VwGH 26.04.2023, Ra 2020/06/0112
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
RS 1 | Gemäß § 9 Abs. 4 Stmk ROG 2010 hat die Bausperre die Wirkung, dass für raumbedeutsame Maßnahmen behördliche Bewilligungen, insbesondere nach dem Steiermärkischen Baugesetz, die dem Planungsvorhaben, zu deren Sicherung die Bausperre erlassen wurde, widersprechen, nicht erlassen werden dürfen. Gemäß § 3 der BausperreV Graz 2018 hat die Bausperre die Wirkung, dass für raumbedeutsame Maßnahmen unter anderem behördliche Bewilligungen, Genehmigungen gemäß § 33 sowie Festlegungen gemäß § 18 Stmk BauG 1995 nicht erlassen werden dürfen. Gemäß § 2 Abs. 1 Z 29 Stmk ROG 2010 sind "raumbedeutende Maßnahmen" Planungen und Projekte, für deren Verwirklichung Raum im größeren Umfang in Anspruch genommen wird bzw. die Struktur, Funktion oder die Entwicklungsmöglichkeiten des Raumes beeinflussen. Gemäß § 6 Abs. 2 letzter Satz Stmk ROG 2010 sind "raumbedeutsame Maßnahmen" solche, für deren Verwirklichung Boden in größerem Umfang benötigt oder durch die der Zustand des Raumes maßgeblich beeinflusst wird. Sowohl der Steiermärkische Raumordnungsgesetzgeber (in § 9 Abs. 4 Stmk ROG 2010) als auch der verordnungserlassende Gemeinderat (in § 3 der BausperreV Graz 2018) bedienen sich zur Frage der Wirkung der Bausperre des Begriffes "raumbedeutsame Maßnahmen". Indem der Gesetzgeber innerhalb desselben Gesetzes (nämlich des Stmk ROG 2010) zwar zwei einander ähnliche Rechtsbegriffe verwendet, diesen im genannten Gesetz aber jeweils eine eigene Definition zuordnet (nach welcher sie einen ähnlichen, aber nicht völlig identen Begriffsinhalt haben), ist davon auszugehen, dass es sich vorliegend nicht um ein legistisches Versehen handelt, sondern der Gesetzgeber sowohl den Ausdruck "raumbedeutende Maßnahme" als auch "raumbedeutsame Maßnahme" definieren wollte. |
Normen | |
RS 2 | Nur für raumbedeutsame Maßnahmen sollen sowohl nach dem klaren Gesetzeswortlaut des § 9 Abs. 4 Stmk ROG 2010 als auch nach dem Verordnungswortlaut des § 3 der BausperreV Graz 2018 die Wirkungen der BausperreV Graz 2018 gelten. |
Entscheidungstext
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
Ra 2020/06/0132 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer und die Hofrätinnen Mag.a Merl und Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision der G GmbH in G, vertreten durch die Eisenberger Rechtsanwälte GmbH in 8020 Graz, Schloßstraße 25, gegen das am mündlich verkündete und am schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark, LVwG 50.32-2074/2019-36, betreffend Untersagung eines angezeigten Bauvorhabens (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz; weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Landeshauptstadt Graz hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) die Beschwerde der revisionswerbenden Partei gegen den Bescheid des Stadtsenates der Stadt G. vom , mit welchem ein von der revisionswerbenden Partei mit Schreiben vom (Einlangen bei der belangten Behörde) angezeigtes Bauvorhaben, nämlich der Austausch eines mit Bescheid vom bewilligten Sonnenschutzelementes im ersten Obergeschoß eines Gebäudes auf einem näher genannten Grundstück in G., gemäß § 33 Abs. 4 Steiermärkisches Baugesetz (Stmk. BauG) untersagt worden war, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab (I.). Gleichzeitig sprach das LVwG aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (II.).
