VwGH 06.07.2021, Ra 2020/08/0018
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Betreffend eine Beteiligung an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass auch Gewinnanteile an Unternehmen, die auf Rechnung und Gefahr der Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts geführt werden, die Pflichtversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG begründen, sofern das daraus erzielte Einkommen die Versicherungsgrenze übersteigt und die betriebliche Tätigkeit im betreffenden Zeitraum ausgeübt wurde (Hinweis: E , 2005/08/0066). Dabei kommt es nicht auf ein persönliches Tätigwerden der einzelnen Gesellschafter an, solange nur der Betrieb auf Rechnung und Gefahr jedes der Gesellschafter geführt wird. Dies ist jedoch dann nicht der Fall, wenn der Betrieb überhaupt nicht - bzw. nicht mehr - geführt wird. Eine Beendigung oder Unterbrechung der Erwerbstätigkeit kann in einem solchen Fall dann eintreten, wenn alle Gesellschafter der Gesellschaft bürgerlichen Rechts übereinkommen, den Betrieb einzustellen, mag dies auch nur für eine bestimmte Zeit sein, wie es bei nur saisonal tätigen Unternehmen, wie hier einer Schischule, typischerweise der Fall sein kann (vgl. nunmehr auch die Bestimmung über das Ruhen des Betriebes einer Schischule in § 11a Tiroler Schischulgesetz nach der Novelle LGBl. Nr. 47/2010). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2010/08/0036 E VwSlg 18429 A/2012 RS 2 (hier nur die ersten beiden Sätze) |
Norm | |
RS 2 | Der VwGH hat in Anknüpfung an die Erläuterungen der Regierungsvorlage zur 23. GSVG-Novelle (1235 BlgNR 20. GP 21) ausgeführt, dass auch stille Gesellschafter der Sozialversicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG unterliegen, wenn sie nicht bloß am Kapital der Gesellschaft beteiligt sind ("atypische stille Gesellschafter"). Es kommt im Wesentlichen auf die im Zusammenhang mit den Kommanditisten ausgeführten Merkmale der Erwerbstätigkeit an. Nach der somit maßgeblichen zu Kommanditisten ergangenen Rechtsprechung können Kommanditisten einer KG nach Maßgabe einer "aktiven Betätigung" im Unternehmen, die auf Einkünfte gerichtet ist, pflichtversichert sein, nicht aber Kommanditisten, die nur "ihr Kapital arbeiten lassen", das heißt, sich im Wesentlichen auf die gesetzliche Stellung eines Kommanditisten beschränken. Die Beantwortung der Frage, ob sich der Kommanditist in einer für § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG relevanten Weise "aktiv" im Unternehmen betätigt, kann in rechtlicher Hinsicht nur vom Umfang seiner Geschäftsführungsbefugnisse, und zwar auf Grund rechtlicher - und nicht bloß faktischer - Gegebenheiten abhängen. Kommanditisten, die nur "ihr Kapital arbeiten lassen", und die daher nicht nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG pflichtversichert sein sollen, sind jedenfalls jene, deren Rechtsstellung über die gesetzlich vorgesehenen Mitwirkungsrechte an der Geschäftsführung nicht hinausgeht. Wurden dem Kommanditisten entsprechende Geschäftsführungsbefugnisse eingeräumt, welche über die Mitwirkung an außergewöhnlichen Geschäften hinausgehen, oder steht ihm ein derartiger rechtlicher Einfluss auf die Geschäftsführung des Unternehmens zu, dann ist es unerheblich, in welcher Häufigkeit von diesen Befugnissen tatsächlich Gebrauch gemacht wird, sowie ob und in welcher Form sich der Kommanditist am "operativen Geschäft" beteiligt oder im Unternehmen anwesend ist. Die Rechtsstellung eines Kommanditisten kann somit durch entsprechende Vertragsgestaltung, insbesondere durch Einräumung von Geschäftsführungsbefugnissen, auch der eines Komplementärs so weit angenähert werden, dass seine Tätigkeit der eines selbständig Erwerbstätigen entspricht. Dasselbe gilt sinngemäß für den stillen Gesellschafter (vgl. zum Ganzen , mwN). |
Norm | |
RS 3 | Nach der Rechtsprechung des VwGH kommt es, wenn einem stillen Gesellschafter vertragliche Befugnisse zur Geschäftsführung eingeräumt wurden, aus denen sich eine "aktive Betätigung" und damit eine selbständige Erwerbstätigkeit ergibt, für das Bestehen einer Pflichtversicherung nicht darauf an, ob dem die Geschäfte führenden stillen Gesellschafter - abseits der Beteiligung am Gewinn des Unternehmens - auch eine gesonderte Vergütung für seine Tätigkeit als Geschäftsführer gewährt wurde. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und den Hofrat Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision des Dr. W W in S, vertreten durch die Wetzl & Partner Rechtsanwälte GmbH in 4400 Steyr, Stadtplatz 20-22/I/II, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , L501 2140940-1/23E, betreffend Pflichtversicherung nach dem GSVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, nunmehr Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis stellte das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) - in Bestätigung eines Bescheides der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft vom - fest, dass der Revisionswerber im Zeitraum vom bis der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG unterlegen sei.
