VwGH 16.12.2021, Ra 2020/08/0170
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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RS 1 | Eine Vereitelung des Zustandekommens der Beschäftigung kann etwa dadurch erfolgen, dass eine arbeitslose Person bei einem Vorstellungsgespräch Äußerungen tätigt, durch die der potentielle Dienstgeber den Eindruck gewinnen muss, dass sie kein wirkliches Interesse an der Aufnahme der angebotenen Tätigkeit habe, sondern sich nur unter Druck des AMS bewerbe, ohne selbst tatsächlich die Stelle anzustreben (vgl. etwa ; , 2010/08/0016; jeweils mwN). |
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RS 2 | Stellt eine arbeitslose Person im Bewerbungsgespräch bei ihrer Mitteilung, ab einem bestimmten Zeitpunkt anderswo eine Arbeitsstelle antreten zu können, nicht sofort klar, dennoch bereit zu sein, (sogleich) ein Arbeitsverhältnis auf Dauer zu begründen, nimmt sie damit in der Regel das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses in Kauf (vgl. ; , 2011/08/0104; jeweils mwN). |
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RS 3 | Es liegt nahe, dass in Zusammenhang mit der Tätigkeit in einem vom AMS geförderten Sozialökonomischen Betrieb, somit einem Unternehmen, das im Sinn des § 9 Abs. 7 AlVG 1977 zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt dienende Arbeitsverhältnisse zur Verfügung stellt, - auch aus Sicht der Arbeitssuchenden - im Zuge der Arbeitsaufnahme die Frage der Arbeitswilligkeit stärker im Vordergrund steht als bei Bewerbungen bei anderen Dienstgebern. |
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RS 4 | Der Gesetzgeber hat in § 9 Abs. 7 AlVG ausdrücklich auch "ein der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt dienendes Arbeitsverhältnis im Rahmen eines Sozialökonomischen Betriebes (SÖB) oder eines Gemeinnützigen Beschäftigungsprojektes (GBP)" als (zumutbare) Beschäftigung erklärt. Ein Verhalten im Sinn von § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG im Hinblick auf einen sozialökonomischen Betrieb - somit die Verweigerung oder Vereitelung einer Beschäftigung bzw. die Nichtannahme einer vom sozialökonomischen Betrieb angebotenen Beschäftigung - kann daher zum Verlust des Anspruches auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe führen (vgl. , mwN). Voraussetzung der Verhängung der Sanktion ist insbesondere, dass eine derartige angebotene Beschäftigung der Prüfung der Zumutbarkeit im Einzelfall (vgl. § 9 Abs. 7 AlVG) standhält, somit insbesondere den Kriterien des § 9 Abs. 2 AlVG entspricht (vgl. , mwN). Eine Erfüllung des Tatbestandes nach § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG kommt aber jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn überhaupt keine Zuweisung zu einer Beschäftigung - somit kein Angebot eines konkreten Dienstverhältnisses - erfolgt ist (vgl. ). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2019/08/0103 B RS 1 (hier ohne den vorletzten Satz) |
Norm | AlVG 1977 §10 Abs1 Z1 |
RS 5 | Wurde die arbeitslose Person zu keiner Beschäftigung zugewiesen bzw. ihr keine solche angeboten, sondern sollte durch eine Vorbereitungsphase lediglich ein allfälliges späteres Dienstverhältnis vorbereitet werden, könnte davon ausgehend der Tatbestand der Vereitelung schon mangels Zuweisung zu einer Beschäftigung nach § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG 1977 nicht erfüllt sein (vgl. zu einem solchen Fall VwGH Ra 2019/08/0103, mwN). (hier betreffend einen Sozialökonomischen Betrieb) |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision des K A in W, vertreten durch Mag. Franjo Schruiff, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Gußhausstraße 14/7a, gegen das am mündlich verkündete und am schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, W262 2225232-1/14E, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Arbeitsmarktservice Wien Huttengasse), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom sprach die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien Huttengasse (AMS) aus, dass der Revisionswerber gemäß § 10 iVm. § 38 AlVG im Zeitraum vom bis den Anspruch auf Notstandshilfe verloren habe. Eine gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das AMS mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab.
