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VwGH 29.03.2021, Ra 2020/02/0298

VwGH 29.03.2021, Ra 2020/02/0298

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Norm
MRKZP 07te Art4
RS 1
Eine verfassungsrechtlich unzulässige Doppel- und Mehrfachbestrafung im Sinne des Art. 4 Abs. 1 7. ZPMRK liegt dann vor, wenn eine Strafverfolgung wegen einer strafbaren Handlung bereits Gegenstand eines Strafverfahrens war und dabei der herangezogene Deliktstypus den Unrechts- und Schuldgehalt des Täterverhaltens vollständig erschöpft. Ein weitergehendes Strafbedürfnis entfällt in dieser Konstellation, weil das eine Delikt den Unrechtsgehalt des anderen Delikts in jeder Beziehung mitumfasst. Strafverfolgungen bzw. Bestrafungen wegen mehrerer Delikte, deren Straftatbestände einander wegen Subsidiarität, Spezialität oder Konsumtion ausschließen, bilden verfassungswidrige Doppelbestrafungen, wenn dadurch ein und dieselbe strafbare Handlung strafrechtlich mehrfach geahndet wird (vgl. , mwN).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2017/05/0294 E RS 4
Normen
VStG §22 Abs2
VwGVG 2014 §38
RS 2
Im Falle der Scheinkonkurrenz, also wenn der gesamte Unrechtsgehalt eines Deliktes von jenem eines anderen, ebenfalls verwirklichten in jeder Beziehung mitumfasst ist, ist es unzulässig, dem Täter ein und denselben Unwert mehrmals zuzurechnen, sie führt zu einem Zurücktreten eines Tatbestandes hinter einen anderen, wenn sich aus konkreten Umständen des Tatgeschehens dessen Vorrang ergibt.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2018/02/0123 E RS 1
Normen
VStG §22 Abs2
VwGVG 2014 §38
RS 3
Der Begriff "Scheinkonkurrenz" bringt zum Ausdruck, dass in Wahrheit keine Konkurrenz von Strafbestimmungen vorliegt, sondern eben nur eine Bestimmung, nach der bestraft werden kann (vgl. , mwN). Zu den Fällen der Scheinkonkurrenz zählen die Subsidiarität, die Spezialität und die Konsumtion (vgl. , mwN).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ro 2019/04/0012 E RS 2
Normen
VStG §22 Abs1
VwGVG 2014 §38
RS 4
Gegen das Vorliegen einer Konsumtion (und somit gegen ein Miterfassen des Unwerts eines Delikts von der Strafdrohung gegen ein anderes Delikt) spricht es, wenn die Delikte in keinem typischen Zusammenhang stehen bzw. das eine Delikt nicht notwendig oder doch nicht in der Regel mit dem anderen Delikt verbunden ist (vgl. ; ). Es ist die Frage zu beantworten, ob die Verwirklichung eines Straftatbestandes "geradezu typischerweise" zu einem anderen Tatbestand führt bzw. damit verbunden ist (vgl. ).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2020/02/0046 E RS 7
Normen
VStG §22 Abs2
VwGVG 2014 §38
RS 5
Spezialität ist dann gegeben, wenn mehrere Deliktstypen, die auf die Handlung des Täters zutreffen, zueinander im Verhältnis von Gattung und Art stehen, d.h. der eine Deliktstyp bereits sämtliche Merkmale des anderen enthält und noch ein oder mehrere Merkmale dazu (vgl. ).
Normen
KFG 1967 §103 Abs1 Z1
KFG 1967 §104 Abs9
KFG 1967 §4 Abs7a
MRKZP 07te Art4 Abs1 impl
VStG §22
VwGVG 2014 §38
RS 6
Jede Person, die - als Lenker oder Zulassungsbesitzer - das Ziehen eines Anhängers mit Überschreitung des zulässigen Gesamtgewichtes zulässt, ohne zuvor eine Ausnahmebewilligung nach § 104 Abs. 9 KFG 1967 erwirkt zu haben, verwirklicht stets die Delikte nach § 103 Abs. 1 Z 1 KFG 1967 iVm § 104 Abs. 9 KFG 1967 und § 103 Abs. 1 Z 1 KFG 1967 iVm. § 4 Abs. 7a KFG 1967; insofern liegt in diesem Fall zwischen diesen beiden Delikten ein typischer oder notwendiger Zusammenhang vor. Liegt jedoch eine Ausnahmebewilligung vor, ist es dem Lenker/Zulassungsbesitzer erlaubt, das zulässige Gesamtgewicht zu überschreiten, er verwirklicht daher keine dieser Übertretungen.
Normen
KFG 1967 §103 Abs1 Z1
KFG 1967 §104 Abs2 litf
KFG 1967 §104 Abs9
KFG 1967 §4 Abs7a
MRKZP 07te Art4 Abs1 impl
VStG §22
VwGG §42 Abs1
VwGVG 2014 §38
RS 7
Der Besitzer einer Ausnahmebewilligung nach § 104 Abs. 9 KFG 1967 verwirklicht nur dann eine Übertretung des KFG 1967 im Zusammenhang mit der Überschreitung des Gesamtgewichtes, wenn er eine in der Bewilligung vorgeschriebene Auflage nicht einhält. In diesem Fall wäre er aber gemäß den spezielleren Bestimmungen des § 104 Abs. 2 lit. f iVm. § 104 Abs. 9 KFG 1967 zu bestrafen, nicht aber gemäß § 4 Abs. 7a KFG 1967, weil er ja gerade über eine Bewilligung verfügt (vgl. ). Die beiden Verwaltungsstraftatbestände § 103 Abs. 1 Z 1 KFG 1967 iVm. § 4 Abs. 7a KFG 1967 sowie § 103 Abs. 1 Z 1 KFG 1967 iVm. § 104 Abs. 9 KFG 1967 stehen daher zueinander im Verhältnis der Konsumtion. Verwaltungsstrafrechtlich sanktioniert ist die Überschreitung des zulässigen Gesamtgewichtes, weil Überschreitungen des Gesamtgewichtes etwa zu Beschädigungen an den Straßen oder Verkehrsbehinderungen führen können. Eine derartige Überschreitung ist jedoch mit der Erteilung einer Genehmigung zulässig. Mit der Bestrafung nach § 4 Abs. 7a KFG 1967 wird somit der gesamte Unrechtsgehalt des Täterverhaltens erfasst (vgl. ); für eine Bestrafung nach § 104 Abs. 9 KFG 1967 bleibt kein Raum. Umgekehrt ist der Bewilligungsinhaber gemäß § 104 Abs. 9 KFG 1967 nach dieser speziellen Vorschrift iVm. § 104 Abs. 2 lit. f KFG 1967 zu bestrafen, sollte er die Auflagen dieser Bewilligung nicht einhalten, nicht aber auch nach § 4 Abs. 7a KFG 1967 wegen der Überschreitung des zulässigen Gesamtgewichtes.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision der Landespolizeidirektion Steiermark gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom , LVwG 30.33-682/2020-5, betreffend Übertretung des KFG (mitbeteiligte Partei: K in G, vertreten durch Mag. Egmont Neuhauser, Rechtsanwalt in 3270 Scheibbs, Rathausplatz 8), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 1.1. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom wurden über den Mitbeteiligten 1. wegen einer näher umschriebenen Übertretung des § 103 Abs. 1 Z 1 KFG iVm. § 4 Abs. 7a KFG sowie 2. wegen einer näher umschriebenen Übertretung des § 103 Abs. 1 Z 1 KFG iVm. § 104 Abs. 9 KFG jeweils am gemäß § 134 Abs. 1 KFG zwei Geldstrafen sowie zwei Ersatzfreiheitsstrafen verhängt und ein Verfahrenskostenbeitrag vorgeschrieben.

