VwGH 23.06.2021, Ra 2020/13/0072
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
RS 1 | Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , Ra 2020/13/0073, ausgesprochen, dass der Umstand, dass die Bemessungsgrundlagen für eine monatlich gegliederte Aufstellung der Abgaben nicht ermittelt oder berechnet werden können, nicht zum Unterbleiben der Heranziehung zur Haftung führt; die Bemessungsgrundlagen sind in diesem Fall vielmehr nach § 184 Abs. 1 BAO zu schätzen. |
Normen | |
RS 2 | In einem Fall, in dem weder die Höhe (zur jeweiligen Fälligkeit) der Abgabenschuld bestritten wird, noch vom Haftungspflichtigen Gläubigergleichbehandlung behauptet wird, ist eine Aufgliederung der Abgabenschuld nach den jeweiligen Fälligkeiten nicht geboten. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer und den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des Magistrats der Landeshauptstadt Linz in 4041 Linz, Hauptplatz 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom , Zl. LVwG-450544/4/MB/HEK, betreffend Haftung für Kommunalsteuer (mitbeteiligte Partei: Mag. H in L), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit Bescheid des Magistrates L wurde die mitbeteilige Partei als ehemaliger Geschäftsführer der P GmbH im Wege der Haftung gemäß § 6a Kommunalsteuergesetz 1993 (KommStG) für aushaftende Kommunalsteuerforderungen für den Zeitraum bis in Anspruch genommen.
2 In der dagegen erhobenen Beschwerde führte der Mitbeteiligte aus, spätestens zum Zeitpunkt der Eröffnung des Konkursverfahrens über die P GmbH sei die Einbringlichkeit bei der Primärschuldnerin nicht mehr gegeben gewesen. Die Abgabenbehörde hätte schon damals den Haftungsbescheid erlassen können; zudem habe die Abgabenbehörde im Schuldenregulierungsverfahren des Mitbeteiligten keine Forderungen angemeldet.
3 Nach abweisender Beschwerdevorentscheidung und Vorlageantrag erteilte das Landesverwaltungsgericht dem Amtsrevisionswerber gemäß § 269 Abs. 2 BAO einen Ermittlungsauftrag, eine monatliche Aufgliederung der Kommunalsteuerforderungen vorzunehmen, um den Haftungspflichtigen in die Lage zu versetzen, eine Liquiditätsaufstellung zu den Fälligkeitstagen vorzulegen. Auf Nachfrage der Abgabenbehörde teilte der Mitbeteiligte dieser mit, dass ihm keine Unterlagen mehr zur Verfügung stünden. Die Abgabenbehörde setzte daraufhin das Landesverwaltungsgericht in Kenntnis, dass eine entsprechende Aufgliederung nicht vorgelegt werden könne, weil weder die Abgabenbehörde noch der Mitbeteiligte über dementsprechende Unterlagen verfügten.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht der Beschwerde Folge und hob den angefochtenen Bescheid ersatzlos auf. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
5 Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens führte es aus, dem Mitbeteiligten sei die Kommunalsteuernachforderung für die Jahre 2007 bis 2013 ausschließlich in Jahresbeträgen bekanntgegeben worden. Eine monatliche Aufgliederung sei im Haftungsbescheid nicht erfolgt. Eine solche Aufgliederung habe auch nicht vorgelegt werden können, weil weder die Abgabenbehörde noch der Mitbeteiligte über entsprechende Unterlagen verfügten. Der Mitbeteiligte sei dadurch nicht in die Lage versetzt worden, die von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geforderte Gläubigergleichbehandlung nachzuweisen. Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, das Verwaltungsgericht hätte die „Unmöglichkeit einer monatlichen Aufgliederung der Haftungsbeiträge als Grund für eine ersatzlose Aufhebung des Haftungsbescheides“ nicht heranziehen dürfen. Zudem stelle sich die Rechtsfrage, ob von der Abgabenbehörde eine monatliche Aufschlüsselung des Haftungsbetrages stets von Amts wegen oder nur bei konkretem Vorbringen des Haftungspflichtigen zum Thema Gläubigergleichbehandlung vorzunehmen sei.
7 Der Verwaltungsgerichtshof hat das Vorverfahren eingeleitet. Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.
8 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
9 Die Revision ist zulässig und begründet.
10 Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , Ra 2020/13/0073, ausgesprochen, dass der Umstand, dass die Bemessungsgrundlagen für eine monatlich gegliederte Aufstellung der Abgaben nicht ermittelt oder berechnet werden können, nicht zum Unterbleiben der Heranziehung zur Haftung führt; die Bemessungsgrundlagen sind in diesem Fall vielmehr nach § 184 Abs. 1 BAO zu schätzen.
11 Damit erweist sich auch das hier angefochtene Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts als rechtswidrig.
12 Für das fortzusetzende Verfahren ist aber zu beachten, dass in einem Fall (wie dem hier vorliegenden), in dem weder die Höhe (zur jeweiligen Fälligkeit) der Abgabenschuld bestritten wird, noch vom Haftungspflichtigen Gläubigergleichbehandlung behauptet wird, eine Aufgliederung der Abgabenschuld nach den jeweiligen Fälligkeiten nicht geboten ist.
13 Weiters wird das Verwaltungsgericht im fortzusetzenden Verfahren mit den Parteien zu erörtern haben, dass aus dem Akteninhalt (Schreiben der Schuldnerberatung vom samt Beilagen) hervorzugehen scheint, dass die belangte Behörde (und revisionswerbende Partei) - entgegen dem Vorbringen sowohl der revisionswerbenden Partei als auch des Mitbeteiligten - die hier strittige Forderung im Schuldenregulierungsverfahren des Mitbeteiligten angemeldet hat (PN 15 der Gläubigerliste; Kommunalsteuer € 17.000). Nach dieser Gläubigerliste wurde diese Forderung vom Masseverwalter anerkannt; eine Bestreitung durch den Mitbeteiligten als Insolvenzschuldner ist nicht ersichtlich. Eine derartige Feststellung im Insolvenzverfahren wäre bindend (§ 60 Abs. 2 IO; vgl. zB Katzmayr in Koller/Lovrek/Spitzer, IO, § 60 Rz 4; ). Es läge damit insbesondere auch - entgegen dem Vorbringen des Mitbeteiligten - keine nicht angemeldete Forderung iSd § 207 IO vor.
14 Das angefochtene Erkenntnis war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020130072.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
YAAAF-45280