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VwGH 17.02.2021, Ra 2020/05/0197

VwGH 17.02.2021, Ra 2020/05/0197

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
BauO OÖ 1994 §49 Abs6
BauRallg
ROG OÖ 1994 §30 Abs5
ROG OÖ 1994 §40 Abs5
RS 1
Voraussetzung eines baupolizeilichen Auftrages gemäß § 49 Abs. 6 OÖ BauO 1994 ist, dass eine bauliche Anlage vorliegt. Für eine solche gilt nach § 40 Abs. 5 OÖ ROG 1994 auch die Bestimmung des § 30 Abs. 5 erster Satz OÖ ROG 1994.
Normen
BauRallg
BauTG OÖ 2013 §2 Z5
RS 2
In § 2 Z 5 OÖ BauTG 2013 ist ein Bauwerk definiert als eine Anlage, die mit dem Boden in Verbindung steht und zu deren fachgerechter Herstellung bautechnische Kenntnisse erforderlich sind. Hinsichtlich des Erfordernisses bautechnischer Kenntnisse kommt es darauf an, ob die Errichtung der Anlage objektiv das Vorliegen eines wesentlichen Maßes bautechnischer Kenntnisse beziehungsweise fachtechnischer Kenntnisse zu ihrer werkgerechten Herstellung verlangt (vgl. etwa , mwN). Auf ein gewisses handwerkliches Geschick, das letztlich jeder Bastler oder Gartenbesitzer braucht, kommt es aber nicht an (vgl. ).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bayjones und den Hofrat Dr. Moritz sowie die Hofrätin Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wölfl, über die Revision der M K in S, vertreten durch Dr. Bruno Binder, Dr. Josef Broinger und Mag. Markus Miedl LL.M., Rechtsanwälte in 4020 Linz, Khevenhüllerstraße 12, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom , LVwG-152633/10/VG, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Gemeinde S; weitere Partei: Oberösterreichische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Gemeinde S hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde S. vom wurde der Revisionswerberin gemäß § 49 Abs. 1 Oö Bauordnung 1994 (im Folgenden: BO), § 9 Abs. 2 und 3 Oö Bautechnikgesetz 1994 und § 22 Abs. 1 Oö Raumordnungsgesetz 1994 (im Folgenden: ROG) der Auftrag erteilt, die auf näher bezeichnetem Grundstück befindliche Hühnerhütte samt Hühnern bis zu einem näher genannten Zeitpunkt und unter näher genannten Auflagen zu entfernen.

2 Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde der Revisionswerberin wurde mit Beschwerdevorentscheidung des Bürgermeisters der Gemeinde S. vom insoweit Folge gegeben, als der Spruch des angefochtenen Bescheides dahingehend abgeändert wurde, dass der Revisionswerberin aufgetragen wurde, innerhalb einer Frist von vier Wochen nach Rechtskraft dieses Bescheides gemäß § 49 Abs. 1 BO in Verbindung mit § 30 Abs. 5 erster Satz ROG die auf näher genanntem Grundstück konsenslos errichtete Hühnerhütte (Holzbauweise, ungefähres Ausmaß 2 x 1 m) unter näher genannten Auflagen zu beseitigen [Spruchpunkt 1)]; ferner wurde gemäß § 30 Abs. 5 erster Satz und § 40 Abs. 8 ROG die im Ausmaß von etwa zehn Hühnern begonnene Hühnerhaltung untersagt [Spruchpunkt 2)].

3 Nach Einbringung eines Vorlageantrages durch die Revisionswerberin legte diese im verwaltungsgerichtlichen Verfahren das Privatsachverständigengutachten des KommR Ing. P., Bau- und Holzbaumeister, allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger, vom vor. Dieses lautet nach Beschreibung des Objektes auszugsweise:

„Festzustellen ist, dass eine derartige Hütte ohne jegliche fachtechnische Kenntnisse errichtet werden kann. Eine derartige Hütte ist mit einer Hundehütte oder Ähnlichem vergleichbar, für die ebenfalls keinerlei fachtechnischen Kenntnisse für die Errichtung erforderlich sind. Mit etwas handwerklichem Geschick und normalem technischen Verständnis ist es jedem Menschen möglich, eine derartige Hütte ohne entsprechende Ausbildung und Kenntnisse über das Gewerbe herzustellen.

