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VwGH 18.08.2021, Ra 2018/04/0193

VwGH 18.08.2021, Ra 2018/04/0193

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssatz


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Normen
RS 1
§ 79 Abs. 1 GewO 1994 sieht die "Anpassung" eines rechtskräftigen Genehmigungsbescheides vor (vgl. Stolzlechner/Müller/Seider/Vogelsang/Höllbacher, GewO4 [2020] § 79 Rz. 1). Voraussetzung für ein solches "Nachjustieren" nach dieser Bestimmung ist der Umstand, dass sich nach Genehmigung der Anlage ergibt, dass die gemäß § 74 Abs. 2 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind (vgl. Stolzlechner/Wendl/Bergthaler, Die gewerbliche Betriebsanlage4 [2016] Rz. 362).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofrätin Mag. Hainz-Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, über die Revision des E W in S, vertreten durch die Kreissl & Pichler & Walther Rechtsanwälte GmbH in 8940 Liezen, Rathausplatz 4, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom , Zl. LVwG 80.19-1550/2018-3, betreffend einen Antrag gemäß § 79a GewO 1994 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Liezen; mitbeteiligte Partei: B AG, vertreten durch die Kuhn Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Elisabethstraße 22), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Revisionswerber hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 1. Mit dem in Revision gezogenen Beschluss vom wies das - im Säumnisweg zuständig gewordene - Landesverwaltungsgericht Steiermark (Verwaltungsgericht) den Antrag des Revisionswerbers gemäß § 79a GewO 1994 auf Herstellung einer ordnungsgemäßen Beseitigung von Dach-, Parkplatz- und Straßenwässern beim Lebensmittelmarkt „P“ der mitbeteiligten Partei in S zurück. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für nicht zulässig erklärt.

2 In der Begründung hielt das Verwaltungsgericht - soweit für das gegenständliche Revisionsverfahren von Relevanz - fest, dass mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Liezen vom die gewerbebehördliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb des gegenständlichen Lebensmittelmarktes unter Vorschreibung von Auflagen gemäß § 77 Abs. 1, § 74 Abs. 2 sowie § 333 und § 359 Abs. 1 GewO 1994 iVm § 93 Abs. 2 ASchG erteilt worden sei.

Bereits mit Bescheid vom habe die Bezirkshauptmannschaft Liezen die wasserrechtliche Bewilligung für die Versickerung von Oberflächenwässern der Asphaltflächen 1 bis 3 und der Parkflächen 1 bis 4 über Sickermulden in den Untergrund des betreffenden Grundstückes erteilt. Mit Bescheid vom habe die Bezirkshauptmannschaft Liezen festgestellt, dass diese Oberflächenentwässerung im Wesentlichen in Übereinstimmung mit der erteilten wasserrechtlichen Bewilligung vom ausgeführt worden sei. Die Änderung in der Ausführung der Anlage, insbesondere die Anhebung des Maßes der Wasserbenutzung auf maximal 2,7 l/s Versickerungsmenge gegenüber der erteilten Bewilligung, sei von der Behörde nachträglich genehmigt worden.

3 Auf Grund der Eingabe des Revisionswerbers vom habe die Bezirkshauptmannschaft Liezen eine Überprüfung der wasserrechtlichen Genehmigungsbescheide veranlasst. Dies sei dem Revisionswerber auch mitgeteilt worden, der daraufhin mitgeteilt habe, dass von ihm keine Beschwerde erhoben, sondern ein Antrag nach den Bestimmungen der GewO 1994 gestellt worden sei.

