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VwGH 23.01.2023, Ra 2020/04/0075

VwGH 23.01.2023, Ra 2020/04/0075

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
GewO 1994 §39 Abs2
GewO 1994 §39 Abs3
GewO 1994 §39 Abs4
GewO 1994 §41 Abs5
RS 1
Mit dem Einlangen der Anzeige des Fortbetriebes tritt der Insolvenzverwalter gemäß § 41 Abs. 5 erster Satz GewO 1994 ex lege in die Funktion des (gewerberechtlichen) Geschäftsführers ein, soweit nicht die Ausnahme des zweiten Satzes dieser Bestimmung gegeben ist. Damit übernimmt der Insolvenzverwalter ex lege die Funktion des Geschäftsführers; eine Bestellung nach § 39 GewO 1994 samt Anzeige nach Abs. 4 dieser Bestimmung ist nicht erforderlich. Davon ausgehend ist auch die Bestellungsvoraussetzung des § 39 Abs. 2 GewO 1994, wonach der Geschäftsführer in der Lage sein muss, sich im Betrieb entsprechend zu betätigen, nicht Voraussetzung eines Eintrittes des Insolvenzverwalters in die Funktion als Geschäftsführer nach § 41 Abs. 5 GewO 1994. Auch liegt ein Fall des § 39 Abs. 3 GewO 1994, in dem ein Geschäftsführer zu bestellen ist, der sich im Betrieb entsprechend betätigt, nicht vor (vgl. , mwN).
Normen
GewO 1994 §28
GewO 1994 §370 Abs1
GewO 1994 §39
GewO 1994 §41
GewO 1994 §41 Abs4
GewRNov 2002
RS 2
Nach der Rechtslage vor der Novelle BGBl. I Nr. 111/2002 kam das Fortbetriebsrecht dem Masseverwalter für Rechnung der Konkursmasse zu. Die Ausübung dieses Rechtes durch den Masseverwalter erforderte es jedoch, dass dieser die gewerberechtlich vorgeschriebenen persönlichen Voraussetzungen für die Ausübung des betreffenden Gewerbes entweder selbst (gegebenenfalls im Wege der Nachsicht) erfüllte, oder einen gewerberechtlichen Geschäftsführer bestellte, wobei für den Fall, dass ein vorgeschriebener Befähigungsnachweis vom fortbetriebsberechtigten Masseverwalter nicht erbracht werden konnte, die Bestellung eines Geschäftsführers nachgesehen werden konnte. Erbrachte daher der Masseverwalter den für die Ausübung des Gewerbes vorgeschriebenen Befähigungsnachweis nicht, wurde eine Nachsicht im Sinne des § 28 GewO 1994 nicht erteilt und auch die Bestellung eines Geschäftsführers im Sinne des § 41 Abs. 4 GewO 1994 nicht nachgesehen, durfte das Fortbetriebsrecht erst ausgeübt werden, wenn ein Geschäftsführer (§ 39) bestellt und der Behörde angezeigt wurde. Solange in einem solchen Fall ein Geschäftsführer (§ 39) nicht bestellt und der Behörde nicht angezeigt wurde, waren die gesetzlichen Voraussetzungen für den Fortbetrieb nicht gegeben (vgl. ). Dementsprechend unterlag der Masseverwalter nach der Rechtslage vor der Novelle BGBl. I Nr. 111/2002 nicht der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit nach § 370 Abs. 1 GewO 1994.
Normen
GewO 1994 §39
GewO 1994 §41 Abs4
GewO 1994 §41 Abs5
GewO 1994 §9 Abs1
GewRNov 2002
IO §83 Abs1
RS 3
Seit dem Inkrafttreten der Novelle BGBl. I Nr. 111/2002 tritt der Insolvenzverwalter ex lege mit dem Einlangen der Anzeige des Fortbetriebs in die Funktion des gewerberechtlichen Geschäftsführers ein, sofern mit der Ausübung des Gewerbes ohne Geschäftsführer keine Gefahren für das Leben oder die Gesundheit verbunden sind. Damit wird dem Erfordernis des § 9 Abs. 1 GewO 1994 entsprochen, wonach eine juristische Person, wie etwa die Insolvenzmasse, dessen Organ bzw. gesetzlicher Vertreter der Insolvenzverwalter im aufrechten Insolvenzverfahren im Umfang seiner Befugnisse nach § 83 Abs. 1 IO ist (vgl. , mwN; ; , 6 Ob 25/01x, jeweils mwN), einen gewerberechtlichen Geschäftsführer nach § 39 GewO 1994 haben muss. Das Fortbetriebsrecht der Insolvenzmasse kann insofern sofort nach Anzeige ausgeübt werden. Die Ausübung des Fortbetriebsrechts der Insolvenzmasse bedarf im Fall des § 41 Abs. 5 erster Satz GewO 1994 (im Gegensatz zu § 41 Abs. 4 GewO 1994 betreffend die Ausübung des Fortbetriebsrechts einer natürlichen Person, die das Vorliegen der für die Ausübung des betreffenden Gewerbes vorgeschriebenen persönlichen Voraussetzungen nicht nachweist oder der die etwa erforderliche Nachsicht nach § 26 GewO 1994 nicht erteilt wurde) weder einer Bestellung eines gewerberechtlichen Geschäftsführers nach § 39 GewO 1994 noch einer Nachsicht der Behörde von der Erbringung des für die Ausübung des betreffenden Gewerbes allenfalls vorgeschriebenen Befähigungsnachweises.
Normen
GewO 1994 §370 Abs1
GewO 1994 §39
GewO 1994 §39 Abs1
GewO 1994 §39 Abs4
GewO 1994 §41 Abs5
VwRallg
RS 4
