Suchen Hilfe
VwGH 17.03.2021, Ra 2020/11/0098

VwGH 17.03.2021, Ra 2020/11/0098

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
B-VG Art144 Abs1
COVID-19-VwBG 2020 §1
COVID-19-VwBG 2020 §2 Abs1 Z1
COVID-19-VwBG 2020 §6 Abs2
VwGG §26 Abs4
VwRallg
RS 1
Es trifft zwar zu, dass gemäß § 1 COVID-19-VwBG 2020 in "anhängigen" behördlichen Verfahren vor Verwaltungsbehörden (und somit gemäß § 6 Abs. 2 leg. cit. auch in anhängigen Verfahren vor dem VwGH und dem VfGH) - unter weiteren Voraussetzungen - alle (verfahrensrechtlichen) Fristen bis zum Ablauf des unterbrochen wurden. Die Erhebung der Revision an den VwGH erfolgte gegenständlich aber nicht in einem bei diesem bereits anhängigen Verfahren (die Erhebung einer Beschwerde an den VfGH gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG führte noch nicht zu einem beim VwGH anhängigen Verfahren, vielmehr wurde die Revision erst nach der erwähnten Abtretung der Beschwerde an den VwGH - mit der die Revisionsfrist gemäß § 26 Abs. 4 VwGG zu laufen begann - "neu und erstmals" eingebracht; vgl. auch (Slg. 19.867)), sodass die Fristunterbrechung des § 1 COVID-19-VwBG 2020 schon aus diesem Grund hier nicht zur Anwendung gelangte. Vielmehr ist die Revisionsfrist gegenständlich als Frist für einen "verfahrenseinleitenden" Antrag iSd. § 2 Abs. 1 Z 1 iVm. § 6 Abs. 2 COVID-19-VwBG 2020 anzusehen (in den Gesetzesmaterialien zur letztgenannten Bestimmung wird die Revisionsfrist ausdrücklich erwähnt) und wurde nach dieser Bestimmung daher für die dort genannte Dauer nur gehemmt ("nicht eingerechnet"; vgl. - parallel - auch § 2 des 1. COVID-19-JuBG und die zugehörigen, obzitierten Gesetzesmaterialien, auf die jene zum COVID-19-VwBG 2020 explizit verweisen).
Normen
AVG §71 Abs2
VwGG §46 Abs1
VwGG §46 Abs3
VwRallg
RS 1
Im Fall eines Rechtsirrtums beginnt die Wiedereinsetzungsfrist mit dem Wegfall dieses Irrtums oder jener Umstände, unter denen er nicht in einer der Wiedereinsetzung entgegenstehenden Weise vorwerfbar ist (zur vergleichbaren Bestimmung des § 71 Abs. 2 AVG vgl. ). Musste die Partei ihren Irrtum bei gehöriger Aufmerksamkeit schon früher erkennen, kommt es daher nicht auf den darauffolgenden Zeitpunkt an, zu dem die Entscheidung über die Zurückweisung des Rechtsmittels wegen Verspätung zugestellt wurde (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG (2020) §§ 71, 72 Rz 101, 102 und die dort zitierte hg. Rechtsprechung, etwa , und , Ra 2019/08/0030; ebenso , 2004/01/0214).
Normen
COVID-19-VwBG 2020 §2 Abs1 Z1
COVID-19-VwBG 2020 §6 Abs2
VwGG §26
VwGG §46 Abs1
VwRallg
RS 2
Wurde bereits im hg. Verspätungsvorhalt, und zwar unter Anführung der einschlägigen Bestimmungen des COVID-19-VwBG 2020, explizit auf die Hemmung der Revisionsfrist und die fallbezogen daraus resultierende Verspätung der Revision hingewiesen, ist eine sorgfältige Rechtsvertretung in einem solchen Fall, in dem ab dem Verspätungsvorhalt zumindest Zweifel an der Rechtzeitigkeit der Revision aufkommen mussten, gehalten, jedenfalls vorsorglich auch den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu stellen (vgl. bis 0181).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick, den Hofrat Dr. Grünstäudl, die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Hainz-Sator sowie den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision der S R F in G, vertreten durch Dr. Gerhard Taufner, Mag. Johann Huber und Dr. Melanie Haberer, Rechtsanwälte in 3390 Melk, Bahnhofplatz 4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom , Zl. LVwG-S-1712/001-2019, betreffend Übertretungen des AVRAG und des LSD-BG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Melk), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird als verspätet zurückgewiesen.

