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VwGH 20.04.2021, Ra 2020/07/0062

VwGH 20.04.2021, Ra 2020/07/0062

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
B-VG Art144 Abs1
COVID-19-VwBG 2020 §1
COVID-19-VwBG 2020 §2 Abs1 Z1
COVID-19-VwBG 2020 §6 Abs2
VwGG §26 Abs4
VwRallg
RS 1
Es trifft zwar zu, dass gemäß § 1 COVID-19-VwBG 2020 in "anhängigen" behördlichen Verfahren vor Verwaltungsbehörden (und somit gemäß § 6 Abs. 2 leg. cit. auch in anhängigen Verfahren vor dem VwGH und dem VfGH) - unter weiteren Voraussetzungen - alle (verfahrensrechtlichen) Fristen bis zum Ablauf des unterbrochen wurden. Die Erhebung der Revision an den VwGH erfolgte gegenständlich aber nicht in einem bei diesem bereits anhängigen Verfahren (die Erhebung einer Beschwerde an den VfGH gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG führte noch nicht zu einem beim VwGH anhängigen Verfahren, vielmehr wurde die Revision erst nach der erwähnten Abtretung der Beschwerde an den VwGH - mit der die Revisionsfrist gemäß § 26 Abs. 4 VwGG zu laufen begann - "neu und erstmals" eingebracht; vgl. auch (Slg. 19.867)), sodass die Fristunterbrechung des § 1 COVID-19-VwBG 2020 schon aus diesem Grund hier nicht zur Anwendung gelangte. Vielmehr ist die Revisionsfrist gegenständlich als Frist für einen "verfahrenseinleitenden" Antrag iSd. § 2 Abs. 1 Z 1 iVm. § 6 Abs. 2 COVID-19-VwBG 2020 anzusehen (in den Gesetzesmaterialien zur letztgenannten Bestimmung wird die Revisionsfrist ausdrücklich erwähnt) und wurde nach dieser Bestimmung daher für die dort genannte Dauer nur gehemmt ("nicht eingerechnet"; vgl. - parallel - auch § 2 des 1. COVID-19-JuBG und die zugehörigen, obzitierten Gesetzesmaterialien, auf die jene zum COVID-19-VwBG 2020 explizit verweisen).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2020/11/0098 B RS 1
Normen
ABGB §1332
COVID-19-VwBG 2020
COVID-19-VwBG 2020 §1
COVID-19-VwBG 2020 §1 Abs1
COVID-19-VwBG 2020 §2 Abs1
VwGG §26 Abs1
VwGG §46 Abs1
VwRallg
RS 1
Dem Antragsteller ist zwar zuzugestehen, dass zum Zeitpunkt der Revisionserhebung noch keine hg. Rechtsprechung dazu vorlag, ob die Frist zur Einbringung einer Revision iSd. § 1 Abs. 1 COVID-19-VwBG 2020 "unterbrochen" oder iSd. § 2 Abs. 1 legcit. "gehemmt" ist, doch lässt dieser Umstand für sich noch nicht auf einen bloß minderen Grad des Versehens schließen. Vielmehr hätte der Parteienvertreter, der sich in der Revision zur Beurteilung deren Rechtzeitigkeit ohne nähere Begründung auf § 1 Abs. 1 COVID-19-VwBG 2020 gestützt hat, § 2 Abs. 1 legcit. nicht außer Acht lassen dürfen (vgl. , 0150). Dass - nach den Angaben des Antragstellers - der OGH im Anwendungsbereich des 1. COVID-19-JuBG 2020, eines hier nicht zur Anwendung gelangenden Gesetzes, von einer Unterbrechung der ihn betreffenden Rechtsmittelfristen in Zivil- und Strafrechtssachen ausginge, änderte nichts an der Pflicht des Parteienvertreters, sich mit der neuen Gesetzeslage nach dem für Revisionen an den VwGH geltenden COVID-19-VwBG sorgfältig auseinanderzusetzen. Auch der Umstand, dass in der Literatur von einer Anwendbarkeit des § 1 COVID-19-VwBG 2020 auf Revisionen an den VwGH ausgegangen wird, lässt keine Rückschlüsse auf das allein maßgebliche Verschulden des im hier zu beurteilenden Verfahren tätigen Parteienvertreters zu.
Normen
VwGG §25a Abs5
VwGG §26 Abs1 Z1
VwGG §30a Abs1
VwGG §30a Abs7
VwGG §34 Abs1
RS 2
§ 34 Abs. 1 VwGG ordnet an, dass Revisionen, die sich wegen Versäumung der Einbringungsfrist nicht zur Behandlung eignen, vom VwGH ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen sind. Im Hinblick auf § 30a Abs. 1 und 7 VwGG ist bei einer außerordentlichen Revision eine diesbezügliche Entscheidung durch das VwG ausgeschlossen.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2020/22/0189 B RS 1
Normen
ABGB §1332
COVID-19-VwBG 2020 §1
COVID-19-VwBG 2020 §2
VwGG §34 Abs1
VwGG §34 Abs3
VwGG §36
VwGG §46 Abs1
RS 3
Die Tatsache, dass der VwGH das Vorverfahren eingeleitet hat, vermag ein mangelndes Verschulden des Parteienvertreters an einem Rechtsirrtum hinsichtlich der neuen Rechtslage nicht zu begründen, weil ein Beschluss nach § 34 Abs. 1 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen ist (vgl. § 34 Abs. 3 legcit.). Daher ist es auch unerheblich, ob die mitbeteiligte Partei von der fristgerechten Erhebung der Revision ausging, weil diese Beurteilung allein dem VwGH zukommt.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. Bachler und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des Dr. H B in A, vertreten durch Prof. Haslinger & Partner, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Zollamtstraße 7, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom , Zl. LVwG-551126/38/Wim, betreffend eine wasserrechtliche Bewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen; mitbeteiligte Partei: Gemeinde A, vertreten durch die Holter - Wildfellner Rechtsanwälte GmbH in 4710 Grieskirchen, Uferstraße 10), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Revisionswerber hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 558,12 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid der belangten Behörde vom , mit dem der mitbeteiligten Partei die wasserrechtliche Bewilligung für die Anpassung und Erweiterung der Regenwasserkanalisation einer namentlich bezeichneten Siedlung sowie die Umlegung einer Schmutzwasserkanalisation erteilt worden war, wegen fehlender Parteistellung des Revisionswerbers als unzulässig zurück.