2 1.2. Zur ersten Übertretung wurde ausgeführt, der Mitbeteiligte habe als Zulassungsbesitzer des angeführten Kraftwagenzuges nicht dafür Sorge getragen, dass der Zustand bzw. die Ladung des genannten Kraftwagenzuges den Vorschriften des KFG entspreche, weil festgestellt worden sei, dass beim betroffenen Kraftwagenzug die Summe der Gesamtgewichte gemäß § 4 Abs. 7a KFG von 44.000 kg durch die Beladung um 3.760 kg überschritten worden sei. Zur zweiten Übertretung wurde ausgeführt, der Mitbeteiligte habe als Zulassungsbesitzer des angeführten Kraftwagenzuges nicht dafür Sorge getragen, dass der Anhänger mit dem Lastkraftwagen nur mit Bewilligung des Landeshauptmannes, in dessen örtlichem Wirkungsbereich der Anhänger gezogen werde, verwendet werden dürfe, wenn die Summe der Gesamtgewichte beider Fahrzeuge 44.000 kg überschreite. Es sei festgestellt worden, dass die Summe der Gesamtgewichte laut den beiden KFZ-Zentralregister Auskünften 50.000 kg (26.000 kg beim Lastkraftwagen und 24.000 kg beim Anhängewagen) betragen habe, sohin mehr als 44.000 kg, weshalb zum Ziehen dieses Anhängewagens eine Bewilligung gemäß § 104 Abs. 9 KFG erforderlich gewesen sei.

