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VwGH 19.03.2021, Ra 2019/13/0062

VwGH 19.03.2021, Ra 2019/13/0062

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
EStG 1988 §16
EStG 1988 §4 Abs4
RS 1
Für die Frage der Abziehbarkeit von Schadenersatzzahlungen als Erwerbsaufwendungen ist entscheidend, welcher Sphäre das Fehlverhalten zuzuordnen ist (vgl. , mwN).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2018/13/0052 E RS 5
Normen
EStG 1988 §16 Abs1
EStG 1988 §4 Abs4
RS 2
Wird das eine Schadenersatzverpflichtung begründende pflichtwidrige Verhalten aus privaten Gründen gesetzt, sind die Schadenersatzzahlungen nicht als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten absetzbar (vgl. , mwN). Demgegenüber sind Schadenersatzzahlungen als Erwerbsaufwendungen abziehbar, wenn das Fehlverhalten der betrieblichen/beruflichen Sphäre zuzurechnen ist (vgl. ; , 95/13/0288, VwSlg 7618 F/2001). Für die Frage der Abziehbarkeit von Schadenersatzzahlungen als Erwerbsaufwendungen ist demnach entscheidend, ob das Fehlverhalten der betrieblichen/beruflichen Sphäre zuzuordnen ist oder es als private Verhaltenskomponente das Band zur betrieblichen/beruflichen Veranlassung durchschneidet (vgl. ). Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Schadenersatzzahlung aus einem rechtswidrigen Verhalten des Steuerpflichtigen resultiert (vgl. , VwSlg 8640 F/2011, mwN).
Normen
EStG 1988 §16 Abs1
EStG 1988 §20 Abs1 Z5 litb
RS 3
Gemäß § 20 Abs. 1 Z 5 lit b EStG 1988 unterliegen Strafen und Geldbußen, die u.a. von Gerichten verhängt werden, einem Abzugsverbot. Eine Schadenersatzzahlung, die ein Dienstnehmer für ein Verhalten leisten muss, das zu einer Verhängung einer gerichtlichen Strafe beim Arbeitgeber führt, stellt keine Strafe im Sinne des § 20 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 dar. Derartige Aufwendungen fallen daher schon begrifflich nicht unter das Abzugsverbot. Der Kausalzusammenhang der Schadenersatzzahlung mit der Kartellstrafe bewirkt auch nicht, dass die Wiedergutmachungsleistungen des Dienstnehmers mit der dem Unternehmen auferlegten Kartellstrafe gleichzusetzen wären und aus diesem Grund unter das Abzugsverbot subsumiert werden könnten. Es handelt sich dabei nämlich lediglich um einen - gegebenenfalls gerichtlich durchsetzbaren - Ersatz für Schäden, die der Dienstnehmer seiner ehemaligen Arbeitgeberin zugefügt hat. Die Zahlung des Dienstnehmers ist bei seiner ehemaligen Arbeitgeberin steuerpflichtig (vgl. ) und es kommt daher im Ergebnis nicht dazu, dass dieser Teil der Kartellstrafe mittelbar steuerlich wirksam wird.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer und den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des Finanzamtes Österreich, Dienststelle Wien 2/20/21/22 in Wien, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7104966/2016, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2015 (mitbeteiligte Partei: B in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 In der Einkommensteuererklärung 2015 machte der Mitbeteiligte einen Betrag in Höhe von 14.678 € (8.000 € Schadenersatzzahlungen sowie Anwaltskosten) als Werbungskosten geltend. Die Zahlungen basierten auf einem Vergleich, den der Mitbeteiligte mit seiner ehemaligen Arbeitgeberin (im Folgenden: X GmbH) vereinbart hatte. Gegenstand dieses Vergleiches war ein (teilweiser) Regress für eine gegen die X GmbH in einem Gerichtsverfahren verhängte Kartellstrafe.

2 Das Finanzamt erkannte diese Aufwendungen im Einkommensteuerbescheid nicht an. Begründend führte es aus, dass die Vergleichszahlungen auf Strafzahlungen der X GmbH im Zusammenhang mit Kartellrechtswidrigkeiten zurückzuführen seien. Derartige Zahlungen unterlägen gemäß § 20 EStG 1988 einem Abzugsverbot. Die Kosten für die Rechtsvertretung würden das steuerliche Schicksal der Vergleichszahlungen teilen und seien ebenso nicht zu berücksichtigen. Es handle sich im gegenständlichen Fall nicht um berufsbedingte Prozesskosten, sondern um eine (teilweise) Schadloshaltung bzw. Regressierung der Arbeitgeberin für ein Kartellverfahren. Gerichtliche oder verwaltungsbehördliche Geldbußen seien generell nicht abzugsfähig.

3 Der Mitbeteiligte erhob Beschwerde und beantragte, diese ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung dem Bundesfinanzgericht vorzulegen.

