VwGH 18.02.2021, Ra 2018/07/0347
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
RS 1 | Die Einräumung eines Zwangsrechtes nach § 63 lit. b WRG 1959 setzt ein Projekt voraus, dessen Umsetzung es dient; ohne eine vorangegangene, die davon betroffenen Grundstücke oder Grundstücksteile zweifelsfrei bezeichnende wasserrechtliche Bewilligung eines Projektes dürfen dafür erforderliche Zwangsrechte nicht begründet werden (vgl. ; bis 0050). Diese vor der Begründung von Zwangsrechten vorzunehmende bescheidmäßige Klarstellung, welche Grundstücke oder Grundstücksteile von dem Projekt betroffen sein werden, erweist sich auch im Falle einer Projektänderung als rechtlich unerlässlich (vgl. ). Liegen die Voraussetzungen für die Einräumung eines Zwangsrechtes nach § 63 lit. b WRG 1959 bereits aus diesem Grund nicht vor, dann rechtfertigt die Alternativbegründung des VwG nicht lediglich die Abweisung des Antrags auf Zwangsrechtseinräumung, sondern es war dieser Antrag zurückzuweisen, weil das Vorliegen eines mit diesem Antrag genau übereinstimmenden, spätestens gleichzeitig mit der Zwangsrechtseinräumung wasserrechtlich bewilligten Projekts (inklusive der bescheidmäßigen Klarstellung, welche Grundstücke oder Grundstücksteile von dem Projekt betroffen sind) verfahrensrechtliche Zulässigkeitsvoraussetzung des Antrags auf Zwangsrechtseinräumung ist. Keinesfalls liegt diese Voraussetzung im Fall einer als aliud beurteilten Projektänderung vor. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth und die Hofräte Dr. Bachler und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers MMag. Dr. Gerald Gotsbacher, über die Revision der Marktgemeinde St. Georgen am Ybbsfelde, vertreten durch die Onz, Onz, Kraemmer, Hüttler Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 16, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom , Zl. LVwG-AV-1256/001-2017, betreffend Zurückweisung eines Antrags nach dem Wasserrechtsgesetz 1959 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Amstetten; mitbeteiligte Parteien: 1. F U, 2. Mag. F U, beide in S, beide vertreten durch die Dr. Roland Gabl Rechtsanwalts KG in 4020 Linz, Museumstraße 31a), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 1. Mit Bescheid vom erteilte die Bezirkshauptmannschaft Amstetten (belangte Behörde) der revisionswerbenden Gemeinde unter anderem gemäß § 41 WRG 1959 die wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung und den Betrieb von Hochwasserschutzmaßnahmen zum Schutz vor einem 100-jährlichen Hochwasserereignis der Y. für die Ortschaft H.
2 Der Erstmitbeteiligte ist grundbücherlicher Alleineigentümer von Grundflächen, auf denen die mit diesem Bescheid bewilligten Maßnahmen umgesetzt werden sollen. Zugunsten des Zweitmitbeteiligten besteht auf diesen Grundflächen ein verbüchertes Veräußerungs- und Belastungsverbot.
3 Im Spruch des Bescheides vom wurde das Deichbauwerk in der KG H. unter anderem wie folgt beschrieben:
„Die Deichkrone soll befahrbar ausgeführt werden, mit einer Kronenbreite von 3,0 m, einer Böschungsneigung von min. 1:3. Im Projekt ist eine flache Vorschüttung aus Oberbodenmaterial (1:10 und flacher) für Bewirtschaftungszwecke vorgesehen.“
4 Begründend hielt die belangte Behörde unter anderem fest, der Zweitmitbeteiligte habe eine Erklärung betreffend die Zurverfügungstellung eines Grundstückes als Retentionsraum abgegeben. Der Erstmitbeteiligte habe erklärt, dass nach Maßgabe der vorgenommenen Ergänzungen keine Einwände gegen das Projekt bestünden. Seitens der Gemeindevertreterin sei eine unterschriebene Zustimmungserklärung des Zweitmitbeteiligten vorgelegt worden.
5 Bezugnehmend auf den Erst- und den Zweitmitbeteiligten führte die belangte Behörde ferner aus, dass im Zuge der Verhandlung mit der Konsenswerberin Vereinbarungen getroffen worden seien.