5 Das Bestehen der Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG gründete das BVwG hinsichtlich des Jahres 2012 auf die Stellung des Revisionswerbers als Gesellschafter einer unternehmerisch tätigen Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die zur Entwicklung eines Immobilienprojektes bzw. zur Verwaltung und Verwertung der Miteigentumsanteile der Gesellschafter an einer Liegenschaft errichtet worden sei. Entgegen den Angaben des Revisionswerbers, wonach er seine Anteile an der Gesellschaft bürgerlichen Rechts im März 2012 an einen anderen Gesellschafter abgetreten habe, sei er im Jahr 2012 nicht als Gesellschafter aus der Gesellschaft ausgeschieden, zumal er auch weiter Miteigentümer der von der Gesellschaft verwalteten Liegenschaft geblieben sei. Die Pflichtversicherung habe daher nicht vor Ende des Jahres 2012 geendet.
6 Im Jahre 2013 sei der Revisionswerber „atypischer stiller Gesellschafter“ einer GmbH gewesen. Auch daraus sei eine Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG abzuleiten, weil dem Revisionswerber im Vertrag über die Errichtung der „atypischen stillen Gesellschaft“ - neben einer Beteiligung von 75% an Gewinn und Verlust des Unternehmens - Geschäftsführungsbefugnisse eingeräumt worden seien, die über die bloße Mitwirkung an außergewöhnlichen Geschäften hinausgegangen seien.
7 Aus diesen Tätigkeiten habe der Revisionswerber - wie sich aus rechtskräftigen Einkommensteuerbescheiden ergebe - Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von € 60.238,36 im Jahr 2012 und von € 105.460,53 im Jahr 2013 erzielt.
8 Zur Zulässigkeit der Revision wird zunächst vorgebracht, aus der Stellung des Revisionswerbers als Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts sei keine Pflichtversicherung abzuleiten. Die Gesellschaft sei nämlich zu „rein kapitalistischen Zwecken“ gegründet und die „Geschäftsführungsbefugnisse und auch [die] Kontrollrechte“ an eine gemeinsame Vertreterin der Gesellschafter übertragen worden.
9 Mit diesem Vorbringen zeigt die Revision schon deshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf, von der das Schicksal der Revision abhängt, weil sie nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgeht (vgl. , mwN). Nach den vom BVwG getroffenen Feststellungen, denen die Revision nicht substantiiert entgegentritt, wurde von den Gesellschaftern zwar eine GmbH zur gemeinsamen Vertreterin der Gesellschafter bestellt, im Gesellschaftsvertrag wurden aber die Befugnisse der einzelnen Gesellschafter - so auch des Revisionswerbers - zur Mitwirkung an der Geschäftsführung nicht abbedungen. Es entspricht im Übrigen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass Gewinnanteile an Unternehmen, die auf Rechnung und Gefahr der Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts geführt werden, - sofern sie wie hier die Versicherungsgrenze übersteigen und die betriebliche Tätigkeit im betreffenden Zeitraum ausgeübt wurde - die Pflichtversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG begründen. Dabei kommt es nicht auf ein persönliches Tätigwerden der einzelnen Gesellschafter an, solange nur der Betrieb auf Rechnung und Gefahr jedes der Gesellschafter geführt wird (vgl. ; , 2005/08/0066; jeweils mwN). Dass das BVwG von dieser Rechtsprechung abgewichen wäre, legt die Revision nicht dar.