2 Begründend führte es dazu zusammengefasst aus, die Bauanzeige bezüglich eines Austausches des mit Bescheid vom bewilligten Sonnenschutzelementes im ersten Obergeschoß „mittels transparentem Sonnenschutzgewebe aus einem leichten, beständigen Gewebe aus hochreißfestem Polyesterfaden und Polymerbeschichtung“ sei am bei der belangten Behörde eingelangt. Nach Durchführung eines Verbesserungsverfahrens durch die belangte Behörde habe sich die Bauanzeige jedenfalls am als vollständig und mängelfrei erwiesen. Das gegenständliche mobile Sonnenschutzelement in der Größe von etwa 3,68 m x 2,49 m mit einer näher bezeichneten Werbeaufschrift in Blickrichtung der vorbeiführenden G.-Straße sei bereits konsenslos errichtet worden. Der verfahrensgegenständliche Bauplatz liege gemäß 4.0 Stadtentwicklungskonzept in den ausgewiesenen Bereichen „Wohngebiet mit geringer Dichte § 15“ und „Grüngürtel § 8“. Laut 4.0 Flächenwidmungsplan der Stadt G. sei die Liegenschaft als „Allgemeines Wohngebiet“ mit einem Bebauungsdichtewert von 0,3 bis 0,4 gewidmet. Mit Bescheid vom sei das Bauvorhaben durch die belangte Behörde aufgrund von Beeinträchtigungen des Straßen- Orts- und Landschaftsbildes gemäß § 33 Abs. 4 Stmk. BauG binnen der gesetzlichen Frist von acht Wochen untersagt worden.
3 Gemäß § 33 Abs. 8 Stmk. BauG habe die Beurteilung, ob Untersagungsgründe vorliegen, auf Grundlage der zum Zeitpunkt des Einlangens der Anzeige maßgeblichen Sach- und Rechtslage zu erfolgen; für die Frage des Vorliegens von Untersagungsgründen sei daher gegenständlich der maßgeblich. Gemäß § 33 Abs. 4 Z 1 lit. b leg. cit. habe die Behörde das angezeigte Vorhaben mit schriftlichem Bescheid innerhalb von acht Wochen zu untersagen, wenn sich aus den Unterlagen ergebe, dass ein Widerspruch zum Flächenwidmungsplan, zu einem Bebauungsplan oder festgelegten Bebauungsgrundlagen vorliege; zu dem mit Beschluss vom aufgelegten 2. Entwurf des 1.0 Räumlichen Leitbildes, welches Bestandteil des Städtischen Entwicklungskonzeptes sei, habe der Gemeinderat der Stadt G. eine Bausperre-Verordnung erlassen, welche am im Amtsblatt kundgemacht worden und am in Kraft getreten sei. Bei der gegenständlichen Werbeanlage handle es sich um eine „raumbedeutsame Maßnahme“ im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 29 Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 2010 (StROG), „da aus Sicht des Landesverwaltungsgerichtes grundsätzlich jede Werbeanlage zur Erzielung ihres Zweckes entsprechend in Erscheinung treten muss bzw. sollte und damit die Struktur des Raumes - je nach Bereichstyp - zwangsläufig beeinflusst wird“. Dementsprechend habe die Gestaltung von Werbeanlagen in Abhängigkeit vom Bereichstyp Eingang in den Entwurf 1.0 zum Räumlichen Leitbild der Stadt G. gefunden. Der hinzugezogene Amtssachverständige habe diese Rechtsansicht aus fachlicher Sicht insofern untermauert, als er plausibel dargelegt habe, dass die verfahrensgegenständliche Werbeanlage schon allein aufgrund ihrer Größe und Errichtungshöhe im ersten Obergeschoss „als raumbedeutsam im Sinne der Raumordnung“ zu werten sei. Die angezeigte Werbeanlage erweise sich als nicht genehmigungsfähig, da diese nicht unter den Begriff „Kleinstformat“ im Sinne des § 6a des (2.) Entwurfes zum 1.0 Räumlichen Leitbild der Stadt G. für den hier relevanten Bereichstyp „Baugebiete im Grüngürtel“ zu subsumieren sei (wird näher ausgeführt).