Nach dem Wortlaut des § 370 Abs. 1 GewO 1994 setzt die Übertragung der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung voraus, dass "die Bestellung eines Geschäftsführers angezeigt" wird. Dies bezieht sich auf den vom Gewerbeinhaber gemäß § 39 Abs. 1 GewO 1994 bestellten gewerberechtlichen Geschäftsführer, dessen Bestellung der Gewerbeinhaber gemäß § 39 Abs. 4 GewO 1994 der Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen hat. Wenngleich der Insolvenzverwalter nicht gemäß § 39 GewO 1994 (vom Gewerbeinhaber) zum gewerberechtlichen Geschäftsführer bestellt wird, so tritt er doch gemäß § 41 Abs. 5 erster Satz GewO 1994 mit dem Einlangen der Anzeige des Fortbetriebes in die Funktion des gewerberechtlichen Geschäftsführers ein. Im Kern der Wirkungen der Geschäftsführerbestellung steht die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit gegenüber der Behörde für die Einhaltung gewerblicher Vorschriften gemäß § 370 Abs. 1 GewO 1994. Wesentliche Rechtsfolge der Bestellung einer Person zum gewerberechtlichen Geschäftsführer ist die Übertragung der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit gemäß § 370 Abs. 1 GewO 1994. Weder dem Wortlaut der §§ 41 Abs. 5 und 370 Abs. 1 GewO 1994 noch den bezughabenden Gesetzesmaterialien ist zu entnehmen (vgl. zur Auslegung nach den im ABGB für den Bereich der Privatrechtsordnung normierten grundlegenden Regeln des Rechtsverhältnisses auch im öffentlichen Recht , Rn. 11, mwN), dass der Gesetzgeber mit dem Eintritt des Insolvenzverwalters in die Funktion des gewerberechtlichen Geschäftsführers nicht auch die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung gemäß § 370 Abs. 1 GewO 1994 auf den Insolvenzverwalter übertragen wollte. Demnach trifft den Insolvenzverwalter mit dessen Eintritt in die Funktion des gewerberechtlichen Geschäftsführers gemäß § 41 Abs. 5 erster Satz GewO 1994 die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften nach § 370 Abs. 1 GewO 1994.
Normen
GewO 1994 §370 Abs1
GewO 1994 §39
GewO 1994 §39 Abs2
GewO 1994 §39 Abs3
GewO 1994 §41 Abs5
IO §80 Abs1
VwRallg
RS 5
Den Insolvenzverwalter trifft mit dessen Eintritt in die Funktion des gewerberechtlichen Geschäftsführers gemäß § 41 Abs. 5 erster Satz GewO 1994 die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften nach § 370 Abs. 1 GewO 1994. Dem steht nicht entgegen, dass im Gegensatz zur Bestellung des gewerberechtlichen Geschäftsführers nach § 39 GewO 1994 die Bestellungsvoraussetzung des § 39 Abs. 2 GewO 1994, wonach der Geschäftsführer in der Lage sein muss, sich im Betrieb entsprechend zu betätigen, nicht Voraussetzung für den ex lege Eintritt des Insolvenzverwalters in die Funktion des Geschäftsführers nach § 41 Abs. 5 erster Satz GewO 1994 ist, ein Fall des § 39 Abs. 3 GewO 1994, in dem ein Geschäftsführer zu bestellen ist, der sich im Betrieb entsprechend betätigt, nicht vorliegt (vgl. ), das Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen beim automatischen Eintritt in die Geschäftsführerfunktion gemäß § 41 Abs. 5 GewO 1994 von der Behörde nicht zu prüfen ist (vgl. RV 1117 BlgNR 21. GP 79), der ex lege Eintritt des Insolvenzverwalters in die Funktion des Geschäftsführers - im Gegensatz zu § 39 Abs. 2 zweiter Satz GewO 1994 - auch nicht der nachweislichen Zustimmung seiner Bestellung bedarf und die Möglichkeit des Bestellten, die Übernahme der Tätigkeit als Insolvenzverwalter abzulehnen (§ 80 Abs. 1 IO), nicht dem Zustimmungserfordernis nach § 39 Abs. 2 zweiter Satz GewO 1994 entspricht.
Normen
GewO 1994 §370 Abs1
GewO 1994 §41 Abs5
IO §83 Abs1
VStG §9 Abs1
RS 6
Gegen die Übertragung der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung auf den Insolvenzverwalter gemäß § 370 Abs. 1 iVm § 41 Abs. 5 erster Satz GewO 1994 bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken, zumal den Insolvenzverwalter ohne die Anwendbarkeit der Spezialnorm des § 370 Abs. 1 GewO 1994 als im Rahmen des § 83 Abs. 1 IO zur Vertretung der Insolvenzmasse nach außen Berufenen jedenfalls die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung nach § 9 Abs. 1 VStG treffen würde.
Normen
GewO 1994 §370 Abs1
GewO 1994 §39 Abs1
GewO 1994 §41 Abs1 Z4
GewO 1994 §41 Abs5
GewRNov 2002
RS 7
