VwGH 29.06.2022, Ra 2020/16/0054
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Norm | FamLAG 1967 §2 Abs1 liti |
RS 1 | § 2 Abs. 1 lit. i FamLAG 1967 stellt explizit darauf ab, dass die Geburt des Kindes bis zu einem bestimmten Stichtag erfolgen bzw. dass die Schwangerschaft zu einem bestimmten Stichtag bestehen muss. |
Normen | FamLAG 1967 §2 Abs1 litb VwRallg |
RS 2 | Die Regelung des § 2 Abs. 1 lit. b neunter Satz FamLAG 1967, wonach Zeiten des Mutterschutzes sowie die Pflege und Erziehung eines eigenen Kindes bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres den Ablauf der Studienzeit hemmen, sieht - schon vor dem Hintergrund des damit verfolgten Regelungszwecks und ungeachtet der Verwendung des Begriffes "Ablauf" - unzweifelhaft eine Fortlaufshemmung vor (vgl. , wonach es sich dabei um einen "Verlängerungstatbestand" handelt). Bei einer Fortlaufshemmung ruht - anders als bei einer Ablaufshemmung - der Lauf der gehemmten Frist, solange der Hemmungsgrund besteht, und der noch nicht abgelaufene Teil der Frist läuft bei Wegfall des Hemmungsgrundes weiter, womit sich im Ergebnis die anwendbare Frist um den Zeitraum der Hemmung verlängert (vgl. ; , 82/09/0160). Übertragen auf die gegenständliche Bestimmung sind demnach - bei Geburt eines Kindes nach Beginn der Berufsausbildung - bereits vor Beginn des Hemmungszeitraumes absolvierte Semester Teil der insgesamt zulässigen Studienzeit gemäß § 2 Abs. 1 lit. b zweiter und dritter Satz FamLAG 1967, womit nach Ende des Hemmungszeitraumes die noch verbleibende Studienzeit nicht überschritten werden darf. |
Normen | |
RS 3 | Tritt bei einer Fortlaufshemmung das die Hemmung auslösende Ereignis (der Hemmungsgrund) noch vor Beginn der gehemmten Frist ein, wird - sofern nicht Gegenteiliges gesetzlich vorgesehen ist - der Beginnzeitpunkt dieser Frist bis zum Ablauf des Hemmungszeitraumes (bis zum Wegfall des Hemmungsgrundes) hinausgeschoben (sogenannte Anlaufshemmung), womit anschließend die gesamte vorgesehene Frist zur Verfügung steht (vgl. ; , 7 Ob 138/01x; vgl. , wonach - unter Bedachtnahme auf § 7 ABGB - auch im öffentlichen Recht auf diese allgemeinen Grundsätze des zivilrechtlichen Verjährungsrechts zurückgegriffen werden kann). |
Normen | FamLAG 1967 §2 Abs1 litb VwRallg |
RS 4 | Sinn und Zweck der in § 2 Abs. 1 lit. b FamLAG 1967 geregelten Verlängerungstatbestände ist die Erhaltung des Anspruchs auf Familienbeihilfe in Zeiten, in denen die vorgesehene Studienzeit (zuzüglich allfälliger Toleranzsemester) aufgrund einer Studienbehinderung nicht eingehalten werden kann. |
Normen | FamLAG 1967 §2 Abs1 litb VwRallg |
RS 5 | Mit der Regelung des § 2 Abs. 1 lit. b neunter Satz FamLAG 1967 - die implizit das Vorliegen einer Studienbehinderung unterstellt (vgl. dazu ) - wird insbesondere dem Umstand Rechnung getragen, dass aufgrund der zeitlichen Inanspruchnahme der Eltern (vgl. dazu ) durch die Pflege und Erziehung eines Kindes in dessen ersten zwei Lebensjahren die vorgesehene Studienzeit - und die damit verbundene Notwendigkeit entsprechende Leistungsnachweise zu erbringen - nicht eingehalten werden kann. Demnach soll diese Zeit keine negativen Auswirkungen auf den Familienbeihilfeanspruch entfalten und die Studienzeit entsprechend hemmen. Es kann nicht angenommen werden, dass die der Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. b neunter Satz FamLAG 1967 zugrundeliegende - gesetzlich aufgestellte - Vermutung, dass bei Pflege und Erziehung eines Kindes (bis zum zweiten Lebensjahr) die vorgesehene Studienzeit nicht eingehalten werden kann, nur bei Geburt eines Kindes nach Beginn der Berufsausbildung bestehen soll. Vor diesem Hintergrund wird eine Differenzierung danach, ob das Kind erst nach Beginn der Berufsausbildung - somit erst nach Entstehung des Anspruchs auf Familienbeihilfe - oder schon davor geboren wurde, dem mit der Bestimmung verfolgten Ziel nicht gerecht. |
Normen | |
