VwGH 30.03.2021, Ra 2020/07/0075
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Ein neu entstandenes (und nicht neu hervorgekommenes) Beweismittel könnte insofern als Wiederaufnahmegrund Bedeutung haben, als damit neu hervorgekommene Tatsachen aufgezeigt werden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2004/09/0159, und vom , Zl. 2010/08/0165). Voraussetzung für die Stattgabe des Wiederaufnahmeantrags wäre unter diesem Gesichtspunkt weiters, dass diese Tatsachen ohne Verschulden der Partei nicht schon im wiederaufzunehmenden Verfahren geltend gemacht werden konnten. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ro 2015/08/0013 B RS 3 |
Normen | AVG §37 B-VG Art133 Abs4 VwGG §34 Abs1 VwGVG 2014 §17 VwGVG 2014 §27 VwGVG 2014 §28 VwGVG 2014 §32 Abs1 Z2 |
RS 2 | Wenn das VwG im Hauptverfahren seiner Ermittlungspflicht nicht in der gebotenen Weise entsprochen und deshalb einen unrichtigen Sachverhalt festgestellt hat, so kann dies die Partei von ihren verfahrensrechtlichen Obliegenheiten nach § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG 2014 nicht entbinden. Nicht auf ein Verschulden des VwG am Ausbleiben gebotener Ermittlungsschritte, sondern auf die Verschuldensfreiheit der Partei in der rechtzeitigen Geltendmachung der für ihren Verfahrensstandpunkt sprechenden Umstände kommt es an, wenn die Frage zu beurteilen ist, ob ein nachträglich ins Treffen geführtes Beweismittel die Wiederaufnahme des Verfahrens auf Parteiantrag rechtfertigt (vgl. ; ; , 2002/07/0007; , 2006/08/0194). |
Normen | |
RS 3 | Nach Ablauf der zweiwöchigen Frist für die Stellung des Wiederaufnahmeantrags dürfen weder die Wiederaufnahmegründe ausgetauscht noch neue Wiederaufnahmegründe geltend gemacht werden; insofern ist die Behörde bzw. das VwG bei der Entscheidung über den Antrag auf Wiederaufnahme an die von der Partei fristgerecht vorgebrachten Gründe gebunden. § 32 VwGVG 2014 entspricht inhaltlich weitgehend § 69 AVG, demnach kann auf das bisherige Verständnis des § 69 AVG zurückgegriffen werden (vgl. ). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2019/10/0061 B RS 1 |
Entscheidungstext
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2020/07/0076
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. Bachler und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision 1. der G D und 2. des H D, beide in S und beide vertreten durch Mag. Maria-Christina Breitenecker, Dr. Christine Kolbitsch und Dr. Heinrich Vana, Rechtsanwälte in 1020 Wien, Taborstraße 10/2, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom , Zl. LVwG 40.34-1009/2020-6, betreffend Abweisung eines Antrags auf Wiederaufnahme in einer Angelegenheit des Wasserrechtsgesetzes 1959 (mitbeteiligte Partei: S GmbH in S, vertreten durch die Eisenberger Rechtsanwälte GmbH in 8020 Graz, Schloßstraße 25), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die revisionswerbenden Parteien haben der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von insgesamt € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit rechtskräftigem Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark (LH) vom wurde den Rechtsvorgängern der mitbeteiligten Partei die wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung des Projekts „Trinkwasserkraftwerk S - Kraftwerk S, Ausbaustufe Teil A“ erteilt. Die dagegen erhobenen Einwendungen der revisionswerbenden Parteien wurden, soweit diese nicht ihre (auf näher bezeichneten Grundstücken gelegenen) Trinkwasserquellen beträfen, als unzulässig zurückgewiesen.
2 Mit Schreiben vom beantragten die revisionswerbenden Parteien die Anerkennung als übergangene Parteien in dem mit Bescheid des LH vom rechtskräftig abgeschlossenen wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren.
