VwGH 28.06.2021, Ra 2020/13/0082
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , Ra 2020/13/0073, ausgesprochen, dass der Umstand, dass die Bemessungsgrundlagen für eine monatlich gegliederte Aufstellung der Abgaben nicht ermittelt oder berechnet werden können, nicht zum Unterbleiben der Heranziehung zur Haftung führt; die Bemessungsgrundlagen sind in diesem Fall vielmehr nach § 184 Abs. 1 BAO zu schätzen. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2020/13/0072 E RS 1 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6 - Rechnungs- und Abgabenwesen, in 1010 Wien, Ebendorferstraße 2, 3. Stock, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7400361/2018, betreffend Haftung (Kommunalsteuer, Wiener Dienstgeberabgabe) (mitbeteiligte Partei: Ing. H in S, vertreten durch die Auxiliaris Steuerberatung GmbH in 8480 Mureck, Grazer Straße 12), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit Haftungsbescheid vom wurde der Mitbeteiligte für den Rückstand an Kommunalsteuer samt Nebenansprüchen der W GmbH für den Zeitraum Jänner 2014 bis Juli 2015 in Höhe von 2.495,43 € und für den Rückstand an (Wiener) Dienstgeberabgabe samt Nebenansprüchen der W GmbH für den Zeitraum Jänner 2014 bis Februar 2015 in Höhe von 270,40 € haftbar gemacht und aufgefordert, die offenen Beträge zu entrichten.
2 Die offenen Abgaben wurden aufgegliedert wie folgt:
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Kommunalsteuer | 2014 | 2.925,35 |
Säumniszuschlag | 58,50 | |
Kommunalsteuer | 1-2/2015 | 93,08 |
Pfändungsgebühr | 7/2015 | 33,66 |
Barauslagen | 7/2015 | 8,70 |
Dienstgeberabgabe | 2014 | 300,00 |
Säumniszuschlag | 6,00 | |
Dienstgeberabgabe | 1-2/2015 | 32,00 |
3 Insgesamt ergebe sich ein Rückstand von 3.457,29 €. Da eine Sanierungsplanquote von 20 % bestätigt worden sei, werde ein Betrag von 2.765,83 € geltend gemacht.
4 Der Mitbeteiligte erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Er machte geltend, er habe seinen Pflichten zur Entrichtung der Abgaben nur deshalb nicht vollständig nachkommen können, weil für die vollständige Entrichtung der Abgaben die notwendigen liquiden Mittel nicht vorhanden gewesen seien. Im Zeitraum vom 1. Jänner bis habe die W GmbH 53,01 % der gesamten (bestehenden und neu entstandenen) Verbindlichkeiten beglichen; an die Stadt Wien habe er keine Zahlungen geleistet; er habe daher die Stadt Wien im Ausmaß von 53,01 % schlechter als andere Gläubiger behandelt. Es werde daher beantragt, den Bescheid dahin abzuändern, dass eine Haftung nur im Ausmaß von 53,01 % (1.709,84 €) bestehe.
5 Mit Vorhalt vom wurde der Mitbeteiligte aufgefordert, eine monatliche Aufschlüsselung der abgegebenen Jahreserklärungen (Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe) für den Zeitraum Jänner 2014 bis Februar 2015 sowie eine gegliederte Liquiditätsaufstellung für diesen Zeitraum vorzulegen. Die Liquiditätsaufstellung habe für den jeweiligen Betrachtungszeitraum folgende Angaben zu enthalten:
a) eine Auflistung der im jeweiligen Betrachtungszeitraum (ab 16. des Vormonats bis 15. des Fälligkeitsmonats) neu entstandenen Verbindlichkeiten; b) eine Auflistung aller Zahlungen (inklusive Zahlungen zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes bzw. Zug-um-Zug-Geschäfte) und sonstigen Tilgungen im Betrachtungszeitraum;
c) eine Aufstellung der liquiden Mittel zum Fälligkeitstag (15. des Fälligkeitsmonats).
Es seien dabei alle Gläubiger - einzeln und mit Angabe des Namens - anzuführen. Es wurde dazu auch ein Musterbeispiel mit zwei fiktiven Verbindlichkeiten dargestellt; zusätzlich (zum Vorgehen nach diesem Musterbeispiel) sei eine Aufstellung der liquiden Mittel zum jeweiligen Fälligkeitstag beizubringen.
