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VwGH 28.04.2021, Ra 2018/16/0022

VwGH 28.04.2021, Ra 2018/16/0022

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssatz


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Norm
FamLAG 1967 §2 Abs1 litc
RS 1
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann eine zu einer Erwerbsunfähigkeit führende geistige oder körperliche Behinderung Folge einer Krankheit sein, die schon seit längerem vorliegt. Erst wenn diese Krankheit zu einer derart erheblichen Behinderung führt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt, ist der Tatbestand des § 2 Abs. 1 lit. c FLAG erfüllt. Mithin kommt es weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend)einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt (vgl. , , 2013/16/0170, und , Ra 2014/16/0010, VwSlg 8598 F/2014).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mairinger und den Hofrat Dr. Thoma sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision der V R in I, vertreten durch Dr. Harald Vill, Dr. Helfried Penz und Mag. Christoph Rupp, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Anichstraße 5a, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/3100528/2017, betreffend Familienbeihilfe samt Erhöhungsbetrag ab Mai 2016 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: nunmehr Finanzamt Österreich), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 553,20 € binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht den Antrag der Revisionswerberin ab, ihr Familienbeihilfe samt Erhöhungsbetrag für ihren 1989 geborenen Sohn ab Mai 2016 zu gewähren. Weiters sprach das Bundesfinanzgericht aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

2 Der Revisionswerberin sei auf Grund ihres im Jahr 2010 gestellten Antrags rückwirkend ab September 2006 Familienbeihilfe samt Erhöhungsbetrag für ihren Sohn gewährt worden, weil dieser (damals noch Minderjährige) einem Gutachten vom zufolge erheblich behindert gewesen sei und der Grad der Behinderung 50 vH betragen habe. Die Revisionswerberin habe die Familienbeihilfe samt Erhöhungsbetrag sodann durchgehend bis Jänner 2016 bezogen. Mit der Inhaftierung des Sohns der Revisionswerberin sei die Auszahlung der Familienbeihilfe ab Februar 2016 wegen dessen Verbüßung einer Haftstrafe eingestellt worden.

3 Mit Eingabe vom habe die Revisionswerberin beantragt, ihr ab Mai 2016 Familienbeihilfe samt Erhöhungsbetrag für ihren Sohn ab dessen Haftentlassung zu gewähren.

4 Diesen Antrag habe das Finanzamt mit Bescheid vom abgewiesen, weil einem aktuellen Gutachten zufolge der Grad der Behinderung des Sohns der Revisionswerberin 40 vH betrage und keine dauernde Erwerbsunfähigkeit bestehe.

5 Dagegen habe die Revisionswerberin Beschwerde erhoben, worauf ein sodann eingeholtes weiteres Gutachten vom neben einer drogeninduzierten Psychose eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung diagnostiziert und festgestellt habe, ab Dezember 2015 betrage der Grad der Behinderung des Sohns der Revisionswerberin 80 vH, davor 50 vH; dieser Grad könne bei entsprechender Behandlung deutlich sinken und der Sohn der Revisionswerberin sei voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

6 Das Finanzamt habe mit Beschwerdevorentscheidung vom die Beschwerde abgewiesen, weil der Eintritt der dauernden Erwerbsunfähigkeit nicht vor Vollendung des 21. Lebensjahres erfolgt sei.

7 Den von der Revisionswerberin dagegen gestellten Vorlageantrag samt von der Revisionswerberin neu beigebrachten Unterlagen habe das Finanzamt dem Bundesfinanzgericht vorgelegt. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, welches das Bundesfinanzgericht um Aufklärung ersucht habe, habe mitgeteilt, aus diesen Unterlagen gehe hervor, dass die in Rede stehende dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, auf Grund einer Psychose zu diagnostizieren sei, welche sich - „auch laut dem neuen Bericht“ - vor zwei Jahren offensichtlich auf Grund des jahrelangen und massiven Suchtmittelmissbrauchs entwickelt habe. Ein Vorliegen einer „Erwerbsunfähigkeit“ vor Vollendung des 21. Lebensjahres des Sohns der Revisionswerberin sei durch keine Befunde belegt.

8 Das Bundesfinanzgericht hielt in der Begründung seines Erkenntnisses fest, dass der Bezug der Familienbeihilfe samt Erhöhungsbetrag zunächst (ab September 2006) für einen Zeitraum erfolgt sei, zu welchem der Sohn der Revisionswerberin noch minderjährig gewesen sei und wofür lediglich der Grad der Behinderung von zumindest 50 vH entscheidend gewesen sei. Obwohl sich mit Eintritt der Volljährigkeit die Anspruchsvoraussetzungen geändert hätten und für die Weitergewährung der Familienbeihilfe dann die voraussichtliche dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ausschlaggebend gewesen wäre, habe das Finanzamt die Bescheinigung des Bundesamts für Soziales und Behindertenwesen aus dem Jahr 2011 nicht näher hinterfragt, welcher klar zu entnehmen gewesen wäre, dass eine Nachuntersuchung in drei Jahren erforderlich sei und dass die „Erwerbsfähigkeit am freien Arbeitsmarkt“ nur „derzeit“ (im Zeitpunkt der Erstellung der Bescheinigung) nicht gegeben sei.