10 Zur Zulässigkeit der Revision wird weiters geltend macht, das BVwG habe bei seiner Annahme, der Revisionswerber sei jedenfalls bis Ende des Jahres 2012 weiter Gesellschafter der Gesellschaft bürgerlichen Rechts geblieben, sodass die Gesellschaft weiter auf seine Rechnung geführt worden sei, nicht beachtet, dass in der Judikatur auch „außerbücherliches Eigentum“ an Liegenschaften anerkannt sei, „ohne welches Sprungeintragungen im Grundbuch gar nicht möglich wären“. Dem ist zu entgegnen, dass der Revisionswerber im bisherigen Verfahren niemals behauptet hat, seine Miteigentumsanteile an der von der Gesellschaft bürgerlichen Rechts verwalteten Liegenschaft im Jahr 2012 an einen anderen Gesellschafter - allenfalls auch nur außerbücherlich (§ 22 Allgemeines Grundbuchsgesetz) - übertragen zu haben. Die Ausführungen in der Revision verstoßen somit gegen das im Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes nach § 41 VwGG geltende Neuerungsverbot. Mit einem solchen Vorbringen kann daher das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht begründet werden (vgl. , mwN).
11 Hinsichtlich der Pflichtversicherung des Revisionswerbers aufgrund seiner Stellung als stiller Gesellschafter im Jahr 2013 wird unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung in der Revision geltend gemacht, es sei vom Verwaltungsgerichtshof zu klären, ob die Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG auch dann eintrete, wenn ein stiller Gesellschafter - wie im vorliegenden Fall der Revisionswerber - für seine Tätigkeit als Geschäftsführer kein Einkommen bezogen habe.
12 Der Verwaltungsgerichtshof hat in Anknüpfung an die Erläuterungen der Regierungsvorlage zur 23. GSVG-Novelle (1235 BlgNR 20. GP 21) ausgeführt, dass auch stille Gesellschafter der Sozialversicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG unterliegen, wenn sie nicht bloß am Kapital der Gesellschaft beteiligt sind („atypische stille Gesellschafter“). Es kommt im Wesentlichen auf die im Zusammenhang mit den Kommanditisten ausgeführten Merkmale der Erwerbstätigkeit an. Nach der somit maßgeblichen zu Kommanditisten ergangenen Rechtsprechung können Kommanditisten einer KG nach Maßgabe einer „aktiven Betätigung“ im Unternehmen, die auf Einkünfte gerichtet ist, pflichtversichert sein, nicht aber Kommanditisten, die nur „ihr Kapital arbeiten lassen“, das heißt, sich im Wesentlichen auf die gesetzliche Stellung eines Kommanditisten beschränken. Die Beantwortung der Frage, ob sich der Kommanditist in einer für § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG relevanten Weise „aktiv“ im Unternehmen betätigt, kann in rechtlicher Hinsicht nur vom Umfang seiner Geschäftsführungsbefugnisse, und zwar auf Grund rechtlicher - und nicht bloß faktischer - Gegebenheiten abhängen. Kommanditisten, die nur „ihr Kapital arbeiten lassen“, und die daher nicht nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG pflichtversichert sein sollen, sind jedenfalls jene, deren Rechtsstellung über die gesetzlich vorgesehenen Mitwirkungsrechte an der Geschäftsführung nicht hinausgeht. Wurden dem Kommanditisten entsprechende Geschäftsführungsbefugnisse eingeräumt, welche über die Mitwirkung an außergewöhnlichen Geschäften hinausgehen, oder steht ihm ein derartiger rechtlicher Einfluss auf die Geschäftsführung des Unternehmens zu, dann ist es unerheblich, in welcher Häufigkeit von diesen Befugnissen tatsächlich Gebrauch gemacht wird, sowie ob und in welcher Form sich der Kommanditist am „operativen Geschäft“ beteiligt oder im Unternehmen anwesend ist. Die Rechtsstellung eines Kommanditisten kann somit durch entsprechende Vertragsgestaltung, insbesondere durch Einräumung von Geschäftsführungsbefugnissen, auch der eines Komplementärs so weit angenähert werden, dass seine Tätigkeit der eines selbständig Erwerbstätigen entspricht. Dasselbe gilt sinngemäß für den stillen Gesellschafter (vgl. zum Ganzen , mwN).
13 Dass das BVwG insoweit die Voraussetzungen der Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG unrichtig beurteilt hätte, zeigt die Revision nicht auf. Nach der zitierten Rechtsprechung kommt es, wenn einem stillen Gesellschafter vertragliche Befugnisse zur Geschäftsführung eingeräumt wurden, aus denen sich im dargestellten Sinn eine „aktive Betätigung“ und damit eine selbständige Erwerbstätigkeit ergibt, für das Bestehen einer Pflichtversicherung nämlich nicht darauf an, ob dem die Geschäfte führenden stillen Gesellschafter - abseits der Beteiligung am Gewinn des Unternehmens - auch eine gesonderte Vergütung für seine Tätigkeit als Geschäftsführer gewährt wurde.
14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020080018.L00 |
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WAAAF-45207