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VwGH 29.03.2021, Ra 2019/13/0050

VwGH 29.03.2021, Ra 2019/13/0050

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
BAO §24 Abs1 litd
EStG 1988 §124b Z151
EStG 1988 §3 Abs1 Z15 litc
RS 1
Gemäß § 3 Abs. 1 Z 15 lit. c EStG 1988 idF vor BGBl. I Nr. 105/2017 war der Vorteil aus der Ausübung von nicht übertragbaren Optionen auf den verbilligten Erwerb von Kapitalanteilen (Beteiligungen) am Unternehmen des Arbeitgebers oder an mit diesem verbundenen Unternehmen, die vor dem eingeräumt wurden (vgl. § 124b Z 151 EStG 1988), bei Erfüllung gewisser Voraussetzungen steuerfrei. Für die Anwendung der Steuerbefreiung ist erforderlich, dass es auch tatsächlich zu einem Erwerb der Kapitalanteile kommt, weil nach dem Gesetzeswortlaut nur die Ausübung einer Option auf den Erwerb von Kapitalanteilen steuerbegünstigt ist; wird lediglich der Differenzbetrag zwischen Verkehrswert der Kapitalanteile im Ausübungszeitpunkt und dem Ausübungspreis gezahlt, ohne dass es zu einem tatsächlichen Erwerb der Kapitalanteile kommt, ist die Steuerbegünstigung nicht anwendbar (vgl. Haunold, SWK 3/2001, 60; Damböck, ÖStZ 2001/211, 119; Brugger, ecolex 2008/285, 769). Für die Anwendbarkeit des § 3 Abs. 1 Z 15 lit. c EStG 1988 kommt es daher darauf an, ob der Arbeitnehmer die Aktien aufgrund der Ausübung der Option tatsächlich erworben und diese kurz darauf wieder verkauft hat. Ein derartiger Erwerb setzt voraus, dass seitens des Arbeitgebers in diesem Zusammenhang eine Abgabe von Aktien erfolgt ist, an denen der Arbeitnehmer (wirtschaftliches) Eigentum erlangt hat.
Normen
BAO §115
BAO §183
BAO §280 Abs1 lite
BAO §93 Abs3 lita
RS 2
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat das Verwaltungsgericht neben der Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhalts erforderlichen Beweise auch die Pflicht, auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhalts von Bedeutung sein kann, einzugehen. Das Verwaltungsgericht darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. etwa bis 0779, mwN).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer und den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des Dr. W in M, vertreten durch die SOT Süd-Ost Treuhand Libertas Intercount Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung Ges.m.b.H. in 1010 Wien, Wildpretmarkt 2-4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7105511/2014, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2012, zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Ein Aufwandersatz findet nicht statt.

Begründung

1 Dem Revisionswerber wurden von seinem Arbeitgeber in den Jahren 2003 und 2006 Optionen auf den Erwerb von Beteiligungen eingeräumt. Die Optionen wurden am ausgeübt. Der Arbeitgeber unterzog den Vorteil aus der Optionsausübung der Besteuerung mit dem Tarif.

2 Gegen den Einkommensteuerbescheid 2012 erhob der Revisionswerber eine nunmehr als Beschwerde zu behandelnde Berufung mit der Begründung, dass die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit Vorteile aus Optionsausübungen seien, auf die die Befreiung gemäß § 3 Abs. 1 Z 15 lit. c EStG 1988 Anwendung finde. Dies sei bei der Abrechnung und Auszahlung durch den Arbeitgeber nicht berücksichtigt worden.

3 Auf Anfrage des Finanzamtes gab der Arbeitgeber an, der Gewinn aus der Optionsausübung sei als geldwerter Vorteil aus dem früheren Dienstverhältnis gemäß § 67 Abs. 10 EStG 1988 versteuert worden. Der Revisionswerber habe von den den Mitarbeitern zur Verfügung stehenden Ausübungsvarianten „Exercise & Sell“ sowie „Exercise & Hold“ die Ausübungsart „Exercise & Sell“ gewählt.

4 Weiters führte der Arbeitgeber aus, dass in Hinblick darauf, dass die nicht übertragbaren Optionen nicht allen, sondern individuell vom Unternehmen ausgewählten Mitarbeitern eingeräumt worden seien, die Steuerbegünstigung gemäß § 3 Abs. 1 Z 15 lit. c EStG 1988 wegen Nichterfüllung der Kriterien nicht berücksichtigt worden sei.

