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VwGH 18.02.2021, Ra 2020/16/0010

VwGH 18.02.2021, Ra 2020/16/0010

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Norm
FamLAG 1967 §10 Abs3
RS 1
Durch die Ausdehnung eines Beihilfenantrags auf weiter zurückliegende Zeiträume kann die Fünf-Jahres-Frist nach § 10 Abs. 3 FLAG nicht unterlaufen werden, weil diese ab dem Zeitpunkt der Erweiterung des Antrags zu rechnen ist.
Normen
FamLAG 1967 §10
VwRallg
RS 2
Die Nämlichkeit eines Antrags ergibt sich nicht nur aus der Anführung eines Datums, sondern insbesondere auch aus der Anführung der Namen der involvierten Personen und des betroffenen Zeitraums.
Normen
BAO §293
BAO §93 Abs2
VwRallg
RS 3
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Angabe eines fehlerhaften Antragsdatums im Spruch eines Bescheids unbeachtlich, wenn sich aus dem Zusammenhang des Bescheids eindeutig ergibt, dass ein anderes Datum gemeint war, selbst wenn dieser offensichtliche Fehler von der Behörde nicht gemäß § 293 BAO berichtigt wurde (vgl. )
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2018/16/0121 E RS 2

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und den Hofrat Dr. Mairinger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die vom damaligen Finanzamt Wien 12/13/14 Purkersdorf in 1030 Wien, Marxergasse 4, eingebrachte Revision gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7100758/2015, betreffend Familienbeihilfe für Jänner 2012 bis März 2013 und Mai bis Juni 2013 (mitbeteiligte Partei: S C als Rechtsnachfolgerin nach W M in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Die Mitbeteiligte ist Gesamtrechtsnachfolgerin ihres im Jahr 2015 verstorbenen Vaters.

2 Mit Bescheid vom wies das Finanzamt einen Antrag des Vaters „vom “ auf Familienbeihilfe für seine Tochter (die Mitbeteiligte) für die Zeiträume Jänner 2012 bis März 2013 und Mai bis Juni 2013 ab. Die Mitbeteiligte habe in den strittigen Zeiträumen bei ihrer Mutter gewohnt, weshalb dem Vater kein Anspruch auf Familienbeihilfe zustehe.

3 In der gegen den Abweisungsbescheid vom vom Vater erhobenen Berufung brachte dieser zusammengefasst vor, seine Tochter habe entgegen den Feststellungen des Finanzamts in den verfahrensrelevanten Zeiträumen sehr wohl bei ihm und nicht bei ihrer Mutter gelebt; er stelle daher den Antrag, der Berufung stattzugeben und ihm die Familienbeihilfe für die Zeiträume Jänner 2012 bis März 2013 und Mai bis Juni 2013 zu bewilligen.

4 Mit dem an die Mitbeteiligte als Gesamtrechtsnachfolgerin des Vaters gerichteten angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht - nach Ergehen einer abweisenden Beschwerdevorentscheidung durch das Finanzamt und der Stellung eines Vorlageantrags - der (als Beschwerde zu wertenden) Berufung des Vaters Folge und hob den Bescheid des Finanzamts vom (ersatzlos) auf. Weiters sprach es aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

5 In der Begründung führte das Bundesfinanzgericht - soweit hier wesentlich - aus, der Vater habe am über FinanzOnline einen Antrag auf Familienbeihilfe für seine Tochter gestellt, in dem er ausgeführt habe, er möchte, dass die Familienbeihilfe für seine Tochter „in Zukunft“ an ihn überwiesen werde, da diese schon seit geraumer Zeit bei ihm wohne, er den größten Teil des Kindesunterhalts bestreite und seine geschiedene Frau keinen Unterhalt zahle.

6 Das Finanzamt habe am ein Schreiben betreffend die „Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe“ an den Vater gerichtet, in dem dieser auch zur Vorlage von Nachweisen dafür aufgefordert worden sei, dass seine Tochter „seit April 2013“ seinem Haushalt angehöre.

7 Am habe der Vater dieses Überprüfungsschreiben, um diverse Angaben ergänzt, an das Finanzamt retourniert; er habe dem Finanzamt auch eine Erklärung vorgelegt, in der er „an Eides statt“ erkläre, dass seine Tochter seit Ende 2010 bei ihm wohnhaft sei und er für ihren Lebensunterhalt aufkomme. Er stelle daher den „Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe ab 01/2012“.

8 Mit Bescheid vom habe das Finanzamt einen Antrag des Vaters „vom “ auf Gewährung der Familienbeihilfe für seine Tochter für die Zeiträume Jänner 2012 bis März 2013 und Mai bis Juni 2013 abgewiesen. Warum der Monat April 2013 ausgenommen worden sei, gehe aus dem Bescheid des Finanzamts nicht hervor. Offenbar sei dem Vater der Mitbeteiligten für einen Monat die Familienbeihilfe gewährt worden, wie auch aus einem E-Mail des Vaters vom an das Finanzamt hervorgehe.