2 Dagegen erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom , E 4491/2019-5, deren Behandlung ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

3 Dieser Beschluss des Verfassungsgerichtshofes wurde dem Revisionswerber nachweislich im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs (ERV) seines damaligen Rechtsvertreters am bereitgestellt.

4 Die nunmehr gegen den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts erhobene Revision wurde am zur Post gegeben.

5 Darin wird zu deren Rechtzeitigkeit ausgeführt, gemäß § 1 Abs. 1 des Verwaltungsrechtlichen COVID-19-Begleitgesetzes (COVID-19-VwBG) sei die Revisionsfrist (vom ) bis zum unterbrochen und beginne mit neu zu laufen, weshalb der Revisionswerber binnen offener Frist die nachstehende außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhebe.

6 Nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof erstattete die mitbeteiligte Partei eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Zurück- bzw. Abweisung der Revision beantragt.

7 § 26 VwGG lautet auszugsweise:

Revisionsfrist

§ 26. (1) Die Frist zur Erhebung einer Revision gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes (Revisionsfrist) beträgt sechs Wochen. Sie beginnt

1. in den Fällen des Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG dann, wenn das Erkenntnis dem Revisionswerber zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn das Erkenntnis dem Revisionswerber nur mündlich verkündet wurde, jedoch mit dem Tag der Verkündung;

(...)

