VwGH 14.02.2023, Ra 2020/13/0107
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Prozessvoraussetzung für die Erhebung einer Revision ist u.a. das objektive Rechtsschutzinteresse des Revisionswerbers an der Kontrolle der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung durch den VwGH (Beschwer). Eine solche Beschwer liegt vor, wenn das angefochtene verwaltungsgerichtliche Handeln vom Antrag des Revisionswerbers zu dessen Nachteil abweicht (formelle Beschwer) oder mangels Antrags das VwG den Revisionswerber durch seine Entscheidung belastet. Die Beschwer ist - ungeachtet des Vorliegens dieser genannten Voraussetzungen - aber nicht mehr gegeben, wenn es für die Rechtsstellung des Revisionswerbers keinen Unterschied mehr macht, ob die angefochtene Entscheidung aufrecht bleibt oder aufgehoben wird bzw. wenn die Erreichung des Verfahrensziels für den Revisionswerber keinen objektiven Nutzen hat, die in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen insoweit nur (mehr) theoretische Bedeutung besitzen (vgl. etwa , mit weiteren Nachweisen). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2017/18/0284 B RS 1 (hier ohne den letzten Satz) |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und die Hofräte MMag. Maislinger und Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des Dr. N, Rechtsanwalt in B, als (ehemaliger) Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der G GmbH, gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom , RV/5101714/2018, betreffend Zurückweisung eines Antrags auf Aufhebung gemäß § 299 BAO hinsichtlich Feststellung über das Vorliegen eines Scheinunternehmens gemäß § 8 SBBG, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom stellte das Finanzamt fest, dass die G GmbH als Scheinunternehmen gemäß § 8 Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz (SBBG) gelte. Aufgrund einer Verdachtsmeldung durchgeführte Erhebungen durch die Finanzpolizei hätten gezeigt, dass die G GmbH - über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei - als Anmeldevehikel für Dienstnehmer anderer Unternehmen verwendet worden sei. Gegenüber der vermögenslosen G GmbH - deren Gesellschafter bzw. Geschäftsführer nicht kontaktierbar gewesen seien - bestünden Abgaben- und Beitragsrückstände in beträchtlicher Höhe.
2 Dieser Feststellungsbescheid war an die G GmbH adressiert und wurde dieser gemäß § 8 Abs. 6 SBBG - an die der Abgabenbehörde zuletzt bekannt gegebene Adresse, die der im Firmenbuch eingetragenen Geschäftsanschrift entsprach - zugestellt. Eine Zustellung erfolgte darüber hinaus auch „zur Kenntnisnahme“ an den Revisionswerber „als Masseverwalter“ der G GmbH.
3 Nach Ablauf der Beschwerdefrist gegen diesen Bescheid stellte die G GmbH durch einen bevollmächtigten Vertreter einen Antrag gemäß § 299 BAO auf Aufhebung des Feststellungsbescheides vom . Das Finanzamt wies diesen Antrag mit an die G GmbH gerichteten, zu Handen des bevollmächtigten Vertreters adressierten Bescheid ab, woraufhin die G GmbH - wiederum durch ihren bevollmächtigten Vertreter - Beschwerde erhob. Darin wurde u.a. vorgebracht, die Zustellung des Feststellungsbescheides sei nicht wirksam erfolgt, weil er nicht dem Rechtsvertreter, der sich als solcher bereits zu einem früheren Zeitpunkt gegenüber dem Finanzamt ausgewiesen habe, sondern direkt der G GmbH zugestellt worden sei.
4 Nach Abweisung der Beschwerde mit - ebenfalls an die G GmbH gerichteter, zu Handen des bevollmächtigten Vertreters adressierter - Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes stellte die G GmbH einen Vorlageantrag.
5 Mit dem angefochtenen - an die G GmbH zu Handen des bevollmächtigten Vertreters adressierten - Beschluss wies das Bundesfinanzgericht den Antrag der G GmbH gemäß § 299 BAO auf Aufhebung des Feststellungsbescheides über das Vorliegen eines Scheinunternehmens gemäß § 8 SBBG als unzulässig zurück. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Bundesfinanzgericht für nicht zulässig.