3 2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) die dagegen vom Mitbeteiligten erhobene Beschwerde hinsichtlich der ersten Übertretung als unbegründet ab. Betreffend der zweiten Übertretung wurde der Beschwerde Folge gegeben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt. Darüber hinaus wurde der Beitrag zu den Kosten für das erstinstanzliche Verfahren neu festgesetzt (Spruchpunkt I.). Mit Spruchpunkt II. setzte das LVwG einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens fest und mit Spruchpunkt III. sprach es aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

4 2.2. Das LVwG stellte fest, dass auf der Brückenwaage ein tatsächliches Gesamtgewicht des LKWs mit Anhängewagen von 47.820 kg gemessen worden sei. Damit sei - nach Abzug der Messtoleranz - das gemäß § 4 Abs. 7a KFG zulässige Gesamtgewicht des LKWs mit Anhängewagen von 44.000 kg um 3.760 kg überschritten worden. Dieser Sachverhalt sei nach der Beschwerde unstrittig.

5 2.3. Das LVwG führte rechtlich aus, der Revisionswerber habe die erste Übertretung in objektiver und subjektiver Weise zu verantworten. Hinsichtlich der zweiten Übertretung liege jedoch eine Bestrafung wegen desselben Sachverhaltes vor. § 104 Abs. 9 KFG regle die Erteilung einer Bewilligung des Landeshauptmannes, um entgegen den sonstigen Bestimmungen des KFG Fahrzeuge zu lenken, die das sonst vorgeschriebene höchstzulässige Gesamtgewicht überschritten; dies jedoch nur unter den im Bewilligungsbescheid vorgesehenen Auflagen. Die gesetzlichen Höchstgrenzen der Gesamtgewichte für Kraftwagenzüge seien in § 4 Abs. 7a KFG festgelegt und sei eine Überschreitung derselben nach dieser Bestimmung zu ahnden. Eine darüber hinaus gehende Bestrafung gemäß § 104 Abs. 9 KFG ohne Vorliegen einer Bewilligung des Landeshauptmannes widerspreche dem im Verwaltungsstrafverfahren geltenden Doppelbestrafungsverbot. Der Vollständigkeit halber werde festgehalten, dass vor der 13. KFG-Novelle die Höchstgrenzen der Gesamtgewichte in § 104 Abs. 9 KFG festgelegt gewesen seien und vor dieser Novelle eine Bestrafung bei Überschreitung des Gesamtgewichtes nach dieser Gesetzesstelle zu erfolgen gehabt habe. Erst mit der 13. KFG-Novelle sei der noch immer geltende § 4 Abs. 7a KFG eingefügt worden, dies bei gleichzeitigem Entfall des ersten und zweiten Satzes des § 104 Abs. 9 KFG. Seit der Novelle seien Überschreitungen der höchsten zulässigen Gesamtgewichte bei Kraftwagen mit Anhängern jedenfalls nach dieser Gesetzesstelle und nicht mehr nach § 104 Abs. 9 KFG zu bestrafen. Dies ändere nichts an der Tatsache, dass andere Gewichtsüberschreitungen (z.B. Überschreitung des höchstzulässigen Gesamtgewichtes beider Fahrzeuge, Überschreitungen der höchstzulässigen Achslasten etc.) gleichzeitig bestraft werden könnten. Dies jedoch nur, wenn verschiedene Tatbilder verwirklicht würden, die einander nicht ausschlössen, weil jedes für sich allein und beide gleichzeitig verwirklicht werden könnten. Zusammenfassend werde festgestellt, dass eine Übertretung des § 104 Abs. 9 KFG nicht vorliege, weshalb das Verfahren einzustellen gewesen sei.