4 Aufgrund der zum Anzeigezeitpunkt geltenden Bausperre-Verordnung sei das angezeigte und in der Zwischenzeit bereits realisierte Bauvorhaben gemäß § 33 Abs. 4 Z 1 lit. b Stmk. BauG zu untersagen gewesen. Dass die belangte Behörde die Untersagung auf eine Beeinträchtigung des Straßen-, Orts- und Landschaftsbildes gemäß § 43 Abs. 4 Stmk. BauG gestützt habe, führe zu keiner Rechtsverletzung der revisionswerbenden Partei, da das Bauvorhaben aufgrund des vorliegenden Widerspruches zum Entwurf des 1.0 Räumlichen Leitbildes der Stadt G. jedenfalls zu untersagen gewesen wäre; auf die Ausführungen der belangten Behörde und der revisionswerbenden Partei hinsichtlich einer allfälligen Beeinträchtigung des Straßen-, Orts- und Landschaftsbildes sei daher nicht weiter einzugehen. Dem Vorbringen der revisionswerbenden Partei, wonach die Bausperre-Verordnung „vom “ nicht anzuwenden sei, da diese mit Erlassung der Bausperre-Verordnung 2018 außer Kraft getreten sei, werde nicht gefolgt, da die Beurteilung, ob Untersagungsgründe gemäß § 33 Abs. 4 Stmk. BauG vorlägen, auf Grundlage der zum Zeitpunkt des Einlangens der Anzeige maßgeblichen Sach- und Rechtslage zu erfolgen habe (Verweis auf § 33 Abs. 8 Stmk. BauG in der anzuwendenden Fassung). Zum Zeitpunkt des Einlangens der Anzeige am sei die Bausperre-Verordnung aus dem Jahr 2018 in Kraft und für die Beurteilung von Untersagungsgründen maßgeblich gewesen. Selbst wenn im Hinblick auf die Bestimmung des § 33 Abs. 6 Stmk. BauG auf den Zeitpunkt des Einlangens der vollständigen und mängelfreien Anzeige abgestellt werden müsste, wäre die Bausperre-Verordnung 2018 für den vorliegenden Fall maßgeblich.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, es wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
6 Die belangte Behörde erstattete im vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren keine Revisionsbeantwortung. Der Gemeinderat der Stadt G. legte über diesbezügliches Ersuchen des Verwaltungsgerichtshofes die Verordnungsakten betreffend das 1.0 Räumliche Leitbild der Stadt G., betreffend die Bausperre-Verordnung zum 2. Entwurf des 1.0 Räumlichen Leitbildes der Stadt G., Beschluss des Gemeinderates der Stadt G. vom , sowie betreffend die Bausperre-Verordnung zum Beschluss des 1.0 Räumlichen Leitbildes der Stadt G., Beschluss des Gemeinderates der Stadt G. vom , vor.
7 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
8 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird mit näherer Begründung unter anderem vorgebracht, das angefochtene Erkenntnis widerspreche der (näher genannten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Begründungspflicht verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen und basiere auf einer unvertretbaren Beweiswürdigung. Es werde überhaupt nicht auf die Frage eingegangen, ob das konkrete Sonnenschutzelement als „raumbedeutsame Maßnahme“ anzusehen sei. Pauschale Ausführungen im Hinblick auf alle Werbeanlagen stellten keine nachvollziehbare, taugliche Begründung dar; das LVwG habe sich mit dem konkreten Sonnenschutzelement nicht auseinandergesetzt und das angefochtene Erkenntnis enthalte auch weder Ausführungen zur Farbgebung, Eingliederung in die Architektur und Fassade und zur nicht permanenten Sichtbarkeit, noch Feststellungen zu dem früher bestehenden, konsentierten Sonnenschutzelement. Es liege ein grober Verfahrensmangel vor, weil sich das LVwG mit den beiden von der revisionswerbenden Partei vorgelegten Gutachten in keiner Weise auseinandergesetzt habe; bei Auseinandersetzung mit diesen näher bezeichneten Gutachten hätte sich ergeben, dass das verfahrensgegenständliche Sonnenschutzelement nicht als raumbedeutsame Maßnahme anzusehen sei, weshalb ein Widerspruch zur Bausperre-Verordnung nicht angenommen und das Vorhaben nicht untersagt worden wäre (wird näher ausgeführt).
9 Die Revision erweist sich im Hinblick auf dieses Vorbringen als zulässig und auch als begründet.
10 Nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses langte die verfahrenseinleitende Bauanzeige am bei der Baubehörde ein; nach Durchführung eines Verbesserungsverfahrens durch die belangte Behörde erwies sie sich mit als vollständig.
11 Gemäß § 119r Abs. 1 Stmk. BauG, LGBl. Nr. 59/1995 idF LGBl. Nr. 11/2020 sind die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle LGBl. Nr. 11/2020 (Anmerkung: am ) anhängigen Verfahren nach den bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle geltenden Bestimmungen zu Ende zu führen. Nach Abs. 2 der genannten Gesetzesbestimmung sind Rechtsmittelverfahren über Bescheide der Behörde erster Instanz, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle LGBl. Nr. 11/2020 erlassen worden und noch nicht rechtskräftig sind, nach den bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle geltenden Bestimmungen zu Ende zu führen.