(4) Hat der Verfassungsgerichtshof eine Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten, so beginnt die Revisionsfrist mit der Zustellung des Erkenntnisses oder Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes oder, wenn der Antrag auf Abtretung der Beschwerde erst nach dessen Zustellung gestellt wurde, mit der Zustellung des Beschlusses gemäß § 87 Abs. 3 VfGG.

(...)“

8 Das am kundgemachte COVID-19-VwBG, BGBl. I Nr. 16/2020, in der hier maßgebenden Fassung zum Zeitpunkt der Revisionseinbringung, BGBl. I Nr. 42/2020, lautet auszugsweise wie folgt:

Unterbrechung von Fristen

§ 1. (1) In anhängigen behördlichen Verfahren der Verwaltungsbehörden, auf die die Verwaltungsverfahrensgesetze (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991, Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl. Nr. 52/1991, und Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 - VVG, BGBl. Nr. 53/1991) anzuwenden sind, werden alle Fristen, deren fristauslösendes Ereignis in die Zeit nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes fällt, sowie Fristen, die bis zum Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes noch nicht abgelaufen sind, bis zum Ablauf des unterbrochen. Sie beginnen neu zu laufen. Bei der Berechnung einer Frist nach § 32 Abs. 1 AVG gilt der als Tag, in den der Zeitpunkt oder das Ereignis fällt, wonach sich der Anfang der Frist richten soll. Bei der Berechnung einer Frist nach § 32 Abs. 2 AVG gilt der als Tag, an dem die Frist begonnen hat. Die vorstehenden Sätze gelten nicht für Fristen in Verfahren nach dem Epidemiegesetz 1950, BGBl. Nr. 186/1950.

(...)

Sonderregelungen für bestimmte Fristen

§ 2. (1) Die Zeit vom bis zum Ablauf des wird nicht eingerechnet:

1. in die Zeit, in der ein verfahrenseinleitender Antrag (§ 13 Abs. 8 AVG) zu stellen ist,

(...)

Verfahren der Verwaltungsgerichte sowie Verfahren desVerwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes

§ 6 (...)

(2) Auf das Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes sind die §§ 1 bis 3 und 5 sinngemäß anzuwenden.

(...)

Inkrafttreten und Außerkrafttreten

§ 9. (1) Dieses Bundesgesetz mit Ausnahme des § 6 Abs. 1 tritt mit Ablauf des Tages seiner Kundmachung in Kraft und mit Ablauf des außer Kraft.

(...)

(3) Der Titel, § 1 Abs. 1 zweiter bis letzter Satz und Abs. 1a und § 2 samt Überschrift in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2020 treten mit in Kraft.

(...)“

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom , Ra 2020/11/0098, ausgesprochen, dass die Erhebung der Revision an den Verwaltungsgerichtshof (in einem Fall wie dem vorliegenden) nicht in einem bei diesem bereits anhängigen Verfahren erfolgt sei (die Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 144 B-VG habe noch nicht zu einem beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahren geführt, vielmehr sei die Revision erst nach der Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof - mit der die Revisionsfrist gemäß § 26 Abs. 4 VwGG zu laufen begonnen habe - „neu und erstmals“ eingebracht worden), sodass die Fristunterbrechung des § 1 COVID-19-VwBG schon aus diesem Grund nicht zur Anwendung gelangt sei. Vielmehr sei die Revisionsfrist als Frist für einen „verfahrenseinleitenden“ Antrag im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 1 iVm § 6 Abs. 2 COVID-19-VwBG anzusehen und nach dieser Bestimmung daher für die dort genannte Dauer nur gehemmt worden.

10 Für den vorliegenden Revisionsfall folgt daraus, dass die Revisionsfrist am Mittwoch, den (gemäß § 14a Abs. 3 VfGG iVm § 89d Abs. 2 GOG gilt für den Revisionswerber dieser Tag als Zustellungszeitpunkt des an ihn elektronisch übermittelten Ablehnungs- und Abtretungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes vom ), somit noch vor Inkrafttreten des COVID-19-VwBG am , zu laufen begann und für die Zeit vom bis  gehemmt war.