6 2.4. Zuletzt begründete das LVwG seine Strafbemessung hinsichtlich der ersten Übertretung.

7 3.1. Gegen die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens hinsichtlich der zweiten Verwaltungsübertretung mit Spruchpunkt I. dieses Erkenntnisses richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision der belangten Behörde.

8 3.2. Der Mitbeteiligte erstattete keine Revisionsbeantwortung.

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

10 4.1. Die Revision erweist sich mit ihrem Vorbringen, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage, ob durch die Bestrafung aufgrund des Überschreitens der Summe der zulässigen Gesamtgewichte nach § 4 Abs. 7a KFG (iVm. § 103 Abs. 1 Z 1 KFG) die Übertretung des § 104 Abs. 9 KFG (iVm. § 103 Abs. 1 Z 1 KFG) konsumiert worden sei oder aber die Nichteinholung einer Bewilligung nach § 104 Abs. 9 KFG gesondert unter Strafe gestellt werden könne, als zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.

11 4.2. Die zum Tatzeitpunkt geltenden Bestimmungen des Kraftfahrgesetzes 1967 - KFG stellen sich dar wie folgt:

§ 2. Begriffsbestimmungen

(1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt als

[...]

32. Gesamtgewicht das Gewicht des fahrbereiten Fahrzeuges samt der Ladung, dem Lenker und allen gleichzeitig beförderten Personen; das Gesamtgewicht eines Anhängers, ausgenommen Sattelanhänger und Starrdeichselanhänger; ergibt sich aus der von der Achse oder den Achsen des an das Zugfahrzeug angekuppelten beladenen Anhängers auf die Fahrbahn übertragenen Last;

32a. [...]

33. höchstes zulässiges Gesamtgewicht das höchste Gesamtgewicht, das ein bestimmtes Fahrzeug erreichen darf;

33a. zulässiges Gesamtgewicht der Wert, den das Gesamtgewicht eines Fahrzeuges unter bestimmten Verwendungsbedingungen nicht überschreiten darf;

33b. Höchste zulässige Anhängelast ist das größte tatsächliche Gewicht eines an ein Kraftfahrzeug anzukuppelnden Anhängers, mit dem das Kraftfahrzeug in den Mitgliedstaaten der EU zugelassen oder in Betrieb genommen werden kann. Bei Zentralachsanhängern, Starrdeichselanhängern oder Sattelanhängern ist die höchste zulässige Anhängelast das tatsächliche Gewicht des Anhängers abzüglich der tatsächlichen Stützlast am Kupplungspunkt; die Belastung des Kupplungspunktes muß vom Hersteller angegeben werden. Die höchste zulässige Anhängelast darf die technisch zulässige Anhängelast, angegeben vom Hersteller des Fahrzeuges, nicht übersteigen;

[...]

