VwGH 02.03.2021, Ra 2020/08/0128
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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RS 1 | Der VwGH hat sich im Erkenntnis , mit der Frage auseinandergesetzt, ob der "Bemessungsgrundlagenschutz" des § 21 Abs. 8 AlVG 1977 - also das Privileg von Arbeitslosen, die das 45. Lebensjahr vollendet haben, dass ein bereits einmal als Bemessungsgrundlage herangezogenes Bruttoentgelt so lange bei der Bemessung von weiteren Ansprüchen auf Arbeitslosengeld heranzuziehen ist, bis ein höheres monatliches Bruttoentgelt vorliegt - auch für eine Bemessungsgrundlage gilt, die der Bemessung von Weiterbildungsgeld (und nicht von Arbeitslosengeld) zugrunde gelegt wurde, und hat diese Frage verneint. |
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RS 2 | § 14 AlVG 1977 regelt insgesamt - schon angesichts seiner Überschrift "Anwartschaft" - ausschließlich die Bedingungen, unter denen die Anwartschaft für die Zuerkennung von Arbeitslosengeld, also eine Voraussetzung für einen Arbeitslosengeldanspruch dem Grunde nach, erfüllt ist; Fragen der Bemessung des Arbeitslosengeldes regelt § 14 AlVG 1977 nicht. § 14 Abs. 7 AlVG 1977 stellt (lediglich) klar, dass, wenn bereits einmal (insbesondere) Weiterbildungsgeld bezogen wurde, für den Erwerb einer zukünftigen Anwartschaft auf Arbeitslosengeld die kurze Anwartschaft gemäß § 14 Abs. 2 AlVG 1977 ausreicht; (nur) insofern gilt jede Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld nach einem Bezug von Weiterbildungsgeld als "weitere Inanspruchnahme". |
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RS 3 | Eine Anwendung des Bemessungsgrundlagenschutzes nach § 21 Abs. 8 AlVG 1977 auf das Weiterbildungsgeld wäre zweckfremd, weil es sich beim Weiterbildungsgeld um eine Leistung während eines aufrechten Beschäftigungsverhältnisses handelt, sodass es keines Anreizes bedarf, eine (niedriger als die vorherige entlohnte) Beschäftigung aufzunehmen (vgl. ). |
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RS 4 | Ein Bemessungsgrundlagenschutz nach § 21 Abs. 8 AlVG 1977 in Bezug auf Überbrückungshilfen scheitert schon an der mangelnden Gleichstellung in § 14 Abs. 7 AIVG 1977 (vgl. ); es kann aber nicht umgekehrt der Schluss gezogen werden, dass das Weiterbildungsgeld in den Bemessungsgrundlagenschutz einzubeziehen wäre. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Innsbruck in 6020 Innsbruck, Schöpfstraße 5, der gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. I419 2228253-1/15E, betreffend Bemessung des Arbeitslosengeldes (mitbeteiligte Partei: G), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Bundesverwaltungsgericht einen Bescheid der revisionswerbenden Partei, mit dem diese ausgesprochen hatte, dass der mitbeteiligten Partei ab dem Arbeitslosengeld in Höhe von täglich € 31,10 gebühre, aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die revisionswerbende Partei zurückverwiesen.
2 Gemäß § 30 Abs. 2 erster Satz VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof ab Vorlage der Revision auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
3 Ungeachtet der offenbar nicht auf Amtsrevisionen zugeschnittenen Formulierung des § 30 Abs. 2 VwGG ist die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung auch bei einer Amtsrevision zulässig. Als „unverhältnismäßiger Nachteil für den Revisionswerber“ ist hier jedoch eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung der von der Amtspartei zu vertretenden öffentlichen Interessen als Folge einer Umsetzung des angefochtenen Erkenntnisses in die Wirklichkeit zu verstehen. In diesem Zusammenhang obliegt es der eine Amtsrevision erhebenden Partei, bereits im Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung jene Umstände im Einzelnen darzutun, aus denen sich ein solcher „unverhältnismäßiger Nachteil“ ergibt (vgl. , mwN).