9 Nach § 10 Abs. 1 FLAG werde die Familienbeihilfe nur auf Antrag gewährt. Der Vater der Mitbeteiligten habe eindeutig bereits am einen Antrag auf Familienbeihilfe für seine Tochter über FinanzOnline gestellt.

10 Solange ein Antrag gemäß § 10 Abs. 1 FLAG vom Finanzamt nicht erledigt sei, seien weitere Eingaben als Ergänzungen oder Urgenzen des unerledigten früheren Antrags zu werten. Ein allfälliger „Antrag vom “ sei somit kein eigenständiger Antrag gemäß § 10 Abs. 1 FLAG, sondern ergänze nur den bereits am gestellten und bisher unerledigten Antrag des Vaters der Mitbeteiligten.

11 Der Antrag vom habe sich nicht nur auf den Monat April 2013, sondern auf den Zeitraum ab April 2013 bezogen. Ein solcher, nicht ausdrücklich befristeter Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe erstrecke sich bis zum letzten Anspruchszeitraum (§ 10 Abs. 2 FLAG), in dem der Anspruch erlösche.

12 Bestehe aufgrund eines Antrags ein Anspruch auf Familienbeihilfe, ohne dass es zwischendurch zu einem Erlöschen dieses Anspruchs komme, sei ein neuerlicher Antrag (infolge Einstellung der Auszahlung der Familienbeihilfe) nicht als neuer Antrag iSd § 10 Abs. 1 FLAG, sondern als Urgenz der Fortzahlung aufgrund des seinerzeitigen Antrags zu werten.

13 Der Antrag vom sei mit der Auszahlung der Familienbeihilfe für April 2013 nicht erledigt. Wenn das Finanzamt die Anspruchsvoraussetzungen in den übrigen Monaten als nicht gegeben erachtet habe, hätte es den Antrag vom im Übrigen mit Bescheid (§ 13 FLAG) abweisen müssen.

14 Mit der Rücksendung eines Überprüfungsschreibens komme der Beihilfenbezieher lediglich seiner Auskunftsverpflichtung nach. Ein Anbringen zur Geltendmachung von Rechten (§ 85 Abs. 1 BAO), somit ein Antrag iSd § 10 Abs. 1 FLAG, sei darin nicht zu erblicken. Zwar könne sich aus dem Zusammenhang durch die Rücksendung eines Überprüfungsschreibens ergeben, dass es sich dabei schlüssig um einen Antrag iSd § 10 Abs. 1 FLAG handle, Anhaltspunkte dafür lägen im gegenständlichen Fall aber nicht vor. Der Vater der Mitbeteiligten habe mit seiner Angabe vom , „er beantrage die Gewährung der Familienbeihilfe ab 01/2012“, nur sein (abgesehen von der Gewährung für April 2013) nicht erledigtes Anbringen vom hinsichtlich des Zeitraums ab Jänner 2012 erweitert.

15 Das Finanzamt habe durch die Abweisung eines Antrags „vom “ über ein Anbringen abgesprochen, das nicht an diesem Tag gestellt worden sei. Da der Vater der Mitbeteiligten am rechtlich keinen (neuen) Antrag auf Familienbeihilfe gestellt habe, hätte das Finanzamt einen solchen auch nicht abweisen dürfen.

16 Das richtige Datum eines Anbringens sowie dessen Einlangens oder dessen Postaufgabe sei nicht nur für die Identifizierbarkeit des Anbringens, sondern auch für die Berechnung von Fristenläufen maßgebend. Es sei daher fehlerhaft, ein Anbringen mit einem gänzlich anderen Datum zu bezeichnen.

17 Die richtige Bezeichnung von Anbringen (§ 85 BAO) und Bescheiden (§§ 92 bis 96 BAO) sei gerade im Familienbeihilfenverfahren von Bedeutung. Es sei keineswegs völlig unüblich, dass von Beihilfenwerbern hintereinander an verschiedenen Tagen Anbringen mit unterschiedlichem Inhalt gestellt würden. Dem Antragsdatum komme daher, anders als etwa bei von Amts wegen einzuleitenden Verfahren, wie einem Verfahren zur Rückforderung von Familienbeihilfe gemäß § 26 FLAG, im Verfahren betreffend die Zuerkennung von Familienbeihilfe oder einer Ausgleichszahlung wesentliche Bedeutung zu.

18 Als Sache des Beschwerdeverfahrens, somit als Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, sei jene Angelegenheit anzusehen, die den Inhalt des Spruchs des Bescheids der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde bilde. Dem Bundesfinanzgericht sei es verwehrt, durch eine Änderung des Antragsdatums, auf welches sich ein antragsbedürftiger Bescheid in seinem Spruch beziehe, den Prozessgegenstand auszutauschen. Spreche ein antragsbedürftiger Bescheid über einen Antrag „vom Tag X“ ab, sei Sache des Beschwerdeverfahrens ein Antrag „vom Tag X“ und nicht ein solcher „vom Tag Y“. Habe die Behörde mit ihrem Bescheid daher ein nicht gestelltes Anbringen „vom Tag X“ vermeintlich erledigt, sei der diesbezügliche Bescheid ersatzlos aufzuheben.