II. ABSCHNITT
Bauart und Ausrüstung der Kraftfahrzeuge und Anhänger

§ 4. Allgemeines

(1) Kraftfahrzeuge und Anhänger müssen verkehrs- und betriebssicher gebaut und ausgerüstet sein. Die Sicht vom Lenkerplatz aus muß für das sichere Lenken des Fahrzeuges ausreichen. Die Vorrichtungen zum Betrieb eines Kraftfahrzeuges müssen so angeordnet sein, daß sie der Lenker auch bei bestimmungsgemäßer Verwendung eines geeigneten Sicherheitsgurtes, ohne das Augenmerk von der Fahrbahn abzuwenden, leicht und ohne Gefahr einer Verwechslung betätigen und das Fahrzeug sicher lenken kann. Die Wirksamkeit und Brauchbarkeit der für die verkehrs- und betriebssichere Verwendung dieser Fahrzeuge maßgebenden Teile muß bei sachgemäßer Wartung und Handhabung gegeben und zu erwarten sein; diese Teile müssen so ausgebildet und angeordnet sein, daß ihr ordnungsgemäßer Zustand leicht überwacht werden kann und ein entsprechender Austausch möglich ist.

(2) [...]

[...]

(7a) Bei Kraftwagen mit Anhängern darf die Summe der Gesamtgewichte sowie die Summe der Achslasten 40 000 kg, im Vorlauf- und Nachlaufverkehr 44 000 kg, und beim Transport von Rundholz aus dem Wald oder bei der Sammlung von Rohmilch bis zum nächstgelegenen technisch geeigneten Verladebahnhof oder zu einem Verarbeitungsbetrieb, höchstens jedoch 100 km Luftlinie, wenn die hintere Achse des Anhängers mit Doppelbereifung oder einer der Doppelbereifung gleichwertigen Bereifung ausgerüstet ist oder beide Fahrzeuge jeweils mehr als zwei Achsen haben, 44 000 kg nicht überschreiten. Die größte Länge von Kraftwagen mit Anhängern darf 18,75 m, von Sattelkraftfahrzeugen jedoch 16,5 m nicht überschreiten. Bei Sattelkraftfahrzeugen mit einem kranbaren Sattelanhänger darf die Summe der Gesamtgewichte sowie die Summe der Achslasten bei Fahrten innerhalb Österreichs 41.000 kg nicht überschreiten. Bei Mobilkränen darf auch bei höheren als im ersten Satz genannten Gewichten jedenfalls ein Anhänger zum Transport eines PKW gezogen werden.

(7b) [...]

[...]

§ 103. Pflichten des Zulassungsbesitzers eines Kraftfahrzeuges oder Anhängers

(1) Der Zulassungsbesitzer

1. hat dafür zu sorgen, daß das Fahrzeug (der Kraftwagen mit Anhänger) und seine Beladung - unbeschadet allfälliger Ausnahmegenehmigungen oder -bewilligungen - den Vorschriften dieses Bundesgesetzes und der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen entspricht;

2. [...]

[...]

§ 104. Ziehen von Anhängern

(1) Mit Kraftfahrzeugen außer Motorfahrrädern dürfen, unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 7, nur gezogen werden

a) zum Verkehr zugelassene Anhänger,

b) [...]

c) [...]

(2) [...]

[...]

(9) Das Ziehen von Anhängern oder das Verwenden von Sattelkraftfahrzeugen ist, wenn die für die Summe der Gesamtgewichte oder die für die größte Länge oder die für die Summe der Gesamtgewichte und für die größte Länge festgesetzten Höchstgrenzen überschritten werden, nur mit Bewilligung des Landeshauptmannes zulässig, in dessen örtlichem Wirkungsbereich die Anhänger gezogen oder die Sattelkraftfahrzeuge verwendet werden sollen. Diese Bewilligung darf höchstens für die Dauer eines Jahres und nur zum Zwecke der Erprobung oder nur bei Vorliegen folgender Voraussetzungen erteilt werden:

1. Beförderung unteilbarer Güter oder andere besondere Gegebenheiten, unter denen diese Fahrzeuge verwendet werden, und

2. wenn die Beförderung - ausgenommen Beförderungen, bei denen die Be- und Entladestelle nicht mehr als 65 km Luftlinie voneinander entfernt sind - wenigstens zum größten Teil der Strecke mit einem anderen, umweltverträglicheren Verkehrsträger (insbesondere Bahn, Schiff) nicht oder nur mit unvertretbar hohem Aufwand durchgeführt werden kann.