4 Das Bundesfinanzgericht gab der Beschwerde Folge. Begründend führte es aus, der Mitbeteiligte sei bei der X GmbH für den Geschäftsfall Stahlrohrtransporte von Österreich in die ehemaligen GUS-Staaten zuständig gewesen. Das Oberlandesgericht Wien habe als Kartellgericht u.a. gegen die X GmbH wegen kartellrechtswidriger Absprachen betreffend den übergeordneten Markt für Güterverkehrs- und Logistikdienstleistungen, speziell im Bereich grenzüberschreitender Transportlogistik, eine Geldbuße in Höhe von 2.000.000 € verhängt. Die X GmbH habe dem Mitbeteiligten vorgeworfen, für diese kartellrechtswidrige Verhaltensweise mitverantwortlich zu sein. Sie habe ihn daher aufgefordert, einen Beitrag in Höhe von insgesamt 25.000 € zur Schadenswiedergutmachung zu leisten, wobei eine Zahlung in Raten von jeweils 1.000 € pro Monat, beginnend mit , vereinbart worden sei. Darüber sei zwischen der X GmbH und dem Mitbeteiligten ein Vergleich geschlossen worden. Mit Zahlung der ersten Rate am sei der Vergleich rechtsgültig geworden.

5 In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Bundesfinanzgericht aus, Schadenersatzleistungen seien dann als Werbungskosten abzugsfähig, wenn die Ersatzpflicht durch das Dienstverhältnis veranlasst sei. Die Annahme des Vergleichsanbotes bzw. die daraus resultierende Zahlung an die X GmbH beruhten nach dem Akteninhalt auf der Tatsache, dass über die X GmbH wegen kartellrechtswidriger Absprachen eine Geldbuße verhängt worden sei und dass dem Mitbeteiligten als ehemaligem, für die Transporte der Stahlrohre zuständigem Mitarbeiter eine Mitverantwortung für dieses Verhalten vorgeworfen worden sei. Insofern sei von einem erwerbsbezogenen Veranlassungszusammenhang zwischen der mit der X GmbH als ehemaliger Arbeitgeberin vereinbarten Vergleichszahlung und der ehemaligen Erwerbstätigkeit des Mitbeteiligten auszugehen. Auf Basis des Verfahrensergebnisses stelle sich die Sachlage für das Bundesfinanzgericht so dar, dass die X GmbH wegen der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegen ihren ehemaligen Dienstnehmer an diesen herangetreten sei, ihn aufgefordert habe, einen Beitrag zur Schadenswiedergutmachung zu leisten, und dass schließlich der Mitbeteiligte zur Vermeidung eines gerichtlichen Verfahrens (mit möglicherweise höheren Schadenersatzforderungen) und des damit verbundenen Prozessrisikos dem von der X GmbH angebotenen Vergleich zugestimmt habe. Dementsprechend sei davon auszugehen, dass es sich bei den monatlichen Zahlungen von 1.000 € an die frühere Arbeitgeberin dem Grunde nach um eine Vergleichszahlung zur Abwehr eines drohenden Zivilprozesses auf Schadenersatz handelte. Die Aktenlage biete keinen Anhaltspunkt dafür, dass sich der Mitbeteiligte aus privaten Gründen bewusst pflichtwidrig verhalten habe. Eine private Veranlassung werde vom Finanzamt auch gar nicht behauptet. Ein allfälliges Fehlverhalten des Mitbeteiligten sei unzweifelhaft durch seine berufliche Sphäre veranlasst gewesen. Seien aber die Schadenersatzleistungen die Folge eines der beruflichen Sphäre zurechenbaren Fehlverhaltens, seien sie als (nachträgliche) Erwerbsaufwendungen absetzbar.

6 Soweit das Finanzamt im Vorlagebericht vertrete, dass ein Kausalzusammenhang zwischen den vom Mitbeteiligten als Werbungskosten erklärten Beträgen und einer Strafe iSd § 20 Abs. 1 Z 5 lit.b EStG 1988 bestehe und dass eine steuerliche Anerkennung beim Revisionswerber die Bestimmungen des § 20 Abs. 1 Z 5 lit. b EStG 1988 und des § 12 Abs. 1 Z 4 lit. b KStG 1988, die ein Abzugsverbot der Geldbuße beim Arbeitgeber normieren, unterlaufen würde, sei dem entgegenzuhalten, dass von den genannten Bestimmungen ausdrücklich nur Strafen und Geldbußen erfasst seien und der in Rede stehenden Vergleichszahlung kein Strafcharakter zukomme. Die Revision wurde für nicht zulässig erklärt.

