VwGH 13.07.2022, Ra 2020/11/0016
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Auflagen, die als Nebenbestimmungen in den Spruch eines Bescheides aufgenommen werden, müssen ausreichend bestimmt und aus sich selbst heraus vollziehbar sein (vgl etwa ). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ro 2014/03/0035 E VwSlg 19508 A/2016 RS 18 |
Normen | AVG §59 Abs1 VwRallg |
RS 2 | Ob eine einem Bescheid beigefügte Auflage im Sinne des § 59 Abs 1 AVG ausreichend bestimmt ist, bemisst sich nach den Umständen des Einzelfalls. Die Anforderungen an die Umschreibung von Auflagen dürfen nicht überspannt werden. Eine Auflage ist nicht schon dann zu unbestimmt, wenn ihr Inhalt nicht für jedermann unmittelbar eindeutig erkennbar ist. Ausreichende Bestimmtheit einer Auflage ist dann anzunehmen, wenn ihr Inhalt für den Bescheidadressaten objektiv eindeutig erkennbar ist. Gleiches gilt, wenn die Umsetzung des Bescheides durch den Bescheidadressaten unter Heranziehung von Fachleuten zu erfolgen hat, und für diese Fachleute der Inhalt der Auflage objektiv eindeutig erkennbar ist. Dies gilt nicht bloß für den durch die Auflage belasteten Konsensträger, sondern auch für die Partei, deren Rechte durch die Auflage geschützt werden sollen. Auch hinsichtlich einer solchen Partei widerspricht die Formulierung einer Auflage dem zuvor umschriebenen Bestimmtheitsgebot nur dann, wenn ihr Inhalt auch unter Beiziehung eines Fachkundigen nicht verlässlich ermittelt werden kann (). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ro 2014/03/0035 E VwSlg 19508 A/2016 RS 20 |
Normen | AVG §59 Abs1 VwRallg |
RS 3 | Auflagen, die zur Herstellung der Genehmigungsfähigkeit vorgeschrieben werden, müssen bestimmt und geeignet sein, was voraussetzt, dass sie einerseits dem Verpflichteten jederzeit die Grenzen seines Verhaltens und damit die Einhaltung der Auflagen zweifelsfrei erkennen lassen und andererseits die Möglichkeit der jederzeitigen aktuellen Überprüfung der Einhaltung der Auflagen gegeben ist (vgl. etwa , mwN). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, über die Revision der Grundverkehrs-Landeskommission Vorarlberg gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom , Zl. LVwG-301-1/2017-R10, betreffend Erteilung einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung (mitbeteiligte Partei: A S in U, vertreten durch die Lercher & Hofmann Rechtsanwälte GmbH in 6832 Röthis, Schlösslestraße 31a), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom , Ra 2018/11/0077 bis 0078, verwiesen.
2 Im fortgesetzten Verfahren gab das Verwaltungsgericht - nach Durchführung dreier mündlicher Verhandlungstermine - der Beschwerde der Mitbeteiligten insofern folge, als es ihr die grundverkehrsbehördliche Genehmigung zum Erwerb von näher genannten landwirtschaftlichen Grundstücken gemäß § 6 Abs. 1 lit. a VGVG unter folgenden Auflagen erteilte:
„Die Rechtserwerberin hat dafür zu sorgen, dass sie die Grundstücke so, wie in der mündlichen Verhandlung vom vorgebracht und aufgrund des vorgelegten Betriebskonzeptes und des vom Amtssachverständigen vorgelegten landwirtschaftlichen Gutachtens erörtert wurde, bewirtschaftet und das vorgelegte Betriebskonzept binnen drei Jahren umsetzt. Die Frist für die Umsetzung beginnt mit Anmeldung des landwirtschaftlichen Betriebes. Weiters ist sie verpflichtet, nach Ablauf dieser drei Jahre - also im fünften Jahr der Grundverkehrs-Landeskommission eine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung über den erzielten Einnahmenüberschuss des vierten Jahres vorzulegen, aus der ersichtlich ist, dass ein Jahresgewinn von zumindest 3.400 Euro erwirtschaftet worden ist“.
Gleichzeitig wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.