Begründung

1 Gegen das angefochtene Erkenntnis, mit dem die Revisionswerberin in teilweiser Bestätigung und teilweiser Abänderung des Bescheides der belangten Behörde vom wegen mehrerer Übertretungen des AVRAG und des LSD-BG (in Anwendung der außerordentlichen Milderung gemäß § 20 VStG) bestraft worden war, erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung derselben mit Beschluss vom , E 4375/2019-10, abgelehnt und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

2 Mit Schriftsatz vom (am selben Tag zur Post gegeben) erhob die Revisionswerberin gegen das angefochtene Erkenntnis Revision und führte zur Rechtzeitigkeit aus, der genannte Beschluss des Verfassungsgerichtshofes sei ihr „im WebERV ... am “ zugestellt worden. Die Revision sei daher „unter Berücksichtigung der Unterbrechung der Fristen bis zum Ablauf des gemäß COVID-19-VerfG“ rechtzeitig.

3 § 26 VwGG lautet auszugsweise:

Revisionsfrist

„§ 26. (1) Die Frist zur Erhebung einer Revision gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes (Revisionsfrist) beträgt sechs Wochen. Sie beginnt

1. in den Fällen des Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG dann, wenn das Erkenntnis dem Revisionswerber zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn das Erkenntnis dem Revisionswerber nur mündlich verkündet wurde, jedoch mit dem Tag der Verkündung;

...

(4) Hat der Verfassungsgerichtshof eine Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten, so beginnt die Revisionsfrist mit der Zustellung des Erkenntnisses oder Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes oder, wenn der Antrag auf Abtretung der Beschwerde erst nach dessen Zustellung gestellt wurde, mit der Zustellung des Beschlusses gemäß § 87 Abs. 3 VfGG.

...“

4 Das im Zeitpunkt der Revisionseinbringung in Geltung stehende Bundesgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 im Verwaltungsverfahren, im Verfahren der Verwaltungsgerichte sowie im Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes (Verwaltungsrechtliches COVID-19-Begleitgesetz - COVID-19-VwBG), Art. 16 des BGBl. I Nr. 16/2020 (2. COVID-19-Gesetz) in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 42/2020 (12. COVID-19-Gesetz), lautet auszugsweise wie folgt:

„Unterbrechung von Fristen

§ 1. (1) In anhängigen behördlichen Verfahren der Verwaltungsbehörden, auf die die Verwaltungsverfahrensgesetze (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991, Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl. Nr. 52/1991, und Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 - VVG, BGBl. Nr. 53/1991) anzuwenden sind, werden alle Fristen, deren fristauslösendes Ereignis in die Zeit nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes fällt, sowie Fristen, die bis zum Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes noch nicht abgelaufen sind, bis zum Ablauf des unterbrochen. Sie beginnen neu zu laufen. Bei der Berechnung einer Frist nach § 32 Abs. 1 AVG gilt der als Tag, in den der Zeitpunkt oder das Ereignis fällt, wonach sich der Anfang der Frist richten soll. Bei der Berechnung einer Frist nach § 32 Abs. 2 AVG gilt der als Tag, an dem die Frist begonnen hat. Die vorstehenden Sätze gelten nicht für Fristen in Verfahren nach dem Epidemiegesetz 1950, BGBl. Nr. 186/1950.

...