Einzig der Umstand, dass von einer derartigen Hütte durch entsprechend starke Windeinwirkung eine Gefahr ausgehen könnte, um eventuell einen Schaden anzurichten, ist zu beachten.“

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) wurde der Beschwerde der Revisionswerberin auf Grund ihres Vorlageantrages teilweise Folge gegeben und der Spruch neu gefasst, wonach der Revisionswerberin gemäß § 49 Abs. 6 BO in Verbindung mit § 30 Abs. 5 erster Satz ROG aufgetragen wurde, die auf näher bezeichnetem Grundstück errichtete Hühnerhütte in Holzbauweise mit einer Länge von etwa 190 cm, einer Breite von etwa 130 cm und einer Höhe von etwa 210 cm zur Gänze zu beseitigen; im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.). Eine Revision wurde für unzulässig erklärt (Spruchpunkt II.).

5 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, die Revisionswerberin sei Alleineigentümerin der gegenständlichen Liegenschaft. Auf dieser sei im Jahr 2017 eine Hütte in Holzbauweise mit einer Länge von etwa 190 cm, einer Breite von etwa 130 cm und einer Höhe von etwa 210 cm errichtet worden. Die Hütte diene der Haltung von Hühnern (derzeit acht Stück). Die Hütte könne aufgrund ihrer Bauweise von Personen nicht betreten werden. Die Hühner würden durch eine Rampe und eine offene Luke in die Hütte gelangen. Die Revisionswerberin betreibe keine Land- oder Forstwirtschaft, sondern sei im Verkauf tätig. Für das Grundstück gelte derzeit, so wie bereits zum Zeitpunkt der Errichtung der Hütte, die Flächenwidmung Grünland.

6 Der gegenständliche baupolizeiliche Auftrag setze voraus, dass überhaupt eine bauliche Anlage vorliege. Die Hütte zur Haltung von Hühnern bedürfe nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes schon nach der allgemeinen Lebenserfahrung zu ihrer fachgerechten, ordnungsgemäßen Herstellung eines solchen wesentlichen Maßes an bautechnischen Kenntnissen, damit ein Ab- oder Einstürzen des Daches sowie eine sturm- und kippsichere Verankerung gewährleistet seien, da nur so das öffentliche Interesse an der Vermeidung von Verletzungen oder Gefahren für Personen und Tiere berücksichtigt werde. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Frage, ob für die Errichtung der Hütte fachtechnische Kenntnisse erforderlich seien, anhand eines Sachverständigengutachtens zu beantworten wäre, führte dies im hier zu beurteilenden Einzelfall zu keinem anderen Ergebnis, zumal gerade aus dem von der Revisionswerberin vorgelegten Sachverständigengutachten hervorgehe, dass von einer derartigen Hütte durch entsprechend starke Windeinwirkung eine Gefahr ausgehen könne. Die Frage, ob eine bauliche Anlage vorliege oder nicht, stelle jedenfalls eine Rechtsfrage dar. Der Umstand, dass die gegenständliche Hütte oder ähnliche Hütten (als Bausatz) in einem Baumarkt gekauft und ohne besondere Fachkenntnisse aufgestellt werden könnten, vermöge an dem Umstand nichts zu ändern, dass in einem derartigen Fall die erforderlichen bautechnischen Kenntnisse nicht primär am Ort der Aufstellung, sondern zum Teil bereits anlässlich der serienmäßigen Herstellung eingebracht würden.

7 Entgegen den Ausführungen der Revisionswerberin handle es sich somit bei der gegenständlichen Hühnerhütte zweifellos um eine bauliche Anlage. Konkret handle es sich dabei um ein Bauwerk im Sinne des § 2 Z 5 Oö Bautechnikgesetz 2013 (im Folgenden: BauTG), weil diese bauliche Anlage mit dem Boden in Verbindung stehe und zu ihrer fachgerechten Herstellung bautechnische Kenntnisse erforderlich seien.

