VwGH 14.12.2023, Ra 2020/13/0101
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Als Hindernis iSd § 308 Abs. 3 BAO ist jenes Ereignis iSd § 308 Abs. 1 BAO zu verstehen, das die Fristeinhaltung verhindert hat. Besteht das unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis in einem Irrtum, so fällt dieses Hindernis bereits dann weg, sobald die Partei (oder ihr Vertreter) diesen Irrtum als solchen erkennen konnte und musste (vgl. ; , Ro 2018/16/0014, mwN; vgl. auch - zu § 46 VwGG - ; , 2011/15/0146; , Ra 2015/16/0083, mwN; vgl. weiters - zu § 33 VwGVG - , mwN). Für den Lauf der Wiedereinsetzungsfrist kommt es somit auf den Zeitpunkt der zumutbaren Erkennbarkeit des Irrtums an, also auf den Wegfall des Irrtums oder der Umstände, unter denen er nicht in einer der Wiedereinsetzung entgegen stehenden Weise vorwerfbar ist (vgl. ). Der Wiedereinsetzung entgegen steht der Irrtum aber dann, wenn der mindere Grad des Versehens überschritten ist (vgl. - zu § 46 VwGG - ). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2022/13/0035 E RS 4 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und die Hofräte MMag. Maislinger und Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des S in T, vertreten durch Dr. Markus Singer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Seilerstätte 22/DG/23, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7100683/2019, betreffend Zurückweisung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Zur Vorgeschichte des Revisionsfalls wird zunächst auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2017/13/0010, verwiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hob damit den Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7103438/2016, mit dem das Bundesfinanzgericht seine Unzuständigkeit festgestellt hat, aus näher genannten Gründen wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit auf.
2 Mit Schriftsatz vom stellte der Revisionswerber u.a. einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Vorlageantrags - hinsichtlich mehrerer Beschwerden - und holte gleichzeitig den Vorlageantrag nach. Der Vorlageantrag sei bereits vom Rechtsvertreter per Fax am an das Finanzamt versendet worden, jedoch trotz positiver Übermittlungsbestätigungen („OK-Meldungen“) offenbar nie beim Finanzamt angekommen. Für den Rechtsvertreter sei der Irrtum über die erfolgreiche Faxübermittlung erst durch den Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7103438/2016, objektiv erkennbar gewesen.
3 Mit Bescheid vom wies das Finanzamt diesen Antrag - mit näherer Begründung - ab. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung vom ab, woraufhin der Revisionswerber einen Vorlageantrag stellte.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis änderte das Bundesfinanzgericht - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - den angefochtenen Bescheid dahingehend ab, dass der Antrag des Revisionswerbers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO als verspätet zurückgewiesen wurde.
5 Das Bundesfinanzgericht führte nach ausführlicher Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens im Wesentlichen aus, die Kanzleileiterin des Rechtsvertreters des Revisionswerbers habe am ein Faxgerät betätigt, um vier Eingaben - u.a. einen Vorlageantrag - an das zuständige Finanzamt zu übermitteln. Sie habe jeweils Sendebestätigungen mit dem Sendevermerk „O.K.“ und der korrekt angezeigten übermittelten Seitenzahl erhalten. Obwohl nach dem vom Telekommunikationsanbieter des Rechtsvertreters erstellten Einzelentgeltnachweis vier Datenübertragungen aufscheinen würden, sei nicht eines der Schriftstücke beim Finanzamt eingelangt.
6 Dies sei dem Rechtsvertreter des Revisionswerbers erstmals im Rahmen eines Telefonates am von der zuständigen Sachbearbeiterin des Finanzamtes mit der Aufforderung mitgeteilt worden, diese Schriftstücke dem Finanzamt per E-Mail zu übermitteln. Diese Schriftstücke seien dem Bundesfinanzgericht am zur Entscheidung vorgelegt worden, wobei im Vorlagebericht nochmals darauf hingewiesen worden sei, dass beim Finanzamt kein Fax eingelangt sei, weswegen von einer nicht rechtzeitigen Einbringung auszugehen sei.
7 Mit Beschluss vom habe das Bundesfinanzgericht dem Revisionswerber erneut bekannt gegeben, dass laut Aussage des Finanzamtes ein per Fax eingebrachter Vorlageantrag nicht eingelangt sei. Es sei ihm Gelegenheit gegeben worden, das Einlangen des Faxes beim Finanzamt nachzuweisen oder zumindest glaubhaft zu machen.
8 Mit Beschluss vom , RV/7103438/2016, habe das Bundesfinanzgericht seine Unzuständigkeit festgestellt, weil kein einer Entscheidung zugänglicher Vorlageantrag eingebracht worden sei.
9 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesfinanzgericht aus, es sei unstrittig, dass der Rechtsvertreter des Revisionswerbers einem Irrtum über das Einlangen des per Fax gesendeten Vorlageantrages beim Finanzamt erlegen sei. Die unterlassene Nachfrage über das Einlangen beim Finanzamt stelle aber im Hinblick auf die positive Sendebestätigung einen minderen Grad der Fahrlässigkeit dar. Strittig sei lediglich, ab welchem Zeitpunkt der Rechtsvertreter habe erkennen können, dass der Vorlageantrag beim Finanzamt nicht eingelangt sei.