Gemäß der Rechtslage nach Inkrafttreten der Novelle BGBl. I Nr. 111/2002 ist die Möglichkeit des Insolvenzverwalters nicht ausgeschlossen, nach Anzeige des Fortbetriebes und ex lege Eintritt in die Funktion des gewerberechtlichen Geschäftsführers als zur Vertretung der gemäß § 41 Abs. 1 Z 4 GewO 1994 fortbetriebsberechtigten Insolvenzmasse nach außen berufenes Organ an seiner Stelle eine andere Person gemäß § 39 Abs. 1 GewO 1994 zum gewerberechtlichen Geschäftsführer zu bestellen und dadurch die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften auf diese Person zu übertragen.
Normen
GewO 1994 §370 Abs1
VStG §9
VStG §9 Abs1
VStG §9 Abs2
RS 8
Die Bestimmung des § 9 VStG gilt nach ständiger Rechtsprechung nur subsidiär, das heißt sie hat nur dann zur Anwendung zu kommen, wenn in den im Einzelfall anzuwendenden besonderen Verwaltungsvorschriften nicht eine selbstständige Regelung der Verantwortlichkeit nach außen getroffen ist. Um einen solchen Fall handelt es sich bei § 370 Abs. 1 GewO 1994, der eine von § 9 Abs. 1 VStG abweichende verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit anordnet. So ist in Hinblick auf die Spezialnorm des § 370 Abs. 1 GewO 1994 nur dann, wenn zur Tatzeit für eine juristische Person oder Personengemeinschaft ein Geschäftsführer nach den Bestimmungen der GewO 1994 nicht bestellt war, das zur Vertretung nach außen berufene Organ der juristischen Person oder der Personengemeinschaft nach § 9 Abs. 1 VStG für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich (vgl. zu alldem , Rn. 8, mwN) und nach § 9 Abs. 2 VStG berechtigt, unter anderem eine andere Person für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens zu verantwortlichen Beauftragten zu bestellen (vgl. , mwN).
Normen
GewO 1994 §370 Abs1
GewO 1994 §41 Abs5
IO §83 Abs1
VStG §9
VStG §9 Abs1
VStG §9 Abs2
RS 9
Soweit den Insolvenzverwalter mit dessen Eintritt in die Funktion des gewerberechtlichen Geschäftsführers gemäß § 41 Abs. 5 erster Satz GewO 1994 die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften nach § 370 Abs. 1 GewO 1994 trifft, ist der Insolvenzverwalter wegen der subsidiären Anwendbarkeit des § 9 VStG weder als zur Vertretung der Insolvenzmasse im Rahmen des § 83 Abs. 1 IO nach außen berufenes Organ nach § 9 Abs. 1 VStG für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich, noch nach § 9 Abs. 2 VStG berechtigt, einen verantwortlichen Beauftragten zu bestellen.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger, Hofrat Dr. Mayr, Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier über die Revision der Mag. P D in W, vertreten durch Proksch & Partner Rechtsanwälte OG in 1030 Wien, Am Heumarkt 9/1/11, gegen das am  mündlich verkündete und am schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien, VGW-021/054/1026/2017-13, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1994 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Nach den (unstrittigen) Feststellungen des Verwaltungsgerichts Wien (Verwaltungsgericht) wurde mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom über das Vermögen des R H, der seit am näher genannten Standort in Wien als Gewerbeinhaber das Gastgewerbe in der Betriebsart eines Gasthauses ausgeübt hat, das Insolvenzverfahren eröffnet und die Revisionswerberin zur Insolvenzverwalterin bestellt. Das Gastgewerbe in der Betriebsart eines Gasthauses wurde von der Insolvenzmasse fortgeführt. Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom wurde das Insolvenzverfahren nach Annahme eines Sanierungsplanes rechtskräftig aufgehoben.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichts wurde der Revisionswerberin in der Sache vorgeworfen, sie habe „als gewerberechtliche Geschäftsführerin der Fortbetriebsberechtigten Insolvenzmasse“ nach R H in näher genannter Betriebsanlage (Gastgewerbe in der Betriebsart eines Gasthauses) am bei einer Überprüfung durch die Magistratsabteilung 36-A bei Betrieb der Betriebsanlage näher dargelegte Auflagenpunkte des rechtskräftigen Bescheides vom nicht eingehalten, und zwar 1. Auflagenpunkt 3, indem kein aktueller Befund über die elektrische Anlage habe vorgelegt werden können, weil nur ein Überprüfungsbefund vom vorgelegt worden sei, und somit die zweijährige Überprüfungsfrist nicht eingehalten worden sei; 2. Auflagenpunkt 5, indem kein Befund über die Niederdruckgasanlage habe vorgelegt werden können; 3. Auflagenpunkt 16 durch die mangelnde Bereithaltung eines tragbaren Feuerlöschers in der Küche; 4. Auflagenpunkt 24 durch die mangelnde Vorlage eines Nachweises über die jährliche Überprüfung des Fanges, der als Küchenabluftleitung verwendet werde.

