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VwGH 24.03.2021, Ra 2018/13/0062

VwGH 24.03.2021, Ra 2018/13/0062

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
AuslBG §28a Abs2
AVG §8
RS 1
§ 28a Abs. 2 AuslBG dient der Sicherung der Kontroll- und Sanktionsmaßnahmen gegen Verletzungen der Vorschriften des AuslBG. Aus dieser Bestimmung kann jedoch nicht die Möglichkeit der Organpartei zur Einflussnahme auf den weiteren Gang des Verfahrens abgeleitet werden (vgl. E , 2003/09/0158). Die Verwaltungsstrafbehörden sind an den Antrag der Abgabenbehörde auch nicht gebunden. Das Verwaltungsstrafverfahren ist kein Anklageprozess. (Hier: Dass die Strafanzeige an die Erstbehörde am durch die (gemäß § 28a Abs. 2 AuslBG idF BGBl. I Nr. 68/2002 lediglich bis zum zuständige) Zollbehörde, nicht jedoch durch die gemäß § 28a Abs. 2 AuslBG in der ab anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 103/2005 zuständige Abgabenbehörde erfolgt ist, verletzte den Bf nicht in seinen Rechten.)
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2009/09/0237 E VwSlg 18288 A/2011 RS 2 (hier nur erster und zweiter Satz)
Normen
BFGG 2014 §1 Abs3 Z2
BFGG 2014 §24 Abs1
B-VG Art130 Abs1 Z2
VwRallg
RS 2
Zu den sonstigen Angelegenheiten zählen gemäß § 1 Abs. 3 Z 2 BFGG (eingefügt mit dem 2. Abgabenänderungsgesetz 2014, BGBl. I Nr. 105/2014) u.a. Entscheidungen über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG gegen Abgabenbehörden des Bundes (oder das Amt für Betrugsbekämpfung), soweit nicht Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben oder Beiträge betroffen sind. Nach § 24 Abs. 1 vierter Satz BFGG ist für Beschwerden nach § 1 Abs. 3 Z 2 BFGG das Verfahren im VwGVG geregelt. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (360 BlgNR 25. GP 24) stelle diese neue Z 2 sicher, dass für Maßnahmenbeschwerden gegen Amtshandlungen von Abgabenbehörden in Angelegenheiten finanzpolizeilicher Befugnisse auch dann das Bundesfinanzgericht zuständig ist, wenn die Angelegenheit keine Abgaben, sondern "ordnungspolitische Maßnahmen (zB nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, Glücksspielgesetz)" betreffe.
Norm
AVG §17 Abs1
RS 3
Das Recht zur Akteneinsicht steht nur den Parteien zu, die an einem bestimmten Verwaltungsverfahren beteiligt sind (vgl. ; , 2007/02/0325, VwSlg 17415 A/2008; , 2009/04/0104 bis 0106; , Ra 2017/04/0048). Es steht nur gegenüber jener Behörde zu, die ein konkretes Verwaltungsverfahren führt (vgl. ); hierzu zählen auch aufsichtsbehördliche Verfahren (vgl. , VwSlg 17973 A/2010).
Norm
AVG §17 Abs1
RS 4
Damit ein Verfahren als behördliches Verfahren qualifiziert werden kann, in dem gegebenenfalls Akteneinsicht zu gewähren ist, muss es individuelle Verwaltungsakte der Hoheitsverwaltung zum Gegenstand haben (vgl. ; , Ra 2019/12/0065). Ausgeschlossen sind demnach etwa Akte, die der Privatwirtschaftsverwaltung zuzuordnen sind (vgl. , VwSlg 18446 A/2012). Auch Schritte, die lediglich die Einleitung eines behördlichen Verfahrens (durch eine andere Behörde) anregen sollen (vgl. ), können eine Akteneinsicht nicht begründen. Ein Verfahren, welches der Behörde Sachverhaltsgrundlagen zur Prüfung der Frage liefern soll, ob bescheidförmige Maßnahmen zu setzen sind oder aber ob solche zu unterbleiben haben, ist hingegen ein derartiges behördliches Verfahren (vgl. und 0022, VwSlg 17639 A/2009).
Normen
BAO §143
BAO §90 Abs1
RS 5