12 Gemäß dem folglich im Revisionsfall anwendbaren § 33 Abs. 8 Stmk. BauG, LGBl. Nr. 59/1995 idF LGBl. Nr. 117/2016, hatte im Bauanzeigeverfahren die Beurteilung, ob Untersagungsgründe vorliegen, auf Grundlage der zum Zeitpunkt des Einlangens der Anzeige maßgeblichen Sach- und Rechtslage zu erfolgen.
13 Der Beurteilung des LVwG im angefochtenen Erkenntnis, dass die verfahrensgegenständliche Liegenschaft im 2. Entwurf des 1.0 Räumlichen Leitbildes der Stadt G., Beschluss des Gemeinderates vom , kundgemacht in der Zeit von bis , gemäß dessen § 6a in den Bereichstyp „Baugebiete im Grüngürtel“ fiel, tritt die revisionswerbende Partei nicht entgegen. Die genannte Bestimmung sah für Werbeanlagen im genannten Bereichstyp unter anderem eine maximale Oberkante von 2,50 m und eine Errichtung nur im „Kleinstformat“ (laut zugehörigem Erläuterungsbericht bis 0,5 m²) vor.
14 Gemäß § 9 Abs. 2 Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 2010 (StROG) in der hier anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 49/2010 erließ der Gemeinderat der Stadt G. mit Beschluss vom eine Bausperre-Verordnung zum 2. Entwurf des 1.0 Räumlichen Leitbildes der Stadt G. Diese Verordnung trat am in Kraft und am (mit Inkrafttreten der Bausperre-Verordnung des Gemeinderates der Stadt G. vom zum Beschluss des 1.0 Räumlichen Leitbildes der Stadt G.) außer Kraft. Für das gegenständliche Verfahren ist daher gemäß § 33 Abs. 8 Stmk. BauG in der anzuwendenden Fassung (siehe oben Rn 12) die „Bausperre-Verordnung 2018“ (Beschluss des Gemeinderates vom ) maßgeblich.
15 Gemäß § 9 Abs. 4 StROG hat die Bausperre die Wirkung, dass für raumbedeutsame Maßnahmen behördliche Bewilligungen, insbesondere nach dem Steiermärkischen Baugesetz, die dem Planungsvorhaben, zu deren Sicherung die Bausperre erlassen wurde, widersprechen, nicht erlassen werden dürfen.
16 Gemäß § 3 der Bausperre-Verordnung 2018 hat die Bausperre die Wirkung, dass für raumbedeutsame Maßnahmen unter anderem behördliche Bewilligungen, Genehmigungen gemäß § 33 sowie Festlegungen gemäß § 18 Stmk. BauG nicht erlassen werden dürfen.
17 Gemäß § 2 Abs. 1 Z 29 StROG sind „raumbedeutende Maßnahmen“ Planungen und Projekte, für deren Verwirklichung Raum im größeren Umfang in Anspruch genommen wird bzw. die Struktur, Funktion oder die Entwicklungsmöglichkeiten des Raumes beeinflussen.
18 Gemäß § 6 Abs. 2 letzter Satz StROG sind „raumbedeutsame Maßnahmen“ solche, für deren Verwirklichung Boden in größerem Umfang benötigt oder durch die der Zustand des Raumes maßgeblich beeinflusst wird.
19 Sowohl der Steiermärkische Raumordnungsgesetzgeber (in § 9 Abs. 4 StROG) als auch der verordnungserlassende Gemeinderat (in § 3 der maßgeblichen Bausperre-Verordnung 2018) bedienen sich zur Frage der Wirkung der Bausperre des Begriffes „raumbedeutsame Maßnahmen“. Indem der Gesetzgeber innerhalb desselben Gesetzes (nämlich des StROG) zwar zwei einander ähnliche Rechtsbegriffe verwendet, diesen im genannten Gesetz aber jeweils eine eigene Definition zuordnet (nach welcher sie einen ähnlichen, aber nicht völlig identen Begriffsinhalt haben), ist davon auszugehen, dass es sich vorliegend nicht um ein legistisches Versehen handelt, sondern der Gesetzgeber sowohl den Ausdruck „raumbedeutende Maßnahme“ als auch „raumbedeutsame Maßnahme“ definieren wollte.
20 Fallbezogen (nämlich im Hinblick auf den klaren Wortlaut sowohl des § 9 Abs. 4 StROG als auch des § 3 der Bausperre-Verordnung 2018) ist demnach die Begriffsdefinition des § 6 Abs. 2 letzter Satz StROG („raumbedeutsame Maßnahmen“, also solche, „für deren Verwirklichung Boden in größerem Umfang benötigt oder durch die der Zustand des Raumes maßgeblich beeinflusst wird“) entscheidungsrelevant. Nur für raumbedeutsame Maßnahmen sollen sowohl nach dem klaren Gesetzeswortlaut als auch nach dem Verordnungswortlaut die Wirkungen der Bausperre-Verordnung gelten. Dies macht für das verfahrensgegenständliche Vorhaben eine Auseinandersetzung mit der Frage dessen Raumbedeutsamkeit erforderlich.