3 Dazu führten sie im Wesentlichen aus, es sei stets davon ausgegangen worden, dass die genehmigte Druckrohrleitungstrasse des Kraftwerks „S“ nicht in ihr Eigentum eingreife. Allerdings stimme der Katasterplan nicht mit den natürlichen Grenzen überein, woraus sich ergebe, dass die Trasse doch über näher bezeichnete Grundstücke der revisionswerbenden Parteien verlaufe.
4 Mit rechtskräftigem Erkenntnis vom wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde der revisionswerbenden Parteien gegen den Bescheid des LH vom , mit dem ihr Antrag vom abgewiesen worden war, als unbegründet ab.
5 Begründend hielt das Verwaltungsgericht unter anderem fest, dass das Bestehen allfälliger Diskrepanzen zwischen dem Verlauf der Grenze laut Katasterplan und jenem in der Natur nicht von ihm zu prüfen sei.
6 Mit Eingabe vom beantragten die revisionswerbenden Parteien gemäß „§ 32 VwGVG“ die Wiederaufnahme des mit diesem Erkenntnis abgeschlossenen Verfahrens.
7 Dazu legten sie eine Mappenberichtigung zur Grenzfeststellung eines Teils der Grundstücke Nrn. 2605 und 2606, beide KG G., vermessen am , eines Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen und einen Auszug aus der digitalen Katastermappe des Bundesamts für Eich- und Vermessungswesen vom vor. Dabei handle es sich um neu hervorgekommene Beweismittel zum Nachweis, dass das Grundeigentum der revisionswerbenden Parteien durch den wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid des LH vom berührt würde und sie damit als „übergangene Parteien“ in diesem Verfahren anzusehen seien.
8 Im forstrechtlichen Bewilligungsverfahren sei hervorgekommen, dass die mitbeteiligte Partei eine Trassenbreite von 2,40 Metern im öffentlichen Gut in Anspruch nehme und diese auch laut Rodungsbescheid bewilligt worden sei, um die Druckrohrleitungsverlegung fachgerecht durchführen zu können. Aufgrund dieser neuen Information hätten die revisionswerbenden Parteien auf eigene Kosten eine Vermessung der Grundgrenzen ihrer Grundstücke zum öffentlichen Gut vornehmen lassen.
9 Nunmehr seien aufgrund der Mappenberichtigung im Kataster Teile der Grundgrenzen zum öffentlichen Gut lagerichtig dargestellt und die tatsächlichen Breiten der öffentlichen Grundstücke nachgewiesen. Aus den neuen Beweismitteln gehe hervor, dass die im öffentlichen Gut liegenden Grundstücke Nrn. 2605 und 2606, beide KG G., im vermessenen Grenzabschnitt der Grundstücke Nrn. 2308 und 2304/2 bzw. 2290/3, alle KG G., (der revisionswerbenden Parteien) in Teilbereichen lediglich Breiten von 1,20 bis 1,50 Metern bzw. 1,81 bis 1,87 Metern aufwiesen. Daraus könne geschlossen werden, dass auch die an die übrigen Bereiche des öffentlichen Guts (Grundstücke Nrn. 2604, 2605 und 2606, alle KG G.) angrenzenden Grundstücke der revisionswerbenden Parteien (Grundstücke Nrn. 2289/1, 2290/3, 2304/1, 2306, 2304/2 und 2308, alle KG G.) durch das Projekt der mitbeteiligten Partei in Anspruch genommen würden.
10 Hätte die „Behörde“ ihre Ermittlungspflicht mit Sorgfalt erfüllt (Begehung, Einholung von Gutachten bezüglich erforderlicher Breiten), wäre sie zu dem Schluss gekommen, dass ein Einbau der Druckrohrleitung in den beantragten Grundstücken nicht möglich sei. Dieses Ergebnis hätte zu einem anderslautenden „Bescheid“ geführt. Daher seien die revisionswerbenden Parteien im Verfahren als „(übergangene) Partei“ anzusehen, weil sie durch die im forstrechtlichen Bewilligungsverfahren hervorgekommenen Mindesttrassenbreite von 2,40 Metern aufgrund der Durchführung des Projekts der mitbeteiligten Partei in ihren Rechten gemäß § 12 WRG 1959 verletzt würden.
