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VwGH 08.09.2022, Ra 2020/15/0124

VwGH 08.09.2022, Ra 2020/15/0124

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
BAO §280 Abs1 lite
VwGG §41
RS 1
Erkenntnisse und Beschlüsse der Verwaltungsgerichte sind so zu begründen, dass der Denkprozess, der in der Erledigung seinen Niederschlag findet, sowohl für den Abgabepflichtigen als auch im Fall der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofs für diesen nachvollziehbar ist. Hiezu muss die Begründung insbesondere erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen das Verwaltungsgericht zur Ansicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt, und aus welchen Gründen die Subsumtion des Sachverhalts unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet wird (vgl. z.B. ; , Ra 2016/15/0059).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2020/13/0020 E RS 3
Normen
BAO §108
VwRallg
RS 2
Ein Schriftsatz befindet sich ab Einlangen in der Einlaufstelle in der Sphäre der Behörde, die sich der Einlaufstelle bedient (vgl. ; , 2013/15/0192, mwN).
Normen
BAO §108
VwRallg
RS 3
Durch Einwurf in den Posteinwurfkasten des Finanzamtes ist - bei Fehlen spezifischer Regelungen - eine gestellte Frist grundsätzlich dann gewahrt, wenn der Einwurf "bis spätestens 24 Uhr getätigt" worden ist (vgl. ).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn sowie die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr.in Lachmayer und Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision des J S in W, vertreten durch Mag. Dr. Markus Kaltseis, Rechtsanwalt in 4609 Thalheim/Wels, Ägydiplatz 3, gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/5100513/2013, betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 2005 bis 2008 zzgl. Verspätungszuschläge (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt Österreich, Dienststelle Braunau Ried Schärding), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das BFG die Beschwerde als verspätet zurück. Begründend führte es aus, dem Revisionswerber seien die streitgegenständlichen Bescheide (Umsatz- und Einkommensteuer 2005 bis 2008 und Verspätungszuschläge) am an seiner Meldeadresse zugestellt worden. Da dem Revisionswerber - nach insgesamt drei bewilligten Fristverlängerungsanträgen - letztlich die Rechtsmittelfrist bis zum (Freitag) bescheidmäßig verlängert worden sei und er die Beschwerde erst am „(Montag - siehe Stempel des Finanzamtes v.  am Originalschreiben der Beschwerde v. )“ beim Finanzamt durch Einwurf in den Briefkasten am Standort in R eingebracht habe, sei die Beschwerde als nicht fristgerecht eingebracht zu beurteilen gewesen.

2 Konträr zu diesen Annahmen im Erwägungsteil gab das BFG bei der Schilderung des Verfahrensgangs an: „Nach insgesamt drei bewilligten Fristverlängerungsanträgen wurde letztlich die Frist bis zum verlängert. Dieser Rsb-Brief wurde vom Bf. persönlich am , der sich damals [...] in der Justizanstalt [...] zur Verbüßung der restlichen gegen ihn verhängten Strafe aufgehalten hat, übernommen.“

3 Unter „Beweiswürdigung“ führte das BFG im Erwägungsteil lediglich aus:

„Die Frist wurde schließlich bis zum bescheidmäßig verlängert. Die Beschwerde wurde am persönlich in den Briefkasten des FA eingeworfen (siehe Stempel des FA v. ).“

4 Gegen diesen Beschluss, mit dem auch eine Revision für unzulässig erklärt wurde, richtet sich die außerordentliche Revision des Revisionswerbers, die zur Zulässigkeit vorbringt, nach den anzuwendenden Verfahrensbestimmungen der BAO ende eine Tagesfrist „mit dem Ablauf des letzten Tages“. Dabei sei § 108 Abs. 3 BAO zu beachten. Falle das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember, so sei der nächste Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage sei, als letzter Tag der Frist anzusehen. Gemäß den Sachverhaltsfeststellungen des BFG seien dem Revisionswerber insgesamt drei Fristverlängerungsanträge bewilligt worden, wobei die Rechtsmittelfrist letztlich „bis Samstag, den verlängert wurde (siehe Beschluss, Seite 2)“. Weiters sei durch das BFG festgestellt worden, dass die Beschwerde in Form des Schriftsatzes des Revisionswerbers vom in den Briefkasten des Finanzamtes am Standort R eingeworfen und am Montag, dem vom Finanzamt am Originalschreiben abgestempelt worden sei. Damit stelle sich ferner über den Einzelfall hinaus die zu lösende Rechtsfrage, ob für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit der tatsächliche Zeitpunkt des Einwurfes in den Briefkasten oder die Abfertigung der Behörde entscheidungswesentlich ist.