RS 6 | Tritt die Hemmung des Ablaufs der Studienzeit gemäß § 2 Abs. 1 lit. b neunter Satz FamLAG 1967 ein, sind die Semester im Hemmungszeitraum - ebenso wie in jenen Fällen, in denen es aufgrund eines unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses zu einer Verlängerung der Studienzeit kommt (vgl. , mwN) - bei der Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Studienwechsels gemäß § 2 Abs. 1 lit. b zehnter Satz FamLAG 1967 iVm. § 17 StudFG 1992 nicht zu beachten. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und den Hofrat Mag. Straßegger, die Hofrätin Dr. Reinbacher, den Hofrat Dr. Bodis sowie die Hofrätin Dr. Funk-Leisch als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision der A D in M, vertreten durch die Cerha Hempel Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Parkring 2, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7104967/2019, betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum September 2016 bis August 2018, zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 € binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom forderte das (damalige) Finanzamt Neunkirchen Wr. Neustadt (nunmehr Finanzamt Österreich) von der Revisionswerberin die für ihre Tochter L im Zeitraum September 2016 bis August 2018 bezogene Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag gemäß § 26 Abs. 1 FLAG iVm § 33 Abs. 3 EStG 1988 zurück. Die Tochter L habe zunächst von Oktober 2014 bis August 2016 das Bachelorstudium Biologie an einer Universität betrieben und mit September 2016 einen Studienwechsel vorgenommen. Dieser Studienwechsel sei nach dem vierten Semester und daher verspätet erfolgt. Die Geburt der Enkelin M - der Tochter von L - könne nicht als Hemmungsgrund berücksichtigt werden, weil sie vor Studienbeginn stattgefunden habe.
2 Die Revisionswerberin erhob mit Schriftsatz vom gegen diesen Bescheid Beschwerde und brachte in inhaltlicher Hinsicht vor, die Geburt von M müsse gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG berücksichtigt werden, auch wenn sie vor Studienbeginn stattgefunden habe, womit eine Hemmung der Studienzeit eingetreten sei. Diese Hemmung müsse auch bei der Zulässigkeit des Studienwechsels berücksichtigt werden, der somit rechtzeitig erfolgt sei.
3 Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.
4 Die Revisionswerberin beantragte, die Beschwerde zur Entscheidung an das Bundesfinanzgericht vorzulegen.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
6 Nach Schilderung des Verfahrensgangs führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, L - die Tochter der Revisionswerberin - habe im Juni 2013 die Reifeprüfung abgelegt. Am habe sie ihre Tochter M - die Enkelin der Revisionswerberin - geboren. Ab dem Wintersemester 2014/15 bis einschließlich Sommersemester 2016 habe L das Bachelorstudium der Biologie an einer Universität betrieben. Im September 2016 habe L zum Bachelorstudium „Hebammen“ an einer Fachhochschule gewechselt, wobei ihr die im Bachelorstudium der Biologie bereits abgelegten Prüfungen nicht anerkannt worden seien. Die Revisionswerberin habe für L von Oktober 2014 bis August 2018 die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag bezogen.
7 Vor diesem Hintergrund teile das Bundesfinanzgericht nicht die Auffassung der Revisionswerberin, wonach der vollzogene Studienwechsel rechtzeitig erfolgt sei. Es sei zwar richtig, dass, wenn der Ablauf der Studienzeit durch die Pflege und Erziehung des eigenen Kindes gehemmt sei, die betreffenden Semester für die Beurteilung des Studienwechsels nicht einzubeziehen seien. Ein derartiger Fall liege allerdings nicht vor, weil bereits dem Wortlaut des Gesetzes zu entnehmen sei, dass eine Hemmung nur dann eintrete, wenn die Studienzeit bereits zu laufen begonnen habe. Das volljährige Kind müsse demnach mit der Berufsausbildung bereits begonnen haben. Im vorliegenden Fall sei der Anspruch der Revisionswerberin auf Familienbeihilfe erst mit Aufnahme des Studiums ihrer Tochter L im Oktober 2014 entstanden. Zum Beginn des Mutterschutzes sei L aber noch nicht in Ausbildung gestanden, womit sich die Geburt ihrer Tochter M nicht ablaufhemmend auf die Studienzeit habe auswirken können. Der Studienwechsel nach dem vierten Semester sei somit gemäß § 17 Abs. 1 Z 2 StudFG verspätet.