5 Das Finanzamt erließ eine abweisende Beschwerdevorentscheidung, in der es die Steuerfreiheit der Vorteile aus der Optionsausübung verneinte, weil keine Aktien erworben worden seien, sondern lediglich eine Barauszahlung des Differenzbetrages erfolgt sei. Darüber hinaus sei ein weiteres Erfordernis, nämlich die Vorteilsgewährung an alle Arbeitnehmer oder bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern, nicht erfüllt. Die übertragbaren Optionen seien nämlich individuell vom Unternehmen ausgewählten Mitarbeitern eingeräumt worden.

6 Im Vorlageantrag brachte der Revisionswerber vor, das Gesetz verlange für die Steuerfreiheit keinesfalls den Erwerb von Aktien oder sonstigen Wertpapieren als Bedingung, vielmehr umfasse die Begünstigung Optionen auf den Erwerb jeglicher Art von Beteiligungen. In der Beschwerde wurde weiters ausgeführt, dass mit der vom Revisionswerber gewählten Variante „Exercise & Sell“ bei der Optionsausübung Anteile erworben würden, die aber unmittelbar danach wiederum verkauft würden. Zudem bestritt der Revisionswerber, dass die Optionseinräumung an keine durch betriebsbezogene Merkmale bestimmte Gruppe von Arbeitnehmern im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 15 lit. c EStG 1988 erfolgt sei, vielmehr seien für die Zuordnung zu dieser Gruppe allein die fachlichen Kompetenzen und die betrieblichen Leistungen maßgeblich gewesen.

7 Über Vorhalt der Stellungnahme des Finanzamtes, wonach die Steuerbegünstigung nur dann zur Anwendung kommen könne, wenn Beteiligungen auch erworben worden seien, führte der Revisionswerber aus, durch die Ausübung der Stock Options sei es im ersten Schritt zum Erwerb und im zweiten Schritt zur Veräußerung der Aktien gekommen. Dies sei aus den Unterlagen und den zur Verfügung gestellten Informationen ersichtlich. Der Revisionswerber legte dem Bundesfinanzgericht auch diverse Transaktionsbestätigungen für das Jahr 2012 vor.

8 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab und erklärte die Revision für nicht zulässig. Nach Wiedergabe des Verfahrensganges stellte das Bundesfinanzgericht fest, dass der Revisionswerber die Variante „Exercise & Sell“ gewählt habe und dadurch keine Kapitalanteile erworben worden seien. Aufgrund des Schreibens des steuerlichen Vertreters sei die Tatsache, dass der Revisionswerber im Jahr 2012 zwei Optionen ausgeübt habe und es zur bloßen Auszahlung des Differenzbetrages gekommen sei, nachgewiesen. Eine der unabdingbaren Voraussetzungen für die Anwendung der Begünstigung nach § 3 Abs. 1 Z 15 lit. c EStG 1988 sei, dass sich die Option auf den Erwerb von Kapitalanteilen beziehe. Die Kapitalanteile müssten infolge der Optionsausübung auch tatsächlich erworben werden. Wenn es nicht zu einem Erwerb von Anteilen, sondern bloß zur Auszahlung des Differenzbetrages zwischen dem Verkehrswert und dem Basispreis der Anteile komme, seien die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Steuerbegünstigung nicht erfüllt. Diesfalls bestehe der Vorteil, den der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zuwende, nicht in einem auf einer Optionsausübung beruhenden Erwerb von Beteiligungen, sondern in der Auszahlung eines Geldbetrages in Höhe der Kursdifferenz. Der Finanzdirektor des Arbeitgebers habe die Variante „Exercise & Sell“ so beschrieben, dass sie ohne Einsatz eigener Geldmittel erfolge. Der Mitarbeiter erhalte den Bruttogewinn (Differenz zwischen Options- und aktuellem Marktpreis der Aktie), der Optionswert fließe automatisch an den Konzern zurück; der Bruttogewinn aus der Transaktion werde als Vorteil aus dem Dienstverhältnis steuerpflichtig. Bei dieser Sachlage könne dahingestellt bleiben, ob alle Kriterien des § 3 Abs. 1 Z 15 lit. c EStG 1988 erfüllt worden seien.