In allen Fällen ist in der Bewilligung die höchste zulässige Fahrgeschwindigkeit vorzuschreiben. Soweit dies nach den Erfordernissen der Verkehrs- und Betriebssicherheit nötig ist, ist die Bewilligung nur unter den entsprechenden Auflagen oder zeitlichen, örtlichen oder sachlichen Einschränkungen der Gültigkeit zu erteilen. § 36 lit. c, § 39 Abs. 3 und § 40 Abs. 4 sind sinngemäß anzuwenden. Die Behörden sind verpflichtet über solche Anträge ohne unnötigen Aufschub spätestens aber drei Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.“

12 4.3. Vorliegend hat die belangte Behörde dem Mitbeteiligten zwei verschiedene Verwaltungsübertretungen angelastet. Demgegenüber ist das LVwG diesbezüglich von einer unzulässigen Doppelbestrafung ausgegangen und hat den auf die Verletzung des § 104 Abs. 9 KFG iVm. § 103 Abs. 1 Z 1 KFG gestützten Strafausspruch behoben sowie das Verwaltungsstrafverfahren insoweit eingestellt.

13 4.4.1. Gemäß dem Doppelbestrafungsverbot nach Art. 4 Abs. 1 des 7. ZPEMRK darf niemand wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden.

14 4.4.2. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes liegt eine verfassungsrechtlich unzulässige Doppel- oder Mehrfachbestrafung im Sinn des Art. 4 Abs. 1 7. ZPEMRK nur dann vor, wenn eine Strafdrohung oder Strafverfolgung wegen einer strafbaren Handlung bereits Gegenstand eines Strafverfahrens war und dabei der herangezogene Deliktstypus den Unrechts- und Schuldgehalt eines Täterverhaltens vollständig erschöpft. Ein weitergehendes Strafbedürfnis entfällt daher in dieser Konstellation, weil das eine Delikt den Unrechtsgehalt des anderen Delikts in jeder Beziehung mitumfasst. Strafverfolgungen bzw. Verurteilungen wegen mehrerer Delikte, deren Straftatbestände einander wegen wechselseitiger Subsidiarität, Spezialität oder Konsumtion ausschließen, bilden verfassungswidrige Doppelbestrafungen, wenn und weil dadurch ein und dieselbe strafbare Handlung strafrechtlich mehrfach geahndet wird (vgl. zu alldem , mwN; vgl. weiters zur dazu ergangenen Rechtsprechung des VfGH und des EGMR auch , mwN). Im dort zugrunde liegenden Fall prüfte der Verfassungsgerichtshof, ob sich die herangezogenen Straftatbestände in ihren wesentlichen Merkmalen unterscheiden.

15 4.4.3. Nach dem in § 22 Abs. 2 VStG verankerten Kumulationsprinzip sind mehrere Strafen nebeneinander zu verhängen, wenn eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen fällt.

16 4.5. Zu prüfen ist somit im vorliegenden Fall, ob die beiden von der belangten Behörde herangezogenen Strafdrohungen einander ausschließen bzw. insoweit eine Scheinkonkurrenz gegeben ist. Im Falle einer solchen Scheinkonkurrenz, also wenn der gesamte Unrechtsgehalt eines Delikts von jenem eines anderen, ebenfalls verwirklichten in jeder Beziehung mitumfasst ist, ist es unzulässig, dem Täter ein und denselben Unwert mehrmals zuzurechnen (vgl. Raschauer/Wessely, VStG², § 22 Rz 28), sie führt zu einem Zurücktreten eines Tatbestandes hinter einen anderen, wenn sich aus konkreten Umständen des Tatgeschehens dessen Vorrang ergibt (vgl. näher , mwN).