Dadurch habe die Revisionswerberin § 367 Z 25 GewO 1994 iVm den Auflagenpunkten 3, 5, 16 und 24 des zitierten Bescheides verletzt, weshalb über sie jeweils eine Geldstrafe in der Höhe von € 80,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von jeweils 4 Stunden) verhängt und sie zum Ersatz der Verfahrenskosten verpflichtet wurde.

Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

3 Begründend führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, die Revisionswerberin habe die Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Auflagen zur Tatzeit und damit die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes der ihr zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen nicht bestritten.

Die Revisionswerberin habe als Insolvenzverwalterin und ex-lege-Geschäftsführerin für die fortbetriebsberechtigte Insolvenzmasse zwar dem Gewerbeinhaber R H die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften aufgetragen, diese an ihn delegiert und bei ihm nachgefragt, ob rechtskräftige Bescheide vorlägen. Über einen regelmäßigen telefonischen bzw. persönlichen Kontakt in der Kanzlei der Revisionswerberin hinaus habe diese jedoch keine zusätzlichen Maßnahmen getroffen, die geeignet gewesen wären, die Einhaltung der von ihr gegenüber dem Gewerbeinhaber aufgetragenen Anordnungen zu gewährleisten. Dem Vorbringen der Revisionswerberin sei die Errichtung eines effizienten Kontrollsystems zur Einhaltung der verletzten Bescheidauflagen nicht zu entnehmen gewesen. Dass sich die Revisionswerberin mangels Auskunft von R H auf das Nichtvorliegen von einzuhaltenden Bescheiden bzw. Auflagen verlassen habe, genüge nicht den Anforderungen an ein Kontrollsystem. Die Revisionswerberin habe somit kein die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften gewährleistendes Kontrollsystem eingerichtet und keine angemessene Kontrolle durchgeführt. Bloßes Anweisen, Ersuchen oder Delegieren sei nicht ausreichend.

Dem Vorbringen der Revisionswerberin über die Übertragung der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung gemäß § 9 Abs. 2 VStG mit Schreiben vom auf R H sei entgegenzuhalten, dass für den Bereich des Gewerberechts nach dem klaren Wortlaut des § 9 Abs. 1 VStG, der die Subsidiarität dieser Bestimmung gegenüber allfälligen entsprechenden Regelungen in den besonderen Verwaltungsgesetzen normiere, § 9 Abs. 2 VStG nicht anwendbar sei.

4 Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung derselben mit Beschluss vom , E 3212/2019-6, ablehnte und sie über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom , E 3212/2019-8, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

5 In der Folge erhob die Revisionswerberin die vorliegende außerordentliche Revision. Die belangte Behörde beantragte in der - im vom Verwaltungsgerichtshof eingeleiteten Vorverfahren eingebrachten - Revisionsbeantwortung die Zurück- allenfalls Abweisung der Revision gegen Aufwandersatz.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Zulässigkeit

6 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, es fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der vorliegend wesentlichen Rechtsfrage, „ob eine Insolvenzverwalterin (des Vermögens einer natürlichen Person, die Inhaberin eines Gewerbebetriebes ist), die als solche gemäß § 41 Abs. 5 1. Satz GewO ex lege in die Funktion des (gewerberechtlichen) Geschäftsführers eintritt, wirksam einen verantwortlichen Beauftragten iSd § 9 Abs 2 VStG bestellen kann oder ob dem allenfalls § 370 Abs. 1 GewO entgegensteht“.

Die Revision erweist sich zu dieser Rechtsfrage, deren Beantwortung über den vorliegenden Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zukommt, als zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

Rechtslage

7 Die maßgeblichen Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), BGBl. Nr. 194, und zwar § 9 Abs. 1 idF BGBl. I Nr. 161/2006, § 39 Abs. 1, 2 sowie 3 bis 5, idF BGBl. I Nr. 85/2012, § 41 Abs. 1 Z 4 und Abs. 5 sowie § 44 jeweils idF BGBl. I Nr. 58/2010 und § 370 Abs. 1 idF BGBl. I Nr. 42/2008, lauten auszugsweise:

§ 9. (1) Juristische Personen und eingetragene Personengesellschaften (offene Gesellschaften und Kommanditgesellschaften) können Gewerbe ausüben, müssen jedoch einen Geschäftsführer (§ 39) bestellt haben.

...

a) Gewerberechtlicher Geschäftsführer

§ 39. (1) Der Gewerbeinhaber kann für die Ausübung seines Gewerbes einen Geschäftsführer bestellen, der dem Gewerbeinhaber gegenüber für die fachlich einwandfreie Ausübung des Gewerbes und der Behörde (§ 333) gegenüber für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften verantwortlich ist. Der Gewerbeinhaber hat einen Geschäftsführer zu bestellen, wenn er den Befähigungsnachweis nicht erbringen kann oder wenn er keinen Wohnsitz im Inland hat. Für Gewerbeinhaber, die keinen Wohnsitz im Inland haben, entfällt die Verpflichtung, einen Geschäftsführer zu bestellen, wenn ...