Aufsichtsmaßnahmen nach § 143 BAO dienen dazu, Informationen darüber zu gewinnen, ob ein Abgabenverfahren einzuleiten, weiterzuführen oder abzuschließen ist (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, § 143, 1598). Diese Maßnahmen erfolgen sohin in einem Verfahren zur Prüfung der Frage, ob bescheidförmige Maßnahmen zu setzen sind. Schon damit liegt ein behördliches Verfahren vor, zu dem (an sich) Akteneinsicht zu gewähren ist.
Normen
AVG §17 Abs1
AVG §17 Abs4
AVG §56
AVG §63 Abs2
BAO §90 Abs1
BAO §90 Abs3
BAO §92
RS 6
Die Verweigerung der Akteneinsicht in einem anhängigen Verfahren kann im Allgemeinen nur mit dem Rechtsmittel gegen den das Verfahren abschließenden Bescheid bekämpft werden (vgl. ). Dieser Grundsatz kommt aber dann nicht zum Tragen, wenn ein die Angelegenheit abschließender Bescheid nicht in Betracht kommt. In solchen Verfahren hat über die Verweigerung der Akteneinsicht ein im Instanzenzug anfechtbarer Bescheid zu ergehen (vgl. z.B. , mwN; , 2003/12/0173; , 2009/17/0153).
Normen
ASVG
AuslBG §26 Abs1
AVG §17
AVG §56
AVG §8
EGVG Art5
Fremdenrechtspaket 2005 Art9
RS 7
Soweit die im hier überprüften Betrieb durchgeführte Kontrollhandlung der Organe der Finanzpolizei der Prüfung der Frage diente, ob etwa Bestimmungen des AuslBG oder des ASVG eingehalten wurden, so handelte es sich hierbei um Nachforschungen oder vorbereitende Anordnungen im Hinblick auf nach diesen Bestimmungen allenfalls zu führende Verfahren anderer Behörden. Insoweit waren von der Abgabenbehörde keine Bescheide zu erlassen, die Abgabenbehörde hatte vielmehr gegebenenfalls Anzeige an die zuständige Behörde (Verwaltungsstrafbehörde) zu erstatten. Es entspricht der Rechtsprechung des VwGH (zum damaligen Artikel V EGVG; vgl. Artikel 9 des Fremdenrechtspakets 2005, BGBl. I Nr. 100, und dazu die Erläuterungen zur Regierungsvorlage 952 BlgNR 22. GP 154, wonach Artikel V EGVG im Hinblick auf die Neuregelung des strafprozessualen Vorverfahrens durch das Strafprozessreformgesetz, BGBl. I Nr. 19/2004, gegenstandslos geworden ist), dass auch im Verfahren über derartige Nachforschungen und vorbereitende Anordnungen (dort: im Dienste der Strafjustiz) über die Verweigerung der Akteneinsicht ein anfechtbarer Bescheid zu ergehen hat (vgl. ; , 2005/05/0022, VwSlg 16562 A/2005; vgl. auch - zu Akteneinsichtsbegehren von Zulassungsbesitzern in Aufforderungsverfahren nach § 103 Abs. 2 KFG 1967 - , mwN). Die vorliegende Kontrollhandlung ist eine den Kontrollierten individuell betreffende Maßnahme der Hoheitsverwaltung, die allenfalls zu einer Anzeige an eine andere Behörde führt (bei einer derartigen Anzeige handelt es sich um keinen Bescheid; vgl. , VwSlg 5988 F/1985). Über ein Begehren des von einer derartigen hoheitlichen Kontrollhandlung individuell Betroffenen auf Einsicht in die im Zusammenhang mit dieser Kontrollhandlung bei der Behörde vorliegenden Aktenbestandteile ist mit Bescheid zu entscheiden (anderes gilt etwa bei fehlender Parteistellung im aufsichtsbehördlichen Verfahren; vgl. ).
Normen
AVG §17
BAO §143
BAO §90
RS 8
Soweit es sich um Aktenbestandteile handelt, die sich (nur) aus Erhebungen im Zusammenhang mit § 143 BAO ergeben, wird das Begehren auf Akteneinsicht nach § 90 BAO zu beurteilen sein. Hiebei ist zu berücksichtigen, dass es auf ein gesondertes abgabenrechtliches Interesse der Partei nicht ankommt. Rein interne Dokumente sind hingegen von der Akteneinsicht auszunehmen (vgl. , mwN). Im Übrigen wird das Akteneinsichtsbegehren nach § 17 AVG zu beurteilen sein. (Hier Vornahme einer auf das AuslBG, das ASVG, § 366 Abs. 1 GewO 1994, das AlVG 1977 sowie § 143 BAO gestützten Kontrollhandlung durch Organe der Finanzpolizei.)