11 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Verwaltungsgericht diesen Antrag ab. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.
12 Dazu hielt es zunächst fest, nach § 32 Abs. 1 iVm. Abs. 5 VwGVG sei einem Antrag auf Wiederaufnahme dann stattzugeben, wenn einer der Wiederaufnahmegründe nach § 32 Abs. 1 Z 1 bis 4 leg. cit. vorliege. Bei der Entscheidung über den Wiederaufnahmeantrag sei das Verwaltungsgericht an die geltend gemachten Wiederaufnahmegründe gebunden und dürfe nicht darüber hinaus gehen.
13 Sodann führte es - bezugnehmend auf die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG - aus, die im Jahr 2020 durchgeführte Mappenberichtigung zur Grenzfeststellung eines Teils der Grundstücke Nrn. 2605 und 2606 samt Katasterplan stelle eine neue Tatsache oder ein neues Beweismittel, das im Zeitpunkt der Erlassung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichts vom bereits bestanden habe, aber nicht bekannt gewesen sei und im Verfahren ohne Verschulden der revisionswerbenden Parteien nicht habe geltend gemacht werden können, nicht dar.
14 Im „gegenständlichen“ (offenkundig gemeint: wasserrechtlichen) Bewilligungsverfahren seien die revisionswerbenden Parteien weder zum Zeitpunkt der Antragstellung des Projekts „Kraftwerk S“ noch zu jenem der Erlassung des Bewilligungsbescheids aus dem Jahr 2007 Grundeigentümer von projektgemäß in Anspruch genommenen Grundstücken gewesen. Ob sie nunmehr im Jahr 2020 Eigentum an solchen Grundstücken erworben hätten, sei unerheblich und stelle keinen Wiederaufnahmegrund im Sinn des § 32 VwGVG dar. Im Übrigen werde nochmals festgehalten, dass die revisionswerbenden Parteien im Rahmen ihrer wasserrechtlich geschützten Rechte (§ 12 Abs. 2 WRG 1959) zum damaligen Zeitpunkt (Quelle) Parteistellung im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren innegehabt hätten, weshalb von einer „übergangenen Partei“ schon aus diesen Gründen gar keine Rede sein könne.
15 Es sei daher der Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichts vom abgeschlossenen Verfahrens abzuweisen gewesen.
16 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
17 Nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof hat die mitbeteiligte Partei eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie die kostenpflichtige Zurück- bzw. Abweisung der Revision beantragt.
18 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
19 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
20 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
21 Wird ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geltend gemacht, hat der Revisionswerber konkret darzulegen, dass der der gegenständlich angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt jenem der von ihm ins Treffen geführten hg. Entscheidungen gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden hat und es damit von der (ständigen) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist. Dabei reicht es nicht aus, bloß Rechtssätze zu verschiedenen hg. Erkenntnissen wiederzugeben oder hg. Entscheidungen nach Datum und Geschäftszahl zu nennen, ohne auf konkrete Abweichungen von dieser Rechtsprechung hinzuweisen (vgl. bis 0106, mwN).
22 Zunächst wird in der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision vorgebracht, das Verwaltungsgericht habe sich gegen die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gestellt, wonach Gutachten von Sachverständigen, die erst nach Eintritt der Rechtskraft des Bescheids eingeholt worden seien, zwar keine „neuen Beweismittel“ darstellten. Soweit ein Sachverständiger jedoch Tatsachen, die zur Zeit der Sachverhaltsverwirklichung bereits bestanden hätten, erst nach Rechtskraft der Entscheidung „feststellt“, könnten diese bzw. die daraus resultierenden neuen Befundergebnisse, die sich auf die zuvor bestandenen Tatsachen bezögen, bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen als neue Tatsachen einen Grund für eine Wiederaufnahme darstellen. Dazu wird der hg. Beschluss vom , Ro 2015/08/0013, zitiert.