8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Durchführung des Vorverfahrens, in dem die belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung erstattet hat, erwogen hat:
9 Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit der Revision u.a. vor, es fehle an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage, ob die Hemmung des Ablaufs der Studienzeit bei Zeiten des Mutterschutzes sowie bei Pflege und Erziehung eines eigenen Kindes bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres gemäß § 2 Abs. 1 lit. b neunter Satz FLAG nur dann eintrete, wenn der Auslöser für die Hemmung nach Aufnahme als ordentlicher Hörer an einer Bildungseinrichtung gemäß § 3 StudFG eingetreten sei, oder ob die Hemmung grundsätzlich abstrakt wirke und daher auch schlagend werde, wenn - wie im vorliegenden Fall - erst nach dem ursächlichen Hemmungsgrund ein Anspruch auf Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag begründet werde.
10 Die Revision ist aus dem genannten Grund zulässig. Sie ist auch begründet.
11 Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die u.a. für einen Beruf ausgebildet werden. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 StudFG genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten, wobei wenn ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert wird, einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden kann.
12 Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b neunter Satz FLAG hemmen Zeiten des Mutterschutzes sowie die Pflege und Erziehung eines eigenen Kindes bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres den Ablauf der Studienzeit.
13 Gemäß § 2 Abs. 1 lit. i FLAG führt bei volljährigen Kindern die Geburt eines eigenen Kindes - unter näheren Voraussetzungen - zur Erhöhung der Altersgrenze, bis zu der ein Anspruch auf Familienbeihilfe vermittelt wird, vom 24. auf das 25. Lebensjahr. Die Bestimmungen des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG über die einzuhaltende Studiendauer sind dabei weiterhin zu beachten.
14 Im vorliegenden Revisionsfall ist strittig, ob - wie vom Bundesfinanzgericht vertreten - die Hemmung des Ablaufes der Studienzeit gemäß § 2 Abs. 1 lit. b neunter Satz FLAG nur dann eintritt, wenn das Kind - des volljährigen Kindes, das den Familienbeihilfeanspruch vermittelt - nach Beginn der Berufsausbildung geboren wird.
15 Zunächst ist festzuhalten, dass - entgegen der Ansicht des Bundesfinanzgerichtes - die Voraussetzung, wonach die Geburt des eigenen Kindes erst nach Beginn der Berufsausbildung erfolgen darf, damit es zur Hemmung des Ablaufes der Studienzeit kommt, dem Wortlaut der genannten Bestimmung nicht entnommen werden kann. Demgegenüber stellt § 2 Abs. 1 lit. i FLAG explizit darauf ab, dass die Geburt des Kindes bis zu einem bestimmten Stichtag erfolgen bzw. dass die Schwangerschaft zu einem bestimmten Stichtag bestehen muss.
16 Auch mit der Sichtweise, wonach die in § 2 Abs. 1 lit. b neunter Satz FLAG vorgesehene Hemmung nicht wirke, wenn das - die Hemmung auslösende - Ereignis vor Beginn der Berufsausbildung und damit auch vor Entstehung des Anspruchs auf Familienbeihilfe eintritt, ist das Bundesfinanzgericht nicht im Recht. Die Regelung, wonach Zeiten des Mutterschutzes sowie die Pflege und Erziehung eines eigenen Kindes bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres den Ablauf der Studienzeit hemmen, sieht - schon vor dem Hintergrund des damit verfolgten Regelungszwecks und ungeachtet der Verwendung des Begriffes „Ablauf“ - unzweifelhaft eine Fortlaufshemmung vor (vgl. , wonach es sich dabei um einen „Verlängerungstatbestand“ handelt). Bei einer Fortlaufshemmung ruht - anders als bei einer Ablaufshemmung - der Lauf der gehemmten Frist, solange der Hemmungsgrund besteht, und der noch nicht abgelaufene Teil der Frist läuft bei Wegfall des Hemmungsgrundes weiter, womit sich im Ergebnis die anwendbare Frist um den Zeitraum der Hemmung verlängert (vgl. ; , 82/09/0160; vgl. auch Ritz/Koran, BAO7, § 238 Rz 20; Köck in Köck/Judmaier/Kalcher/Schmitt, FinStrG5, § 31 Rz 15). Übertragen auf die gegenständliche Bestimmung sind demnach - bei Geburt eines Kindes nach Beginn der Berufsausbildung - bereits vor Beginn des Hemmungszeitraumes absolvierte Semester Teil der insgesamt zulässigen Studienzeit gemäß § 2 Abs. 1 lit. b zweiter und dritter Satz FLAG, womit nach Ende des Hemmungszeitraumes die noch verbleibende Studienzeit nicht überschritten werden darf.