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des T in I, vertreten durch Dr. Paul Delazer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 2/1, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/3100581/2017, betreffend Antrag auf Akteneinsicht, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Erkenntnis wird dahin abgeändert, dass es lautet:

Der Bescheid des Finanzamts vom wird aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Eingabe vom , gerichtet an die belangte Behörde, beantragte der Revisionswerber, ihm „Akteneinsicht zu gewähren, und zwar bezogen auf alle Unterlagen, die die Amtshandlung ‚Kontrolle um 20.05 Uhr‘ betreffend [Objekt, Anschrift, Revisionswerber]“ betreffen.

2 Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde diesen Antrag zurück. In der Begründung wurde ausgeführt, die Kontrollhandlung am sei nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), dem ASVG, § 366 Abs. 1 Gewerbeordnung, dem Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG) und § 143 BAO durch Organe der Finanzpolizei erfolgt. Aus dieser Kontrollhandlung habe eine Strafanzeige wegen einer Übertretung des AuslBG resultiert. Abgabenrechtliche Konsequenzen aus dieser Kontrollhandlung seien nicht aktenkundig. Da es sich bei der Kontrollhandlung um eine „ordnungspolitische Maßnahme“ gehandelt habe, sei für das Verfahren - und damit auch für die Akteneinsicht - die Bezirkshauptmannschaft X und nicht das Finanzamt X (belangte Behörde) zuständig. Aktenführende Behörde sei die Bezirkshauptmannschaft X. Der Antrag auf Akteneinsicht an das Finanzamt X sei daher als unzulässig zurückzuweisen gewesen. Hingewiesen werde noch darauf, dass der Antrag auf Akteneinsicht, hätte dieser ein Abgabenverfahren betroffen, abzuweisen gewesen wäre, weil das für eine Akteneinsicht notwendige abgabenrechtliche Interesse im Antrag nicht dargelegt worden sei (§ 90 BAO).

3 Der Revisionswerber erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Er machte u.a. geltend, dass ein abgabenrechtliches Interesse gegeben sei. Hätte sich bei der Kontrolle ergeben, dass ein Beschäftigungsverhältnis vorliege, wäre der Revisionswerber als Arbeitgeber in Betracht gekommen; er hätte für dieses Dienstverhältnis auch Abgaben zu zahlen gehabt. Darauf komme es aber vorerst nicht an, weil zunächst ein Verfahren nach dem AuslBG eingeleitet worden sei, welches nach dem AVG bzw. dem VStG geführt werde. Die Finanzpolizei habe Strafanzeige wegen Übertretung des AuslBG eingebracht. Das Akteneinsichtsrecht nach § 17 AVG müsse sich auch auf jenen Teil des Verfahrens beziehen, der bei der Finanzpolizei geführt werde, und nicht nur auf jenen, der bei der Bezirksverwaltungsbehörde geführt werde. Wie sich aus den Verfahren anderer geprüfter Arbeitgeber ergeben habe, lege die Finanzpolizei bei ihrer Anzeigeerstattung an die Strafbehörde nicht immer den vollständigen Akt vor, sondern halte zunächst Aktenteile zurück. Erst dann, wenn der Angezeigte im dortigen Verfahren seinerseits konkrete Behauptungen aufstelle und Beweismittel vorlege, versuche die Finanzpolizei mitunter, manche ihrer zunächst zurückgehaltenen Beweismittel zur Widerlegung der Angaben des Beschuldigten vorzulegen. Aus diesem Grund sei eine Akteneinsicht auch bei der Finanzpolizei zur Wahrung des rechtlichen Gehörs geboten.