8 Der Revisionswerberin sei aber darin zuzustimmen, dass das gegenständliche Bauwerk bewilligungs- und anzeigefrei sei. Dies deshalb, weil es sich dabei - mangels Betretbarkeit durch Personen - um kein bewilligungspflichtiges Gebäude im Sinne des § 24 Abs. 1 Z 1 BO in Verbindung mit § 2 Z 12 BauTG handle. Auch könne nach der allgemeinen Lebenserfahrung ausgeschlossen werden, dass die gegenständliche Hühnerhütte auf Grund ihrer Verwendung, Größe, Lage, Art oder Umgebung geeignet sei, eine erhebliche Gefahr oder eine wesentliche Belästigung für Menschen herbeizuführen oder das Orts- und Landschaftsbild zu stören, weshalb im hier zu beurteilenden Einzelfall auch eine Bewilligungspflicht für sonstige Bauwerke nach § 24 Abs. 1 Z 2 BO ausscheide. Weiters sei für eine durch Personen nicht betretbare Hühnerhütte in § 24 und § 25 BO kein Tatbestand normiert (siehe § 26 BO). Das Verwaltungsgericht verkenne auch nicht, dass die Revisionswerberin eine Bauanzeige eingebracht habe. Dies führe hier aber schon deshalb zu keinem anderen Ergebnis, weil die Einbringung einer Bauanzeige jedenfalls nicht bewirke, dass ein anzeigefreies Bauvorhaben zu einem anzeigepflichtigen Bauvorhaben werde.

9 Mit der vorgebrachten Bewilligungs- und Anzeigefreiheit sei jedoch für die Revisionswerberin nichts gewonnen, weil auch bewilligungs- und anzeigefreie bauliche Anlagen den raumordnungsrechtlichen Bestimmungen entsprechen müssten (Hinweis auf § 49 Abs. 6 BO). Gemäß § 30 Abs. 5 erster Satz ROG dürften im Grünland nur Bauwerke und Anlagen errichtet werden, die nötig seien, um dieses bestimmungsgemäß zu nutzen (Abs. 2 bis 4 leg. cit.). Unter der bestimmungsgemäßen Nutzung im Sinne des § 30 Abs. 5 erster Satz ROG komme im vorliegenden Fall nur eine Nutzung für die Land- beziehungsweise Forstwirtschaft in Frage, weil das Grundstück nicht gesondert im Sinne des § 30 Abs. 2 bis 4 ROG gewidmet sei. Die Revisionswerberin betreibe keine Land- oder Forstwirtschaft, weshalb es hier schon an der Grundvoraussetzung für allenfalls zulässige Baulichkeiten im Grünland fehle. Daran ändere im Übrigen auch die aktenkundige befristete Verpachtung des Grundstückes an einen Nachbarn, der eine Landwirtschaft führe, nichts, weil in diesem Fall die auf dem Grundstück der Revisionswerberin erfolgte Hühnerhaltung für die Landwirtschaft des benachbarten Landwirtes notwendig sein müsste, was aber nicht einmal von der Revisionswerberin behauptet werde. Vielmehr solle die Hühnerhaltung nach den eigenen Angaben der Revisionswerberin gerade ihrem Eigenbedarf dienen. Die gegenständliche Hütte widerspreche daher der Flächenwidmung Grünland.

10 Nach dem Gesagten sei der Beseitigungsauftrag im Ergebnis nicht auf § 49 Abs. 1 BO, sondern auf § 49 Abs. 6 BO zu stützen, weil § 49 Abs. 6 BO auf bewilligungs- und anzeigefreie bauliche Anlagen anzuwenden sei. Anders als bei der Hühnerhaltung im Freien auf Grundstücken mit der Flächenwidmung Bauland-Wohngebiet bestehe aber keine bau- oder raumordnungsrechtliche Bestimmung, nach der eine Hühnerhaltung im Freien auf Grundstücken mit der Flächenwidmung Grünland zu untersagen wäre. Der zweite Spruchpunkt der Beschwerdevorentscheidung werde daher nicht aufrechterhalten, weil dieser im Ergebnis eine Untersagung der Hühnerhaltung im Freien bedeuten würde. Der Bürgermeister der Gemeinde S. habe im Rahmen der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt, dass sich seine Zuständigkeit als Baubehörde im gegenständlichen Fall auf die Hühnerhütte beschränke.

11 Eine Vorschreibung von Auflagen sei nicht erforderlich. Es ergebe sich bereits aus dem klar formulierten Spruch dieser Entscheidung, dass die Hühnerhütte zur Gänze zu beseitigen sei. Die Erfüllungsfrist werde neu festgelegt um klarzustellen, dass diese erst mit Zustellung dieser Entscheidung an die Revisionswerberin zu laufen beginne.