Sonderregelungen für bestimmte Fristen

§ 2. (1) Die Zeit vom bis zum Ablauf des wird nicht eingerechnet:

1. in die Zeit, in der ein verfahrenseinleitender Antrag (§ 13 Abs. 8 AVG) zu stellen ist,

...

Verfahren der Verwaltungsgerichte sowie Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes

§ 6. (1) (Verfassungsbestimmung) Auf das Verfahren der Verwaltungsgerichte sind die §§ 1 bis 5 dann sinngemäß anzuwenden, wenn auf das jeweilige Verfahren zumindest auch das AVG anzuwenden ist. ...

(2) Auf das Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes sind die §§ 1 bis 3 und 5 sinngemäß anzuwenden.

...

Inkrafttreten und Außerkrafttreten

§ 9. (1) Dieses Bundesgesetz mit Ausnahme des § 6 Abs. 1 tritt mit Ablauf des Tages seiner Kundmachung in Kraft ....

...

(3) Der Titel, § 1 Abs. 1 zweiter bis letzter Satz und Abs. 1a und § 2 samt Überschrift in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2020 treten mit in Kraft.

...“

5 Die Gesetzesmaterialien (BlgNR IA 397/A XXVII GP; 32 f) zum 2. COVID-19-Gesetz, BGBl. I Nr. 16/2020, lauten auszugsweise:

„Zu Artikel 16 (Bundesgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 im Verwaltungsverfahren, im Verfahren der Verwaltungsgerichte sowie im Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes)

Der Gesetzentwurf lehnt sich inhaltlich und systematisch sowie in der Formulierung weitgehend an den Entwurf eines Bundesgesetzes betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 in der Justiz (Artikel 21) an. Auf die Erläuterungen zu diesem Bundesgesetz kann daher grundsätzlich verwiesen werden.

Zu § 1: Unter Fristen im Sinne dieser Bestimmung sind nur sogenannte ‚verfahrensrechtliche Fristen‘ zu verstehen. Dass dies nicht ausdrücklich gesagt wird, ist vor dem Hintergrund des 5. Abschnittes des I. Teiles des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. Nr. 51/1991, zu sehen, in dem ebenfalls nur von ‚Fristen‘ die Rede ist. ...

...

Zu § 6:

...

Aus dem Umstand, dass die §§ 1 bis 5 (in unterschiedlichem Umfang) auf das Verfahren der Verwaltungsgerichte sowie auf das Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes sinngemäß für anwendbar erklärt werden, ergibt sich insbesondere eine sinngemäße Anwendung der für das Verwaltungsverfahren getroffenen Regelungen auf im jeweiligen Verfahrensrecht (VwGVG; Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10/1985; Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 - VfGG, BGBl. Nr. 85/1953) normierte Fristen einschließlich insbesondere der Fristen zur Erhebung von Beschwerde und Revision. Erfasst sind nicht nur das eigentliche Verfahren vor dem Verwaltungsgericht bzw. vor dem Verwaltungsgerichtshof, sondern auch das von der Behörde bzw. vom Verwaltungsgericht durchzuführende Vorverfahren dazu.

...“

6 Das (in den zuvor zitierten Gesetzesmaterialien erwähnte) Bundesgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 in der Justiz (1. COVID-19-JuBG), Art. 21 des BGBl. I Nr. 16/2020 (2. COVID-19-Gesetz) in der zum Zeitpunkt der Revisionseinbringung geltenden Fassung BGBl. I Nr. 30/2020 (8. COVID-19-Gesetz), lautet auszugsweise wie folgt:

„I. Hauptstück

Verfahren in bürgerlichen Rechtssachen

Unterbrechung von Fristen

§ 1. (1) In gerichtlichen Verfahren werden alle verfahrensrechtlichen Fristen, deren fristauslösendes Ereignis in die Zeit nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes fällt, sowie verfahrensrechtliche Fristen, die bis zum Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes noch nicht abgelaufen sind, bis zum Ablauf des unterbrochen. Sie beginnen neu zu laufen. Bei der Berechnung einer Frist nach § 125 Abs. 1 ZPO gilt der als Tag, in den der Zeitpunkt oder das Ereignis fällt, wonach sich der Anfang der Frist richten soll. Bei der Berechnung einer Frist nach § 125 Abs. 2 ZPO gilt der als Tag, an dem die Frist begonnen hat. ...

