TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH 23.09.2021, Ra 2019/16/0152

VwGH 23.09.2021, Ra 2019/16/0152

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
KFG 1967 §40 Abs1
KFG 1967 §82 Abs8
RS 1
Aus der Formulierung in § 82 Abs. 8 erster Satz KFG 1967, wonach "Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit dem Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht und in diesem verwendet werden," bis zum Gegenbeweis als Fahrzeug mit dem dauernden Standort im Inland anzusehen sind, ist abzuleiten, dass diese Standortvermutung nicht nur auf von Privatpersonen verwendete Fahrzeuge, sondern auch von Unternehmungen verwendete Fahrzeuge anzuwenden ist. § 82 Abs. 8 erster Satz KFG 1967 ist als lex specialis zu § 40 Abs. 1 leg. cit. zu sehen, welcher hinsichtlich des dauernden Standortes eines Fahrzeuges den Grundsatz normiert "als dauernder Standort eines Fahrzeuges gilt der Hauptwohnsitz des Antragstellers, bei Fahrzeugen von Unternehmungen der Ort, von dem aus der Antragsteller über das Fahrzeug hauptsächlich verfügt".
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2008/15/0276 E VwSlg 8485 F/2009 RS 2
Norm
KFG 1967 §82 Abs8
RS 2
Eine Widerlegung der Standortvermutung des § 82 Abs. 8 erster Satz KFG 1967 kommt gleichermaßen und unabhängig davon in Betracht, ob das Fahrzeug überwiegend betrieblich oder privat verwendet wird.
Normen
BAO §167 Abs2
KFG 1967 §82 Abs8
RS 3
Ob der Gegenbeweis im Sinne des § 82 Abs. 8 erster Satz KFG 1967 als erbracht anzusehen ist, ist eine Frage der Beweiswürdigung (vgl. , VwSlg 8485/F), zu deren Überprüfung im Einzelfall der VwGH nach seiner ständigen Rechtsprechung im Allgemeinen nicht berufen ist (vgl. etwa und , jeweils mwN).
Norm
KFG 1967 §82 Abs8
RS 4
Der Gegenbeweis iSd § 82 Abs. 8 erster Satz KFG 1967 ist (jedenfalls) als erbracht anzusehen, wenn das Fahrzeug weitaus überwiegend nicht in Österreich verwendet wird (vgl. , VwSlg 8485/F, sowie ).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mairinger und den Hofrat Dr. Thoma sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision des damaligen Finanzamts Braunau Ried Schärding (nunmehr Finanzamt Österreich) gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/5100392/2019, betreffend Normverbrauchsabgabe 6/2014 und Kraftfahrzeugsteuer 4-12/2014 (mitbeteiligte Partei: A S in F), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheiden vom setzte das Finanzamt gegenüber der Mitbeteiligten Normverbrauchsabgabe für 6/2014 für ein näher bezeichnetes Fahrzeug sowie einen Verspätungszuschlag fest. Mit Bescheid vom gleichen Tag schrieb das Finanzamt der Mitbeteiligten für dieses Fahrzeug Kraftfahrzeugsteuer für 4-12/2014 vor.

2 Der dagegen erhobenen Beschwerde der Mitbeteiligten gab das Bundesfinanzgericht mit Erkenntnis vom Folge und hob die angefochtenen Bescheide ersatzlos auf. Begründend führte das Bundesfinanzgericht aus, aufgrund der beruflichen und privaten Verhaltensweisen der Mitbeteiligten sei davon auszugehen, dass das streitgegenständliche Fahrzeug nie länger als einen Monat ununterbrochen in Österreich verblieben sei. Da der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen habe, dass die in § 82 Abs. 8 KFG 1967 normierte Monatsfrist unterbrechbar sei und mit jeder Wiedereinbringung des Fahrzeugs in das Bundesgebiet neu zu laufen beginne, seien die angefochtenen Bescheide bereits aus diesem Grund aufzuheben gewesen.