12 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision mit dem Antrag, es kostenpflichtig aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

13 Die Revision erweist sich in Anbetracht der Frage des Vorliegens eines Begründungsmangels als zulässig.

14 In der Revision wird im Wesentlichen vorgebracht, bei der Hühnerhütte handle es sich nicht um ein „Bauwerk“ im Sinne des § 30 Abs. 1 ROG. Sie sei baurechtlich weder bewilligungs- noch anzeigepflichtig. Es gehe daher vorerst nicht um eine agrartechnische Frage, sondern um die Rechtsfrage, ob die Hühnerhütte überhaupt unter das Zersiedelungsverbot des § 30 Abs. 1 ROG falle. Der Verwaltungsgerichtshof habe ausgesprochen, dass das Halten von Hühnern mit der Widmung Wohngebiet (§ 22 Abs. 1 ROG) unvereinbar und unzulässig sei. Das Grundstück der Revisionswerberin sei nicht als Wohngebiet, sondern als Grünland gewidmet. Es sei gerade typisch und selbstverständlich, dass der Eigentümer sein Grünland verwende, um darauf Lebensmittel für sich und seine Familie zu gewinnen.

15 Die Raumordnung in Oberösterreich wolle, dass Menschen in den Wohngebieten siedelten; das Grünland solle vor einer Zersiedelung geschützt werden. § 30 Abs. 5 ROG sehe daher für das Grünland ein allgemeines Siedlungsverbot vor. „Bauwerke und Anlagen“ dürften im Grünland nicht errichtet werden, es sei denn, sie seien für das Führen landwirtschaftlicher Betriebe mit Gewinnabsicht notwendig. Alle Einrichtungen im Grünland, die keine Bauwerke oder Anlagen im Sinne des § 30 Abs. 5 ROG seien, seien uneingeschränkt im Grünland zulässig. Nicht jede ländliche Tätigkeit im technischen Sinne unterliege im Grünland der raumordnungsrechtlichen Beschränkung.

16 „Bauwerke und Anlagen“ seien mit dem Boden verbunden und könnten nur mit technischen Kenntnissen fachgerecht hergestellt werden. Für die „Bauwerke“ definiere das § 2 Z 5 BauTG ausdrücklich. Also etwa eine Hundehütte, ein Bienenstock, ein Spielhäuschen oder eben eine Hühnerhütte bedürften für die fachgerechte Herstellung keiner technischen Kenntnisse und dürften im Grünland errichtet werden, auch wenn sie keinem landwirtschaftlichen Betrieb dienten. Die gegenständliche Hühnerhütte bedürfe zur Herstellung keiner fachtechnischen Kenntnisse. Auch wenn die Hütte tatsächlich von einem technisch versierten Fachmann errichtet worden sei, komme es für die rechtliche Beurteilung nur darauf an, ob bautechnische Kenntnisse für eine einwandfreie Errichtung notwendig seien.

17 Zum Beweis dafür, dass die Hühnerhütte kein Bauwerk und keine Anlage im Sinn des § 30 Abs. 5 ROG sei, habe die Revisionswerberin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren das Gutachten des allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für Bautischlerarbeiten, Zimmererarbeiten und Holzbau KommR Ing. P. vom sowie zwei Ausdrucke aus dem Internet, welche zeigen würden, dass Hühnerställe zum Selbstbauen bezogen werden könnten, vorgelegt. Weiters habe die Revisionswerberin auf eine (näher bezeichnete) Internetadresse und Literatur verwiesen, welche Anleitungen und Anregungen zum Selbstbauen von Hühnerställen gäben. Mit all diesen Beweismitteln habe sich das Verwaltungsgericht nicht in der gesetzlich gebotenen Weise auseinandergesetzt. Hätte es dies getan, wäre es zum Ergebnis gekommen, dass die Hühnerhütte nicht beseitigt werden müsste. Insbesondere das Sachverständigengutachten komme zum klaren Ergebnis, dass „eine derartige Hütte ohne jegliche fachtechnische Kenntnisse errichtet werde kann...Mit etwas handwerklichem Geschick und normalem technischen Verständnis ist es jedem Menschen möglich, eine derartige Hütte ohne entsprechende Ausbildung und Kenntnisse über das Gewerbe herzustellen.“ Das Verwaltungsgericht wäre im Sinne des § 46 AVG verpflichtet gewesen, das Privatgutachten in das verwaltungsgerichtliche Verfahren einzubeziehen und es als gleichwertig mit allen anderen Beweismitteln einer Beweiswürdigung zu unterziehen.