9 Die erwähnten Gutachten aus den Jahren 2011 und 2016 hätten auf einer Diagnose der Polytoxikomanie beruht, erst die von der Revisionswerberin vorgelegten Unterlagen und das Gutachten aus dem Jahr 2017 ließen eine sich „vor zwei Jahren“ aus dem massiven jahrelangen Suchtmittelmissbrauch entwickelte Psychose erkennen, welche zur voraussichtlich dauerhaften Erwerbsunfähigkeit geführt habe.

10 Somit halte es das Bundesfinanzgericht für schlüssig, dass der Eintritt der dauernden Unfähigkeit des Sohns der Revisionswerberin, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, jedenfalls nicht vor Vollendung des 21. Lebensjahres des Sohns der Revisionswerberin (für eine Berufsausbildung nach dem 21. Lebensjahr bestünden keine Anhaltspunkte) eingetreten sei.

11 Die dagegen erhobene außerordentliche Revision legte das Bundesfinanzgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.

12 Die Revisionswerberin erachtet sich im Recht auf Gewährung der Familienbeihilfe samt Erhöhungsbetrag verletzt.

13 Der Verwaltungsgerichtshof leitete das Vorverfahren ein (§ 36 VwGG); das damalige Finanzamt Innsbruck reichte mit Schriftsatz vom eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag auf Zuerkennung von Aufwandersatz ein.

14 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

15 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein derartiger Beschluss ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen (§ 34 Abs. 3 VwGG).

16 Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden und hat er diese Zulässigkeit im Rahmen der dafür gemäß § 28 Abs. 3 VwGG in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen.

17 Gemäß § 2 Abs. 1 lit. c des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 (FLAG) haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

18 Die Revisionswerberin trägt zur Zulässigkeit ihrer Revision vor, die eingeholten ärztlichen Gutachten entsprächen nicht den Erfordernissen der näher zitierten Rechtsprechung, Feststellungen über die Art und das Ausmaß des Leidens sowie auch der konkreten Auswirkung der Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit in schlüssiger und damit nachvollziehbarer Weise zu enthalten. Während das Gutachten vom „Erwerbsfähigkeit derzeit gegeben“ vermerke, käme der Sachverständige im Gutachten vom zum Ergebnis, dass der Sohn der Revisionswerberin voraussichtlich dauernd außerstande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Dies sei nach der Mitteilung des Bundesamts für Soziales und Behindertenwesen aufgrund einer Psychose zu diagnostizieren, welche sich vor zwei Jahren entwickelt habe. Dies sei nicht nachvollziehbar, als bereits im Gutachten vom die „stationäre Aufnahme von 4.1. bis ; Diagnose: drogenindizierte Psychose bei langjährigem Cannabismissbrauch ...“ angeführt werde. Dennoch gehe der Sachverständige in diesem Gutachten davon aus, dass die Erwerbsfähigkeit gegeben sei.

19 Im Revisionsfall ist entscheidend, ob die vom Bundesfinanzgericht aufgrund des jüngsten der erwähnten Gutachten angenommenen Unfähigkeit des Sohns der Revisionswerberin, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, schon vor dessen Vollendung des 21. Lebensjahres im Februar 2010 eingetreten ist.

20 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, auf welche in der Revisionsbeantwortung zutreffend hingewiesen wird, kann eine zu einer solchen Erwerbsunfähigkeit führende geistige oder körperliche Behinderung Folge einer Krankheit sein, die schon seit längerem vorliegt. Erst wenn diese Krankheit zu einer derart erheblichen Behinderung führt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt, ist der Tatbestand des § 2 Abs. 1 lit. c FLAG erfüllt. Mithin kommt es weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend)einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt (vgl. , , 2013/16/0170, und , Ra 2014/16/0010, VwSlg 8598/F).

21 Vor diesem Hintergrund zeigt die Revisionswerberin in der Zulässigkeitsbegründung ihrer Revision nicht auf, dass das Bundesfinanzgericht zum Ergebnis hätte kommen müssen, der Eintritt der im Revisionsfall ohnehin zugestandenen Erwerbsunfähigkeit des Sohns der Revisionswerberin wäre vor Vollendung dessen 21. Lebensjahres erfolgt. Eine Unschlüssigkeit seiner Begründung ist dem Bundesfinanzgericht nicht vorzuwerfen, wenn es das Gutachten vom samt Mitteilung des Bundesamts für Soziales und Behindertenwesen dazu heranzieht, welches als Folge einer Psychose eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit einräumt, während das Gutachten vom eine Psychose diagnostiziert und noch keine Erwerbsunfähigkeit angenommen haben mag.

22 Somit wirft die Revisionswerberin keine Rechtsfragen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf.

23 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

24 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff, insbesondere auf § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

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Norm
FamLAG 1967 §2 Abs1 litc
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2018160022.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
LAAAF-45053