6 Nach Wiedergabe des Verfahrensablaufs führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, entgegen der Rechtsansicht des Finanzamtes würden die Sonderbestimmungen des SBBG betreffend Zustellung dem Insolvenzrecht nicht vorgehen. Durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei der G GmbH sei das gesamte der Exekution unterworfene Vermögen (Insolvenzmasse) deren freien Verfügung entzogen worden. Rechtshandlungen der G GmbH als Gemeinschuldnerin hinsichtlich dieses Vermögens seien unwirksam, es greife darüber hinaus auch eine Prozesssperre. Die Gemeinschuldnerin sei insoweit verfügungsunfähig und prozessunfähig. Stattdessen sei der Masseverwalter zum Einschreiten legitimiert, soweit Aktiv- bzw. Passivbestandteile der Konkursmasse betroffen seien. Es entspreche zudem der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass der Masseverwalter auch in Abgabenverfahren an die Stelle des Gemeinschuldners trete.
7 Die Feststellung des Vorliegens eines Scheinunternehmens habe - näher dargelegte - weitreichende Auswirkungen auf verschiedene Rechtsverhältnisse und auf das Vermögen des Gemeinschuldners, womit der Feststellungsbescheid als Teil der Masse zu betrachten sei. Da der verfahrensgegenständliche Feststellungsbescheid nach Insolvenzeröffnung erlassen worden sei, wäre er an den Masseverwalter zu richten gewesen, nur dieser sei für dieses Verfahren zuständig.
8 Durch die bloße Zustellung der an die Gemeinschuldnerin gerichteten Erledigung an den Masseverwalter sei diese ihm gegenüber - ohne Heilungsmöglichkeit - nicht wirksam geworden. Der ergangene Feststellungsbescheid sei daher als Nichtbescheid zu beurteilen, weil er nicht wirksam erlassen worden sei. Der Antrag auf Bescheidaufhebung gemäß § 299 BAO sei aus diesem Grund zurückzuweisen gewesen.
9 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
10 Zunächst sei darauf verwiesen, dass mit Beschluss vom der Konkurs aufgehoben wurde; mit Beschluss vom wurde die Rechtskraft der Aufhebung des Konkurses bestätigt.
11 Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, denen der Mangel der Berechtigung zu ihrer Erhebung entgegensteht, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
12 Prozessvoraussetzung für die Erhebung einer Revision ist damit (unter anderem) das objektive Rechtsschutzinteresse an der Kontrolle der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof (Beschwer; vgl. z.B. ). Eine derartige Beschwer liegt vor, wenn das angefochtene verwaltungsgerichtliche Handeln vom Antrag des Revisionswerbers zu dessen Nachteil abweicht (formelle Beschwer) oder mangels Antrages das Verwaltungsgericht den Revisionswerber durch seine Entscheidung belastet (vgl. z.B. ; , Ra 2017/05/0208).
13 Im vorliegenden Verfahren wurde der von der G GmbH gestellte Antrag auf Aufhebung des Bescheides vom mit dem angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichtes mit der Begrünung als unzulässig zurückgewiesen, dass dieser Bescheid (vom ) nicht wirksam erlassen worden sei. Damit begründet aber der angefochtene Beschluss weder eine Beschwer der G GmbH noch des Insolvenzverwalters (vgl. zu verschiedenen rechtlichen Zurechnungspunkten ; zum - allfälligen - Eintritt des Schuldners in Verfahren bei Aufhebung des Insolvenzverfahrens ), da einerseits (im Ergebnis) die von der G GmbH angestrebte Beseitigung (der Rechtswirkungen) des Bescheides vom erreicht wurde und anderseits der Insolvenzverwalter durch diese Zurückweisung in keiner Weise belastet wurde.
14 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG als unzulässig zurückzuweisen.
15 Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Schlagworte | Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RA2020130107.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
PAAAF-45296