3 Diese Entscheidung des Bundesfinanzgerichts hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Ra 2018/16/0190, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes auf, wobei er unter Verweis auf seine Rechtsprechung ausführte, dass die in § 82 Abs. 8 KFG 1967 idF des 2. AbgÄG 2002 normierte Monatsfrist beim Verbringen des betreffenden Fahrzeugs ins Ausland und bei neuerlicher Einbringung dieses Fahrzeugs in das Bundesgebiet mit der neuerlichen Einbringung neu zu laufen beginne. Der Gesetzgeber habe jedoch aufgrund dieser Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes § 82 Abs. 8 KFG 1967 dahingehend geändert, dass eine vorübergehende Verbringung des Fahrzeugs aus dem Bundesgebiet die fragliche Monatsfrist nicht mehr unterbreche. § 82 Abs. 8 KFG 1967 idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 26/2014 sei (nach Aufhebung der rückwirkenden Inkrafttretensbestimmung des § 135 Abs. 27 KFG 1967 durch , VfSlg. 19.920) mit Ablauf des in Kraft getreten. Vor diesem Hintergrund hätte das Bundesfinanzgericht Feststellungen zum Zeitpunkt der erstmaligen Einbringung des Fahrzeugs in das Bundesgebiet treffen müssen und hätte sich nicht allein auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 82 Abs. 8 KFG 1967 idF des 2. AbgÄG 2002 stützen dürfen.

4 Im fortgesetzten Verfahren gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde der Mitbeteiligten neuerlich Folge und hob die angefochtenen Bescheide ersatzlos auf. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Bundesfinanzgericht für nicht zulässig.

5 In der Begründung wurde ausgeführt, die Mitbeteiligte sei deutsche Staatsbürgerin und habe ihren Hauptwohnsitz in Österreich. Die Mitbeteiligte und ihr Ehegatte seien in Deutschland nichtselbständig tätig; die Kinder studierten in Deutschland. Weiters betreibe die Mitbeteiligte gemeinsam mit ihrem Ehegatten in Deutschland eine Hausverwaltung. Das streitgegenständliche Fahrzeug sei seit dem „auf diese Hausverwaltungsfirma in Deutschland zugelassen“. Die erstmalige Einbringung des Fahrzeugs nach Österreich sei unmittelbar nach der Zulassung im Juni 2014 erfolgt. Auf die Mitbeteiligte seien im streitgegenständlichen Zeitraum auch zwei „Klein-PKW“ in Österreich zugelassen.

6 Nach § 40 Abs. 1 KFG 1967 gelte als dauernder Standort eines Fahrzeugs der Hauptwohnsitz des Antragstellers, bei Fahrzeugen von Unternehmungen der Ort, von dem aus der Antragsteller hauptsächlich über das Fahrzeug verfüge. § 82 Abs. 8 KFG 1967 idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 26/2014 bestimme - als lex specialis zu § 40 Abs. 1 leg. cit. -, dass Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit Hauptwohnsitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht oder in diesem verwendet würden, bis zum Gegenbeweis als Fahrzeuge mit dauerndem Standort im Inland anzusehen seien. Die Verwendung solcher Fahrzeuge ohne Zulassung gemäß § 37 KFG 1967 sei nur während eines Monats ab der Einbringung in das Bundesgebiet zulässig, wobei eine vorübergehende Verbringung aus dem Bundesgebiet diese Frist nicht unterbreche.

7 Der Verwaltungsgerichtshof habe im Erkenntnis vom , 2008/15/0276, VwSlg 8485/F, den Gegenbeweis für die Standortvermutung als erbracht angesehen, weil ein betrieblich genutztes Fahrzeug nahezu ausschließlich in Deutschland verwendet, die Wartung und Reparaturen dort erfolgt und der überwiegende Teil der Privatfahrten in Deutschland durchgeführt worden seien.