10 Der Revisionswerber gehe davon aus, dass erst ab Einlangen des Beschlusses des Bundesfinanzgerichtes vom (gemeint wohl: ) erkennbar gewesen sei, dass das Fax beim Finanzamt nicht eingelangt sei. Dem sei entgegenzuhalten, dass sowohl das Finanzamt im Vorlagebericht vom als auch das Bundesfinanzgericht mit Beschluss vom festgehalten hätten, dass die bis dahin vorgelegten Unterlagen als nicht ausreichend angesehen würden, um das tatsächliche Einlangen der Faxnachrichten beim Finanzamt zu beweisen. Dementsprechend sei spätestens mit Erhalt des Beschlusses des Bundesfinanzgerichtes vom für den Revisionswerber erkennbar gewesen, dass er - sofern er nicht über weitere Beweismittel verfügt habe - davon habe ausgehen müssen, die Fax-Nachricht sei nicht eingelangt.
11 Spätestens ab diesem Zeitpunkt habe sich der Rechtsvertreter des Revisionswerbers im Hinblick auf das Einlangen der Faxnachricht nicht mehr in einem ihm nicht vorwerfbaren Irrtum befunden.
12 Die Frist zur Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages habe daher spätestens mit Einlangen des Beschlusses des Bundesfinanzgerichtes vom beim Rechtsvertreter am begonnen.
13 Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom sei daher nicht mehr innerhalb von drei Monaten ab Wegfall des einen minderen Grad des Versehens darstellenden, nicht vorwerfbaren Irrtums betreffend das Einlangen der Faxnachricht beim Finanzamt eingebracht worden.
14 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. In dem vom Verwaltungsgerichtshof eingeleiteten Vorverfahren hat die belangte Behörde keine Revisionsbeantwortung erstattet.
15 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
16 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
17 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
18 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision im Wesentlichen vor, das Bundesfinanzgericht habe - entgegen näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - den maßgeblichen Zeitpunkt für den Beginn der Frist für den Wiedereinsetzungsantrag verkannt. Entscheidend sei die objektive Erkennbarkeit des Irrtums, nicht bereits die Kenntnis der Möglichkeit des Vorliegens eines Irrtums.
19 Mit diesem Vorbringen kann die Zulässigkeit der Revision nicht aufgezeigt werden.
20 Das Bundesfinanzgericht hat im angefochtenen Erkenntnis festgestellt, die verfahrensgegenständlichen Faxnachrichten seien beim Finanzamt nicht eingelangt. Ausgehend von dieser Feststellung ist im vorliegenden Revisionsfall die Frage strittig, ob der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtzeitig - gemäß § 308 Abs. 3 BAO innerhalb von drei Monaten nach Aufhören des Hindernisses - gestellt worden ist.
21 Als Hindernis iSd § 308 Abs. 3 BAO ist jenes Ereignis iSd § 308 Abs. 1 BAO zu verstehen, das die Fristeinhaltung verhindert hat. Besteht das unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis in einem Irrtum, so fällt dieses Hindernis bereits dann weg, sobald die Partei (oder ihr Vertreter) diesen Irrtum als solchen erkennen konnte und musste. Für den Lauf der Wiedereinsetzungsfrist kommt es somit auf den Zeitpunkt der zumutbaren Erkennbarkeit des Irrtums an, also auf den Wegfall des Irrtums oder der Umstände, unter denen er nicht in einer der Wiedereinsetzung entgegen stehenden Weise - somit bei Vorliegen eines den minderen Grad übersteigenden Versehens - vorwerfbar ist (vgl. zu all dem ausführlich , mwN).
22 Im vorliegenden Fall lag ein Irrtum - des Rechtsvertreters des Revisionswerbers - darüber vor, ob die per Fax übermittelten Schriftsätze beim Finanzamt tatsächlich eingelangt seien. In der Unterlassung der Überprüfung des Einlangens der Faxnachrichten kann - wie auch das Bundesfinanzgericht zutreffend annimmt - zunächst kein auffallend sorgloses Verhalten erblickt werden. Das Bundesfinanzgericht geht aber davon aus, dass dieser Irrtum spätestens mit Zustellung des Beschlusses vom - beim Rechtsvertreter am - erkennbar gewesen sei.
23 Die Frage, ob das Verwaltungsgericht ausgehend vom festgestellten - unstrittigen - Sachverhalt im Hinblick auf die Nichterkennbarkeit des Irrtums zu Recht das Vorliegen eines minderen Grad des Versehens verneint hat, ist aber grundsätzlich keine Rechtsfrage, der über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zukommt. Eine solche Rechtsfrage läge nur dann vor, wenn die Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. , mwN).
24 Die Revision kann nicht aufzeigen, dass die Beurteilung des Bundesfinanzgerichtes, wonach der Revisionswerber spätestens mit Zustellung des Beschlusses vom seinen Irrtum hätte erkennen müssen, womit ihm ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden anzulasten sei, im vorliegenden Fall unvertretbar wäre. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
25 Von der vom Revisionswerber beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RA2020130101.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
LAAAF-45293