11 Ausgehend vom Beginn der Revisionsfrist hätte die sechswöchige Frist des § 26 Abs. 1 VwGG mit Ablauf des Mittwochs, den , geendet (§ 32 Abs. 2 AVG). Unter Hinzurechnung der 40-tägigen Fristhemmung vom bis  hat die Revisionsfrist im vorliegenden Fall aber erst mit Ablauf des (unter Berücksichtigung der Ablaufhemmung nach § 33 Abs. 2 AVG aufgrund des vorangehenden Pfingstmontags) geendet.

12 Die am zur Post gegebene Revision erweist sich daher als verspätet und war somit gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

13 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 51 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Hinsichtlich des Ausmaßes des zuerkannten Aufwandersatzes ist auf das Antragsprinzip gemäß § 59 VwGG, wonach ziffernmäßig verzeichnete Kosten nur in der beantragten Höhe zuzusprechen sind, zu verweisen (vgl. dazu , mwN).

Wien, am

Entscheidungstext

Entscheidungsart: Beschluss

Entscheidungsdatum:

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. Bachler und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über den Antrag des Dr. H B in A, vertreten durch Prof. Haslinger & Partner, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Zollamtstraße 7, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Revision gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom , Zl. LVwG-551126/38/Wim, betreffend eine wasserrechtliche Bewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen; mitbeteiligte Partei: Gemeinde A, vertreten durch die Holter - Wildfellner Rechtsanwälte GmbH in 4710 Grieskirchen, Uferstraße 10), den Beschluss gefasst:

Spruch

Der Wiedereinsetzungsantrag wird abgewiesen.

Begründung

1 Mit Beschluss vom wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde des Antragstellers gegen den Bescheid der belangten Behörde vom , mit dem der mitbeteiligten Partei die wasserrechtliche Bewilligung für die Anpassung und Erweiterung der Regenwasserkanalisation einer namentlich bezeichneten Siedlung sowie die Umlegung einer Schmutzwasserkanalisation erteilt worden war, wegen fehlender Parteistellung des Antragstellers als unzulässig zurück.

2 Dagegen erhob der Antragsteller zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom , E 4491/2019-5, deren Behandlung ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

3 Dieser Beschluss des Verfassungsgerichtshofes wurde dem Antragsteller nachweislich im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs (ERV) seines damaligen Rechtsvertreters am bereitgestellt.

4 Die danach gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom erhobene Revision des Antragstellers wurde am zur Post gegeben.

5 Darin wurde zu deren Rechtzeitigkeit ausgeführt, gemäß § 1 Abs. 1 des Verwaltungsgerichtlichen COVID-19-Begleitgesetzes (COVID-19-VwBG) sei die Revisionsfrist (vom ) bis zum unterbrochen und beginne mit neu zu laufen, weshalb der Antragsteller binnen offener Frist die nachstehende außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhebe.

6 Mit Beschluss vom , Ra 2020/07/0062-10, wies der Verwaltungsgerichtshof die Revision des Antragstellers als verspätet zurück.

7 In der Begründung dieser Entscheidung nahm der Verwaltungsgerichtshof auf seinen Beschluss vom , Ra 2020/11/0098, Bezug, wonach die Erhebung der Revision an den Verwaltungsgerichtshof (in einem Fall wie dem vorliegenden) nicht in einem bei diesem anhängigen Verfahren erfolgt sei, sodass die Fristunterbrechung des § 1 COVID-19-VwBG schon aus diesem Grund nicht zur Anwendung gelangt sei. Vielmehr sei die Revisionsfrist als Frist für einen „verfahrenseinleitenden“ Antrag im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 1 iVm § 6 Abs. 2 COVID-19-VwBG anzusehen und nach dieser Bestimmung daher für die dort genannte Dauer gehemmt worden.

