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VwGH 25.08.2022, Ra 2020/08/0176

VwGH 25.08.2022, Ra 2020/08/0176

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssatz


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Norm
ASVG §68 Abs1
RS 1
Das Risiko der Unterlassung einer Meldung bzw. der Erstattung einer unrichtigen Meldung im Sinne des dritten Satzes des § 68 Abs. 1 ASVG (bei einer wenn auch erst im späteren Beitragsverfahren bestätigten Richtigkeit dieser mitgeteilten Rechtsauffassung) geht zu Lasten des Meldepflichtigen, wenn diesem schon vor dem Zeitpunkt, zu dem die bezüglichen Meldungen zu erstatten waren bzw. erstattet wurden, von der zur Vollziehung der beitragsrechtlichen Normen des ASVG zuständigen Krankenkasse eine die Meldepflicht auslösende Rechtsauffassung mitgeteilt wurde (vgl. , mwN).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision der B AG K in K, vertreten durch Univ.Doz.Dr. Thomas E. Walzel von Wiesentreu, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Museumstraße 28 / 4. Stock, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , I412 2123206-1/26E, betreffend Beitragsnachverrechnung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Bei der Revisionswerberin fand im Juli 2015 - auf Grund eines von der (damaligen) Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau - VAEB (nunmehr Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau - BVAEB) erteilten Prüfungsauftrags - eine gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben (GPLA-Prüfung) für die Jahre 2010 bis 2014 statt.

2 Laut der Niederschrift über die Schlussbesprechung gemäß § 149 Abs. 1 BAO vom habe die Revisionswerberin im Prüfungszeitraum ihren Dienstnehmern und deren Angehörigen gegen einen geringen Selbstbehalt ÖBB-Fahrausweise (Jahreskarten) steuer- und beitragsfrei zur Privatnutzung zur Verfügung gestellt. Die Zurverfügungstellung stelle einen Vorteil aus dem Dienstverhältnis dar und sei gemäß § 15 Abs. 2 EStG 1988 (in der damaligen Fassung vor dem StRefG 2015/2016, BGBl. I Nr. 118/2015) mit dem üblichen Mittelpreis am Verbrauchsort zu bewerten. Daraus ergebe sich für den Zeitraum bis (dem Zeitpunkt der Einstellung dieser Vorgangsweise durch die Revisionswerberin) eine - im Prüfbericht vom näher aufgeschlüsselte - Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von rund € 47.000.

3 Mit Schreiben vom beantragte die Revisionswerberin „die Ausstellung und Zustellung eines Bescheides für den Sachverhalt ÖBB Nachverrechnung - somit Wirtschaftsjahr 2010-2011, für die Sozialversicherungsabgaben aus der letzten erfolgten GPLA Prüfung“.

4 Am erhob die Revisionswerberin - mit einem sowohl bei der VAEB als auch beim Bundesverwaltungsgericht (sowie beim Landesverwaltungsgericht Tirol) eingebrachten Schriftsatz - Säumnisbeschwerde und machte den Ablauf der Frist zur Entscheidung über den Antrag vom geltend.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht statt und sprach aus, die Revisionswerberin sei verpflichtet, für den Zeitraum bis Sozialversicherungsbeiträge und Beiträge für die Mitarbeitervorsorgekasse samt Verzugszinsen in Höhe von € 29.197,99 an die BVAEB zu zahlen. Die Revision erklärte das Bundesverwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

6 Das Bundesverwaltungsgericht führte - soweit wesentlich - aus, bei der Revisionswerberin sei bereits im September 2010 eine GPLA-Prüfung für den Zeitraum bis durchgeführt worden, in deren Rahmen die - damals österreichweit von zahlreichen Beförderungsunternehmen gelebte - Praxis der verbilligten Überlassung von ÖBB-Fahrausweisen an Dienstnehmer erstmalig thematisiert worden sei. Bei früheren Prüfungen sei diese Thematik nicht aufgegriffen worden, die Revisionswerberin habe auch zu keinem Zeitpunkt ein Auskunftsersuchen an die belangte Behörde gerichtet. Die zuständige Behörde habe ihre Rechtsansicht, wonach diese Überlassung nicht beitragsfrei sei, spätestens am der Revisionswerberin bekanntgegeben. Mit Bescheid vom habe die VAEB die Revisionswerberin verpflichtet, aufgrund der Nachverrechnung im Zusammenhang mit den gewährten ÖBB-Fahrausweisen für einen näher angeführten Zeitraum Sozialversicherungsbeiträge zu bezahlen. Dieser Bescheid sei von der Revisionswerberin bekämpft und in Folge vom Landeshauptmann von Tirol - in diesem Punkt - behoben worden. Der Verwaltungsgerichtshof habe schließlich mit Erkenntnis vom , 2012/08/0097, - aufgrund der von der VAEB erhobenen Beschwerde - den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben und damit die Rechtsansicht der VAEB - wonach die verbilligte Überlassung von ÖBB-Fahrausweisen als Sachbezug anzusehen sei - bestätigt.