18 § 2 Oö. Bauordnung 1994, LGBl. Nr. 66, in der Fassung LGBl. Nr. 34/2013, lautet auszugsweise:

§ 2

Begriffsbestimmungen

(1) Im Sinn dieses Landesgesetzes bedeutet:

Bebautes Grundstück oder bebauter Grundstücksteil: Grundstücke oder Grundstücksteile, auf denen sich nach diesem Landesgesetz bewilligungspflichtige oder nach § 25 Abs. 1 Z 1 oder 2 anzeigepflichtige bauliche Anlagen befinden.

(2) Im übrigen gelten die Begriffsbestimmungen des Oö. Bautechnikgesetzes 2013.

19 § 25a Oö. Bauordnung 1994, LGBl. Nr. 66, in der Fassung LGBl. Nr. 34/2013, lautet auszugsweise:

§ 25a

Anzeigeverfahren

...

(5) Im Übrigen gilt für anzeigepflichtige Bauvorhaben Folgendes:

1. für Bauvorhaben gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 und 2 gelten alle Vorschriften über vergleichbare bewilligungspflichtige Bauvorhaben sinngemäß, ausgenommen die §§ 32 bis 35,

2. für alle anderen Bauvorhaben nach § 25 Abs. 1 gelten die Vorschriften der §§ 36, 38, 39, 41 und 45 bis 49 sinngemäß, für Bauvorhaben nach § 25 Abs. 1 Z 3 lit. b zusätzlich § 40;

...“

20 § 49 Oö. Bauordnung 1994, LGBl. Nr. 66, in der Fassung LGBl. Nr. 70/1998, lautet auszugsweise:

§ 49

Bewilligungslose bauliche Anlagen

...

(6) Stellt die Baubehörde fest, daß eine baubehördlich nicht bewilligungspflichtige bauliche Anlage nicht entsprechend den für sie geltenden bau- oder raumordnungsrechtlichen Bestimmungen, insbesondere jenen des Flächenwidmungsplans oder Bebauungsplans, ausgeführt wird oder bereits ausgeführt wurde, hat sie dem Eigentümer mit Bescheid die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes innerhalb einer angemessen festzusetzenden Frist aufzutragen. § 48 Abs. 7 gilt sinngemäß.“

21 § 30 Oö. ROG, LGBl. Nr. 114/1993, in der Fassung LGBl. Nr. 69/2015, lautet auszugsweise:

§ 30

Grünland

(1) Alle nicht als Bauland oder Verkehrsflächen gewidmeten Flächen sind als Grünland zu widmen.

(2) Als Flächen des Grünlandes, die nicht für die Land- und Forstwirtschaft bestimmt sind und nicht zum Ödland gehören, sind im Flächenwidmungsplan je nach Erfordernis insbesondere gesondert auszuweisen:

...

(5) Im Grünland dürfen nur Bauwerke und Anlagen errichtet werden, die nötig sind, um dieses bestimmungsgemäß zu nutzen (Abs. 2 bis 4). ...

...“

22 § 40 Oö. ROG, LGBl. Nr. 114/1993, in der Fassung LGBl. Nr. 69/2015, lautet auszugsweise:

§ 40

Schlußbestimmungen

...

(5) Soweit in diesem Landesgesetz, insbesondere in den §§ 21 bis 24 und 30, von der Errichtung von Bauwerken und Anlagen die Rede ist, ist darunter die Ausführung aller baulichen Anlagen, unabhängig von einer Bewilligungs- oder Anzeigepflicht nach der Oö. Bauordnung 1994, zu verstehen.

...“

23 § 2 Oö. BauTG 2013, LGBl. Nr. 35/2013, in der Fassung LGBl. Nr. 35/2013, lautet auszugsweise:

§ 2

Begriffsbestimmungen

Im Sinn dieses Landesgesetzes bedeutet:

...

5. Bauwerk: eine Anlage, die mit dem Boden in Verbindung steht und zu deren fachgerechter Herstellung bautechnische Kenntnisse erforderlich sind;

...“

24 Den unbestrittenen Feststellungen des Verwaltungsgerichtes zufolge wurde die gegenständliche Hühnerhütte im Grünland in Holzbauweise (etwa 1,9 m x 1,3 m x 2,1 m) errichtet, dient der Haltung von Hühnern und kann nicht von Personen betreten werden. Weiters ist unstrittig, dass die Revisionswerberin keine Land- oder Forstwirtschaft betreibt. Ebenso steht außer Frage, dass die Hühnerhütte mit dem Boden in kraftschlüssiger Verbindung steht. Strittig ist hingegen, ob die Hühnerhütte im Hinblick auf die Notwendigkeit bautechnischer Kenntnisse eine bauliche Anlage darstellt.