23 Darauf bezugnehmend bringen die revisionswerbenden Parteien vor, die im Jahr 2020 durchgeführte Mappenberichtigung stelle - vor dem Hintergrund der dazu ergangenen Judikatur des Obersten Gerichtshofes (Hinweis auf ) - im Sinn der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein neu entstandenes Beweismittel dar, das sich auf eine „alte“ Tatsache beziehe, nämlich auf die seit „unvordenklicher Zeit“ unbestritten in der Natur ersichtliche Grundgrenze, die jedenfalls zum Zeitpunkt des Abschlusses des wiederaufzunehmenden Verfahrens bereits bestanden habe. Das Verwaltungsgericht habe daher davon auszugehen, dass mit der Mappenberichtigung nicht Eigentum erworben, sondern der Grenzverlauf so festgestellt worden sei, wie er „seit unvordenklicher Zeit“ in der Natur ersichtlich sei. Indem das Verwaltungsgericht dies nicht als Wiederaufnahmegrund anerkenne, stelle es sich gegen „die zitierte ständige Judikatur.“
24 Damit wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
25 Gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten.
26 Nach der hg. Rechtsprechung zu § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG rechtfertigen neu hervorgekommene Tatsachen und Beweismittel (also solche, die bereits zur Zeit des früheren Verfahrens bestanden haben, aber erst später bekannt wurden) - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - eine Wiederaufnahme des Verfahrens, wenn sie die Richtigkeit des angenommenen Sachverhalts in einem wesentlichen Punkt als zweifelhaft erscheinen lassen; gleiches gilt für neu entstandene Beweismittel, sofern sie sich auf „alte“ - d.h. nicht erst nach Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens entstandene - Tatsachen beziehen (vgl. aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa , mwN).
27 Im gegenständlichen Wiederaufnahmeverfahren kann jedoch dahinstehen, ob die von den revisionswerbenden Parteien vorgelegte Mappenberichtigung die Richtigkeit des dem verwaltungsgerichtlichen Erkenntnis vom zu Grunde liegenden Sachverhalts in einem wesentlichen Punkt als zweifelhaft erscheinen ließe, weil die Abweisung des Wiederaufnahmeantrages nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung, insbesondere auch nicht zum hg. Beschluss vom , Ro 2015/08/0013, steht.
28 Diesem zur Folge kann ein neu entstandenes (und nicht neu hervorgekommenes) Beweismittel zwar - wie bereits angesprochen - insofern als Wiederaufnahmegrund Bedeutung haben, als damit neu hervorgekommene Tatsachen aufgezeigt werden. Voraussetzung für die Stattgabe des Wiederaufnahmeantrags wäre unter diesem Gesichtspunkt aber weiters, dass diese Tatsachen ohne Verschulden der Partei nicht schon im wiederaufzunehmenden Verfahren geltend gemacht werden konnten (vgl. , mwN).
29 Die Wiederaufnahme eines Verfahrens bietet nämlich keine Handhabe dafür, allfällige Versäumnisse einer Partei in einem Ermittlungsverfahren oder die Unterlassung der Erhebung eines Rechtsmittels zu sanieren (vgl. ; , Ra 2017/06/0102, jeweils mwN).
30 Wenn das Verwaltungsgericht im Hauptverfahren seiner Ermittlungspflicht nicht in der gebotenen Weise entsprochen und deshalb einen unrichtigen Sachverhalt festgestellt hat, so kann dies die Partei von ihren verfahrensrechtlichen Obliegenheiten nach § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG nicht entbinden. Nicht auf ein Verschulden des Verwaltungsgerichts am Ausbleiben gebotener Ermittlungsschritte, sondern auf die Verschuldensfreiheit der Partei in der rechtzeitigen Geltendmachung der für ihren Verfahrensstandpunkt sprechenden Umstände kommt es an, wenn die Frage zu beurteilen ist, ob ein nachträglich ins Treffen geführtes Beweismittel die Wiederaufnahme des Verfahrens auf Parteiantrag rechtfertigt (vgl. dazu die auf § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG nach , mwN, übertragbare hg. Rechtsprechung zu § 69 Abs. 1 Z 2 AVG: ; , 2002/07/0007; , 2006/08/0194).