7 Im Rahmen der verfahrensgegenständlichen GPLA-Prüfung im Jahr 2015 sei im Zusammenhang mit der verbilligten Überlassung von ÖBB-Fahrausweisen ein - der Höhe nach unstrittiger - Nachverrechnungsbetrag in Höhe von € 47.011,02 (für den Zeitraum bis ) bzw. € 29.197,99 (für den Zeitraum bis ) ermittelt worden, wobei die Revisionswerberin bereits den gesamten (höheren) Betrag bezahlt habe.

8 Zum - einzigen vorgebrachten - Einwand der Revisionswerberin, die nachverrechneten Beträge seien bereits verjährt, führte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Revisionswerberin sei die Rechtsansicht der belangten Behörde - über die Beitragspflicht der gewährten Sachbezüge - bereits seit der GPLA-Prüfung im Jahr 2010 bekannt gewesen. Auf die „Nichtbeanstandung“ in der Vergangenheit - die keine Verwaltungsübung darstelle - habe sie nicht vertrauen dürfen, womit ihre Erkundigungspflicht nicht aufgehoben worden sei. Aus den Lohnkonten der jeweiligen Dienstnehmer sei auch nicht erkennbar gewesen, dass die gewährten Sachbezüge als beitragsfrei behandelt worden seien. Aufgrund der Rechtsprechung des VwGH ergebe sich, dass ab dem Zeitpunkt, ab dem die Revisionswerberin von der belangten Behörde über ihre Rechtsansicht informiert worden sei - im Rahmen der GPLA-Prüfung im Jahr 2010, konkret ab September 2010 - die Verjährungsfrist für fällig gewordene Beiträge gemäß § 68 Abs. 1 ASVG fünf Jahre betrage. Damit seien die ab dem fällig gewordenen Beiträge im Zeitpunkt der Setzung der verjährungsunterbrechenden Maßnahme - der Mitteilung über die GPLA-Prüfung am  - noch nicht verjährt.

9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof das Vorverfahren gemäß § 36 VwGG einleitete; die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.

10 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13 Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit der Revision zunächst vor, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es unterlassen habe, Feststellungen zur bisherigen Verwaltungsübung im Bereich von Eisenbahnunternehmen betreffend die vergünstigte Überlassung von ÖBB-Fahrausweisen an Dienstnehmer zu treffen.

14 Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass das Bundesverwaltungsgericht festgestellt hat, dass derartige Vergünstigungen in der Vergangenheit österreichweit von zahlreichen Beförderungsunternehmen ihren aktiven und pensionierten Dienstnehmern und deren Angehörigen gewährt worden seien. Dies sei von der Revisionswerberin glaubhaft dargestellt und von der VAEB bestätigt worden. Welche darüber hinausgehenden Feststellungen das Bundesverwaltungsgericht hätte treffen sollen und worin die Relevanz dieser zusätzlichen Feststellungen liegen soll, legt die Revisionswerberin nicht dar. Dies gilt ebenso für das Vorbringen zu den vorgeblich unterlassenen Feststellungen „zu einem allfälligen Verschulden“ der Revisionswerberin.