25 Voraussetzung eines baupolizeilichen Auftrages gemäß § 49 Abs. 6 BO ist, dass eine bauliche Anlage vorliegt. Für eine solche gilt nach § 40 Abs. 5 ROG auch die vom Verwaltungsgericht herangezogene Bestimmung des § 30 Abs. 5 erster Satz ROG.

26 In § 2 Z 5 BauTG ist ein Bauwerk definiert als eine Anlage, die mit dem Boden in Verbindung steht und zu deren fachgerechter Herstellung bautechnische Kenntnisse erforderlich sind. Hinsichtlich des Erfordernisses bautechnischer Kenntnisse kommt es darauf an, ob die Errichtung der Anlage objektiv das Vorliegen eines wesentlichen Maßes bautechnischer Kenntnisse beziehungsweise fachtechnischer Kenntnisse zu ihrer werkgerechten Herstellung verlangt (vgl. etwa , mwN). Auf ein gewisses handwerkliches Geschick, das letztlich jeder Bastler oder Gartenbesitzer braucht, kommt es aber nicht an (vgl. ).

27 Das Verwaltungsgericht hat bei seiner rechtlichen Beurteilung, ob eine bauliche Anlage vorliegt, welche die Erlassung eines Auftrages gemäß § 49 Abs. 6 BO in Verbindung mit § 30 Abs. 5 erster Satz ROG rechtfertigt, die Erforderlichkeit eines wesentlichen Maßes bautechnischer Kenntnisse zur fachgerechten, ordnungsgemäßen Herstellung der Hühnerhütte als gegeben angesehen, um ein Ab- oder Einstürzen des Daches zu verhindern beziehungsweise eine sturm- und kippsichere Verankerung zu gewährleisten und dadurch Verletzungen oder Gefahren für Personen und Tiere zu vermeiden. Gestützt hat es sich dabei auf die allgemeine Lebenserfahrung.

28 Dabei bezog das Verwaltungsgericht das Privatsachverständigengutachten vom zwar teilweise - nämlich in Bezug auf das Vorliegen einer von der Hühnerhütte potentiell ausgehenden Gefahr bei entsprechend starker Windeinwirkung - in seine Begründung mit ein. Begründet hat es die Erforderlichkeit eines wesentlichen Maßes bautechnischer Kenntnisse zur Herstellung der Hühnerhütte im Ergebnis letztlich jedoch erschöpfend mit der allgemeinen Lebenserfahrung und ohne hinreichende Einbeziehung des diesbezüglichen Parteienvorbringens (vgl. etwa , mwN). Dass es für die Herstellung einer sturm- und kippsicheren Verankerung (sowie der Vermeidung eines Ab- oder Einstürzen des Daches) der Hühnerhütte fachtechnischer Kenntnisse bedarf, lässt sich aus dem vorgelegten Privatsachverständigengutachten aber nicht ableiten.

29 Angemerkt sei, dass das Privatsachverständigengutachten explizit von „herstellen“ spricht. Die vom Verwaltungsgericht angenommene Notwendigkeit fachtechnischer Kenntnisse bereits bei serienmäßiger Herstellung derartiger Hütten im Sinne der hg. Rechtsprechung (vgl. hierfür etwa , mwN) kann daher für sich allein keine ausreichende Begründung darstellen.

30 Eine für die Beurteilung des Vorliegens einer baulichen Anlage unter dem Gesichtspunkt des Erfordernisses bautechnischer Kenntnisse ausreichende Auseinandersetzung mit dem Privatsachverständigengutachten fehlt somit in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Verwaltungsgericht bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können.

31 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

32 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am

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Normen
BauO OÖ 1994 §49 Abs6
BauRallg
BauTG OÖ 2013 §2 Z5
ROG OÖ 1994 §30 Abs5
ROG OÖ 1994 §40 Abs5
Schlagworte
Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2 Bewilligungspflicht Bauwerk BauRallg4 Planung Widmung BauRallg3
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020050197.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
QAAAF-45180