VwGH 28.06.2022, Ra 2020/13/0039
Entscheidungsart: Beschluss
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des B in W, vertreten durch Mag. Martin Paar und Mag. Hermann Zwanzger, Rechtsanwälte in 1040 Wien, Wiedner Hauptstraße 46/6, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7100468/2016, betreffend Haftung gemäß § 9 iVm § 80 BAO, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom wurde der Revisionswerber in seiner Eigenschaft als ehemaliger Geschäftsführer der M GmbH gemäß § 9 Abs. 1 iVm § 80 BAO zur Haftung für Abgaben herangezogen. Der Revisionswerber sei im Zeitraum bis handelsrechtlicher Geschäftsführer der M GmbH gewesen und hafte - soweit für das Revisionsverfahren noch relevant - für die Körperschaftsteuer 2000 sowie die Umsatzsteuern 2003 und 2004 der M GmbH.
2 Gegen den Haftungsbescheid und die der Haftung zugrundeliegenden Abgabenbescheide der Primärschuldnerin erhob der Revisionswerber fristgerecht Beschwerde. Begründend wurde ausgeführt, dass einerseits bereits Verjährung eingetreten sei und dem Revisionswerber andererseits auch kein haftungsbegründendes schuldhaftes Verhalten angelastet werden könne. Zudem liege ein Zustellgebrechen (Zustellung an den Revisionswerber statt an dessen Zustellbevollmächtigten) vor.
3 Nach abweisender Beschwerdevorentscheidung brachte der Revisionswerber einen Vorlageantrag ein.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde teilweise Folge. Begründend führte es aus, der Revisionswerber sei Geschäftsführer der M GmbH gewesen. Bereits seit der Gründung der Primärschuldnerin im Jahr 2000 sei er Mitarbeiter im Verkauf und aktiv in die Geschäftsführungsentscheidungen eingebunden gewesen. Allfällige abgabenrechtliche Verpflichtungen aus dem Zeitraum vor Übernahme der Geschäftsführung seien ihm bekannt gewesen. Aufgrund einer Betriebsprüfung im Jahr 2008 sei es bei der M GmbH zu Abgabennachforderungen betreffend Körperschaftsteuer 2000 sowie Umsatzsteuer 2002 bis 2004 gekommen. Über das Vermögen der Primärschuldnerin sei am der Konkurs eröffnet worden, der mit Beschluss vom bei einer Verteilungsquote von 0,02 % aufgehoben worden sei. Die Abgaben- und Wiederaufnahmebescheide betreffend Körperschaft- und Umsatzsteuer der genannten Jahre seien dem Revisionswerber gemeinsam mit dem angefochtenen Bescheid zugestellt worden. Die vom Haftungsbescheid erfassten Abgabenschulden der Primärschuldnerin seien bei dieser, soweit sie die Konkursquote von 0,02 % überstiegen, uneinbringlich. Der Revisionswerber habe in seiner Eigenschaft als Vertreter der Primärschuldnerin schuldhaft abgabenrechtliche Verpflichtungen (Entrichtung von Abgaben, Einreichung korrekter Steuererklärungen) verletzt. Diese Verletzung sei kausal für die Uneinbringlichkeit der Abgaben. Im Beschwerdeverfahren über die Haftung sei ein Antrag auf mündliche Verhandlung oder Entscheidung durch den Senat nicht gestellt worden. Die Haftungsbeträge seien wegen des langen Zeitabstandes zwischen Entstehen der Abgabenschuld bzw. Feststehen der Uneinbringlichkeit zu kürzen gewesen.
Der Revisionswerber erhob zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, deren Behandlung dieser mit Beschluss vom , E 4805/2018, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
5 Die vorliegende außerordentliche Revision macht zur Zulässigkeit geltend, das Bundesfinanzgericht habe keine ausreichenden Feststellungen zur Einhebungsverjährung getroffen. Es fehlten Feststellungen, ob und wann die Abgabenforderungen im Insolvenzverfahren angemeldet worden seien. Tatsächlich seien die Abgabenforderungen im Konkurs der Primärschuldnerin nicht ordnungsgemäß angemeldet worden und damit keine Hemmung der Verjährung nach § 9 IO eingetreten. Das Finanzamt habe dem Insolvenzgericht mit Schreiben vom lediglich nicht näher bestimmte Abgabenforderungen mitgeteilt, womit es sich nicht um eine ordnungsgemäße Forderungsanmeldung im Sinne der Insolvenzordnung gehandelt habe. Ob solche Forderungsanmeldungen zur Hemmung der Verjährung führen könnten, sei in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch nicht beantwortet worden.