6 Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. In der Begründung wurde insbesondere ausgeführt, der Mitbeteiligte habe trotz Aufforderung die erforderliche Liquiditätsaufstellung nicht erbracht; er hafte daher für den Abgabenbetrag zur Gänze.
7 Der Mitbeteiligte beantragte die Entscheidung der Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht. Er machte geltend, er habe den Haftungsbetrag entsprechend dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2012/08/0227, ermittelt. Daraus ergebe sich eine Haftung des Mitbeteiligten im Ausmaß von 53,01 % (1.709,84 €).
8 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde Folge und hob den angefochtenen Bescheid ersatzlos auf. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
9 Nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, am sei über das Vermögen der W GmbH ein Sanierungsverfahren (ohne Eigenverwaltung) eröffnet worden. Der Mitbeteiligte sei vom bis zur Eröffnung des Sanierungsverfahrens selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der W GmbH gewesen.
10 Es sei der belangten Behörde oblegen, eine monatliche Aufschlüsselung der Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe für den Zeitraum Jänner 2014 bis Februar 2015 vorzulegen. Nach der Aktenlage sei aber die Haftung für Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe für den Zeitraum Jänner 2014 bis Juli 2015 in einem Gesamtbetrag geltend gemacht worden, ohne eine monatliche Aufgliederung der in Haftung gezogenen Abgaben bekannt zu geben. Werde die Kommunalsteuer lediglich in einem Jahresbetrag ohne monatliche Aufgliederung der in Haftung gezogenen Abgaben bekannt gegeben, bewirke dies eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides. Der Mitbeteiligte sei damit von der Behörde nicht in die Lage gesetzt worden, konkret vorzubringen, weshalb er welche Abgabe nicht (vollständig) abgeführt oder entrichtet habe und damit den ihm auferlegten Entlastungsbeweis zu erbringen. Insbesondere sei der Mitbeteiligte durch die Bekanntgabe der Abgaben nicht in monatlichen Beträgen, sondern lediglich in Jahresbeträgen auch nicht in die Lage versetzt worden, die geforderte, nach Monaten gegliederte Liquiditätsaufstellung zu erstellen und dabei die auf die Abgabengläubigerin entfallende monatliche Quote zu errechnen. Der mit Beschwerde angefochtene Bescheid sei daher aufzuheben gewesen.
11 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision der belangten Behörde. Zur Zulässigkeit wird u.a. geltend gemacht, eine ersatzlose Aufhebung des Bescheides der Abgabenbehörde komme nicht in Betracht, wenn die Behörde der Pflicht zur Aufteilung der monatlichen Haftungsbeträge nicht nachgekommen sei.
12 Nach Einleitung des Vorverfahrens hat der Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattet. Hierauf hat die belangte Behörde repliziert.
13 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
14 Die Revision ist zulässig und begründet.
15 Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , Ra 2020/13/0073, ausgesprochen, dass der Umstand, dass die Bemessungsgrundlagen für eine monatlich gegliederte Aufstellung der Abgaben nicht ermittelt oder berechnet werden können, nicht zum Unterbleiben der Heranziehung zur Haftung führt; die Bemessungsgrundlagen sind in diesem Fall vielmehr nach § 184 Abs. 1 BAO zu schätzen.
16 Damit erweist sich auch das hier angefochtene Erkenntnis als rechtswidrig.
17 Im vorliegenden Fall ist ergänzend darauf zu verweisen, dass sich in den Verwaltungsakten ohnehin eine „vorläufige Feststellung“ der Abgaben - monatlich aufgegliedert von Juli 2014 bis Februar 2015 - findet. Die seit Juli 2014 ausgewiesenen Beträge entsprechen offenkundig in Summe jenen, die mit dem Haftungsbescheid geltend gemacht wurden. Es ist dem Verwaltungsgerichtshof nicht erkennbar, aus welchen Erwägungen die belangte Behörde und das Bundesfinanzgericht dem Mitbeteiligten diese monatlichen Beträge nicht vorgehalten haben.
18 Das angefochtene Erkenntnis war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am
Zusatzinformationen
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020130082.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
GAAAF-45286