4 Der vorliegende Antrag führt keinerlei von der Amtspartei zu vertretende öffentliche Interessen ins Treffen, die durch eine Umsetzung der angefochtenen Entscheidung in die Wirklichkeit beeinträchtigt würden, sodass er schon aus diesem Grund abzuweisen war.
Wien, am
Entscheidungstext
Entscheidungsart: Erkenntnis
Entscheidungsdatum:
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision des Arbeitsmarktservice Innsbruck in 6020 Innsbruck, Schöpfstraße 5, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom , I419 2228253-1/15E, betreffend Bemessung des Arbeitslosengeldes (mitbeteiligte Partei: G T in I), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit Bescheid vom sprach die revisionswerbende Partei, das Arbeitsmarktservice Innsbruck (AMS), aus, dem Mitbeteiligten gebühre ab dem gemäß § 20 iVm § 21 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) Arbeitslosengeld in der Höhe von EUR 31,10 täglich.
2 Über die dagegen vom Mitbeteiligten erhobene Beschwerde entschied das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss, indem es den Bescheid vom gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG aufhob und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das AMS zurückverwies. Die Revision erklärte das Bundesverwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
3 Das Bundesverwaltungsgericht stellte insbesondere fest, der Mitbeteiligte, der sein 45. Lebensjahr bereits zuvor vollendet habe, habe - im Anschluss an eine näher dargestellte arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung - von bis zum (mit Ausnahme zweier Krankenstandstage) Weiterbildungsgeld bezogen. Als Bemessungsgrundlage für das Weiterbildungsgeld habe das AMS ein monatliches Bruttoentgelt von EUR 4.545,72 herangezogen. Der Bemessung des dem Mitbeteiligten ab dem (Tag der Antragstellung) zuerkannten Arbeitslosengeldanspruches habe das AMS ein monatliches Bruttoentgelt von EUR 2.118,09 zugrunde gelegt.
4 In der rechtlichen Würdigung hielt das Bundesverwaltungsgericht fest, für Arbeitslose, die das 45. Lebensjahr vollendet hätten, sehe § 21 Abs. 8 AlVG vor, dass ein für die Bemessung des Grundbetrages des Arbeitslosengeldes herangezogenes monatliches Bruttoentgelt auch bei weiteren Ansprüchen auf Arbeitslosengeld so lange für die Festsetzung des Grundbetrages heranzuziehen sei, bis ein höheres vorliege. Der Verwaltungsgerichtshof habe im Erkenntnis , ausgesprochen, dass dieser Bemessungsgrundlagenschutz nach dem AlVG sich zwar nicht auf Bemessungsgrundlagen beziehe, die den Überbrückungshilfen zu Grunde lägen, wohl aber Weiterbildungsgeld und Bildungsteilzeitgeld im Hinblick auf eine weitere Inanspruchnahme dem Arbeitslosengeld gleichgestellt seien. Demgemäß hätte das AMS im Fall des Mitbeteiligten eine frühere günstigere Bemessungsgrundlage zu verwenden gehabt, da diese durch § 21 Abs. 8 AlVG geschützt sei. Der Bemessung des Arbeitslosengeldes werde also das für die Festsetzung des Weiterbildungsgeldes herangezogene monatliche Bruttoentgelt von EUR 4.545,72 zugrunde zu legen sein, es sei denn, dass sich nach der - bisher unterbliebenen - Einbeziehung eines erst zu ermittelnden Betrages einer Urlaubsersatzleistung ein höheres monatliches Bruttoentgelt für das Jahr 2018 ergäbe. Es liege im Interesse der Raschheit und Kostenersparnis, dass das AMS die Ermittlung der Höhe der Urlaubsersatzleistung und die Neuberechnung des Arbeitslosengeldanspruches vornehme.
5 Die dagegen gerichtete außerordentliche Revision des AMS bringt zu ihrer Zulässigkeit und in der Sache vor, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, nämlich vom Erkenntnis , abgewichen, wonach eine Bemessungsgrundlage, die für die Berechnung von Weiterbildungsgeld herangezogen worden sei, nicht im Sinne des § 21 Abs. 8 AlVG geschützt sei.