6 Der Bescheid enthält keinen Vorbehalt einer späteren Entscheidung über Zwangsrechte.
7 Der Beginn der Baumaßnahmen durch die Revisionswerberin führte zu einem Verfahren aufgrund einer Besitzstörungsklage des Erstmitbeteiligten. Darin wurde schließlich ein Vergleich geschlossen, in dem sich die revisionswerbende Gemeinde verpflichtete, jede weitere derartige Besitzstörung zu unterlassen.
8 Mit Eingabe vom beantragte die revisionswerbende Gemeinde die „Enteignung“ gemäß § 63 lit. b WRG 1959 gegenüber dem Erstmitbeteiligten in Form der Einräumung von Dienstbarkeiten an mehreren dem Erstmitbeteiligten gehörenden Grundstücken zum Zweck der Umsetzung des mit Bescheid vom bewilligten Hochwasserschutzvorhabens.
9 Mit als „Urkundenvorlage und Antragspräzisierung“ bezeichneter Eingabe vom wurde der Antrag dahingehend modifiziert, dass die begehrte Dienstbarkeit nach Maßgabe des vorgelegten Lageplans vom eingeräumt werden solle. Dazu wurde angemerkt, dass die Dammneigung von 1:10 auf 1:3 verändert würde und somit die Dammaufstandsfläche wesentlich verkleinert werde, sodass das Grundstück Nr. 608/1, KG H., (des Erstmitbeteiligten) nicht mehr vom Vorhaben betroffen wäre.
10 Nach einem weiteren Anbringen (vom ) und der Durchführung einer mündlichen Verhandlung räumte die belangte Behörde mit Spruchteil I. des Bescheides vom der revisionswerbenden Gemeinde gemäß § 63 lit. b WRG 1959 nachträglich eine näher bezeichnete Dienstbarkeit zu Lasten des Grundeigentümers (Erstmitbeteiligten) ein, der im Wesentlichen die Errichtung und den Bestand, die jederzeitige Überprüfung und Instandhaltung der mit Bescheid vom bewilligten Hochwasserschutzanlagen „nach Maßgabe des vorgelegten ‚Lageplans Flächennutzung [Erstmitbeteiligter]‘ vom “, und ferner die sich durch das Vorhaben ergebenden erheblichen Wasserspiegellagenerhöhungen auf näher bezeichneten Grundstücken zu dulden habe.
11 Darüber hinaus wurde angeordnet, dass das Zwangsrecht auch zu Lasten des Zweitmitbeteiligten als durch ein Belastungs- und Veräußerungsverbot an näher genannten Liegenschaften dinglich Berechtigten eingeräumt bzw. auf diesen „erstreckt“ werde.
12 Unter anderem wurden der zugrundeliegende Antrag, die Antragspräzisierung vom und die Eingabe vom , einschließlich damit vorgelegter Unterlagen zu wesentlichen Bescheidbestandteilen erklärt.
13 Unter Spruchteil II. des Bescheides wurde dem Erstmitbeteiligten eine Entschädigung zugesprochen.
14 Dagegen erhoben der Erst- und der Zweitmitbeteiligte Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG).
15 Mit dem angefochtenen Erkenntnis änderte das LVwG in Stattgabe der Beschwerde Spruchteil I. des Bescheides der belangten Behörde vom dahingehend ab, dass der Antrag der revisionswerbenden Gemeinde vom in der Fassung vom bzw. in Verbindung mit den Planunterlagen auf Einräumung eines Zwangsrechts nach § 63 lit. b WRG 1959 zurückgewiesen wurde. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde nicht zugelassen.
16 In seiner rechtlichen Begründung hielt das LVwG im Wesentlichen fest, das Verfahren zur Einräumung eines Zwangsrechts zum Zweck der Verwirklichung eines Hochwasserschutzprojekts sei erst nach Rechtskraft des Bewilligungsbescheides, der keinen Vorbehalt einer nachträglichen Zwangsrechtseinräumung enthalte, auf Antrag der Konsenswerberin eingeleitet worden.
17 Im wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid sei zwingend über die Frage der Beeinträchtigung fremder Rechte abzusprechen; die Frage der Bewilligungsfähigkeit sei untrennbar mit der Frage nach der Verletzung fremder Rechte verknüpft. Werde eine wasserrechtliche Bewilligung ohne einen derartigen Abspruch erteilt, so sei sie (im Fall des Zutreffens einer Verletzung fremder Rechte) rechtswidrig, was jedoch nach Eintritt der Rechtskraft eines derartigen Bescheides grundsätzlich nicht mehr aufgegriffen werden könne.