17 Der Begriff „Scheinkonkurrenz“ bringt zum Ausdruck, dass in Wahrheit keine Konkurrenz von Strafbestimmungen vorliegt, sondern eben nur eine Bestimmung, nach der bestraft werden kann (vgl. , mwN). Zu den Fällen der Scheinkonkurrenz zählen die Subsidiarität, die Spezialität und die Konsumtion (vgl. , mwN; , mwN).

18 Konsumtion liegt dabei vor, wenn die wertabwägende Auslegung der formal (durch eine Handlung oder durch mehrere Handlungen) erfüllten zwei Tatbestände zeigt, dass durch die Unterstellung der Tat(en) unter den einen der deliktische Gesamtunwert des zu beurteilenden Sachverhalts bereits für sich allein abgegolten ist. Voraussetzung ist, dass durch die Bestrafung wegen des einen Delikts tatsächlich der gesamte Unrechtsgehalt des Täterverhaltens erfasst wird (vgl. erneut , mwN).

19 In anderen Zusammenhängen hat der Verwaltungsgerichtshof darauf Bezug genommen, ob die Verwirklichung eines Straftatbestandes „geradezu typischerweise“ zu einem anderen Tatbestand führt bzw. damit verbunden ist (vgl. ; , 0047).

20 Gegen das Vorliegen einer Konsumtion (und somit gegen ein Miterfassen des Unwerts eines Delikts von der Strafdrohung gegen ein anderes Delikt) spricht es, wenn die Delikte in keinem typischen Zusammenhang stehen bzw. das eine Delikt nicht notwendig oder doch nicht in der Regel mit dem anderen Delikt verbunden ist (, 0222; vgl. umgekehrt betreffend zwei zwingend miteinander verbundene Übertretungen nach dem SaatG 1997 , mwN).

21 Spezialität ist dann gegeben, wenn mehrere Deliktstypen, die auf die Handlung des Täters zutreffen, zueinander im Verhältnis von Gattung und Art stehen, d.h. der eine Deliktstyp bereits sämtliche Merkmale des anderen enthält und noch ein oder mehrere Merkmale dazu (vgl. , mwN).

22 4.6. Im vorliegenden Fall hat das LVwG festgestellt, dass auf der Brückenwaage ein tatsächliches Gesamtgewicht des LKWs mit Anhängewagen von 47.820 kg gemessen worden sei. Der Mitbeteiligte ist der Zulassungsbesitzer des LKWs sowie des Anhängewagens.

23 Subsumiert man dieses Verhalten unter die hier fraglichen Bestimmungen des KFG, hat der Mitbeteiligte zunächst die objektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 Abs. 7a KFG erfüllt: Demnach darf nämlich bei Kraftwagen mit Anhängern die Summe der Gesamtgewichte 44.000 kg nicht überschreiten; im vorliegenden Fall wurde aber - nach Abzug der Messtoleranz - dieses gemäß § 4 Abs. 7a KFG zulässige Gesamtgewicht des LKWs mit Anhängewagen um 3.760 kg überschritten.

24 Gemäß § 104 Abs. 9 KFG ist es jedoch u.a. zulässig, diese Summe der Gesamtgewichte beim Ziehen von Anhängern zu überschreiten, wenn hiefür eine Bewilligung des Landeshauptmannes vorliegt. Anhänger dürfen in weiterer Folge gemäß § 104 Abs. 2 lit. f KFG mit Kraftwagen nur gezogen werden, wenn bei Bewilligungen gemäß Abs. 9 erteilte Auflagen erfüllt werden.

25 Der Mitbeteiligte hat auch die objektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 103 Abs. 1 Z 1 KFG iVm. § 104 Abs. 9 KFG erfüllt, weil er keine solche Bewilligung des Landeshauptmannes erwirkt hatte.