4 Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Es führte insbesondere aus, die Finanzpolizei sei keine selbständige Behörde, sondern ein Organ, welches für die jeweiligen Verwaltungsbehörden (Abgabenbehörden, Bezirksverwaltungsbehörden) tätig werde. Aktenführende Behörde sei aufgrund der Zuständigkeit nach dem AuslBG die Bezirksverwaltungsbehörde. Das Verfahren werde daher von dieser geführt; Gesuche um Akteneinsicht seien an die zuständige Behörde zu richten. Der Abgabenbehörde komme in jenem Verfahren lediglich Parteistellung zu.

5 Der Revisionswerber beantragte, die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorzulegen.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

7 Nach Schilderung des Verfahrensgeschehens führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, Organe der Finanzpolizei hätten am im Betrieb des Revisionswerbers (einer Pizzeria) eine Kontrolle nach dem AuslBG, dem ASVG, § 366 Abs. 1 GewO und § 143 BAO durchgeführt. Das als „Information über die durchgeführte Kontrollhandlung“ bezeichnete Schreiben, in dem die Rechtsgrundlagen für die Kontrolle aufgelistet seien, sei von dem im Betrieb anwesenden G nicht übernommen worden. Feststellungen, die zu einem Abgabenverfahren geführt hätten, seien im Rahmen der Amtshandlung nicht getroffen worden. In Bezug auf das AuslBG seien keine Personen angetroffen worden, die den Kontrollorganen Auskünfte erteilen und Einblick in die Unterlagen hätten gewähren können. Die Finanzpolizei habe daher am bei der Bezirksverwaltungsbehörde eine Anzeige wegen Verletzung der Verpflichtungen nach § 26 Abs. 1 AuslBG erstattet.

8 Mangels Vorliegens eines Abgabenverfahrens im Zusammenhang mit der gegenständlichen Kontrollhandlung scheide eine Akteneinsicht nach § 90 BAO aus.

9 Das Vorbringen, wonach im Falle eines von der Finanzpolizei festgestellten Beschäftigungsverhältnisses der Revisionswerber als Arbeitgeber in Betracht käme und hierfür Abgaben zahlen müsse, gehe ins Leere, da bei der Bezirksverwaltungsbehörde nicht ein illegales Beschäftigungsverhältnis zur Anzeige gebracht worden sei. Dem Revisionswerber werde vielmehr die Verletzung seiner aus § 26 Abs. 1 AuslBG resultierenden Verpflichtungen vorgeworfen. Der Revisionswerber habe auch kein konkretes, sich aus der Kontrollmaßnahme ergebendes Abgabenverfahren benennen können.

10 Nach § 17 Abs. 1 AVG könnten Parteien, soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt sei, bei der Behörde in die ihre Sache betreffenden Akten Einsicht nehmen. Nach § 24 VStG gälten die Bestimmungen über die Akteneinsicht des AVG auch im Verwaltungsstrafverfahren.

11 Die Akteneinsicht setze danach ein Verwaltungsverfahren bei der Behörde, der gegenüber die Einsicht begehrt werde, voraus, in dem der Auskunftswerber Parteistellung habe, also vermöge eines Rechtsanspruchs oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sei.

12 Das den Revisionswerber betreffende Verwaltungsverfahren (Verwaltungsstrafverfahren wegen Nichterfüllung der Verpflichtungen nach § 26 Abs. 1 AuslBG) sei bei der Bezirkshauptmannschaft X geführt worden. Das Recht auf Akteneinsicht könne daher auch nur bei dieser Behörde bzw. bei dem im Instanzenzug befassten Verwaltungsgericht geltend gemacht werden und umfasse auch die Ermittlungsergebnisse der Finanzpolizei. Dass die Finanzpolizei organisatorisch ein Organ der Abgabenbehörde sei, ändere an der im konkreten Fall für die Akteneinsicht zuständigen Behörde nichts.

13 Allfällige Verletzungen von Verfahrensvorschriften und damit auch eine allfällige unvollständige Zurverfügungstellung von Akten und Aktenteilen wären im betreffenden Verwaltungsstrafverfahren bei der Bezirksverwaltungsbehörde geltend zu machen. Ein darüber hinaus gehendes zusätzliches Recht auf Akteneinsicht beim Finanzamt bzw. bei der Finanzpolizei bestehe mangels einer dem § 51 StPO vergleichbaren Regelung im AVG nicht.

