisionswerberin einen Vorlageantrag.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
5 Das Bundesfinanzgericht führte im Wesentlichen aus, der Sohn der Revisionswerberin habe sein im Rahmen des Ausbildungsmodells „Lehre mit Berufsreifeprüfung“ absolviertes Lehrverhältnis mit dem Ablegen der Lehrabschlussprüfung am abgeschlossen. Er habe ab dem eine zweite Lehre begonnen. Zur Vorbereitung auf die Berufsreifeprüfung - zu deren Ablegung er mit Beschluss der Berufsreifeprüfungskommission vom zugelassen worden sei - habe er im verfahrensgegenständlichen Zeitraum im Jahr 2018 Vorbereitungslehrgänge im näher dargelegten Ausmaß besucht. Der Besuch dieser Lehrgänge könne zwar in qualitativer Hinsicht Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG sein, in quantitativer Hinsicht sei es jedoch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes notwendig, dass diese Ausbildung die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehme, was bei einem wöchentlichen Zeitaufwand von mindestens 30 Stunden der Fall sei. Zudem sei es notwendig, zu den festgesetzten Terminen zu den entsprechenden Prüfungen anzutreten.
6 Der Sohn der Revisionswerberin habe im verfahrensgegenständlichen Zeitraum - Jänner bis Mai 2018 - Vorbereitungslehrgänge im Ausmaß von lediglich 9 bis 13 Stunde pro Woche besucht. Selbst unter Berücksichtigung des Zeitaufwandes für das Selbststudium könne nicht eine zeitliche Intensität der Vorbereitung von zumindest 30 Stunden pro Woche angenommen werden. Das Bundesfinanzgericht gehe somit in freier Beweiswürdigung davon aus, dass die Vorbereitungslehrgänge im verfahrensgegenständlichen Zeitraum nicht die volle Zeit des Sohnes der Revisionswerberin gebunden haben, zumal auch keine Teilprüfungen in dieser Zeit abgelegt worden seien. Es liege daher keine Berufsausbildung in quantitativer Hinsicht vor.
7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
8 Der Verwaltungsgerichtshof leitete über diese Revision gemäß § 36 VwGG das Vorverfahren ein. Das Finanzamt erstattete mit Schriftsatz vom eine Revisionsbeantwortung, in der es die Zurückweisung - in eventu die Abweisung - der Revision sowie die Zuerkennung von Aufwandersatz beantragte.
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, es fehle an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bezüglich der Frage, ob der vom Bundesfinanzgericht als Entscheidungsgrundlage herangezogene, näher bezeichnete Erlass des „Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie“ aus dem Jahr 1998 - in welchem die Voraussetzungen der Anerkennung der Vorbereitungszeit für die Berufsreifeprüfung als Berufsausbildung geregelt seien - auf das neu geschaffene Ausbildungsmodell „Lehre mit Matura“ Anwendung finde. Indem das Bundesfinanzgericht den genannten Erlass als Grundlage seiner Entscheidung herangezogen habe, sei es zudem von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Frage, ob Familienbeihilfe zustehe, anhand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten zu beantworten sei, abgewichen.
13 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
14 Entgegen den Ausführungen in der Zulässigkeitsbegründung hat das Bundesfinanzgericht sein Erkenntnis nicht auf den genannten Erlass gestützt, sondern darauf, dass die Vorbereitungslehrgänge für die Ablegung der Berufsreifeprüfung im verfahrensgegenständlichen Zeitraum tatsächlich nicht die volle Zeit des Sohnes der Revisionswerberin gebunden haben (vgl. zu dieser Voraussetzung , mwN). Dass die vom Bundesfinanzgericht vorgenommene - dieser Feststellung zugrundeliegende - Beweiswürdigung unvertretbar wäre, wird in der Revision nicht behauptet (zur eingeschränkten Revisibilität der Beweiswürdigung im Revisionsverfahren vgl. , mwN).
15 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
16 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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Normen | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020160085.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
WAAAF-45366