5 Das Bundesfinanzgericht legte dem Verwaltungsgerichtshof - nach ho. schriftlicher Urgenz - die (bei ihm bereits am eingelangte) Revision am vor, woraufhin der Verwaltungsgerichtshof das Vorverfahren einleitete.

6 Das Finanzamt hat daraufhin eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der es die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses beantragte. Begründend führte das Finanzamt aus, aus den Aufzeichnungen des damaligen Prüfers gehe hervor, dass die Frist zur Einbringung der Beschwerde bis „ (Samstag)“ verlängert worden sei. Gehe man davon aus, dass eine Fristverlängerung bis (Samstag) stattgefunden habe, sei die Rechtzeitigkeit der eingebrachten Beschwerde nach § 108 Abs. 3 BAO zu prüfen, weshalb die Einbringung der Beschwerde am (Montag) rechtzeitig gewesen sei.

7 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8 Die Revision ist zulässig und begründet.

9 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss die Begründung einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung erkennen lassen, welcher Sachverhalt ihr zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen das Verwaltungsgericht zur Ansicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen es die Subsumtion des Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet. Die Begründung muss dabei in einer Weise erfolgen, dass der Denkprozess, der in der Erledigung seinen Niederschlag findet, sowohl für den Abgabepflichtigen als auch im Fall der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes für diesen nachvollziehbar ist (vgl. zB , sowie grundlegend ).

10 Diesen Anforderungen an eine Begründung genügt der angefochtene Beschluss aus mehreren Gründen nicht.

11 Der angefochtene Beschluss führt im Rahmen der Darstellung des Verfahrensganges als Zeitpunkt, bis zu welchem die Rechtsmittelfrist verlängert worden ist, den (Samstag) an. Im Verwaltungsakt befindet sich die Kopie des händisch erstellten Fristverlängerungsbescheides (samt dem dessen Zustellung am ausweisenden Rückschein), aus der sich die Fristverlängerung bis zum ergibt. Solcherart erweist sich die im Erwägungsteil des angefochtenen Beschlusses vorgenommene Sachverhaltsfeststellung, wonach die Rechtsmittelfrist nur bis zum verlängert worden sei, als aktenwidrig.

12 Fällt das Ende der eingeräumten Rechtsmittelfrist - wie vom BFG in seinen Ausführungen zum Verfahrensgang angegeben - auf einen Samstag, ist gemäß § 108 Abs. 3 BAO nicht dieser Tag, sondern der darauf folgende Montag als letzter Tag der Frist anzusehen und der Beschluss des BFG schon deshalb rechtswidrig.

13 Im Übrigen enthält der angefochtene Beschluss aber auch keine beweiswürdigende Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Revisionswerbers, wonach er seinen Schriftsatz vom bereits „am selben Tag beim Finanzamt“ eingeworfen habe.

14 Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, befindet sich ein Schriftsatz ab Einlangen in der Einlaufstelle in der Sphäre der Behörde, die sich der Einlaufstelle bedient (vgl. ; , 2013/15/0192, mwN).

15 Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , 83/14/0023, festgehalten hat, ist durch Einwurf in den Posteinwurfkasten des Finanzamtes - bei Fehlen spezifischer Regelungen - eine gestellte Frist grundsätzlich dann gewahrt, wenn der Einwurf „bis spätestens 24 Uhr getätigt“ worden ist (vgl. Stoll, BAO I 1186; Wanke, Der Einwurfkasten, ÖStZ 1993, 42).

16 Nähere Feststellungen zum Posteinwurfskasten des Finanzamtes, dessen Zugänglichkeit außerhalb der Amtsstunden und zur damaligen Stempelpraxis des Finanzamts bei morgendlicher Leerung des Postkastens (nach einem Wochenende) hat das BFG aber nicht getroffen.

17 Der angefochtene Beschluss war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
BAO §108
BAO §280 Abs1 lite
VwGG §41
VwRallg
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020150124.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
NAAAF-45356