14 Die Zurückweisung des Antrags auf Akteneinsicht durch das Finanzamt „wegen Unzuständigkeit“ sei daher zu Recht erfolgt.

15 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision. Zur Zulässigkeit der Revision wird u.a. geltend gemacht, es gebe keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob ein Recht auf Akteneinsicht beim Finanzamt hinsichtlich jener Unterlagen bestehe, die die „Finanzpolizei des Finanzamtes“ im Rahmen einer Kontrolle nach dem AuslBG angelegt habe.

16 Der Verwaltungsgerichtshof hat das Vorverfahren eingeleitet. Das Finanzamt hat sich am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht beteiligt.

17 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

18 Die Revision ist zulässig und begründet.

19 Wie aus der in den vorgelegten Verfahrensakten einliegenden „Information über [die] durchgeführte Kontrollhandlung“ hervorgeht, erfolgte am eine Kontrollhandlung durch die Finanzpolizei für das Finanzamt X. Diese stützte sich auf das AuslBG, das ASVG, § 366 GewO, das AlVG sowie § 143 BAO.

20 Die Finanzpolizei ist (nunmehr: war) eine besondere Organisationseinheit gemäß § 9 Abs. 3 AVOG 2010 (idF vor BGBl. I Nr. 23/2020; vgl. § 10b Abs. 1 AVOG 2010 - DV, idF vor BGBl. II Nr. 579/2020). Bei der Erfüllung ihrer Aufgaben (etwa allgemeine Aufsichtsmaßnahmen gemäß §§ 143 f BAO oder Unterstützungstätigkeiten in Vollziehung des AuslBG; vgl. § 10b Abs. 2 AVOG 2010 - DV) werden die Organe als solche der Abgabenbehörden tätig (§ 9 Abs. 3 AVOG 2010). Nach § 12 Abs. 5 AVOG 2010 können u.a. die zur Aufdeckung einer illegalen Arbeitnehmerbeschäftigung notwendigen Kontroll- und Beweissicherungsmaßnahmen von allen Finanzämtern vorgenommen werden. In diesen Fällen steht jenem Finanzamt, das die Kontroll- und Beweissicherungsmaßnahmen durchgeführt hat, die Parteistellung in den Verwaltungsstrafverfahren zu, wobei sich dieses Finanzamt zur Wahrnehmung der Parteistellung auch durch Organe anderer Abgabenbehörden vertreten lassen kann.

21 § 143 BAO betrifft - nach seiner Überschrift - „allgemeine Aufsichtsmaßnahmen“. Nach § 143 Abs. 1 BAO ist die Abgabenbehörde zur Erfüllung der im § 114 BAO bezeichneten Aufgaben berechtigt, Auskunft über alle für die Erhebung von Abgaben maßgebenden Tatsachen zu verlangen. Die Auskunftspflicht trifft jedermann, auch wenn es sich nicht um seine persönliche Abgabepflicht handelt. Nach § 114 Abs. 1 BAO haben die Abgabenbehörden darauf zu achten, dass alle Abgabepflichtigen nach den Abgabenvorschriften erfasst und gleichmäßig behandelt werden, sowie darüber zu wachen, dass Abgabeneinnahmen nicht zu Unrecht verkürzt werden. Sie haben alles, was für die Bemessung der Abgaben wichtig ist, sorgfältig zu erheben und die Nachrichten darüber zu sammeln, fortlaufend zu ergänzen und auszutauschen.

22 Nach § 26 Abs. 1 AuslBG sind Arbeitgeber u.a. verpflichtet, den Abgabenbehörden (nunmehr: dem Amt für Betrugsbekämpfung) auf deren Verlangen Anzahl und Namen der im Betrieb beschäftigten Ausländer bekanntzugeben. Die Arbeitgeber haben auch die notwendigen Auskünfte zu erteilen und in die erforderlichen Unterlagen Einsicht zu gewähren. Bei Abwesenheit von der Betriebsstätte oder Arbeitsstelle haben sie dafür zu sorgen, dass eine dort anwesende Person den genannten Behörden die erforderlichen Auskünfte erteilt und Einsicht in die erforderlichen Unterlagen gewährt.