2 Begründend führte das AMS aus, dem Revisionswerber sei bei einem vom AMS geförderten Sozialökonomischen Betrieb (SÖB) eine Vorbereitungsphase angeboten worden, damit er anschließend ein befristetes Dienstverhältnis antreten könne. Dazu sei der Revisionswerber zu einem Vorstellungsgespräch am eingeladen worden. Wie sich aus einer Mitteilung des SÖB ergebe, sei der Revisionswerber wohl zum Vorstellungsgespräch erschienen, es sei aber nicht zu seiner Aufnahme gekommen, weil der Revisionswerber eine mit datierte Einstellungszusage vorgelegt habe. Durch sein Verhalten habe der Revisionswerber das Zustandekommen einer „zumutbaren Stelle“ vereitelt.
3 Mit dem - nach einem Vorlageantrag des Revisionswerbers und Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangenen - angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab. Es sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, der Revisionswerber beziehe mit Unterbrechungen seit dem Jahr 2010 Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Am sei ihm vom AMS „ein Stellenangebot“ in einem SÖB übermittelt und der Revisionswerber dazu zu einem Vorstellungsgespräch am eingeladen worden. Zu diesem Gespräch sei der Revisionswerber beim SÖB erschienen. Eine Beschäftigung sei „zumindest auch aufgrund des Verhaltens [des Revisionswerbers] in dem Gespräch“ nicht zustande gekommen. Der Revisionswerber habe dies „billigend in Kauf“ genommen.
5 Unter der Überschrift Beweiswürdigung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, es sei nicht strittig, dass der Revisionswerber beim Vorstellungsgespräch vom angegeben habe, über eine „Einstellungszusage ab zu verfügen“. In der mündlichen Verhandlung habe der Revisionswerber hinzugefügt, im Zuge des Vorstellungsgespräches weiters auch „Bewerbungen an andere potentielle Dienstgeber vorgezeigt zu haben“. Dieses Verhalten sei geeignet, einen potentiellen Dienstgeber von der Begründung eines Arbeitsverhältnisses abzubringen, weil der Revisionswerber damit zum Ausdruck gebracht habe, einer anderen Stelle den Vorzug zu geben. An dieser „Einschätzung“ ändere auch nichts, dass es sich „um eine obsolete Einstellungszusage“ gehandelt habe. Durch sein Verhalten habe sich der Revisionswerber „damit abgefunden bzw. billigend in Kauf genommen, dass die Beschäftigung nicht zustande“ komme.
6 In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bundesverwaltungsgericht, bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten als Vereitelung im Sinn des § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG zu qualifizieren sei, komme es darauf an, ob dieses Verhalten für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses ursächlich gewesen sei und ob die arbeitslose Person zumindest mit bedingtem Vorsatz gehandelt habe. Für die Kausalität reiche aber auch schon eine Verringerung der Chancen für das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses. Im vorliegenden Fall habe der Revisionswerber aus den in der Beweiswürdigung dargelegten Gründen die Chance auf das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses zunichtegemacht, wobei er dies zumindest in Kauf genommen und daher mit bedingtem Vorsatz gehandelt habe.
7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Durchführung des Vorverfahrens, in dem das AMS eine Revisionsbeantwortung erstattet hat, in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
8 Zur Zulässigkeit der Revision wird zusammengefasst geltend gemacht, das Bundesverwaltungsgericht habe seine Annahme, die Angaben des Revisionswerbers beim Vorstellungsgespräch wären kausal für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses gewesen, nicht nachvollziehbar begründet und dazu keine ausreichenden Feststellungen getroffen, zumal die vom Revisionswerber vorgelegte Einstellungszusage beim Vorstellungsgespräch bereits „obsolet“ gewesen sei. Auch habe sich das Bundesverwaltungsgericht nicht mit dem Vorbringen des Revisionswerbers auseinandergesetzt, er habe durch die Vorlage der obsoleten Einstellungszusage sowie von anderen Bewerbungsunterlagen lediglich sein Engagement bei der Arbeitssuche zum Ausdruck gebracht und klargestellt, dass er eine Beschäftigung beim potentiellen Dienstgeber anstrebe.
9 Die Revision ist im Ergebnis zulässig und berechtigt.
10 Nach § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG verliert eine arbeitslose Person, die sich weigert, eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden sechs Wochen - bzw. unter näher umschriebenen Voraussetzungen acht Wochen - den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Gemäß § 38 AlVG ist diese Bestimmung auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.
11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bedarf es, um sich in Bezug auf eine von der regionalen Geschäftsstelle des AMS vermittelte zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten, unverzüglich zu entfaltenden aktiven Handelns der bzw. des Arbeitslosen und andererseits auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern. Das Nichtzustandekommen eines die Arbeitslosigkeit beendenden zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen abgesehen vom Fall der ausdrücklichen Weigerung, eine angebotene Beschäftigung anzunehmen, somit auf zwei Wegen verschuldet, die Annahme der Beschäftigung also auf zwei Wegen vereitelt werden: Nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (etwa durch Unterlassen der Vereinbarung eines Vorstellungstermins oder Nichtantritt der Arbeit), oder dadurch, dass er den Erfolg seiner (nach außen zu Tage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potentiellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichtemacht (vgl. , mwN).