18 Diesem Konzept stehe auch § 111 Abs. 1 zweiter Satz WRG 1959 nicht entgegen. Die nach dieser Bestimmung mögliche nachträgliche Entscheidung über Notwendigkeit, Gegenstand und Umfang von Zwangsrechten setze zwingend voraus, dass der Nachtragsbescheid über diese Frage im vorangegangenen Bewilligungsbescheid ausdrücklich vorbehalten worden sei. Ohne ausdrücklichen Vorbehalt der Entscheidung über Zwangsrechte im Sinne der genannten Gesetzesbestimmung wäre auch nicht beurteilbar, ob ein in Verletzung fremder Rechte ergangener Bewilligungsbescheid rechtswidrig oder im Hinblick auf die nachträgliche Möglichkeit der Einräumung von Zwangsrechten rechtmäßig sei.
19 Nach den Regelungen des WRG 1959 diene die Einräumung von Zwangsrechten (in Form der Begründung von Dienstbarkeiten zur Ermöglichung eines bewilligungspflichtigen Wasserbauvorhabens) der Überwindung der einer Bewilligung entgegenstehenden fremden Rechte. Die Einräumung solcher Zwangsrechte müsse daher (vom Fall des ausdrücklichen Vorbehalts im Sinne des § 111 Abs. 1 zweiter Satz WRG 1959 abgesehen) gleichzeitig mit der Erteilung der Bewilligung erfolgen. Die nachträgliche Einräumung eines Zwangsrechts sei hier - mangels eines im Bewilligungsbescheid erfolgten Vorbehalts - nicht zulässig.
20 Außerdem unterscheide sich das bewilligte Vorhaben von der Ausführung, die der nunmehrigen Zwangsrechtseinräumung zugrunde liege. Anstelle der ursprünglich vorgesehenen Böschungsneigung beim Hochwasserschutzdamm im Verhältnis 1:10 sei nunmehr eine Böschungsneigung im Ausmaß von 1:3 vorgesehen.
21 Zwangsrechte im Sinn des § 63 lit. b WRG 1959 seien nicht selbständig begründbar, sondern bewilligungsakzessorisch, sodass deren Einräumung auch vor Vorliegen der Bewilligung unzulässig sei (Verweis unter anderem auf ). Die Einräumung eines Zwangsrechts für ein Projekt oder eine Projektänderung vor Erteilung der erforderlichen wasserrechtlichen Bewilligung sei unzulässig (Verweis auf ).
22 Gegen diesen Grundsatz habe die belangte Behörde verstoßen, indem sie - ohne gleichzeitig dafür eine wasserrechtliche Bewilligung zu erteilen - ein Zwangsrecht für ein abgeändertes Projekt erteilt habe. Die Revisionswerberin bestreite selbst nicht, dass sich ihr Antrag (auf Zwangsrechtseinräumung) auf eine Dammausführung mit einer Böschungsneigung von 1:3 (und nicht die flachere Ausführung mit einem Verhältnis 1:10) bezogen habe, wobei die Verwendung der Wortwahl („Projektpräzisierung“) hiefür nicht entscheidend sei. Jedenfalls habe die Revisionswerberin klar zum Ausdruck gebracht, jene Ausführung zu beabsichtigen und dafür das Zwangsrecht zu erwirken, mit der eine geringere Flächeninanspruchnahme auf den Grundstücken des Erstmitbeteiligten verbunden gewesen sei bzw. eine einzelne Parzelle überhaupt nicht mehr betroffen wäre.
23 Dem Versuch der Revisionswerberin darzutun, es handle sich bloß um eine „Teilkonsumation des Vorhabens“, sei nicht zu folgen, ergebe sich doch aus dem Spruch des erstinstanzlichen Bescheides (Formulierung der Projektbeschreibung) eindeutig, dass sich der zum Ausdruck gebrachte behördliche Wille darauf erstreckt habe, ein Projekt zu genehmigen, welches eine Vorschüttung mit einer Neigung von 1:10 vorgesehen habe. Im Bescheid finde sich auch kein Hinweis, dass die Behörde zwei verschiedene Projektvarianten genehmigt und der Konsenswerberin diesbezüglich die Wahl überlassen habe (wie diese mit dem Vorbringen, es handle sich um die Wahl zwischen bewilligten Varianten, darzutun versucht habe).
