VwGH 30.06.2021, Ra 2019/16/0002
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Auch für ordentliche Amtsrevisionen gilt, dass die Frage, ob eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, im Zeitpunkt der Entscheidung des VwGH zu beurteilen ist. Wurde die zu lösende Rechtsfrage daher in der Rsp des VwGH - auch nach Einbringung der Revision - bereits geklärt, liegt keine Rechtsfrage (mehr) vor, der iSd Art. 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. B , Ra 2014/03/0005). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ro 2015/12/0021 B RS 3 Gilt auch sinngemäß - wie hier - für außerordentliche (Amts-)Revisionen. |
Normen | FamLAG 1967 §2 Abs1 litb FamLAG 1967 §2 Abs1 litd |
RS 2 | Zwar fordert § 2 Abs. 1 lit. d FLAG nicht, dass für die dort genannte Berufsausbildung nach Abschluss der Schulausbildung der positive Abschluss dieser Schulausbildung auch vorausgesetzt wird. So wird der Tatbestand des § 2 Abs. 1 lit. d FLAG beispielsweise auch dann erfüllt, wenn nach einer mit der bestandenen Reifeprüfung abgeschlossenen Schulausbildung ein Lehrverhältnis nach dem Berufsausbildungsgesetz zum frühest möglichen Zeitpunkt begonnen wird. Doch ist es für den Beginn der Berufsausbildung zum frühest möglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung nicht erforderlich, sich bereits vor Abschluss der - für die weitere Berufsausbildung allenfalls gar nicht vorausgesetzten - Schulausbildung einem Aufnahmeverfahren mit Prüfungen oder Tests zu unterziehen. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2020/16/0033 E RS 5 Hier nur der letzte Satz. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mairinger und den Hofrat Dr. Thoma sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision des damaligen Finanzamts Wien 9/18/19 Klosterneuburg (nunmehr Finanzamt Österreich) gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7103474/2018, betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für März bis September 2017 (mitbeteiligte Partei: C S in W, vertreten durch Mag. Bernhard Rothenbuchner, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 1040 Wien, Schwindgasse 4/7), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom forderte das damalige Finanzamt Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom Mitbeteiligten u.a. Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge zurück, welche er für den Zeitraum März bis September 2017 für seinen 1997 geborenen Sohn bezogen hatte, weil dieser sich nicht in Berufsausbildung befunden habe.
2 In der dagegen erhobenen Beschwerde vom brachte der Mitbeteiligte vor, nach § 2 Abs. 1 lit. d FLAG bestehe ein Anspruch auf Familienbeihilfe auch für den Zeitraum zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn diese zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen werde.
3 Mit Beschwerdevorentscheidung vom gab das Finanzamt der Beschwerde, soweit sie den Streitzeitraum betraf, nicht statt, wogegen der Mitbeteiligte mit Schriftsatz vom einen Vorlageantrag stellte.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hob das Bundesfinanzgericht den bekämpften Bescheid des Finanzamts, soweit er über den Streitzeitraum absprach, ersatzlos auf und sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
5 Der Sohn des Mitbeteiligten habe beabsichtigt, nach Beendigung seiner Schulausbildung an einer Höheren Technischen Lehranstalt (HTL) im Juni 2016 ab Oktober 2016 an der Universität für angewandte Kunst in Wien zu studieren. Bereits im Februar 2016 sei er deshalb zur Aufnahmeprüfung (Zulassungsprüfung) an dieser Universität angetreten, jedoch nicht aufgenommen worden. Die nächste reguläre Aufnahmeprüfung nach Abschluss der Schulausbildung habe im Februar 2017 stattgefunden. Der Sohn des Mitbeteiligten sei zu dieser Prüfung (neuerlich) angetreten und habe sie erfolgreich abgelegt. Das achtsemestrige Studium habe er sodann im Oktober 2017 begonnen. Die Universität habe mit Schreiben vom bestätigt, dass ein früherer Studienbeginn des Sohns des Mitbeteiligten nicht möglich gewesen sei.
6 Daraus folgerte das Bundesfinanzgericht, dass der Sohn des Mitbeteiligten das Studium (diese Berufsausbildung) zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen habe. Daher bestehe gemäß § 2 Abs. 1 lit. d FLAG ein Anspruch auf Familienbeihilfe für den Streitzeitraum. Der bekämpfte Bescheid über die Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen sei daher, soweit er über den Streitzeitraum abspreche, aufzuheben.
7 Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Bundesfinanzgericht mit den Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () zu § 2 Abs. 1 lit. e FLAG, welche mutatis mutandis auch auf § 2 Abs. 1 lit. d FLAG anzuwenden seien, weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliege.
8 Die dagegen vom Finanzamt erhobene außerordentliche Revision legte das Bundesfinanzgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.
9 Der Verwaltungsgerichtshof leitete das Vorverfahren ein (§ 36 VwGG); eine Revisionsbeantwortung wurde nicht eingereicht.
10 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11 Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden und hat er diese Zulässigkeit im Rahmen der dafür gemäß § 28 Abs. 3 VwGG in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen.
12 § 2 Abs. 1 lit. d des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 (FLAG) in der im Revisionsfall noch anzuwendenden Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, lautet:
„§ 2. (1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
a) [...]
[...]
d) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird.“
13 Das Finanzamt trägt zur Zulässigkeit seiner Revision vor, das vom Bundesfinanzgericht herangezogene Erkenntnis () sei zu einem mit dem verfahrensgegenständlichen nicht vergleichbaren Sachverhalt ergangen, weshalb die darin gezogenen Schlüsse im Revisionsfall nicht anwendbar seien. Das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () ab, welche den frühestmöglichen Zeitpunkt des Studienbeginns eher streng beurteilt habe.
14 Mit der Allgemeinheit dieser Formulierungen wird eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht dargetan (vgl. ).
15 Darüber hinaus muss die Voraussetzung des Art. 133 Abs. 4 B-VG, also eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes erfüllt sein. Wurde die zu beantwortende Rechtsfrage in der Rechtsprechung nach Einbringen der Revision geklärt, liegt keine Rechtsfrage (mehr) vor, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. ).
16 Nach dem angefochtenen Erkenntnis und nach Erheben der Revision dagegen hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es für den Beginn der Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung nicht erforderlich ist, sich bereits vor Abschluss der Schulausbildung einem Aufnahmeverfahren mit Prüfungen oder Tests zu unterziehen ().
17 Das angefochtene Erkenntnis weicht von dieser Rechtsprechung nicht ab.
18 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | B-VG Art133 Abs4 B-VG Art133 Abs6 Z2 B-VG Art133 Abs6 Z3 B-VG Art133 Abs6 Z4 B-VG Art133 Abs9 FamLAG 1967 §2 Abs1 litb FamLAG 1967 §2 Abs1 litd VwGG §34 Abs1 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019160002.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
VAAAF-45135