...

Hemmung von Fristen für die Anrufung des Gerichts

§ 2. Die Zeit vom Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes bis zum Ablauf des wird in die Zeit, in der bei einem Gericht eine Klage oder ein Antrag zu erheben oder eine Erklärung abzugeben ist, nicht eingerechnet.

...“

7 Die Gesetzesmaterialien (BlgNR IA 397/A XXVII GP; 35 f) zum 1. COVID-19-JuBG lauten auszugsweise (Unterstreichungen hinzugefügt):

„Zu Artikel 21 (Bundesgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 in der Justiz)

Zum I. Hauptstück

Zu § 1:

Die derzeitigen Einschränkungen des öffentlichen Lebens durch COVID-19 (Quarantänemaßnahmen sowohl örtlich als auch personenbezogen) wirken sich auch auf Gerichtsverfahren aus. Aufgrund krankheitsbedingter oder maßnahmenbedingter Ausfälle sowohl des Gerichtspersonals als auch der rechtsberatenden Berufe und der Parteien ist ein Tätigwerden innerhalb der gesetzlich vorgesehen Fristen nicht immer möglich oder tunlich, sollen doch persönliche Kontakte zwischen Menschen so weit wie möglich vermieden werden. Es sollen daher für eine gewisse Zeit in bürgerlichen Rechtssachen (Zivilprozesse, Außerstreitverfahren, Grundbuchs- und Firmenbuchverfahren, Exekutionsverfahren, Insolvenzverfahren) alle prozessualen Fristen (sowohl gesetzliche als auch richterliche Fristen), mit Ausnahme jener, die in Verfahren über die Aufrechterhaltung einer freiheitsentziehenden Maßnahme beginnen oder laufen, unterbrochen werden (Abs. 1). ...

...

Es wäre auch denkbar, nur eine Hemmung der Fristen vorzusehen, wie dies etwa in § 222 ZPO für bestimmte Zeiten im Sommer und rund um die Weihnachtszeit vorgesehen ist. Die Anordnung einer Unterbrechung wird der gegebenen Situation aber besser gerecht, weil bereits jetzt in manchen Rechtsanwaltskanzleien wenig Personal vorhanden und auch nicht sicher ist, dass dieses mit Ablauf der Unterbrechungsfrist wieder voll zur Verfügung steht. Damit können etwa Fristen, in denen nur mehr wenige Tage offen sind, möglicherweise nicht eingehalten werden. Es soll daher zur Erleichterung der Tätigkeit der rechtsberatenden Berufe, aber auch der unvertretenen Parteien, die viele ihre Angelegenheiten nach Ende dieser besonderen Situation wieder ordnen müssen, darüber hinaus aber auch zur Klarheit und Rechtssicherheit eine Unterbrechung und damit ein Neubeginn des Fristenlaufs vorgesehen werden.

...

Zu § 2:

Nicht nur innerhalb eines anhängigen Verfahrens laufen Fristen, sondern es wird in einer Vielzahl von Gesetzen eine Frist für das Anhängigmachen eines Verfahrens vor Gericht festgelegt. Dies betrifft etwa Verjährungsfristen, die Frist für die Besitzstörungsklage nach § 454 ZPO, die Anrufung des Gerichts gegen einen Bescheid des Sozialversicherungsträgers nach § 67 Abs. 2 ASGG oder die Anrufung der Schlichtungsstelle nach § 40 MRG. Auch in arbeitsrechtlichen Gesetzen finden sich solche Fristen, etwa für die Kündigungsanfechtung nach § 105 ArbVG. In solchen und vergleichbaren Fällen soll die Frist für die Anrufung des Gerichts gehemmt werden. ...“

8 Speziell die Angelegenheiten des öffentlichen Vergabewesens betreffende Vorschriften enthält das Bundesverfassungsgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 in Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens (COVID-19 Begleitgesetz Vergabe), Art. 38 des BGBl. I Nr. 24/2020 (4. COVID-19-Gesetz), dessen § 1 leg. cit. die subsidiäre Anwendbarkeit des COVID-19-VwBG, BGBl. I Nr. 16/2020, normiert.