(2) Der Geschäftsführer muss den für die Ausübung des Gewerbes vorgeschriebenen persönlichen Voraussetzungen entsprechen und in der Lage sein, sich im Betrieb entsprechend zu betätigen, insbesondere dem Abs. 1 entsprechende, selbstverantwortliche Anordnungsbefugnis besitzen. Er muß der Erteilung der Anordnungsbefugnis und seiner Bestellung nachweislich zugestimmt haben. Handelt es sich um ein Gewerbe, für das die Erbringung eines Befähigungsnachweises vorgeschrieben ist, so muß der gemäß § 9 Abs. 1 zu bestellende Geschäftsführer einer juristischen Person außerdem

1. dem zur gesetzlichen Vertretung berufenen Organ der juristischen Person angehören oder

2. ein mindestens zur Hälfte der wöchentlichen Normalarbeitszeit im Betrieb beschäftigter, nach den Bestimmungen des Sozialversicherungsrechtes voll versicherungspflichtiger Arbeitnehmer sein.

...

(3) In den Fällen, in denen ein Geschäftsführer zu bestellen ist, muß der Gewerbeinhaber sich eines Geschäftsführers bedienen, der sich im Betrieb entsprechend betätigt.

(4) Der Gewerbeinhaber hat die Bestellung und das Ausscheiden des Geschäftsführers der Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen (§ 345 Abs. 1). ...

(5) Der Gewerbeinhaber ist von seiner Verantwortung für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften im Rahmen des § 370 nur befreit, wenn er die Bestellung eines dem Abs. 2 entsprechenden Geschäftsführers gemäß Abs. 4 angezeigt hat.

...

b)Fortbetriebsrechte

§ 41. (1) Das Recht, einen Gewerbebetrieb auf Grund der Gewerbeberechtigung einer anderen Person fortzuführen (Fortbetriebsrecht), steht zu:

1. der Verlassenschaft nach dem Gewerbeinhaber;

...

4. der Insolvenzmasse;

...

(4) Wenn das Fortbetriebsrecht einer natürlichen Person zusteht, die das Vorliegen der für die Ausübung des betreffenden Gewerbes vorgeschriebenen persönlichen Voraussetzungen nicht nachweist oder der die etwa erforderliche Nachsicht (§ 26) nicht erteilt wurde, ist von dem oder den Fortbetriebsberechtigten, falls sie nicht eigenberechtigt sind, von ihrem gesetzlichen Vertreter, ohne unnötigen Aufschub ein Geschäftsführer (§ 39) zu bestellen. Können der oder die Fortbetriebsberechtigten den für die Ausübung des betreffenden Gewerbes allenfalls vorgeschriebenen Befähigungsnachweis nicht erbringen, so kann die Behörde (§ 346 Abs. 1) auf deren Antrag die Bestellung eines Geschäftsführers nachsehen, wenn mit der Ausübung des Gewerbes ohne Geschäftsführer keine Gefahren für das Leben oder die Gesundheit von Menschen verbunden sind.

(5) Steht das Fortbetriebsrecht der Verlassenschaft oder der Insolvenzmasse zu, tritt der Vertreter der Verlassenschaft oder der Insolvenzverwalter mit dem Einlangen der Anzeige des Fortbetriebes in die Funktion des Geschäftsführers ein. Er gilt nicht als Geschäftsführer, wenn mit der Ausübung des Gewerbes ohne Geschäftsführer Gefahren für das Leben oder die Gesundheit von Menschen verbunden sind. In diesem Fall hat der Fortbetriebsberechtigte einen Geschäftsführer zu bestellen.

...

§ 44. Das Fortbetriebsrecht der Insolvenzmasse entsteht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gewerbeinhabers. Der Insolvenzverwalter hat jedoch den Fortbetrieb ohne unnötigen Aufschub der Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen (§ 345 Abs. 1). Er kann auch nach Maßgabe des § 43 Abs. 3 auf das Fortbetriebsrecht verzichten. Das Fortbetriebsrecht der Insolvenzmasse endet mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens.

...

§ 370. (1) Wurde die Bestellung eines Geschäftsführers angezeigt oder genehmigt, so sind Geld- oder Verfallsstrafen gegen den Geschäftsführer zu verhängen.“

§ 9 Abs. 1 und 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52 idF BGBl. I Nr. 3/2008, lautet:

Besondere Fälle der Verantwortlichkeit

§ 9. (1) Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften ist, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

(2) Die zur Vertretung nach außen Berufenen sind berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.“

Fortbetriebsrecht der Insolvenzmasse und ex-lege Eintritt des Insolvenzverwalters gemäß § 41 Abs. 5 erster Satz GewO 1994