7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Amtsrevision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, es gebe keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage, ob ein Ersatz einer über ein Unternehmen verhängten Kartellstrafe durch einen Mitarbeiter bei diesem als Werbungskosten abzugsfähig sein könne, obwohl die Strafe selbst dem Abzugsverbot des § 20 EStG 1988 unterliege.

8 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Einleitung des Vorverfahrens, in dem eine Revisionsbeantwortung mit inhaltlichem Vorbringen und Antrag auf Aufwandersatz nicht erstattet wurde, erwogen:

9 Die Revision ist im Sinne des Zulässigkeitsvorbringens zulässig, sie ist aber nicht begründet.

10 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist für die Frage der Abziehbarkeit von Schadenersatzzahlungen als Erwerbsaufwendungen entscheidend, welcher Sphäre das Fehlverhalten zuzuordnen ist (vgl. , mwN). Wird das eine Schadenersatzverpflichtung begründende pflichtwidrige Verhalten aus privaten Gründen gesetzt, sind die Schadenersatzzahlungen nicht als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten absetzbar (vgl. , mwN). Demgegenüber sind Schadenersatzzahlungen als Erwerbsaufwendungen abziehbar, wenn das Fehlverhalten der betrieblichen/beruflichen Sphäre zuzurechnen ist (vgl. ; , 95/13/0288, VwSlg. 7618/F). Für die Frage der Abziehbarkeit von Schadenersatzzahlungen als Erwerbsaufwendungen ist demnach entscheidend, ob das Fehlverhalten der betrieblichen/beruflichen Sphäre zuzuordnen ist oder es als private Verhaltenskomponente das Band zur betrieblichen/beruflichen Veranlassung durchschneidet (vgl. ). Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Schadenersatzzahlung aus einem rechtswidrigen Verhalten des Steuerpflichtigen resultiert (vgl. , VwSlg. 8640/F, mwN).

11 Das Finanzamt bringt zutreffend vor, dass den bisherigen Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes keine Sachverhalte zugrunde lagen, bei denen der zu ersetzende Aufwand beim Empfänger steuerlich nicht abzugsfähig war. Das Finanzamt stützt sich in der Zulässigkeitsbegründung nun darauf, dass ein Werbungskostenabzug deshalb zu versagen sei, weil ein Kausalzusammenhang zwischen der Schadenersatzzahlung und der bei der X GmbH nicht abzugsfähigen Kartellstrafe bestehe.

12 Dieses Vorbringen führt die Revision allerdings nicht zum Erfolg. Gemäß § 20 Abs. 1 Z 5 lit b EStG 1988 unterliegen Strafen und Geldbußen, die u.a. von Gerichten verhängt werden, einem Abzugsverbot. Eine Schadenersatzzahlung, die ein Dienstnehmer für ein Verhalten leisten muss, das zu einer Verhängung einer gerichtlichen Strafe beim Arbeitgeber führt, stellt keine Strafe im Sinne des § 20 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 dar. Derartige Aufwendungen fallen daher schon begrifflich nicht unter das Abzugsverbot. Der Kausalzusammenhang der Schadenersatzzahlung mit der Kartellstrafe bewirkt auch nicht, dass die Wiedergutmachungsleistungen des Mitbeteiligten mit der dem Unternehmen auferlegten Kartellstrafe gleichzusetzen wären und aus diesem Grund unter das Abzugsverbot subsumiert werden könnten. Es handelt sich dabei nämlich lediglich um einen - gegebenenfalls gerichtlich durchsetzbaren - Ersatz für Schäden, die der Mitbeteiligte seiner ehemaligen Arbeitgeberin zugefügt hat.

13 Soweit die Revision in ihren Ausführungen vorbringt, dass der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung verletzt würde, wenn der Mitbeteiligte die Schadenersatzzahlung abziehen könnte, weil dadurch ein Teil der Kartellstrafe im Ergebnis steuerlich anerkannt werden würde und damit zu Lasten der Allgemeinheit abzugsfähig wäre, ist darauf zu verweisen, dass die Zahlung des Mitbeteiligten bei der X GmbH steuerpflichtig ist (vgl. ) und es daher im Ergebnis nicht dazu kommt, dass dieser Teil der Kartellstrafe mittelbar steuerlich wirksam wird.

14 Das Bundesfinanzgericht hat festgestellt, dass im Revisionsfall ein erwerbsbezogener Veranlassungszusammenhang zwischen der Vergleichszahlung und der ehemaligen Erwerbstätigkeit des Mitbeteiligten vorliegt. Die Amtsrevision ist dieser Feststellung nicht entgegengetreten. Die Aufwendungen sind daher im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Schadenersatzzahlungen abzugsfähig.

15 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

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Normen
EStG 1988 §16
EStG 1988 §16 Abs1
EStG 1988 §20 Abs1 Z5 litb
EStG 1988 §4 Abs4
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019130062.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
FAAAF-45110