9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, das Bundesfinanzgericht habe verkannt, dass durch die Optionsausübung zum Aktien tatsächlich erworben worden und für sehr kurze Zeit auch vom Revisionswerber gehalten worden seien. Es sei mit Nachweisen belegt worden, dass der Revisionswerber tatsächlich Aktien bei der Optionsausübung erworben habe. Das Bundesfinanzgericht habe ein von ihm als wesentlich angenommenes Sachverhaltselement entgegen den vorliegenden Nachweisen und entgegen dem Vorbringen des Revisionswerbers beurteilt.

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Einleitung des Vorverfahrens, in dem keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde, erwogen:

11 Die Revision ist zulässig und begründet.

12 Gemäß § 3 Abs. 1 Z 15 lit. c EStG 1988 idF vor BGBl. I Nr. 105/2017 war der Vorteil aus der Ausübung von nicht übertragbaren Optionen auf den verbilligten Erwerb von Kapitalanteilen (Beteiligungen) am Unternehmen des Arbeitgebers oder an mit diesem verbundenen Unternehmen, die vor dem eingeräumt wurden (vgl. § 124b Z 151 EStG 1988), bei Erfüllung gewisser Voraussetzungen steuerfrei.

13 Für die Anwendung der Steuerbefreiung ist erforderlich, dass es auch tatsächlich zu einem Erwerb der Kapitalanteile kommt, weil nach dem Gesetzeswortlaut nur die Ausübung einer Option auf den Erwerb von Kapitalanteilen steuerbegünstigt ist; wird lediglich der Differenzbetrag zwischen Verkehrswert der Kapitalanteile im Ausübungszeitpunkt und dem Ausübungspreis gezahlt, ohne dass es zu einem tatsächlichen Erwerb der Kapitalanteile kommt, ist die Steuerbegünstigung nicht anwendbar (vgl. Haunold, SWK 3/2001, 60; Damböck, ÖStZ 2001/211, 119; Brugger, ecolex 2008/285, 769).

14 Für die Anwendbarkeit des § 3 Abs. 1 Z 15 lit. c EStG 1988 im Revisionsfall kommt es daher darauf an, ob der Revisionswerber die Aktien aufgrund der Ausübung der Option tatsächlich erworben und diese kurz darauf wieder verkauft hat. Ein derartiger Erwerb setzt voraus, dass seitens des Arbeitgebers in diesem Zusammenhang eine Abgabe von Aktien erfolgt ist, an denen der Revisionswerber (wirtschaftliches) Eigentum erlangt hat.

15 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat das Verwaltungsgericht neben der Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhalts erforderlichen Beweise auch die Pflicht, auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhalts von Bedeutung sein kann, einzugehen. Das Verwaltungsgericht darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. etwa bis 0779, mwN).

16 Der Revisionswerber hat im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht vorgebracht, dass er im Rahmen der Ausübungsart „Exercise & Sell“ Aktien erworben habe, und Transaktionsbestätigungen über die Optionsausübung vorgelegt. Das Bundesfinanzgericht hat sich demgegenüber auf die Aussage des Finanzdirektors des Arbeitgebers gestützt und daraus geschlossen, dass es zu keinem Erwerb der Aktien gekommen sei. Auch wenn die Beschreibung der Ausübungsart „Exercise & Sell“ dahingehend, dass der Revisionswerber den Bruttogewinn (Differenz zwischen Ausübungspreis und aktuellem Marktpreis der Aktie) erhält, ein Indiz dafür sein kann, dass es zu keinem Erwerb der Aktien gekommen ist, hat sich das Bundesfinanzgericht nicht mit den vorgelegten Transaktionsbestätigungen auseinandergesetzt und dazu keine Feststellungen getroffen. Damit hat es wesentliches Parteivorbringen begründungslos übergangen und sein Erkenntnis mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Das vorliegende Erkenntnis entzieht sich sohin auch der nachprüfenden Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes, ob die Steuerbegünstigung zustand.

17 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

18 Ein Ausspruch über den Aufwandersatz unterbleibt, weil ein solcher in der Revision nicht beantragt wurde.

Wien, am

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Normen
BAO §115
BAO §183
BAO §24 Abs1 litd
BAO §280 Abs1 lite
BAO §93 Abs3 lita
EStG 1988 §124b Z151
EStG 1988 §3 Abs1 Z15 litc
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019130050.L00
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Fundstelle(n):
YAAAF-45108