8 Die Mitbeteiligte habe das streitgegenständliche Fahrzeug nach dem Akteninhalt sowohl in Österreich als auch in Deutschland verwendet, wobei über einem Zeitraum von 14 Monaten ca. 14.450 km in diesen beiden Ländern zurückgelegt worden seien. Auf Österreich seien dabei ca. 2.883 km entfallen, was einen Anteil von knapp unter 20% bedeute. Daraus könne geschlossen werden, dass das Fahrzeug im streitgegenständlichen Zeitraum weitaus überwiegend nicht in Österreich verwendet worden sei. Im Übrigen seien laut Fahrtenbuch nur 19 Fahrten dem Betrieb der Hausverwaltung zuzuordnen, sodass auch der überwiegende Teil der Privatfahrten in Deutschland erfolgt sei. Die Standortvermutung des § 82 Abs. 8 KFG 1967 sei als widerlegt anzusehen.

9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision des Finanzamts in der zur Zulässigkeit vorgebracht wird, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Widerlegung der Standortvermutung des § 82 Abs. 8 KFG 1967 bei einer weitaus überwiegenden privaten Verwendung eines bei einem ausländischen Einzelunternehmen im Betriebsvermögen stehenden Kraftfahrzeugs. Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2008/15/0276, VwSlg 8485/F, betreffe den Fall einer weitaus überwiegenden betrieblichen Verwendung, sodass Judikatur zum Fall einer weitaus überwiegenden privaten Verwendung fehle.

10 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür gemäß § 28 Abs. 3 VwGG in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen.

12 Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 2008/15/0276, VwSlg 8485/F, ausgesprochen hat, folgt aus der Formulierung des § 82 Abs. 8 erster Satz KFG 1967, wonach „Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit dem Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht und in diesem verwendet werden,“ bis zum Gegenbeweis als Fahrzeug mit dem dauernden Standort im Inland anzusehen sind, dass diese Standortvermutung sowohl auf von Privatpersonen verwendete Fahrzeuge, als auch auf von Unternehmungen verwendete Fahrzeuge anzuwenden ist (vgl. auch ). § 82 Abs. 8 erster Satz KFG 1967 ist danach als lex specialis zu § 40 Abs. 1 leg. cit. anzusehen, der hinsichtlich des dauernden Standorts eines Fahrzeugs den Grundsatz normiert „als dauernder Standort eines Fahrzeuges gilt der Hauptwohnsitz des Antragstellers, bei Fahrzeugen von Unternehmungen der Ort, von dem aus der Antragsteller über das Fahrzeug hauptsächlich verfügt“. Damit kommt eine Widerlegung der Standortvermutung des § 82 Abs. 8 erster Satz KFG 1967 aber gleichermaßen und unabhängig davon in Betracht, ob das Fahrzeug überwiegend betrieblich oder privat verwendet wird.

13 Ob der Gegenbeweis im Sinne des § 82 Abs. 8 erster Satz KFG 1967 als erbracht anzusehen ist, ist eine Frage der Beweiswürdigung (vgl. nochmals , VwSlg 8485/F), zu deren Überprüfung im Einzelfall der Verwaltungsgerichtshof nach seiner ständigen Rechtsprechung im Allgemeinen nicht berufen ist (vgl. etwa und , jeweils mwN). Dass das Bundesfinanzgericht seine Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte, zeigt das revisionswerbende Finanzamt im Zulässigkeitsvorbringen nicht auf.

14 Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom , 2008/15/0276, VwSlg 8485/F, ausgeführt, dass der Gegenbeweis iSd § 82 Abs. 8 erster Satz KFG 1967 (jedenfalls) als erbracht anzusehen ist, wenn das Fahrzeug weitaus überwiegend nicht in Österreich verwendet wird (vgl. auch ). Warum das Bundesfinanzgericht daher ausgehend von der Feststellung, wonach lediglich knapp unter 20% der insgesamt gefahrenen Kilometer im Inland zurückgelegt worden seien (wobei sich dieser Prozentsatz bei einer Berücksichtigung der Urlaubsfahrten nach Montenegro und Spanien, wie vom revisionswerbenden Finanzamt gefordert, sogar noch vermindern würde) nicht von einem tauglichen Gegenbeweis hätte ausgehen dürfen, macht die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen nicht einsichtig.

15 In der Revision werden keinen Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
BAO §167 Abs2
KFG 1967 §40 Abs1
KFG 1967 §82 Abs8
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019160152.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
JAAAF-45139