6 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision - nach Durchführung des Vorverfahrens, in dem der Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattete - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
7 Die Revision ist zulässig und berechtigt.
8 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im Erkenntnis , mit der Frage auseinandergesetzt, ob der „Bemessungsgrundlagenschutz“ des § 21 Abs. 8 AlVG - also das Privileg von Arbeitslosen, die das 45. Lebensjahr vollendet haben, dass ein bereits einmal als Bemessungsgrundlage herangezogenes Bruttoentgelt so lange bei der Bemessung von weiteren Ansprüchen auf Arbeitslosengeld heranzuziehen ist, bis ein höheres monatliches Bruttoentgelt vorliegt - auch für eine Bemessungsgrundlage gilt, die der Bemessung von Weiterbildungsgeld (und nicht von Arbeitslosengeld) zugrunde gelegt wurde, und hat diese Frage verneint. Auf die Begründung dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.
9 Das Erkenntnis , auf das sich das Bundesverwaltungsgericht zur Begründung seiner gegenteiligen Ansicht berief, betraf nicht die genannte Frage, sondern die Frage, ob nach den Bestimmungen des Überbrückungshilfengesetzes Bemessungsgrundlagen, die zur Festlegung von Überbrückungshilfen herangezogen wurden, in den Bemessungsgrundlagenschutz nach § 21 Abs. 8 AlVG einzubeziehen sind. Eine Abkehr von der durch das Erkenntnis , zum Ausdruck gebrachten Sichtweise, was die Frage des Schutzes von der Bemessung des Weiterbildungsgeldes zugrunde gelegten Bemessungsgrundlagen betrifft, ist daraus nicht abzuleiten, auch nicht aus dem Hinweis in Rz 11, dass das Weiterbildungsgeld gemäß § 14 Abs. 7 AlVG im Hinblick auf eine weitere Inanspruchnahme dem Arbeitslosengeld gleichgestellt sei. Denn § 14 AlVG regelt insgesamt - schon angesichts seiner Überschrift „Anwartschaft“ - ausschließlich die Bedingungen, unter denen die Anwartschaft für die Zuerkennung von Arbeitslosengeld, also eine Voraussetzung für einen Arbeitslosengeldanspruch dem Grunde nach, erfüllt ist; Fragen der Bemessung des Arbeitslosengeldes regelt § 14 AlVG nicht. § 14 Abs. 7 AlVG stellt (lediglich) klar, dass, wenn bereits einmal (insbesondere) Weiterbildungsgeld bezogen wurde, für den Erwerb einer zukünftigen Anwartschaft auf Arbeitslosengeld die kurze Anwartschaft gemäß § 14 Abs. 2 AlVG ausreicht; (nur) insofern gilt jede Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld nach einem Bezug von Weiterbildungsgeld als „weitere Inanspruchnahme“ (vgl. Zechner in Sdoutz/Zechner, Arbeitslosenversicherungsgesetz, zu § 14, Rz 359; so sinngemäß auch Pfeil in Pfeil, AlV-Komm, zu § 14, Rz 15).
10 Eine Anwendung des Bemessungsgrundlagenschutzes auf das Weiterbildungsgeld wäre auch zweckfremd, weil es sich - wie im Erkenntnis , schon dargelegt wurde - beim Weiterbildungsgeld um eine Leistung während eines aufrechten Beschäftigungsverhältnisses handelt, sodass es keines Anreizes bedarf, eine (niedriger als die vorherige entlohnte) Beschäftigung aufzunehmen.
In diesem Sinn bedeutet der Hinweis im Erkenntnis , nur, dass ein Bemessungsgrundlagenschutz in Bezug auf Überbrückungshilfen schon an der mangelnden Gleichstellung in § 14 Abs. 7 AIVG scheitert; es kann aber nicht umgekehrt der Schluss gezogen werden, dass das Weiterbildungsgeld in den Bemessungsgrundlagenschutz einzubeziehen wäre.
11 Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Beschluss gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Norm | VwGG §30 Abs2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020080128.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
RAAAF-45213