23 Gemäß § 28 Abs. 1 Z 2 lit. c AuslBG begeht (sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet) eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen, wer seinen Verpflichtungen gemäß § 26 Abs. 1 AuslBG nicht nachkommt. Nach § 28a Abs. 2 Z 2 AuslBG hat eine Abgabenbehörde (nunmehr: das Amt für Betrugsbekämpfung) an die zuständige Verwaltungsstrafbehörde Strafanzeige zu erstatten, wenn sie eine Übertretung u.a. nach § 28 Abs. 1 Z 2 lit. c AuslBG feststellt, wenn die Übertretung die Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes durch die Abgabenbehörde (das Amt für Betrugsbekämpfung) betrifft. In diesen Verwaltungsstrafverfahren hat die Abgabenbehörde (das Amt für Betrugsbekämpfung) Parteistellung (§ 28a Abs. 1 AuslBG).

24 § 28a Abs. 2 AuslBG dient der Sicherung der Kontroll- und Sanktionsmaßnahmen gegen Verletzungen der Vorschriften des AuslBG. Eine Möglichkeit der Organpartei zur Einflussnahme auf den weiteren Gang des Verfahrens kann daraus aber nicht abgeleitet werden (vgl. z.B. , VwSlg. 18288/A; , 2009/09/0283).

25 Nach § 111a Abs. 1 ASVG haben die Abgabenbehörden des Bundes (oder - nunmehr - das Amt für Betrugsbekämpfung), deren Prüforgane Personen betreten haben, die entgegen § 33 Abs. 1 ASVG nicht vor Arbeitsantritt zur Sozialversicherung angemeldet wurden, in den Verwaltungsstrafverfahren nach § 111 ASVG Parteistellung.

26 Der Revisionswerber beantragte im Hinblick auf die Kontrollhandlung vom Akteneinsicht, wobei im Antrag die Rechtsgrundlage hierfür nicht spezifiziert wurde. In seiner Beschwerde stützte sich der Revisionswerber vorrangig auf § 17 AVG.

27 Nach Artikel I Abs. 2 Z 1 EGVG ist das AVG auf das behördliche Verfahren von Verwaltungsbehörden anzuwenden. Nach Artikel I Abs. 3 Z 1 EGVG sind die Verwaltungsverfahrensgesetze hingegen in den Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben und Beiträge, die von den Abgabenbehörden erhoben werden, nicht anzuwenden.

28 In Übereinstimmung hiermit normiert § 1 Abs. 1 BAO, dass die Bestimmungen der BAO (u.a.) in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind, gelten.

29 Dem Bundesfinanzgericht obliegen Entscheidungen über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 bis 3 B-VG in Rechtssachen in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und Gemeinden) und des Finanzstrafrechts sowie in sonstigen gesetzlich festgelegten Angelegenheiten, soweit die genannten Angelegenheiten unmittelbar von den Abgaben- oder Finanzstrafbehörden des Bundes besorgt werden.

30 Zu den sonstigen Angelegenheiten zählen gemäß § 1 Abs. 3 Z 2 BFGG (eingefügt mit dem 2. Abgabenänderungsgesetz 2014, BGBl. I Nr. 105/2014) u.a. Entscheidungen über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG gegen Abgabenbehörden des Bundes (oder das Amt für Betrugsbekämpfung), soweit nicht Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben oder Beiträge betroffen sind. Nach § 24 Abs. 1 vierter Satz BFGG ist für Beschwerden nach § 1 Abs. 3 Z 2 BFGG das Verfahren im VwGVG geregelt. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (360 BlgNR 25. GP 24) stelle diese neue Z 2 sicher, dass für Maßnahmenbeschwerden gegen Amtshandlungen von Abgabenbehörden in Angelegenheiten finanzpolizeilicher Befugnisse auch dann das Bundesfinanzgericht zuständig ist, wenn die Angelegenheit keine Abgaben, sondern „ordnungspolitische Maßnahmen (zB nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, Glücksspielgesetz)“ betreffe.