8 In Hinblick auf die Revision des Antragstellers schlussfolgerte der Verwaltungsgerichtshof daraus, dass ausgehend vom Beginn der Revisionsfrist am die sechswöchige Frist des § 26 Abs. 1 VwGG mit Ablauf des Mittwochs, , geendet habe. Unter Hinzurechnung der 40-tägigen Fristhemmung des § 2 Abs. 1 COVID-19-VwBG vom bis habe die Revisionsfrist mit Ablauf des geendet, weshalb sich die am zur Post gegebene Revision des Antragstellers als verspätet erwiesen habe.

9 Mit Schriftsatz vom stellte der Antragsteller den vorliegenden Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsfrist.

10 Darin hält er zunächst fest, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch ein Rechtsirrtum einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen könne, wenn die weiteren Voraussetzungen, insbesondere mangelndes oder leichtes Verschulden, vorlägen. Das sei insbesondere dann der Fall, wenn im Zeitpunkt der Einbringung einer Revision noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur auf Basis des Wortlauts der anzuwendenden Norm allein nicht klar zu lösenden Rechtsfrage (im vorliegenden Fall: ob die Revisionsfrist durch § 1 COVID-19-VwBG unterbrochen oder bloß nach § 2 Abs. 1 leg. cit. gehemmt sei) bestanden habe.

11 Ausgehend davon führt der Antragsteller im Wesentlichen aus, sein erfahrener Rechtsvertreter sei der Überzeugung gewesen, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof in den Anwendungsbereich des § 1 COVID-19-VwBG falle und daher die Revisionsfrist unterbrochen gewesen sei. Dies sei auch im Anwendungsbereich des 1. COVID-19-Justiz-Begleitgesetzes (1. COVID-19-JuBG) in Hinblick auf Revisionen gegen berufungsgerichtliche Entscheidungen in Zivilrechtssachen und/oder Nichtigkeitsbeschwerden gegen erstinstanzliche Entscheidung der Landesgerichte für Strafsachen an den Obersten Gerichtshof völlig eindeutig. Weshalb dies im Verhältnis zwischen Verwaltungsgericht und Verwaltungsgerichtshof anders sein sollte, sei dem Rechtsvertreter nicht nachvollziehbar, handle es sich doch bei der Revision an den Verwaltungsgerichtshof um ein dem Modell des § 502 ZPO folgendes Rechtsmittelsystem.

12 Der nunmehr im Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2020/11/0098, eingenommene Rechtsstandpunkt, dass die Revision vom Anwendungsbereich des § 2 COVID-19-VwBG erfasst und die Revisionsfrist daher nur gehemmt gewesen sei, sei in der (im Wiedereinsetzungsantrag näher dargestellten) Literatur zum COVID-19-VwBG bis zum heutigen Tag nicht vertreten worden. Schon der Blick auf diese Literatur zeige, dass der Rechtsstandpunkt des Rechtsvertreters jedenfalls vertretbar gewesen sei, weshalb kein die Wiedereinsetzung ausschließendes „erhebliches Verschulden“ vorliege.

13 Dieser Rechtsstandpunkt sei auch dadurch untermauert, dass das Verwaltungsgericht die Revision als fristgerecht eingebracht beurteilt habe, weil es diese nicht als verspätet zurückgewiesen und den Akt dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt habe. Dieser habe sodann das Vorverfahren eingeleitet und demnach die Revision als zur Behandlung geeignet beurteilt. Die mitbeteiligte Partei habe zudem in ihrer Revisionsbeantwortung an keiner Stelle die Auffassung vertreten, dass die Revision verspätet eingebracht worden sei.

14 Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

15 Nach der ständigen hg. Rechtsprechung kann - wie der Antragsteller zunächst zutreffend vorbringt - auch mangelnde Rechtskenntnis oder ein Rechtsirrtum ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis darstellen, welches eine Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen kann. Wird ein solcher Wiedereinsetzungsgrund geltend gemacht, ist im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob die Partei an der Unkenntnis der Rechtslage bzw. am Rechtsirrtum ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden trifft (vgl. , mwN).