12 Bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten eines Vermittelten als Vereitelung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG zu qualifizieren ist, kommt es zunächst darauf an, ob dieses Verhalten für das Nichtzustandekommen des (zumutbaren) Beschäftigungsverhältnisses ursächlich war. Ist die Kausalität zwischen dem Verhalten des Vermittelten und dem Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zu bejahen, dann muss geprüft werden, ob der Vermittelte vorsätzlich gehandelt hat, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt. Ein bloß fahrlässiges Handeln, also die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt, reicht zur Verwirklichung des Tatbestandes nicht hin (vgl. , mwN).
13 Eine Vereitelung des Zustandekommens der Beschäftigung kann demzufolge etwa dadurch erfolgen, dass eine arbeitslose Person bei einem Vorstellungsgespräch Äußerungen tätigt, durch die der potentielle Dienstgeber den Eindruck gewinnen muss, dass sie kein wirkliches Interesse an der Aufnahme der angebotenen Tätigkeit habe, sondern sich nur unter Druck des AMS bewerbe, ohne selbst tatsächlich die Stelle anzustreben (vgl. etwa ; , 2010/08/0016; jeweils mwN). Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Sinn wiederholt festgehalten, dass der Tatbestand der Vereitelung auch dadurch verwirklicht werden kann, dass ein Arbeitssuchender beim Vorstellungsgespräch, wenn auch wahrheitsgemäß, seine Absicht zum Ausdruck bringt, die als Dauerstellung angebotene zumutbare Beschäftigung nur als Übergangslösung zu betrachten, weil er damit - bezogen auf den konkret angebotenen Arbeitsplatz als Dauerstellung - seine Arbeitswilligkeit in Zweifel stellt (vgl. ; , Ro 2015/08/0027; jeweils mwN). Stellt eine arbeitslose Person im Bewerbungsgespräch bei ihrer Mitteilung, ab einem bestimmten Zeitpunkt anderswo eine Arbeitsstelle antreten zu können, nicht sofort klar, dennoch bereit zu sein, (sogleich) ein Arbeitsverhältnis auf Dauer zu begründen, nimmt sie damit in der Regel das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses in Kauf (vgl. ; , 2011/08/0104; jeweils mwN).
14 Hinsichtlich der Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichtes zur Verwirklichung des Tatbestandes der Vereitelung nach § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG im vorliegenden Fall ist zunächst auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Anforderungen an Form und Inhalt eines verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisses zu verweisen. Danach erfordert die Begründung einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche es im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Erkenntnisses geführt haben. Die drei logisch aufeinander aufbauenden und formal zu trennenden Elemente einer ordnungsgemäß begründeten verwaltungsgerichtlichen Entscheidung bestehen sohin erstens in einer im Indikativ gehaltenen Tatsachenfeststellung, zweitens in der Beweiswürdigung und drittens in der rechtlichen Beurteilung (vgl. etwa , mwN).
15 Das Verwaltungsgericht hat neben der Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise auch die Pflicht, auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein kann, einzugehen. Das Verwaltungsgericht darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. etwa ; , Ra 2017/08/0124; jeweils mwN).
16 Die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts unter der Überschrift Feststellungen bleiben vorliegend hinsichtlich des Verhaltens, das dem Revisionswerber als Vereitelung vorgeworfen wird, inhaltslos und lassen insoweit eine Darstellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts vermissen. Im Zuge der Ausführungen in der Beweiswürdigung enthält das angefochtene Erkenntnis dazu wohl (dislozierte) Feststellungen. Auch diese lassen aber nicht bzw. jedenfalls nicht mit der notwendigen Deutlichkeit erkennen, ob der Revisionswerber im Sinn der dargestellten Rechtsprechung eine Tätigkeit für den SÖB vereitelt hat. Es bleibt unklar, ob er zum Ausdruck gebracht hat, an einer Tätigkeit für den SÖB nicht interessiert zu sein bzw. diese - im Hinblick auf ein anderes Arbeitsangebot - nur als Übergangslösung zu betrachten. Gegen die Annahme, dass dies durch die Vorlage der Einstellungszusage zum Ausdruck gekommen ist, spricht, dass das Bundesverwaltungsgericht selbst davon ausgegangen ist, dass die vorgelegte Zusage einer Einstellung ab zum Zeitpunkt des Vorstellungsgespräches am bereits „obsolet“ gewesen sei.