31 Die revisionswerbenden Parteien haben bereits in ihrem Antrag vom vorgebracht, dass der Katasterplan nicht mit den natürlichen Grenzen übereinstimme, weshalb die Druckrohrleitungstrasse des Kraftwerks „S“ -anders als dies noch im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren angenommen worden sei - über ihre Grundstücke verlaufe. Diese Annahme hätten die revisionswerbenden Parteien bereits damals durch Vorlage geeigneter Beweismittel untermauern können. Die von ihnen nun ins Treffen geführte forstrechtliche Bewilligung aus dem Jahr 2019 bestätigte lediglich die bereits Jahre zuvor geäußerte Annahme.
32 Es mag zwar zutreffend sein, dass das Verwaltungsgericht keine Ermittlungen zum Grenzverlauf der ins Treffen geführten Grundstücke vorgenommen und daher (möglicherweise) einen unrichtigen Sachverhalt festgestellt hat. Doch konnte dies die revisionswerbenden Parteien - wie dargestellt - nicht von ihren Obliegenheiten entbinden, im wiederaufzunehmenden Verfahren entsprechende Beweismittel zur Untermauerung ihres Vorbringens vorzulegen bzw. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts vom vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts zu bekämpfen.
33 In dem dem - von den revisionswerbenden Parteien genannten - hg. Beschluss vom , Ro 2015/08/0013, zu Grunde liegenden Sachverhalt hat das Verwaltungsgericht aber gerade ein solches die Wiederaufnahme ausschließendes Verschulden, welches aufgrund der dargestellten Erwägungen auch den revisionswerbenden Parteien im gegenständlichen Verfahren anzulasten ist, festgestellt. Der zitierte hg. Beschluss spricht somit gerade gegen ihren Standpunkt, weshalb damit dem Verwaltungsgericht ein Abweichen von der hg. Rechtsprechung nicht vorgeworfen werden kann.
34 Sofern in der Zulässigkeitsbegründung ein Abweichen des angefochtenen Beschlusses von der hg. Rechtsprechung zu den Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 Z 3 VwGVG behauptet wird, ist dem entgegenzuhalten, dass die revisionswerbenden Parteien den Antrag vom erkennbar auf den Wiederaufnahmegrund des § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG gestützt haben.
35 Wie aber bereits das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, dürfen nach Ablauf der zweiwöchigen Frist für die Stellung des Wiederaufnahmeantrags weder die Wiederaufnahmegründe ausgetauscht noch neue Wiederaufnahmegründe geltend gemacht werden; insofern ist die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht bei der Entscheidung über den Antrag auf Wiederaufnahme an die von der Partei fristgerecht vorgebrachten Gründe gebunden (vgl. ; , Ra 2019/10/0061, jeweils mwN).
36 Die revisionswerbenden Parteien behaupten in diesem Zusammenhang nicht, dass sie innerhalb der zweiwöchigen Frist für die Stellung des Wiederaufnahmeantrags (auch) den Wiederaufnahmegrund des § 32 Abs. 1 Z 3 VwGVG geltend gemacht hätten.
37 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
38 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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Normen | AVG §37 AVG §69 AVG §69 Abs1 Z2 B-VG Art133 Abs4 VwGG §34 Abs1 VwGVG 2014 §17 VwGVG 2014 §27 VwGVG 2014 §28 VwGVG 2014 §32 Abs1 VwGVG 2014 §32 Abs1 Z2 VwGVG 2014 §32 Abs2 VwRallg |
Schlagworte | Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Verfahrensmangel |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020070075.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
CAAAF-45205