9 Die Gesetzesmaterialien dazu (BlgNR IA 403/A XXVII GP; 51) lauten auszugsweise wie folgt (Unterstreichungen hinzugefügt):

„§ 2 COVID-19-VwBG enthält eine Regelung betreffend die Hemmung für die Fristen zur Einbringung von Rechtsmitteln, die auch den Bereich des öffentlichen Auftragswesens betrifft (vgl. § 6 COVID-19-VwBG und die in § 333 des BVergG 2018 angeordnete teilweise Anwendbarkeit des AVG im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht und der in diesem Sinne klarstellende § 1 des vorliegenden Entwurfes). Dies bedeutet, dass nach Inkrafttreten des 2. COVID-19-Gesetzes der Ablauf der Frist zur Einbringung von Rechtsschutzanträgen ruht und nach dem in § 2 COVID-19-VwBG genannten Datum (das gegebenenfalls durch Verordnung gemäß § 5 Abs. 1 COVID-19-VwBG geändert werden kann) in dem bisher noch nicht abgelaufenen Ausmaß weiterläuft.

10 Gemäß § 26 Abs. 1 und 4 VwGG begann die sechswöchige Revisionsfrist an den Verwaltungsgerichtshof ab der Zustellung des Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes, mit dem dieser die Behandlung der an ihn gerichteten Beschwerde abgelehnt und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat, zu laufen.

11 Die Revisionswerberin hat über Vorhalt der Verspätung der Revision in ihrer Stellungnahme vom ausgeführt, als Tag der Zustellung des genannten Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes sei gegenständlich der auf die elektronische Bereitstellung im WebERV folgende Tag anzusehen (§ 14a Abs. 3 VfGG iVm. § 89d GOG). Gegenständlich sei die Bereitstellung dieses Beschlusses im WebERV am erfolgt, sodass die Revisionsfrist erst am zu laufen begonnen habe. Da die Revisionsfrist nach Meinung der Revisionswerberin durch die Bestimmungen des COVID-19-VwBG „unterbrochen“ worden sei und daher „am in ihrer ursprünglichen Länge neu zu laufen“ begonnen habe, sei die Revision durch die Postaufgabe am rechtzeitig eingebracht worden.

12 Diese Rechtsansicht vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu teilen:

Die zitierten Bestimmungen des COVID-19-VwBG traten am in Kraft.

13 Es trifft zwar zu, dass gemäß § 1 COVID-19-VwBG in „anhängigen“ behördlichen Verfahren vor Verwaltungsbehörden (und somit gemäß § 6 Abs. 2 leg. cit. auch in anhängigen Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof und dem Verfassungsgerichtshof) - unter weiteren Voraussetzungen - alle (verfahrensrechtlichen) Fristen bis zum Ablauf des unterbrochen wurden. Die Erhebung der Revision an den Verwaltungsgerichtshof erfolgte gegenständlich aber nicht in einem bei diesem bereits anhängigen Verfahren (die Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG führte noch nicht zu einem beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahren, vielmehr wurde die Revision erst nach der erwähnten Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof - mit der die Revisionsfrist gemäß § 26 Abs. 4 VwGG zu laufen begann - „neu und erstmals“ eingebracht; vgl. auch (Slg. 19.867)), sodass die Fristunterbrechung des § 1 COVID-19-VwBG schon aus diesem Grund hier nicht zur Anwendung gelangte. Vielmehr ist die Revisionsfrist gegenständlich als Frist für einen „verfahrenseinleitenden“ Antrag iSd. § 2 Abs. 1 Z 1 iVm. § 6 Abs. 2 COVID-19-VwBG anzusehen (in den zitierten Gesetzesmaterialien zur letztgenannten Bestimmung wird die Revisionsfrist ausdrücklich erwähnt) und wurde nach dieser Bestimmung daher für die dort genannte Dauer nur gehemmt („nicht eingerechnet“; vgl. - parallel - auch § 2 des 1. COVID-19-JuBG und die zugehörigen, obzitierten Gesetzesmaterialien, auf die jene zum COVID-19-VwBG explizit verweisen).