24 Eine „Teilkonsumation“ setze überdies voraus, dass es sich um voneinander trennbare Anlagen handle, die auch unabhängig voneinander tatsächlich und rechtlich bestehen könnten. Ein steiler und damit eine kleinere Aufstandsfläche beanspruchender Damm sei hingegen kein „minus“, sondern ein „aliud“ gegenüber einem flacheren Damm mit größerer Aufstandsfläche. Dies werde auch dadurch deutlich, dass derartige Bauwerke durchaus unterschiedliche Auswirkungen haben könnten; wenn ein flacherer Damm aus technischer Sicht positiv zu beurteilen sei, treffe dies für einen steileren Damm nicht notwendigerweise zu. So sei es auch durchaus denkbar, dass ein Damm wegen einer flacheren Vorschüttung eine erhöhte Standsicherheit aufweise als ein steilerer Damm.
25 Dazu komme noch die unterschiedliche Art und Weise der Beeinträchtigung fremden Grundeigentums, sei doch das Argument nicht von der Hand zu weisen, dass ein „Totalverlust“ (infolge völligen Verlusts der Nutzbarkeit) einer kleineren Fläche einen gravierenderen Eingriff in das Eigentumsrecht darstelle als eine bloße Nutzungseinschränkung auf einem größeren Grundstücksteil.
26 Der vorliegende Antrag der Revisionswerberin erweise sich daher als unzulässig.
27 Selbst wenn man davon ausgehen wolle, dass die Frage der nachträglichen Einräumung von Zwangsrechten durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht hinreichend geklärt wäre, erwiese sich die Revision im Hinblick auf die Alternativbegründung in Bezug auf die erfolgte Antragsänderung als nicht statthaft. Die ordentliche Revision sei daher nicht zulässig.
28 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
29 2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
30 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
31 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
32 2.1. In der Revision wird zu ihrer Zulässigkeit ausgeführt, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ab. Aus dem hg. Erkenntnis vom , 2003/07/0045, wonach Zwangsrechtseinräumungen auch bei nachträglichen Bewilligungen für bereits errichtete Anlagen zulässig seien, ergebe sich im Wege eines Größenschlusses, dass auch ein solcher Zwangsrechtsantrag zulässig sein müsse, der insofern „nachträglich“ gestellt werde, als das Bewilligungsverfahren bereits rechtskräftig abgeschlossen sei. Weiters widerspreche die Rechtsansicht des LVwG dem Grundsatz der Maßgeblichkeit von Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde bzw. des Verwaltungsgerichts.
33 Gehe man hingegen davon aus, dass die zitierte Judikatur auf die vorliegende Konstellation nicht anzuwenden sei, sei die Revision deshalb zulässig, weil zur nachträglichen zwangsweisen Einräumung von Dienstbarkeiten keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vorliege.
34 An der Zulässigkeit der Revision ändere auch die vom LVwG so bezeichnete „Alternativbegründung in Bezug auf die erfolgte Antragsänderung“ nichts. Der Antrag der Revisionswerberin auf Einräumung eines Zwangsrechts in der Fassung der Modifikation vom habe im Vergleich zur wasserrechtlichen Bewilligung vom kein aliud zum Gegenstand, es handle sich lediglich um ein „minus“, auf das ihr Begehren eingeschränkt worden sei.
35 Aus dem Spruch des angefochtenen Erkenntnisses ergebe sich, dass der nach Ansicht des LVwG „zu spät“ gestellte Zwangsrechtsantrag der Revisionswerberin per se unzulässig sei; der Erwerb eines Zwangsrechts für die Umsetzung des mit Bescheid vom bewilligten Vorhabens sei keinesfalls mehr möglich, auch jeder künftige auf Einräumung eines solchen Zwangsrechts gerichtete Antrag wäre von der belangten Behörde wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Die „Alternativbegründung“ würde hingegen - wenn sie zuträfe - lediglich die Abweisung des konkret vorliegenden Antrags mangels Deckung im „Titelbescheid“ (der wasserrechtlichen Bewilligung) rechtfertigen. In diesem Fall hätte die Revisionswerberin durchaus die Möglichkeit, einen neuerlich modifizierten, sich exakt mit dem Inhalt der wasserrechtlichen Bewilligung deckenden Zwangsrechtsantrag einzubringen.