6 Das Bundesfinanzgericht habe zudem keine ausreichenden Feststellungen zur Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten getroffen. Es könne keine Pflichtverletzung des Revisionswerbers im Hinblick auf den Zeitraum vor Beginn seiner Geschäftsführertätigkeit abgeleitet werden. Alleine aus der Feststellung des Bundesfinanzgerichts, wonach der Revisionswerber über allfällige abgabenrechtliche Verpflichtungen aus dem Zeitraum vor Übernahme der Geschäftsführertätigkeit Bescheid gewusst habe, ergebe sich kein Pflichtverstoß, weil ihm nicht bekannt gewesen sei oder bekannt gewesen sein musste, ob die Verpflichtungen auch erfüllt worden seien. Es lasse sich aus den wenigen getroffenen Feststellungen auch sonst kein schuldhafter Pflichtverstoß des Revisionswerbers erkennen. Hätte das Bundesfinanzgericht diesbezügliche Feststellungen getroffen, dann hätte es zu der Erkenntnis gelangen können, dass der Revisionswerber immer inhaltlich richtige und vollständige Erklärungen abgegeben und sämtliche Abgaben rechtzeitig und vollständig entrichtet habe bzw. dass er zu jedem Zeitpunkt eine das Verschulden ausschließende vertretbare Rechtsauffassung gehabt habe. Soweit das Bundesfinanzgericht davon ausgehe, dass Abgaben in erheblicher Höhe nicht entrichtet worden seien, sei dies unrichtig, weil es sich bei den Abgabenschuldigkeiten um zurückgeforderte Vorsteuerbeträge handle. Es sei daher auch nach Auffassung des Finanzamtes keine Umsatzsteuer zu entrichten gewesen, sondern lediglich aberkannte Vorsteuerguthaben zurückzuzahlen.
7 Das Bundesfinanzgericht habe zu Unrecht die gestellten Beweisanträge abgelehnt. Wären die Beweisanträge nicht abgelehnt worden, hätte das Bundesfinanzgericht zu dem Ergebnis kommen können, dass der Revisionswerber keine abgabenrechtlichen Pflichten verletzt habe und ihm kein Verschuldensvorwurf zu machen sei. Dem Revisionswerber sei zudem die im Jänner 2015 erlassene Beschwerdevorentscheidung betreffend die Abgabenbescheide der Primärschuldnerin nicht zugestellt worden, weshalb dem Revisionswerber jegliche Möglichkeit genommen worden sei, dagegen Beschwerde zu erheben. Ein Haftungsbescheid sei rechtswidrig, wenn dem Haftungsverpflichteten nicht gleichzeitig ein bekämpfbarer Bescheid über den Abgabenanspruch mitgeteilt werde. Der Haftungsbescheid sei dem Revisionswerber direkt zugestellt worden und nicht dem steuerlichen Vertreter. Es sei nicht begründet worden, wieso diese Zustellung zweckmäßig gewesen sein könnte. Der Revisionswerber sei nicht in die Lage versetzt worden, den Nachweis der Gläubigergleichbehandlung zu erbringen, weil er keine monatlich aufgegliederten Abgabenschuldigkeiten übermittelt bekommen habe. Entgegen der Ansicht des Bundesfinanzgerichts habe der Revisionswerber einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss hat in jeder Lage des Verfahrens zu erfolgen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 Soweit die Revision vorbringt, es könne keine Pflichtverletzung des Revisionswerbers im Hinblick auf den Zeitraum vor Beginn seiner Geschäftsführertätigkeit abgeleitet werden, weil der Revisionswerber nicht gewusst habe und auch nicht hätte wissen müssen, ob die Verpflichtungen erfüllt worden seien, ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach sich ein Geschäftsführer bei Übernahme seiner Funktion auch darüber zu unterrichten hat, ob und in welchem Ausmaß die von ihm nunmehr vertretene GmbH bisher ihren steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen ist. Dies deshalb, weil die Pflicht der GesmbH zur Abgabenentrichtung erst mit deren Abstattung endet und die GesmbH verpflichtet bleibt, Abgabenschuldigkeiten, mit deren Abfuhr oder Einzahlung sie in Rückstand geraten ist, zu erfüllen. Zur Erfüllung dieser Verpflichtung ist der Geschäftsführer der GesmbH verhalten (vgl. ).
12 Die Revision macht weiters geltend, das Bundesfinanzgericht habe zu Unrecht die gestellten Beweisanträge abgelehnt. Das Bundesfinanzgericht hat mit Beschluss vom sämtliche Beweisanträge mit näherer Begründung abgewiesen. Auf diese Begründung geht die Revision nicht ein. Außerdem vermag das Zulässigkeitsvorbringen auch nicht die Relevanz eines allfälligen Verfahrensfehlers aufzuzeigen, weil die im Zulässigkeitsvorbringen genannten Angaben, die die beantragten Zeugen bei einer Einvernahme gemacht hätten, sich im Ergebnis auf das Verfahren der Abgabenbescheide der Primärschuldnerin beziehen, die im Verfahren nach § 248 BAO zu behandeln sind. Was die Befragung des Masseverwalters anlangt, hatte der Revisionswerber beantragt, diesen als Beweis dafür zu hören, dass das Finanzamt als Abgabengläubiger durch die Insolvenz nicht schlechter gestellt worden sei. Damit wird kein relevantes Beweisthema aufgezeigt.
13 Das übrige Revisionsvorbringen gleicht in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht jenem, das von einem anderen ehemaligen Geschäftsführer derselben Primärschuldnerin im Verfahren Ra 2020/13/0038, über das vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom entschieden wurde, erstattet worden ist. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz iVm Abs. 9 VwGG wird auf die dortigen Ausführungen verwiesen.
14 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020130039.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
OAAAF-45266