14 Für diese Ansicht sprechen, abgesehen vom Wortlaut, auch die obzitierten Gesetzesmaterialien zum COVID-19 Begleitgesetz Vergabe, die - ausdrücklich - darauf hinweisen, dass „nach Inkrafttreten des 2. COVID-19-Gesetzes der Ablauf der Frist zur Einbringung von Rechtsschutzanträgen ruht und nach dem in § 2 COVID-19-VwBG genannten Datum ... in dem bisher noch nicht abgelaufenen Ausmaß weiterläuft“.

15 So ist auch im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof für den Ablauf der Beschwerdefrist § 6 Abs. 2 iVm. § 2 COVID-19-VwBG maßgebend (vgl. das Erkenntnis , E 1320/2020 u.a.).

16 Für den vorliegenden Revisionsfall folgt daraus, dass die Revisionsfrist am (somit noch vor dem Inkrafttreten des COVID-19-VwBG am ) zu laufen begann und für die Zeit vom bis gehemmt war (§ 2 Abs. 1 Z 1 iVm. § 6 Abs. 2 COVID-19-VwBG).

17 Ausgehend vom Beginn der Revisionsfrist am Donnerstag, den , hätte die sechswöchige Frist des § 26 Abs. 1 VwGG mit Ablauf des Donnerstag, , geendet (§ 32 Abs. 2 AVG). Unter Hinzurechnung der 40-tägigen Fristhemmung vom bis hat die Revisionsfrist im vorliegenden Fall daher mit dem Ablauf des geendet.

18 Die am zur Post gegebene Revision erweist sich daher als verspätet und war somit - vorliegend in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat - zurückzuweisen.

Wien, am

Entscheidungstext

Entscheidungsart: Beschluss

Entscheidungsdatum:

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick, den Hofrat Dr. Grünstäudl, die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Hainz-Sator sowie den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über den Antrag der S F in G, vertreten durch Dr. Gerhard Taufner, Mag. Johann Huber und Dr. Melanie Haberer, Rechtsanwälte in 3390 Melk, Bahnhofplatz 4, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Revision gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom , Zl. LVwG-S-1712/001-2019, betreffend Übertretungen des AVRAG und des LSD-BG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Melk), den Beschluss gefasst:

Spruch

Der Antrag wird als verspätet zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom wurde die Revisionswerberin in teilweiser Bestätigung und teilweiser Abänderung des Bescheides der belangten Behörde vom wegen mehrerer Übertretungen des AVRAG und des LSD-BG (in Anwendung der außerordentlichen Milderung gemäß § 20 VStG) bestraft.

2 Dagegen erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung derselben mit Beschluss vom , E 4375/2019-10, abgelehnt und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

3 Mit (Anwalts-)Schriftsatz vom (am selben Tag zur Post gegeben) erhob die Revisionswerberin gegen das angefochtene Erkenntnis Revision und führte zur Rechtzeitigkeit aus, der genannte Beschluss des Verfassungsgerichtshofes sei ihr „im WebERV ... am “ zugestellt worden. Die Revision sei daher „unter Berücksichtigung der Unterbrechung der Fristen bis zum Ablauf des gemäß COVID-19-VerfG“ rechtzeitig.