3 Begründend führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, bei den verfahrensgegenständlichen Grundstücken handle es sich um land- und forstwirtschaftlich genutzte Liegenschaften mit einer Gesamtfläche von 11,96 ha. Im Flächenwidmungsplan seien diese als Freihaltegebiet-Freifläche bzw. forstwirtschaftliche Fläche ausgewiesen. Die Mitbeteiligte habe in ihrem Betriebskonzept angeführt, die Liegenschaften mit Milchziegen zu bewirtschaften. Sie beabsichtigte, 70 Milchziegen für die Produktion von Frischkäse und Kitzfleisch zu halten. Die Mitbeteiligte habe die landwirtschaftliche Fachschule für Berufstätige, Fachrichtung Landwirtschaft in Hohenems mit Auszeichnung abgeschlossen und sei damit berechtigt, die Berufsbezeichnung „Facharbeiterin Landwirtschaft“ zu führen. Weiters habe sie bereits einige Praxistage während ihrer Schulzeit absolviert und daneben diverse Tätigkeiten in einigen landwirtschaftlichen Betrieben übernommen. Sie besitze somit - auch nach Ansicht des beigezogenen landwirtschaftlichen Sachverständigen - die Fähigkeit, „werdende“ Landwirtin zu werden und das vorgelegte Betriebskonzept umzusetzen. Im Hinblick auf § 10 Abs. 2 VGVG, der die Vorschreibung von Auflagen zur Sicherstellung des Erwerbszwecks oder der Bestimmungen des VGVG ermöglicht, habe die Revisionswerberin beantragt, eine allfällige Genehmigung nur unter Auflagen zu erteilen. Die Mitbeteiligte habe keine Einwendungen dagegen erhoben. Sie habe daher umgehend für die Umsetzung ihres Betriebskonzepts zu sorgen. Da allgemein eine Anlaufzeit für Betriebsgründungen von drei Jahren gewährt werde, sei die Mitbeteiligte verpflichtet, der Revisionswerberin die Umsetzung des Betriebskonzepts unter Vorlage einer Einnahmen-Ausgabenrechnung nach Ablauf der drei Jahre, „also im fünften Jahr“, in welchem das vierte Jahre veranlagt worden sei, nachzuweisen. Die Anlauffrist beginne mit Anmeldung des Betriebs.
4 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision, zu der die Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattete.
5 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
6 Die Revision ist zulässig, weil sie vorbringt, das Verwaltungsgericht habe entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unbestimmte Auflage vorgeschrieben. Die Revision ist deshalb auch begründet.
7 Gemäß § 10 Abs. 1 iVm. Abs. 2 VGVG hat der Rechtserwerber das Grundstück entsprechend den vorgeschriebenen Auflagen zu verwenden. Diese sind gemäß § 10 Abs. 2 VGVG in der Genehmigung vorzuschreiben, soweit dies zur Sicherstellung des Erwerbszweckes oder der Bestimmungen des VGVG erforderlich ist.
8 Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung festgehalten, dass Auflagen, die als Nebenbestimmungen in den Spruch eines Bescheides aufgenommen werden, ausreichend bestimmt und aus sich selbst heraus vollziehbar sein müssen. Ob eine einem Bescheid beigefügte Auflage im Sinne des § 59 Abs. 1 AVG ausreichend bestimmt ist, bemisst sich nach den Umständen des Einzelfalls. Die Anforderungen an die Umschreibung von Auflagen dürfen nicht überspannt werden. Eine Auflage ist nicht schon dann zu unbestimmt, wenn ihr Inhalt nicht für jedermann unmittelbar eindeutig erkennbar ist. Ausreichende Bestimmtheit einer Auflage ist dann anzunehmen, wenn ihr Inhalt für den Bescheidadressaten objektiv eindeutig erkennbar ist. Gleiches gilt, wenn die Umsetzung des Bescheides durch den Bescheidadressaten unter Heranziehung von Fachleuten zu erfolgen hat, und für diese Fachleute der Inhalt der Auflage objektiv eindeutig erkennbar ist. Dies gilt nicht bloß für den durch die Auflage belasteten Konsensträger, sondern auch für die Partei, deren Rechte durch die Auflage geschützt werden sollen. Auch hinsichtlich einer solchen Partei widerspricht die Formulierung einer Auflage dem zuvor umschriebenen Bestimmtheitsgebot nur dann, wenn ihr Inhalt auch unter Beiziehung eines Fachkundigen nicht verlässlich ermittelt werden kann (vgl. zu alldem , mwN).
9 Auflagen, die zur Herstellung der Genehmigungsfähigkeit vorgeschrieben werden, müssen bestimmt und geeignet sein, was voraussetzt, dass sie einerseits dem Verpflichteten jederzeit die Grenzen seines Verhaltens und damit die Einhaltung der Auflagen zweifelsfrei erkennen lassen und andererseits die Möglichkeit der jederzeitigen aktuellen Überprüfung der Einhaltung der Auflagen gegeben ist (vgl. etwa , mwN).
Im Revisionsfall ist zunächst festzuhalten, dass von einer Untrennbarkeit des Hauptinhalts des Spruches des angefochtenen Erkenntnisses von der Nebenbestimmung auszugehen ist.
10 Aus dem angefochtenen Erkenntnis ist insbesondere nicht ersichtlich, bis wann die Mitbeteiligte ihren landwirtschaftlichen Betrieb anzumelden hat. Nach der derzeitigen Formulierung der Auflage hinge die dreijährige Frist zur Umsetzung des vorgelegten Betriebskonzeptes ausschließlich von der Anmeldung des Betriebes und somit allein von den Dispositionen der Mitbeteiligten ab. Eine Überprüfung der Einhaltung der Auflagen im Sinne der hg. Rechtsprechung könnte durch eine laufende Verzögerung der Betriebsanmeldung verhindert werden, weil letztere an keine Frist gebunden ist.
11 Da die Auflage im Revisionsfall somit weder bestimmt noch geeignet ist, war das angefochtene Erkenntnis - mangels Trennbarkeit zur Gänze - gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Schlagworte | Rechtsgrundsätze Auflagen und Bedingungen VwRallg6/4 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020110016.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
YAAAF-45241