8 Fortbetriebsberechtigte nach § 41 Abs. 1 Z 4 GewO 1994 und damit Gewerbetreibende nach § 38 Abs. 5 GewO 1994 ist nach der seit Inkrafttreten der Novelle BGBl. I Nr. 111/2002 () geltenden Rechtslage die Insolvenzmasse. Das Fortbetriebsrecht der Insolvenzmasse entsteht gemäß § 44 erster Satz GewO 1994 mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gewerbeinhabers. Der Insolvenzverwalter hat jedoch den Fortbetrieb ohne unnötigen Aufschub der Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen (§ 345 Abs. 1 GewO 1994). Mit dem Einlangen der Anzeige des Fortbetriebes tritt der Insolvenzverwalter gemäß § 41 Abs. 5 erster Satz GewO 1994 ex lege in die Funktion des (gewerberechtlichen) Geschäftsführers ein, soweit nicht die Ausnahme des zweiten Satzes dieser Bestimmung gegeben ist. Damit übernimmt der Insolvenzverwalter ex lege die Funktion des Geschäftsführers; eine Bestellung nach § 39 GewO 1994 samt Anzeige nach Abs. 4 dieser Bestimmung ist nicht erforderlich. Davon ausgehend ist auch die Bestellungsvoraussetzung des § 39 Abs. 2 GewO 1994, wonach der Geschäftsführer in der Lage sein muss, sich im Betrieb entsprechend zu betätigen, nicht Voraussetzung eines Eintrittes des Insolvenzverwalters in die Funktion als Geschäftsführer nach § 41 Abs. 5 GewO 1994. Auch liegt ein Fall des § 39 Abs. 3 GewO 1994, in dem ein Geschäftsführer zu bestellen ist, der sich im Betrieb entsprechend betätigt, nicht vor (vgl. , mwN).

9 Nach der Rechtslage vor der Novelle BGBl. I Nr. 111/2002 kam das Fortbetriebsrecht dem Masseverwalter für Rechnung der Konkursmasse zu. Die Ausübung dieses Rechtes durch den Masseverwalter erforderte es jedoch, dass dieser die gewerberechtlich vorgeschriebenen persönlichen Voraussetzungen für die Ausübung des betreffenden Gewerbes entweder selbst (gegebenenfalls im Wege der Nachsicht) erfüllte, oder einen gewerberechtlichen Geschäftsführer bestellte, wobei für den Fall, dass ein vorgeschriebener Befähigungsnachweis vom fortbetriebsberechtigten Masseverwalter nicht erbracht werden konnte, die Bestellung eines Geschäftsführers nachgesehen werden konnte. Erbrachte daher der Masseverwalter den für die Ausübung des Gewerbes vorgeschriebenen Befähigungsnachweis nicht, wurde eine Nachsicht im Sinne des § 28 GewO 1994 nicht erteilt und auch die Bestellung eines Geschäftsführers im Sinne des § 41 Abs. 4 GewO 1994 nicht nachgesehen, durfte das Fortbetriebsrecht erst ausgeübt werden, wenn ein Geschäftsführer (§ 39) bestellt und der Behörde angezeigt wurde. Solange in einem solchen Fall ein Geschäftsführer (§ 39) nicht bestellt und der Behörde nicht angezeigt wurde, waren die gesetzlichen Voraussetzungen für den Fortbetrieb nicht gegeben (vgl. ).

10 Dementsprechend unterlag der Masseverwalter nach der Rechtslage vor der Novelle BGBl. I Nr. 111/2002 nicht der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit nach § 370 Abs. 1 GewO 1994.

11 Seit dem Inkrafttreten der Novelle BGBl. I Nr. 111/2002 tritt der Insolvenzverwalter ex lege mit dem Einlangen der Anzeige des Fortbetriebs in die Funktion des gewerberechtlichen Geschäftsführers ein, sofern mit der Ausübung des Gewerbes ohne Geschäftsführer keine Gefahren für das Leben oder die Gesundheit verbunden sind. Damit wird dem Erfordernis des § 9 Abs. 1 GewO 1994 entsprochen, wonach eine juristische Person, wie etwa die Insolvenzmasse, dessen Organ bzw. gesetzlicher Vertreter der Insolvenzverwalter im aufrechten Insolvenzverfahren im Umfang seiner Befugnisse nach § 83 Abs. 1 IO ist (vgl. , mwN; ; , 6 Ob 25/01x, jeweils mwN), einen gewerberechtlichen Geschäftsführer nach § 39 GewO 1994 haben muss. Das Fortbetriebsrecht der Insolvenzmasse kann insofern sofort nach Anzeige ausgeübt werden. Die Ausübung des Fortbetriebsrechts der Insolvenzmasse bedarf im Fall des § 41 Abs. 5 erster Satz GewO 1994 (im Gegensatz zu § 41 Abs. 4 GewO 1994 betreffend die Ausübung des Fortbetriebsrechts einer natürlichen Person, die das Vorliegen der für die Ausübung des betreffenden Gewerbes vorgeschriebenen persönlichen Voraussetzungen nicht nachweist oder der die etwa erforderliche Nachsicht nach § 26 GewO 1994 nicht erteilt wurde) weder einer Bestellung eines gewerberechtlichen Geschäftsführers nach § 39 GewO 1994 noch einer Nachsicht der Behörde von der Erbringung des für die Ausübung des betreffenden Gewerbes allenfalls vorgeschriebenen Befähigungsnachweises.