36 2.2. Die aufgeworfene Rechtsfrage, ob in einer Verfahrenskonstellation wie der vorliegenden eine nachträgliche Zwangsrechtseinräumung zulässig ist, führt - entgegen der von der Revisionswerberin vertretenen Ansicht - aufgrund der vom LVwG dargelegten tragfähigen Alternativbegründung (vgl. dazu etwa bis 0008), hinsichtlich derer die Revisionswerberin aus nachstehenden Gründen keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen vermag, nicht zur Zulässigkeit der Revision.
37 Die Einräumung eines Zwangsrechtes nach § 63 lit. b WRG 1959 setzt ein Projekt voraus, dessen Umsetzung es dient; ohne eine vorangegangene, die davon betroffenen Grundstücke oder Grundstücksteile zweifelsfrei bezeichnende wasserrechtliche Bewilligung eines Projektes dürfen dafür erforderliche Zwangsrechte nicht begründet werden (vgl. dazu ; bis 0050, mwN). Diese vor der Begründung von Zwangsrechten vorzunehmende bescheidmäßige Klarstellung, welche Grundstücke oder Grundstücksteile von dem Projekt betroffen sein werden, erweist sich auch im Falle einer Projektänderung als rechtlich unerlässlich (vgl. erneut ).
38 Die Revisionswerberin tritt den Darlegungen des LVwG, wonach sich das wasserrechtlich bewilligte Vorhaben von der Ausführung, die der gegenständlich begehrten Zwangsrechtseinräumung zugrunde liege, hinsichtlich der Böschungsneigung beim Hochwasserschutzdamm und hinsichtlich des Ausmaßes der Flächeninanspruchnahme auf den Grundstücken des Erstmitbeteiligten unterscheide, nicht entgegen, sondern verweist in diesem Zusammenhang lediglich auf ein „minus“, auf das ihr Begehren (auf Zwangsrechtseinräumung) eingeschränkt worden sei. Sie argumentiert auch nicht konkret gegen die Begründung des LVwG, wonach mit einer abgeänderten Ausführung des Dammes auch unterschiedliche Auswirkungen, etwa auf die Standsicherheit, verbunden sein könnten und eine unterschiedliche Art und Weise der Beeinträchtigung fremden Grundeigentums, somit ein „aliud“, vorliege.
39 Auf dem Boden der Begründung des LVwG erweist sich aber auch seine beweiswürdigende Beurteilung, das dem Antrag auf Einräumung eines Zwangsrechts zugrundeliegende Projekt stelle gegenüber dem bewilligten Vorhaben ein „aliud“ dar, nicht als unvertretbar.
40 Demnach steht die Beurteilung des LVwG, dass die Voraussetzungen für die Einräumung eines Zwangsrechtes nach § 63 lit. b WRG 1959 bereits aus diesem Grund nicht vorlägen, im Einklang mit der zitierten hg. Judikatur.
41 Entgegen den Zulässigkeitsausführungen rechtfertigte die in Rede stehende Alternativbegründung des LVwG nicht lediglich die Abweisung des gegenständlichen Antrags auf Zwangsrechtseinräumung, sondern es war dieser Antrag zurückzuweisen, weil das Vorliegen eines mit diesem Antrag genau übereinstimmenden, spätestens gleichzeitig mit der Zwangsrechtseinräumung wasserrechtlich bewilligten Projekts (inklusive der bescheidmäßigen Klarstellung, welche Grundstücke oder Grundstücksteile von dem Projekt betroffen sind) verfahrensrechtliche Zulässigkeitsvoraussetzung des Antrags auf Zwangsrechtseinräumung ist. Keinesfalls liegt diese Voraussetzung im Fall einer als aliud beurteilten Projektänderung vor.
42 Angesichts dessen erweist sich die Lösung der (primäre aufgeworfenen) Rechtsfrage der - grundsätzlichen - Zulässigkeit einer nachträglichen Zwangsrechtseinräumung im vorliegenden Fall als von theoretischer Natur. Für die Lösung abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof aber nicht zuständig (vgl. , mwN).
43 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
Schlagworte | Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2021:RA2018070347.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
MAAAF-45044