17 In diesem Zusammenhang wäre auch das Vorbringen des Revisionswerbers in der mündlichen Verhandlung zu beachten gewesen, er habe beim Vorstellungsgespräch seinen Willen zu einer Beschäftigung beim SÖB zum Ausdruck gebracht und durch Vorlage der Einstellungszusage und von Bewerbungen lediglich dargestellt, arbeitswillig und an der Annahme einer Beschäftigung interessiert zu sein. Eine Auseinandersetzung mit diesen Behauptungen bzw. deren Glaubwürdigkeit hat das Bundesverwaltungsgericht unterlassen. Dies wäre vorliegend aber auch vor dem Hintergrund erforderlich gewesen, dass es sich bei dem potentiellen Arbeitgeber um einen vom AMS geförderten SÖB gehandelt hat, somit um ein Unternehmen, das im Sinn des § 9 Abs. 7 AlVG zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt dienende Arbeitsverhältnisse zur Verfügung stellt. Es liegt nahe, dass in Zusammenhang mit der Tätigkeit in einem solchen Unternehmen - auch aus Sicht der Arbeitssuchenden - im Zuge der Arbeitsaufnahme die Frage der Arbeitswilligkeit stärker im Vordergrund steht als bei Bewerbungen bei anderen Dienstgebern.
18 Die Revision zeigt somit zutreffend auf, dass das in Revision gezogene Erkenntnis an Begründungsmängeln leidet. Aus diesem Anlass ist ergänzend aufzugreifen, dass die Begründung des in Revision gezogenen Erkenntnisses noch aus einem weiteren Grund mangelhaft geblieben ist.
19 Der Gesetzgeber hat in § 9 Abs. 7 AlVG nämlich zwar ausdrücklich auch „ein der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt dienendes Arbeitsverhältnis im Rahmen eines Sozialökonomischen Betriebes (SÖB) oder eines Gemeinnützigen Beschäftigungsprojektes (GBP)“ als (zumutbare) Beschäftigung erklärt. Ein Verhalten im Sinn von § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG im Hinblick auf einen SÖB - somit die Verweigerung oder Vereitelung einer Beschäftigung bzw. die Nichtannahme einer vom SÖB angebotenen (zumutbaren) Beschäftigung - kann daher zum Verlust des Anspruches auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe führen. Eine Erfüllung des Tatbestandes nach § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG kommt aber auch insoweit jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn überhaupt keine Zuweisung zu einer Beschäftigung - somit kein Angebot eines konkreten Dienstverhältnisses - erfolgt ist (vgl. , mwN).
20 Das AMS hat in seiner Beschwerdevorentscheidung vom - wie dargestellt - ausgeführt, dem Revisionswerber sei eine „Vorbereitungsphase“ in einem SÖB angeboten worden, damit er anschließend ein befristetes Dienstverhältnis antreten könne. Diese Ausführungen, die in Übereinstimmung mit dem Akteninhalt des Aktes des AMS zu stehen scheinen, legen nahe, dass der Revisionswerber zu keiner Beschäftigung zugewiesen bzw. ihm keine solche angeboten wurde, sondern durch eine Vorbereitungsphase lediglich ein allfälliges späteres Dienstverhältnis vorbereitet werden sollte. Davon ausgehend könnte aber der - vom Bundesverwaltungsgericht herangezogene - Tatbestand der Vereitelung schon mangels Zuweisung zu einer Beschäftigung nach § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG nicht erfüllt sein (vgl. zu einem solchen Fall näher nochmals VwGH Ra 2019/08/0103, mwN).
21 Das Bundesverwaltungsgericht hat eine konkrete Auseinandersetzung mit dieser Frage unterlassen, im Erkenntnis aber festgestellt, dem Revisionswerber sei vom AMS „ein Stellenangebot“ in einem SÖB übermittelt worden. Diese Ausführungen lassen vor dem Hintergrund des vorliegenden Falles die notwendige Klarheit dahingehend vermissen, ob der Revisionswerber - entgegen dem Bescheid des AMS - zu einer Beschäftigung zugewiesen worden ist. Sollte das Bundesverwaltungsgericht beabsichtigt haben, eine derartige Feststellung zu treffen, wäre es erforderlich gewesen auch darzustellen, auf welchen beweiswürdigenden Erwägungen diese beruht.
22 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
23 Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020080170.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
AAAAF-45223