17 Tritt bei einer Fortlaufshemmung das die Hemmung auslösende Ereignis (der Hemmungsgrund) noch vor Beginn der gehemmten Frist ein, wird - sofern nicht Gegenteiliges gesetzlich vorgesehen ist - der Beginnzeitpunkt dieser Frist bis zum Ablauf des Hemmungszeitraumes (bis zum Wegfall des Hemmungsgrundes) hinausgeschoben (sogenannte Anlaufshemmung), womit anschließend die gesamte vorgesehene Frist zur Verfügung steht (vgl. ; , 7 Ob 138/01x; vgl. Vollmaier in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3, Vorbemerkungen zu §§ 1494 bis 1496 ABGB Rz 3; vgl. , wonach - unter Bedachtnahme auf § 7 ABGB - auch im öffentlichen Recht auf diese allgemeinen Grundsätze des zivilrechtlichen Verjährungsrechts zurückgegriffen werden kann).
18 Es ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber mit der in § 2 Abs. 1 lit. b neunter Satz FLAG vorgesehenen Hemmung der Studienzeit von diesen Grundsätzen abweichen wollte. Eine derartige Sichtweise stünde zudem im Widerspruch zum mit dieser Bestimmung - sowie den anderen in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG geregelten Verlängerungstatbeständen - verfolgten Zweck und würde zu unsachlichen Differenzierungen führen.
19 Sinn und Zweck der in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG geregelten Verlängerungstatbestände ist die Erhaltung des Anspruchs auf Familienbeihilfe in Zeiten, in denen die vorgesehene Studienzeit (zuzüglich allfälliger Toleranzsemester) aufgrund einer Studienbehinderung nicht eingehalten werden kann (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG², § 2 Rz 85). Auch mit der gegenständlich strittigen Regelung des § 2 Abs. 1 lit. b neunter Satz FLAG - die implizit das Vorliegen einer Studienbehinderung unterstellt (vgl. dazu ) - wird insbesondere dem Umstand Rechnung getragen, dass aufgrund der zeitlichen Inanspruchnahme der Eltern (vgl. dazu erneut ) durch die Pflege und Erziehung eines Kindes in dessen ersten zwei Lebensjahren die vorgesehene Studienzeit - und die damit verbundene Notwendigkeit entsprechende Leistungsnachweise zu erbringen - nicht eingehalten werden kann. Demnach soll diese Zeit keine negativen Auswirkungen auf den Familienbeihilfeanspruch entfalten und - wie bereits dargestellt - die Studienzeit entsprechend hemmen. Es kann nicht angenommen werden, dass die der Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. b neunter Satz FLAG zugrundeliegende - gesetzlich aufgestellte - Vermutung, dass bei Pflege und Erziehung eines Kindes (bis zum zweiten Lebensjahr) die vorgesehene Studienzeit nicht eingehalten werden kann, nur bei Geburt eines Kindes nach Beginn der Berufsausbildung (konkret des Studiums) bestehen soll.
20 Vor diesem Hintergrund wird eine Differenzierung danach, ob das Kind erst nach Beginn der Berufsausbildung - somit erst nach Entstehung des Anspruchs auf Familienbeihilfe - oder wie im vorliegenden Fall schon davor geboren wurde, dem mit der Bestimmung verfolgten Ziel nicht gerecht.
21 Tritt die Hemmung des Ablaufs der Studienzeit gemäß § 2 Abs. 1 lit. b neunter Satz FLAG ein, sind die Semester im Hemmungszeitraum - ebenso wie in jenen Fällen, in denen es aufgrund eines unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses zu einer Verlängerung der Studienzeit kommt (vgl. , mwN) - bei der Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Studienwechsels gemäß § 2 Abs. 1 lit. b zehnter Satz FLAG iVm. § 17 StudFG nicht zu beachten. Davon ausgehend ist im vorliegenden Fall der Studienwechsel durch die Tochter der Revisionswerberin rechtzeitig erfolgt.
22 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
23 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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Schlagworte | Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Rechtsgrundsätze Allgemein Anwendbarkeit zivilrechtlicher Bestimmungen Verträge und Vereinbarungen im öffentlichen Recht VwRallg6/1 Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020160054.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
CAAAF-45364