31 Auch wenn es sich im vorliegenden Fall nicht um ein Verfahren über eine Maßnahmenbeschwerde handelt, so erfolgt das Begehren auf Akteneinsicht im Hinblick auf eine derartige ordnungspolitische Maßnahme, für die nach der Absicht des Gesetzgebers die Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichts bestehen soll. Die Parteien des Verfahrens und das Bundesfinanzgericht gingen daher zutreffend von der Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichts für die vorliegende Beschwerde aus. Zu beachten ist aber, dass auf das Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht hier die Bestimmungen des VwGVG anzuwenden sind.

32 Das Recht zur Akteneinsicht steht nur den Parteien zu, die an einem bestimmten Verwaltungsverfahren beteiligt sind (vgl. ; , 2007/02/0325, VwSlg. 17415/A; , 2009/04/0104 bis 0106; , Ra 2017/04/0048). Es steht nur gegenüber jener Behörde zu, die ein konkretes Verwaltungsverfahren führt (vgl. ); hierzu zählen auch aufsichtsbehördliche Verfahren (vgl. , VwSlg. 17973/A).

33 Damit ein Verfahren als behördliches Verfahren qualifiziert werden kann, in dem gegebenenfalls Akteneinsicht zu gewähren ist, muss es individuelle Verwaltungsakte der Hoheitsverwaltung zum Gegenstand haben (vgl. ; , Ra 2019/12/0065). Ausgeschlossen sind demnach etwa Akte, die der Privatwirtschaftsverwaltung zuzuordnen sind (vgl. , VwSlg. 18446/A). Auch Schritte, die lediglich die Einleitung eines behördlichen Verfahrens (durch eine andere Behörde) anregen sollen (vgl. ), können eine Akteneinsicht nicht begründen. Ein Verfahren, welches der Behörde Sachverhaltsgrundlagen zur Prüfung der Frage liefern soll, ob bescheidförmige Maßnahmen zu setzen sind oder aber ob solche zu unterbleiben haben, ist hingegen ein derartiges behördliches Verfahren (vgl.  und 0022, VwSlg. 17639/A).

34 Aufsichtsmaßnahmen nach § 143 BAO dienen dazu, Informationen darüber zu gewinnen, ob ein Abgabenverfahren einzuleiten, weiterzuführen oder abzuschließen ist (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, § 143, 1598). Diese Maßnahmen erfolgen sohin in einem Verfahren zur Prüfung der Frage, ob bescheidförmige Maßnahmen zu setzen sind. Schon damit liegt ein behördliches Verfahren vor, zu dem (an sich) Akteneinsicht zu gewähren ist.

35 Die Verweigerung der Akteneinsicht in einem anhängigen Verfahren kann im Allgemeinen nur mit dem Rechtsmittel gegen den das Verfahren abschließenden Bescheid bekämpft werden (vgl. ). Dieser Grundsatz kommt aber dann nicht zum Tragen, wenn ein die Angelegenheit abschließender Bescheid nicht in Betracht kommt. In solchen Verfahren hat über die Verweigerung der Akteneinsicht ein im Instanzenzug anfechtbarer Bescheid zu ergehen (vgl. z.B. , mwN; , 2003/12/0173; , 2009/17/0153).

36 Die Kontrollhandlung vom diente - wie bereits oben ausgeführt - u.a. der Prüfung, ob bescheidförmige Maßnahmen zu setzen wären. Derartige Abgabenbescheide wurden im Hinblick auf diese Kontrollhandlung nicht erlassen; dass derartige Abgabenbescheide im Hinblick auf diese Kontrollhandlung noch zu erwarten wären, ist ebenfalls nicht erkennbar. Damit ist aber im vorliegenden Fall die Verweigerung der Akteneinsicht mit einem anfechtbaren Bescheid auszusprechen (vgl. , VwSlg. 7624/F).