4 Mit hg. Verfügung vom , Ra 2020/11/0098-2, wurde der Revisionswerberin unter Einräumung der Möglichkeit zur Stellungnahme die Verspätung ihrer Revision vorgehalten, wobei darauf hingewiesen wurde, dass ausgehend vom genannten Zustelldatum des erwähnten Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes am die sechswöchige Revisionsfrist „unter Berücksichtigung ihrer Hemmung im Zeitraum bis (§ 6 Abs. 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 1 COVID-19-VwBG, BGBl. I Nr. 16/2020 idF BGBl. I Nr. 42/2020)“ schon vor dem Tag der Einbringung der Revision () abgelaufen sei.

5 Dazu nahm die Revisionswerberin mit (Anwalts-)Schriftsatz vom Stellung und führte aus, als Zustelltag des im WebERV am bereitgestellten Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes gelte (zufolge näher angeführter gesetzlicher Vorschriften) der , sodass die Postaufgabe der Revision am rechtzeitig erfolgt sei, auch „wenn man von einer Fristenhemmung von 22.3.- ausgeht“. „Außerdem“ sei gegenständlich von einer Unterbrechung der Revisionsfrist und ihrem Neubeginn am auszugehen (Hinweis auf § 6 COVID-19-VwBG), sodass die Revision „auch aus diesem Grund“ rechtzeitig sei.

6 Mit hg. Beschluss vom , Ra 2020/11/0098-5, wurde die gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes vom erhobene Revision als verspätet zurückgewiesen. In der Begründung legte der Verwaltungsgerichtshof zusammengefasst dar, dass die Revisionsfrist eine Frist für einen „verfahrenseinleitenden“ Antrag iSd. § 2 Abs. 1 Z 1 iVm § 6 Abs. 2 COVID-19-VwBG darstelle, sodass die Revisionsfrist vom bis nur gehemmt (und nicht unterbrochen) gewesen sei. Ausgehend von der Zustellung des genannten Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes am habe die Revisionsfrist daher mit Ablauf des geendet.

7 Mit dem nun vorliegenden (Anwalts-)Schriftsatz vom (der am selben Tag im elektronischen Rechtsverkehr beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht wurde) beantragt die Revisionswerberin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsfrist. Sie begründet diesen zusammengefasst mit dem Rechtsirrtum ihrer Rechtsvertretung, die aufgrund der Bestimmungen des COVID-19-VwBG (und mehrerer dazu ergangener, näher zitierter Rechtsmeinungen) von einer Unterbrechung der Revisionsfrist bis und daher vom Neubeginn der Revisionsfrist am ausgegangen sei.

8 Der erwähnte Verspätungsvorhalt des Verwaltungsgerichtshofes vom und der dortige Hinweis auf die bloße Hemmung der Revisionsfrist seien von der Revisionswerberin bzw. ihren Rechtsvertretern als „Missverständnis“ eingestuft worden. Vielmehr seien sie aufgrund der erwähnten Rechtsmeinungen (u.a. eines den Rechtsvertretern „persönlich bekannten Richters des Verwaltungsgerichts“) weiterhin der Auffassung gewesen, „dass eine Fristunterbrechung für die Revisionsfrist greifen würde“.

9 Erst durch die Zustellung des genannten hg. Beschlusses vom im WebERV am , in welchem der Verwaltungsgerichtshof die „für die Rechtsvertreter vollkommen überraschende Ansicht“ vertreten habe, dass die Revisionsfrist durch die Bestimmungen des COVID-19-VwBG nur gehemmt worden sei, seien die Rechtsvertreter auf ihren Irrtum aufmerksam geworden, sodass der gegenständliche Wiedereinsetzungsantrag vom rechtzeitig sei.

10 Zum minderen Grad des Versehens des Rechtsirrtums (§ 46 Abs. 1 VwGG) wird im Wiedereinsetzungsantrag ausgeführt, dass es sich beim COVID-19-VwBG zum Zeitpunkt der Revisionserhebung um ein vollkommen neues Gesetz gehandelt habe, sodass sich die Revisionswerberin auf die von ihr recherchierten Rechtsmeinungen habe stützen können, die aus diesem Gesetz eine Unterbrechung der Revisionsfrist abgeleitet hätten.