Anwendbarkeit des § 370 Abs. 1 GewO 1994 auf den gemäß § 41 Abs. 5 erster Satz GewO 1994 ex lege in die Funktion des (gewerberechtlichen) Geschäftsführers eingetretenen Insolvenzverwalter

12 Mit der Novelle BGBl. I Nr. 111/2002 wurde zwar auch § 370 GewO 1994 - aus Gründen der leichteren Lesbarkeit (vgl. RV 1117 BlgNR 21. GP 95) - neugefasst. Die vorliegend wesentliche Bestimmung des § 370 Abs. 1 GewO 1994 blieb jedoch trotz des mit dieser Novelle in § 41 Abs. 5 GewO 1994 normierten ex lege Eintritts des Vertreters der Verlassenschaft oder des Insolvenzverwalters in die Funktion des Geschäftsführers unverändert. Die Änderung des Abs. 2 zu Abs. 1 erfolgte wegen des Entfalls des bisherigen Abs. 1, der durch die Abschaffung des Rechtsinstitutes des gewerblichen Pächters bedingt war (vgl. RV 1117 BlgNR 21. GP 94).

13 Nach dem Wortlaut des § 370 Abs. 1 GewO 1994 setzt die Übertragung der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung voraus, dass „die Bestellung eines Geschäftsführers angezeigt“ wird. Dies bezieht sich auf den vom Gewerbeinhaber gemäß § 39 Abs. 1 GewO 1994 bestellten gewerberechtlichen Geschäftsführer, dessen Bestellung der Gewerbeinhaber gemäß § 39 Abs. 4 GewO 1994 der Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen hat. Wenngleich der Insolvenzverwalter nicht gemäß § 39 GewO 1994 (vom Gewerbeinhaber) zum gewerberechtlichen Geschäftsführer bestellt wird, so tritt er doch gemäß § 41 Abs. 5 erster Satz GewO 1994 mit dem Einlangen der Anzeige des Fortbetriebes in die Funktion des gewerberechtlichen Geschäftsführers ein.

14 Im Kern der Wirkungen der Geschäftsführerbestellung steht die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit gegenüber der Behörde für die Einhaltung gewerblicher Vorschriften gemäß § 370 Abs. 1 GewO 1994 (vgl. Matthias Köhler in Ennöckl/Raschauer/Wessely [Hrsg.], GewO [2015] § 39, Rz 4). Wesentliche Rechtsfolge der Bestellung einer Person zum gewerberechtlichen Geschäftsführer ist die Übertragung der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit gemäß § 370 Abs. 1 GewO 1994 (vgl. Stolzlechner/Müller/Seider/Vogelsang/Höllbacher, GewO4 [2020] § 39 Rz 23). Weder dem Wortlaut der §§ 41 Abs. 5 und 370 Abs. 1 GewO 1994 noch den bezughabenden Gesetzesmaterialien ist zu entnehmen (vgl. zur Auslegung nach den im ABGB für den Bereich der Privatrechtsordnung normierten grundlegenden Regeln des Rechtsverhältnisses auch im öffentlichen Recht , Rn. 11, mwN), dass der Gesetzgeber mit dem Eintritt des Insolvenzverwalters in die Funktion des gewerberechtlichen Geschäftsführers nicht auch die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung gemäß § 370 Abs. 1 GewO 1994 auf den Insolvenzverwalter übertragen wollte.

15 Demnach trifft den Insolvenzverwalter mit dessen Eintritt in die Funktion des gewerberechtlichen Geschäftsführers gemäß § 41 Abs. 5 erster Satz GewO 1994 die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften nach § 370 Abs. 1 GewO 1994.

16 Dem steht auch nicht entgegen, dass im Gegensatz zur Bestellung des gewerberechtlichen Geschäftsführers nach § 39 GewO 1994 die Bestellungsvoraussetzung des § 39 Abs. 2 GewO 1994, wonach der Geschäftsführer in der Lage sein muss, sich im Betrieb entsprechend zu betätigen, nicht Voraussetzung für den ex lege Eintritt des Insolvenzverwalters in die Funktion des Geschäftsführers nach § 41 Abs. 5 erster Satz GewO 1994 ist, ein Fall des § 39 Abs. 3 GewO 1994, in dem ein Geschäftsführer zu bestellen ist, der sich im Betrieb entsprechend betätigt, nicht vorliegt (vgl. ), das Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen beim automatischen Eintritt in die Geschäftsführerfunktion gemäß § 41 Abs. 5 GewO 1994 von der Behörde nicht zu prüfen ist (vgl. RV 1117 BlgNR 21. GP 79), der ex lege Eintritt des Insolvenzverwalters in die Funktion des Geschäftsführers - im Gegensatz zu § 39 Abs. 2 zweiter Satz GewO 1994 - auch nicht der nachweislichen Zustimmung seiner Bestellung bedarf und die Möglichkeit des Bestellten, die Übernahme der Tätigkeit als Insolvenzverwalter abzulehnen (§ 80 Abs. 1 IO), nicht dem Zustimmungserfordernis nach § 39 Abs. 2 zweiter Satz GewO 1994 entspricht.

17 Im Gegensatz zum Vorbringen in der Revision bestehen gegen die Übertragung der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung auf den Insolvenzverwalter gemäß § 370 Abs. 1 iVm § 41 Abs. 5 erster Satz GewO 1994 keine verfassungsrechtlichen Bedenken, zumal dem Insolvenzverwalter ohne die Anwendbarkeit der Spezialnorm des § 370 Abs. 1 GewO 1994 als im Rahmen des § 83 Abs. 1 IO zur Vertretung der Insolvenzmasse nach außen Berufenen jedenfalls die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung nach § 9 Abs. 1 VStG treffen würde. Im Übrigen ist die Revision auf den Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofs vom zu verweisen.