37 Soweit die Kontrollhandlung vom der Prüfung der Frage diente, ob etwa Bestimmungen des AuslBG oder des ASVG eingehalten wurden, so handelte es sich hierbei um Nachforschungen oder vorbereitende Anordnungen im Hinblick auf nach diesen Bestimmungen allenfalls zu führende Verfahren anderer Behörden. Insoweit waren von der Abgabenbehörde keine Bescheide zu erlassen, die Abgabenbehörde hatte vielmehr gegebenenfalls Anzeige an die zuständige Behörde (Verwaltungsstrafbehörde) zu erstatten. Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (zum damaligen Artikel V EGVG; vgl. Artikel 9 des Fremdenrechtspakets 2005, BGBl. I Nr. 100, und dazu die Erläuterungen zur Regierungsvorlage 952 BlgNR 22. GP 154, wonach Artikel V EGVG im Hinblick auf die Neuregelung des strafprozessualen Vorverfahrens durch das Strafprozessreformgesetz, BGBl. I Nr. 19/2004, gegenstandslos geworden ist), dass auch im Verfahren über derartige Nachforschungen und vorbereitende Anordnungen (dort: im Dienste der Strafjustiz) über die Verweigerung der Akteneinsicht ein anfechtbarer Bescheid zu ergehen hat (vgl. ; , 2005/05/0022, VwSlg. 16562/A; vgl. auch - zu Akteneinsichtsbegehren von Zulassungsbesitzern in Aufforderungsverfahren nach § 103 Abs. 2 KFG 1967 - , mwN).

38 Die vorliegende Kontrollhandlung ist eine den Revisionswerber individuell betreffende Maßnahme der Hoheitsverwaltung, die allenfalls zu einer Anzeige an eine andere Behörde führt (bei einer derartigen Anzeige handelt es sich um keinen Bescheid; vgl. , VwSlg 5988/F). Über ein Begehren des von einer derartigen hoheitlichen Kontrollhandlung individuell Betroffenen auf Einsicht in die im Zusammenhang mit dieser Kontrollhandlung bei der Behörde vorliegenden Aktenbestandteile ist mit Bescheid zu entscheiden (anderes gilt etwa bei fehlender Parteistellung im aufsichtsbehördlichen Verfahren; vgl. ).

39 Auch deshalb war im vorliegenden Fall - soweit die Akteneinsicht nicht tatsächlich gewährt wurde - über die Verweigerung der beantragten Akteneinsicht mit Bescheid inhaltlich abzusprechen.

40 Der den Antrag stattdessen als unzulässig zurückweisende Bescheid des Finanzamts und das angefochtene Erkenntnis, das diesen Bescheid bestätigt, erweisen sich somit als rechtswidrig.

41 Gemäß § 42 Abs. 4 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof in der Sache selbst entscheiden, wenn sie entscheidungsreif ist und die Entscheidung in der Sache selbst im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt. Da der maßgebliche Sachverhalt feststeht, war in der Sache (die hier nur in der Zurückweisung des Antrags besteht) zu entscheiden und der Bescheid des Finanzamts (ersatzlos) aufzuheben.

42 Das Finanzamt wird entweder die Einsicht in beim Finanzamt zu dieser Kontrollhandlung vorliegende Verfahrensakten zu gewähren oder mit Bescheid über die inhaltliche Berechtigung des Akteneinsichtsbegehrens abzusprechen haben. Soweit es sich um Aktenbestandteile handelt, die sich (nur) aus Erhebungen im Zusammenhang mit § 143 BAO ergeben, wird das Begehren auf Akteneinsicht nach § 90 BAO zu beurteilen sein. Hiebei ist - entgegen der im Bescheid vom dargelegten Rechtsansicht - zu berücksichtigen, dass es auf ein gesondertes abgabenrechtliches Interesse der Partei nicht ankommt. Rein interne Dokumente sind hingegen von der Akteneinsicht auszunehmen (vgl. , mwN). Im Übrigen wird das Akteneinsichtsbegehren nach § 17 AVG zu beurteilen sein.

43 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

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ASVG
AuslBG §26 Abs1
AuslBG §28a Abs2
AVG §17
AVG §17 Abs1
AVG §17 Abs4
AVG §56
AVG §63 Abs2
AVG §8
BAO §143
BAO §90
BAO §90 Abs1
BAO §90 Abs3
BAO §92
BFGG 2014 §1 Abs3 Z2
BFGG 2014 §24 Abs1
B-VG Art130 Abs1 Z2
EGVG Art5
Fremdenrechtspaket 2005 Art9
VwRallg
Schlagworte
Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive Bescheide Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Parteibegriff Parteistellung strittige Rechtsnachfolger Zustellung
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2018130062.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
RAAAF-45051