15 Mit dem weiteren Vorbringen, wonach das Bundesverwaltungsgericht seinem Erkenntnis ausschließlich die Rechtsansicht der VAEB zugrunde gelegt und sich mit den Argumenten der Revisionswerberin nicht im Einzelnen auseinandergesetzt habe, weshalb das angefochtene Erkenntnis nicht nachvollziehbar sei, rügt die Revisionswerberin einen Begründungsmangel. Abgesehen davon, dass die Relevanz dieses behaupteten Verfahrensmangels nicht dargelegt wird, ist ein derartiger Begründungsmangel nicht erkennbar. Der Begründung der angefochtenen Entscheidung sind - entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. , mwN) - die maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen, eine Beweiswürdigung sowie die daran anschließende rechtliche Beurteilung einwandfrei nachvollziehbar zu entnehmen, womit die Rechtsverfolgung durch die Partei und die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts jedenfalls ermöglicht wird (vgl. , mwN).

16 Zur Zulässigkeit der Revision wird weiters geltend gemacht, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, indem es die bereits beglichenen Abgaben nochmals der Revisionswerberin vorgeschrieben habe.

17 Die Revisionswerberin hat mit Schreiben vom „die Ausstellung und Zustellung eines Bescheides für den Sachverhalt ÖBB Nachverrechnung - somit Wirtschaftsjahr 2010-2011, für die Sozialversicherungsabgaben aus der letzten erfolgten GPLA Prüfung“ beantragt. Nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes wurde der aufgrund der GPLA-Prüfung nachverrechnete Betrag vollständig entrichtet (wobei aus den Verwaltungsakten hervorgeht, dass er von der VAEB eingezogen worden sein dürfte). Aus dem weiteren Vorbringen der Revisionswerberin im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ergibt sich zudem, dass vor dem Hintergrund des zu dieser Rechtsfrage ergangenen Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2012/08/0097, nicht die Beitragspflicht der gewährten Vergünstigungen dem Grunde nach in Abrede gestellt, sondern lediglich eingewendet wird, hinsichtlich der vorgeschriebenen Beiträge sei (zum Teil) bereits Verjährung eingetreten.

18 Vor diesem Hintergrund kann der gestellte - implizit auf § 410 Abs. 1 Z 7 ASVG gestützte - Antrag nur dahingehend verstanden werden (vgl. zur Auslegung von Parteianbringen etwa , mwN), dass die Revisionswerberin keinen Abrechnungsbescheid, sondern einen Bescheid über die Verpflichtung zur Beitragszahlung unter Einbeziehung der Frage der Verjährung begehrt hat.

19 Das Bundesverwaltungsgericht hat diesen Antrag richtig gedeutet und - entgegen dem Revisionsvorbringen - keinen Leistungsbefehl im Sinne einer nochmaligen Zahlungsverpflichtung erlassen, sondern antragsgemäß lediglich darüber abgesprochen, welche Beiträge zu zahlen bzw. wegen Eintritts der Verjährung nicht zu zahlen waren.

20 Wenn im Zulässigkeitsvorbringen zudem eingewendet wird, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, wann die „Verpflichtung des Abgabepflichtigen zur Erkundigung nach § 68 ASVG“ begründet bzw. in weiterer Folge eine Verlängerung der Verjährungsfrist bewirkt werde und ob bzw. in welchem Umfang im Sinne des Grundsatzes von Treu und Glauben ein Vertrauenstatbestand auf eine bestehende Verwaltungsübung begründet werde, ist dem die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Sorgfaltsmaßstab des Meldepflichtigen entgegenzuhalten (vgl. ; , 93/08/0176, jeweils mwN). Demnach geht das Risiko der Unterlassung einer Meldung bzw. der Erstattung einer unrichtigen Meldung im Sinne des dritten Satzes des § 68 Abs. 1 ASVG (bei einer wenn auch erst im späteren Beitragsverfahren bestätigten Richtigkeit dieser mitgeteilten Rechtsauffassung) zu Lasten des Meldepflichtigen, wenn diesem schon vor dem Zeitpunkt, zu dem die bezüglichen Meldungen zu erstatten waren bzw. erstattet wurden, von der zur Vollziehung der beitragsrechtlichen Normen des ASVG zuständigen Krankenkasse eine die Meldepflicht auslösende Rechtsauffassung mitgeteilt wurde (vgl. , mwN). Dass das Bundesverwaltungsgericht von dieser Rechtsprechung abgewichen wäre, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht erkennbar.

21 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am

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ASVG §68 Abs1
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020080176.L00
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Fundstelle(n):
UAAAF-45225