19 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision des Finanzamts, in der zur Zulässigkeit zusammengefasst vorgebracht wird, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob eine Eingabe, mit der erstmals auch die Zuerkennung von Familienbeihilfe für rückwirkende Zeiträume begehrt werde, einen eigenständigen neuen Antrag iSd § 10 Abs. 1 FLAG darstelle, oder ob darin lediglich eine Ergänzung eines früheren, noch unerledigten Antrags auf zukünftige Gewährung von Familienbeihilfe zu erblicken sei. Auch wenn man mit dem Bundesfinanzgericht davon ausgehe, dass nur „ein“ Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe vorliege, könne die Anführung eines allenfalls unrichtigen Datums im Bescheid aber keinen Einfluss auf die Sache des Beschwerdeverfahrens haben und müsse nach dem Grundsatz „falsa demonstratio non nocet“ unbeachtlich sein.

20 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen.

21 Die Revision ist zulässig und begründet.

22 Im Revisionsfall ist unstrittig, dass der Vater der Mitbeteiligten am über FinanzOnline einen Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für seine Tochter gestellt hat, wobei er hinsichtlich des Anspruchszeitraums ausführte, er wolle, dass die Familienbeihilfe „in Zukunft“ an ihn überwiesen werde.

23 Das Finanzamt und das Bundesfinanzgericht haben diesen Antrag, weil er auf die Familienbeihilfe „in Zukunft“ abstellt, als Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe „ab April 2013“ gewertet. Aufgrund dieses Antrags hat das Finanzamt den Vater mit dem formularmäßigen Überprüfungsschreiben vom aufgefordert, entsprechende Nachweise dafür vorzulegen, dass seine Tochter „seit April 2013“ seinem Haushalt angehöre.

24 Gemeinsam mit der Rückübermittlung des ausgefüllten Überprüfungsformulars am brachte der Vater beim Finanzamt ein mit datiertes Schreiben ein, in welchem er die Gewährung der Familienbeihilfe ab Jänner 2012 begehrte. Diesen Antrag wertete das Bundesfinanzgericht als Ausdehnung des unerledigten Beihilfenantrags vom . Das Bundesfinanzgericht ging sohin davon aus, dass der Beihilfenantrag des Vaters vom durch die Eingabe des Vaters vom eine Ausdehnung erfahren hat.

25 Hinzuweisen ist jedoch darauf, dass durch die Ausdehnung eines Beihilfenantrags auf weiter zurückliegende Zeiträume die Fünf-Jahres-Frist nach § 10 Abs. 3 FLAG nicht unterlaufen werden kann und diese ab dem Zeitpunkt der Erweiterung des Antrags zu rechnen ist.

26 Das Finanzamt hat nach dem Einlangen der Eingabe des Vaters vom den Bescheid vom erlassen, mit dem es den Antrag des Vaters auf Familienbeihilfe für die Mitbeteiligte für die Zeiträume Jänner 2012 bis März 2013 und Mai bis Juni 2013 abwies (für April 2013 war offensichtlich die Familienbeihilfe gewährt worden). Im Abweisungsbescheid bezeichnete das Finanzamt den abgewiesenen Antrag des Vaters als Antrag „vom “.

27 Weil das Finanzamt den Antrag des Vaters auf Gewährung von Familienbeihilfe für seine Tochter betreffend den Zeitraum ab Jänner 2012 als Antrag „vom “ bezeichnet hat, ging das Bundesfinanzgericht davon aus, das Finanzamt habe einen Antrag abgewiesen, der nicht gestellt worden sei, und hob daher den Abweisungsbescheid des Finanzamts auf. Nun stellt zwar das Datum „“ jenes Datum dar, an dem der Antrag vom ausgedehnt worden ist. Die Nämlichkeit eines Antrags ergibt sich aber nicht nur aus der Anführung eines Datums, sondern insbesondere auch aus der Anführung der Namen der involvierten Personen und des betroffenen Zeitraums.

28 Bei der gegebenen Sachlage ist jedenfalls ohne jeglichen Zweifel objektiv erkennbar, dass das Finanzamt mit dem in Rede stehenden Abweisungsbescheid den Antrag des Vaters auf Gewährung von Familienbeihilfe für die Mitbeteiligte für den Zeitraum vom Jänner 2012 bis März 2013 und vom Mai bis Juni 2013, wie er in den Eingaben vom 17. März und gestellt worden war, erledigt hat.

29 Zu Unrecht hat das Bundesfinanzgericht den Antrag des Finanzamts mit der Begründung aufgehoben, das Finanzamt habe über einen Antrag abgesprochen, der niemals gestellt worden sei.

30 Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes selbst die Angabe eines fehlerhaften Antragsdatums im Spruch eines Bescheids unbeachtlich ist, wenn sich aus dem Zusammenhang des Bescheids eindeutig ergibt, dass ein anderes Datum gemeint war, selbst wenn dieser offensichtliche Fehler von der Behörde nicht gemäß § 293 BAO berichtigt wurde (vgl. ).

31 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
BAO §293
BAO §93 Abs2
FamLAG 1967 §10
FamLAG 1967 §10 Abs3
VwRallg
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020160010.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
YAAAF-45361