16 Der Begriff des minderen Grads des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht in besonders nachlässiger Weise außer Acht gelassen haben. An berufliche rechtskundige Parteienvertreter ist dabei ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige Personen (vgl. , mwN).

17 Daher stellt nach der ständigen hg. Rechtsprechung etwa auch die Unkenntnis einer neuen Gesetzeslage durch einen beruflichen Parteienvertreter in der Regel keinen minderen Grad des Versehens (im Sinn des § 46 Abs. 1 VwGG) dar, weil vor allem eine rezente Änderung der Rechtslage besondere Aufmerksamkeit verdient (vgl. , 0003, mwN).

18 Dem Antragsteller ist zwar zuzugestehen, dass zum Zeitpunkt der Revisionserhebung noch keine hg. Rechtsprechung dazu vorlag, ob die Frist zur Einbringung einer Revision im Sinn des § 1 Abs. 1 COVID-19-VwBG „unterbrochen“ oder im Sinn des § 2 Abs. 1 leg. cit. „gehemmt“ ist, doch lässt dieser Umstand auf dem Boden der dargestellten Judikatur für sich noch nicht auf einen bloß minderen Grad des Versehens schließen. Vielmehr hätte der Parteienvertreter, der sich in der Revision zur Beurteilung deren Rechtzeitigkeit ohne nähere Begründung auf § 1 Abs. 1 COVID-19-VwBG gestützt hat, § 2 Abs. 1 leg. cit. nicht außer Acht lassen dürfen (siehe zu einem vergleichbaren Fall , 0150).

19 Dass - nach den Angaben des Antragstellers - der Oberste Gerichtshof im Anwendungsbereich des 1. COVID-19-JuBG, eines hier nicht zur Anwendung gelangenden Gesetzes, von einer Unterbrechung der ihn betreffenden Rechtsmittelfristen in Zivil- und Strafrechtssachen ausginge, änderte nichts an der Pflicht des Parteienvertreters, sich mit der neuen Gesetzeslage nach dem für Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof geltenden COVID-19-VwBG sorgfältig auseinanderzusetzen. Auch der Umstand, dass in der Literatur von einer Anwendbarkeit des § 1 COVID-19-VwBG auf Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof ausgegangen wird, lässt keine Rückschlüsse auf das allein maßgebliche Verschulden des im hier zu beurteilenden Verfahren tätigen Parteienvertreters zu.

20 Das gilt auch in Hinblick auf die ins Treffen geführten Verfahrensschritte des Verwaltungsgerichts bzw. des Verwaltungsgerichtshofes. Der Antragsteller übersieht zudem § 30a Abs. 1 und 7 VwGG, wonach bei einer außerordentlichen Revision eine zurückweisende Entscheidung durch das Verwaltungsgericht ausgeschlossen ist. In einem solchen Fall ordnet § 34 Abs. 1 VwGG an, dass Revisionen, die sich wegen Versäumung der Einbringungsfrist nicht zur Behandlung eignen, vom Verwaltungsgerichtshof ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen sind (vgl. dazu auch ).

21 Ebenso wenig vermag die Tatsache, dass der Verwaltungsgerichtshof das Vorverfahren eingeleitet hat, ein mangelndes Verschulden des Parteienvertreters an dem dargelegten Rechtsirrtum zu begründen, weil ein Beschluss nach § 34 Abs. 1 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen ist (vgl. § 34 Abs. 3 leg. cit.). Daher ist es auch unerheblich, ob die mitbeteiligte Partei von der fristgerechten Erhebung der Revision ausging, weil diese Beurteilung allein dem Verwaltungsgerichtshof zukommt.

22 Da das den Antragsteller zuzurechnende Verschulden seines Rechtsvertreters somit den minderen Grad des Versehens übersteigt, war der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Wien, am

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Normen
B-VG Art144 Abs1
COVID-19-VwBG 2020 §1
COVID-19-VwBG 2020 §2 Abs1 Z1
COVID-19-VwBG 2020 §6 Abs2
VwGG §26 Abs4
VwRallg
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020070062.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
YAAAF-45202