11 Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist der Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

12 Gemäß § 46 Abs. 3 VwGG ist der Antrag auf Wiedereinsetzung ab Vorlage der Revision beim Verwaltungsgerichtshof binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen.

13 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann auch ein Rechtsirrtum ein „Ereignis“ im Sinn des § 46 Abs. 1 VwGG darstellen und damit ein Wiedereinsetzungsgrund sein; freilich unter der Maßgabe, dass die weiteren Voraussetzungen - insbesondere ein fehlendes oder bloß leichtes Verschulden - gegeben sind (vgl. , mwN). Ein Verschulden des Parteienvertreters trifft die von diesem vertretene Partei, wobei an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (vgl. , mwN).

14 Im Fall eines Rechtsirrtums beginnt die Wiedereinsetzungsfrist mit dem Wegfall dieses Irrtums oder jener Umstände, unter denen er nicht in einer der Wiedereinsetzung entgegenstehenden Weise vorwerfbar ist (zur vergleichbaren Bestimmung des § 71 Abs. 2 AVG vgl. ). Musste die Partei ihren Irrtum bei gehöriger Aufmerksamkeit schon früher erkennen, kommt es daher nicht auf den darauffolgenden Zeitpunkt an, zu dem die Entscheidung über die Zurückweisung des Rechtsmittels wegen Verspätung zugestellt wurde (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG (2020) §§ 71, 72 Rz 101, 102 und die dort zitierte hg. Rechtsprechung, etwa , und , Ra 2019/08/0030; ebenso , 2004/01/0214).

15 Dem vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag könnte nach dem Gesagten daher nur dann stattgegeben werden, wenn er (erstens) innerhalb von zwei Wochen (§ 46 Abs. 3 VwGG) ab jenem Zeitpunkt gestellt wurde, ab dem die Partei ihren Rechtsirrtum bei gehöriger Aufmerksamkeit erkennen konnte und - für den Fall der Erfüllung dieser Voraussetzung - der Rechtsirrtum (zweitens) auf einem bloß minderen Grad des Versehens (§ 46 Abs. 1 VwGG) beruht.

16 Gegenständlich ist schon die erste Voraussetzung nicht erfüllt:

17 Es trifft nämlich nicht zu, dass der Revisionswerberin erst durch den hg. Beschluss vom die „für die Rechtsvertreter vollkommen überraschende Ansicht“ des Verwaltungsgerichtshofes zur Kenntnis gelangte, dass die Revisionsfrist nach den Bestimmungen des COVID-19-VwBG nur gehemmt und nicht unterbrochen wurde.

18 Vielmehr wurde bereits im hg. Verspätungsvorhalt vom , und zwar unter Anführung der einschlägigen Bestimmungen des COVID-19-VwBG, explizit auf die Hemmung der Revisionsfrist und die fallbezogen daraus resultierende Verspätung der Revision hingewiesen. Die Revisionswerberin hat daraufhin in ihrer Stellungnahme vom , wie oben dargestellt, die Revision sogar auch dann für rechtzeitig gehalten, „wenn man von einer Fristhemmung von 22.3.- ausgeht“.

19 Eine sorgfältige Rechtsvertretung ist in einem solchen Fall, in dem ab dem Verspätungsvorhalt zumindest Zweifel an der Rechtzeitigkeit der Revision aufkommen mussten, gehalten, jedenfalls vorsorglich auch den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu stellen (vgl.  bis 0181).

20 Der erst am eingebrachte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsfrist erweist sich daher als verspätet und war somit gemäß § 34 Abs. 1 iVm Abs. 4 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
B-VG Art144 Abs1
COVID-19-VwBG 2020 §1
COVID-19-VwBG 2020 §2 Abs1 Z1
COVID-19-VwBG 2020 §6 Abs2
VwGG §26 Abs4
VwRallg
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020110098.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
GAAAF-45247