Schließlich ist gemäß der Rechtslage nach Inkrafttreten der Novelle BGBl. I Nr. 111/2002 die Möglichkeit des Insolvenzverwalters nicht ausgeschlossen, nach Anzeige des Fortbetriebes und ex lege Eintritt in die Funktion des gewerberechtlichen Geschäftsführers als zur Vertretung der gemäß § 41 Abs. 1 Z 4 GewO 1994 fortbetriebsberechtigten Insolvenzmasse nach außen berufenes Organ an seiner Stelle eine andere Person gemäß § 39 Abs. 1 GewO 1994 zum gewerberechtlichen Geschäftsführer zu bestellen und dadurch die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften auf diese Person zu übertragen.

Delegierung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit im Gewerberecht

18 Gemäß § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist - wie etwa der Insolvenzverwalter in Bezug auf die Insolvenzmasse.

19 Die Bestimmung des § 9 VStG gilt nach ständiger Rechtsprechung nur subsidiär, das heißt sie hat nur dann zur Anwendung zu kommen, wenn in den im Einzelfall anzuwendenden besonderen Verwaltungsvorschriften nicht eine selbstständige Regelung der Verantwortlichkeit nach außen getroffen ist. Um einen solchen Fall handelt es sich bei § 370 Abs. 1 GewO 1994, der eine von § 9 Abs. 1 VStG abweichende verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit anordnet. So ist in Hinblick auf die Spezialnorm des § 370 Abs. 1 GewO 1994 nur dann, wenn zur Tatzeit für eine juristische Person oder Personengemeinschaft ein Geschäftsführer nach den Bestimmungen der GewO 1994 nicht bestellt war, das zur Vertretung nach außen berufene Organ der juristischen Person oder der Personengemeinschaft nach § 9 Abs. 1 VStG für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich (vgl. zu alldem VwGH Ra 2016/04/0055, Rn. 8, mwN) und nach § 9 Abs. 2 VStG berechtigt, unter anderem eine andere Person für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens zu verantwortlichen Beauftragten zu bestellen (vgl. , mwN).

20 Soweit den Insolvenzverwalter mit dessen Eintritt in die Funktion des gewerberechtlichen Geschäftsführers gemäß § 41 Abs. 5 erster Satz GewO 1994 die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften nach § 370 Abs. 1 GewO 1994 trifft, ist der Insolvenzverwalter wegen der subsidiären Anwendbarkeit des § 9 VStG weder als zur Vertretung der Insolvenzmasse im Rahmen des § 83 Abs. 1 IO nach außen berufenes Organ nach § 9 Abs. 1 VStG für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich, noch nach § 9 Abs. 2 VStG berechtigt, einen verantwortlichen Beauftragten zu bestellen.

Fallbezogene Beurteilung

21 Die Revisionswerberin hat weder die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes der ihr zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen noch die Anzeige des Fortbetriebes vor dem Tatzeitpunkt bestritten. Vielmehr hat sie sich bereits im Verwaltungsstrafverfahren vor der belangten Behörde auf die Bestellung des Gemeinschuldners zum verantwortlich Beauftragten iSd § 9 Abs. 2 VStG berufen.

22 Das Fortbetriebsrecht der Insolvenzmasse betraf die Ausübung des Gastgewerbes in der Betriebsart eines Gasthauses. Das Gastgewerbe ist zwar gemäß § 94 Z 26 GewO 1994 ein reglementiertes Gewerbe. Ihm ist jedoch jedenfalls in der Betriebsart eines Gasthauses kein besonderes Gefährdungspotential immanent, weshalb vorliegend nicht der Ausnahmetatbestand des § 41 Abs. 5 zweiter Satz GewO 1994 erfüllt ist.

23 Die Revisionswerberin trat daher als Insolvenzverwalterin mit der Anzeige des Fortbetriebes gemäß § 41 Abs. 5 erster Satz GewO 1994 ex lege in die Funktion der gewerberechtlichen Geschäftsführerin ein. In dieser Funktion traf sie gemäß § 370 Abs. 1 GewO 1994 die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften, unter anderem jener Auflagenpunkte des Betriebsanlagenbescheides, deren Nichteinhaltung ihr vorgeworfen wurde. Zur Bestellung eines verantwortlich Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 VStG war die Revisionswerberin jedoch infolge Eintritts in die Funktion des gewerberechtlichen Geschäftsführers und der Geltung des § 370 Abs. 1 GewO 1994 nicht berechtigt.

Ergebnis

24 Die Revision war aus diesen Erwägungen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

25 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
GewO 1994 §28
GewO 1994 §370 Abs1
GewO 1994 §39
GewO 1994 §39 Abs1
GewO 1994 §39 Abs2
GewO 1994 §39 Abs3
GewO 1994 §39 Abs4
GewO 1994 §41
GewO 1994 §41 Abs1 Z4
GewO 1994 §41 Abs4
GewO 1994 §41 Abs5
GewO 1994 §9 Abs1
GewRNov 2002
IO §80 Abs1
IO §83 Abs1
VStG §9
VStG §9 Abs1
VStG §9 Abs2
VwRallg
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2020040075.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
HAAAF-45170