21 Das LVwG ist im angefochtenen Erkenntnis zwar zu der rechtlichen Beurteilung gelangt, dass es sich bei dem in Rede stehenden Sonnenschutzelement um eine raumbedeutsame Maßnahme handle. Begründend führt es für diese Rechtsansicht allerdings nur aus, dass grundsätzlich jede Werbeanlage zur Erzielung ihres Zweckes entsprechend in Erscheinung treten müsse und damit die Struktur des Raumes „zwangsläufig beeinflusst“ werde. Der hinzugezogene Amtssachverständige habe diese Rechtsansicht aus fachlicher Sicht insofern untermauert, als er plausibel dargelegt habe, dass die Werbeanlage allein aufgrund ihrer Größe und Errichtungshöhe im ersten Obergeschoss als „raumbedeutsam im Sinne der Raumordnung“ zu werten sei.
22 Eine Auseinandersetzung mit dem konkreten Vorhaben am Maßstab der gesetzlichen Definition für „raumbedeutsame Maßnahmen“ fehlt im angefochtenen Erkenntnis, wie die revisionswerbende Partei zutreffend aufzeigt, aber völlig. Das LVwG hätte nachvollziehbare Feststellungen zu treffen und eine ausreichende Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung zu der Frage anzustellen gehabt, ob, und wenn ja, aus welchen Gründen, es sich bei der verfahrensgegenständlichen Maßnahme um eine solche handelt, für deren Verwirklichung Boden in größerem Umfang benötigt oder durch die der Zustand des Raumes im Sinne des Gesetzes maßgeblich beeinflusst wird. Der bloße Verweis auf die Planungsziele des 1.0 Räumlichen Leitbildes der Stadt G. (Größe des Sonnenschutzelementes und Errichtung im ersten Obergeschoß) ist, abgesehen davon, dass ein Amtssachverständiger zur Beantwortung von Rechtsfragen wie der vorliegenden nicht zuständig ist, nicht ausreichend, da wie dargestellt nach dem Willen des Gesetzgebers (ebenso wie nach der Bausperre-Verordnung selbst) nur raumbedeutsame Maßnahmen von der Bausperre betroffen sein sollen.
23 Nach der ständigen hg. Rechtsprechung hat das Verwaltungsgericht im Hinblick auf die Grundsätze der Amtswegigkeit und der Erforschung der materiellen Wahrheit alle notwendigen Beweise aufzunehmen und darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. für viele etwa , mwN).
24 Nach der auch nach der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 aufrecht erhaltenen hg. Rechtsprechung führt ein Begründungsmangel zur Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und in weiterer Folge zur Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof, wenn er entweder die Parteien des Verwaltungsverfahrens und des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens an der Verfolgung ihrer Rechte oder den Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung der angefochtenen Entscheidung auf deren inhaltliche Rechtmäßigkeit hindert. Wird das Verwaltungsgericht den sich aus § 29 Abs. 1 VwGVG ergebenden Anforderungen an die Begründung von Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte nicht gerecht, so liegt ein Begründungsmangel vor, welcher einen revisiblen Verfahrensmangel darstellt (vgl. etwa , mwN).
25 Fallbezogen zeigt die Revision einen relevanten Verfahrensfehler im Zusammenhang mit der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses auf, da an keiner Stelle des Erkenntnisses ausreichend offengelegt wird, aus welchen Gründen das konkrete Vorhaben als raumbedeutsame Maßnahme nach dem StROG zu beurteilen sei. Nur allgemeine Ausführungen zu Werbeanlagen und der Verweis auf ein Amtssachverständigengutachten, das, ohne auf die Kriterien des StROG einzugehen, pauschal als „plausibel“ beurteilt wird, vermögen die nötige fallbezogene Auseinandersetzung mit der geplanten Maßnahme und dem dazu erstatteten Vorbringen der revisionswerbenden Partei nicht zu ersetzen.
26 Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das LVwG bei Vermeidung dieses Verfahrensfehlers zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
27 Die Kostentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
Schlagworte | Planung Widmung BauRallg3 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RA2020060112.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
SAAAF-45188