26 Jede Person, die - als Lenker oder Zulassungsbesitzer - das Ziehen eines Anhängers mit Überschreitung des zulässigen Gesamtgewichtes zulässt, ohne zuvor eine solche Ausnahmebewilligung erwirkt zu haben, verwirklicht stets beide Delikte; insofern liegt im vorliegenden Fall zwischen diesen beiden Delikten ein typischer oder notwendiger Zusammenhang vor (vgl. dazu die unter Rn. 18 und 19 wiedergegebene Rechtsprechung). Liegt jedoch eine Ausnahmebewilligung vor, ist es dem Lenker/Zulassungsbesitzer erlaubt, das zulässige Gesamtgewicht zu überschreiten, er verwirklicht daher keine dieser Übertretungen.

27 Die zweite Anlastung des Straferkenntnisses umfasst somit zwingend die erste, weil eine verbotene Überschreitung der Summe der Gesamtgewichte bei Erteilung einer Bewilligung nicht vorliegen kann, weil die Überschreitung in diesem Fall erlaubt ist. Der Vorwurf der Überschreitung des Gesamtgewichtes hat dabei im Vergleich zur Verletzung der Nichteinholung einer Ausnahmebewilligung den höheren Unrechtsgehalt, weil das verbotene Verhalten, nämlich die Überschreitung des Gesamtgewichtes, tatsächlich gesetzt wurde.

28 Der Besitzer einer entsprechenden Ausnahmebewilligung verwirklicht nur dann eine Übertretung des KFG im Zusammenhang mit der Überschreitung des Gesamtgewichtes, wenn er eine in der Bewilligung vorgeschriebene Auflage nicht einhält. In diesem Fall wäre er aber gemäß den spezielleren Bestimmungen des § 104 Abs. 2 lit. f iVm. § 104 Abs. 9 KFG zu bestrafen, nicht aber gemäß § 4 Abs. 7a KFG, weil er ja gerade über eine Bewilligung verfügt (vgl. zu einem solchen Verwaltungsstrafverfahren ).

29 Die beiden hier angelasteten Verwaltungsstraftatbestände (§ 103 Abs. 1 Z 1 KFG iVm. § 4 Abs. 7a KFG sowie § 103 Abs. 1 Z 1 KFG iVm. § 104 Abs. 9 KFG) stehen daher zueinander im Verhältnis der Konsumtion. Verwaltungsstrafrechtlich sanktioniert ist die Überschreitung des zulässigen Gesamtgewichtes, weil - wie die revisionswerbende Partei selbst ausführt - Überschreitungen des Gesamtgewichtes etwa zu Beschädigungen an den Straßen oder Verkehrsbehinderungen führen können. Eine derartige Überschreitung ist jedoch mit der Erteilung einer Genehmigung zulässig.

30 Mit der Bestrafung nach § 4 Abs. 7a KFG wird somit der gesamte Unrechtsgehalt des Täterverhaltens erfasst (vgl. abermals , mwN); für eine Bestrafung nach § 104 Abs. 9 KFG bleibt kein Raum. Umgekehrt ist der Bewilligungsinhaber gemäß § 104 Abs. 9 KFG nach dieser speziellen Vorschrift iVm. § 104 Abs. 2 lit. f KFG zu bestrafen, sollte er die Auflagen dieser Bewilligung nicht einhalten, nicht aber auch nach § 4 Abs. 7a KFG wegen der Überschreitung des zulässigen Gesamtgewichtes.

31 Wie die revisionswerbende Partei in ihrer Revision selbst zugesteht, ist das hg. Erkenntnis vom , 92/03/0105, aufgrund der Änderung der Rechtslage nicht einschlägig.

32 5. Das LVwG hat daher zu Recht von einer Bestrafung des Mitbeteiligten wegen der Übertretung des § 104 Abs. 9 KFG abgesehen und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

33 6. Die Revision war aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

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Normen
KFG 1967 §103 Abs1 Z1
KFG 1967 §104 Abs2 litf
KFG 1967 §104 Abs9
KFG 1967 §4 Abs7a
MRKZP 07te Art4
MRKZP 07te Art4 Abs1 impl
VStG §22
VStG §22 Abs1
VStG §22 Abs2
VwGG §42 Abs1
VwGVG 2014 §38
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020020298.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
CAAAF-45163