4 Das Verwaltungsgericht kam in seiner rechtlichen Würdigung zum Ergebnis, dass der Revisionswerber einen Antrag nach § 79a GewO 1994 gestellt habe. Der in diesem Fall maßgebliche § 79 GewO 1994 stelle auf die in § 74 Abs. 2 GewO 1994 festgelegten Schutzinteressen ab, nicht jedoch auf die nach § 356b GewO 1994 allenfalls mitanzuwendenden Maßnahmen nach dem Wasserrechtsgesetz, wie dies vom Revisionswerber in seiner Säumnisbeschwerde explizit unter Hinweis auf § 356b Abs. 1 Z 6 GewO 1994 (Maßnahmen zur Beseitigung von Dach-, Parkplatz- und Straßenwässern) angeführt werde. Insoweit der Revisionswerber dies gestützt auf § 79a GewO 1994 begehre, werde darauf verwiesen, dass die Maßnahmen des § 356b Abs. 1 Z 6 GewO 1994 nicht von § 79a in Verbindung mit § 79 Abs. 1 GewO 1994 erfasst seien, weshalb der diesbezügliche Antrag zurückgewiesen werden müsse.

5 2. Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die vom Verwaltungsgericht gemäß § 30a Abs. 7 VwGG unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorgelegt wurde.

6 Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht und die mitbeteiligte Partei erstatteten im eingeleiteten Vorverfahren jeweils eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision zurück-, in eventu abzuweisen.

7 3. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 4.1. Die vorliegende außerordentliche Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit vor, es liege eine (grundsätzliche) Rechtsfrage vor, weil die Begründung des Verwaltungsgerichts für die Zurückweisung des Antrages nicht nachvollziehbar sei, nämlich dass Maßnahmen gemäß § 356b Abs. 1 Z 6 GewO 1994 nicht von § 79a in Verbindung mit § 79 Abs. 1 GewO 1994 erfasst wären. § 356b Abs. 1 GewO 1994 sehe sehr wohl einen Schutz vor Auswirkungen der Betriebsanlage vor. Dieser müsse auch für alle mitanzuwendenden Vorschriften gelten und dem Rechtsschutz des § 79a in Verbindung mit § 79 Abs. 1 GewO 1994 zugänglich sein. Dass Maßnahmen gemäß § 356b Abs. 1 Z 6 GewO 1994 davon nicht erfasst wären, sei § 79a in Verbindung mit § 79 Abs. 1 GewO 1994 in keiner Weise zu entnehmen.

11 4.2. Ergibt sich nach Genehmigung der Anlage, dass die gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind, so ermächtigt § 79 Abs. 1 GewO 1994 die Behörde die nach dem Stand der Technik und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zur Erreichung dieses Schutzes erforderlichen anderen oder zusätzlichen Auflagen (§ 77 Abs. 1) vorzuschreiben.

12 § 79 Abs. 1 GewO 1994 sieht die „Anpassung“ eines rechtskräftigen Genehmigungsbescheides vor (vgl. Stolzlechner/Müller/Seider/Vogelsang/Höllbacher, GewO4 [2020] § 79 Rz. 1). Voraussetzung für ein solches „Nachjustieren“ nach dieser Bestimmung ist der Umstand, dass sich nach Genehmigung der Anlage ergibt, dass die gemäß § 74 Abs. 2 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind (vgl. Stolzlechner/Wendl/Bergthaler, Die gewerbliche Betriebsanlage4 [2016] Rz. 362).

13 Die vorliegende außerordentliche Revision wirft die Frage auf, ob von einer solchen nachträglichen Bescheidänderung auch „Maßnahmen gemäß § 356b Abs. 1 Z 6 GewO 1994“ erfasst sein können.

14 § 356b Abs. 1 GewO 1994 sieht eine weitreichende Verfahrens- und Entscheidungskonzentration im gewerblichen Betriebsanlagenverfahren vor. Darunter fällt auch die Mitanwendung wasserrechtlicher Vorschriften, wie gemäß § 356b Abs. 1 Z 6 GewO 1994 etwa Maßnahmen zur Beseitigung von Dach-, Parkplatz- und Straßenwässern.

15 Die Revision übersieht jedoch, dass im vorliegenden Fall keine Mitanwendung des § 356b Abs. 1 Z 6 GewO 1994 im gewerblichen Betriebsanlagenverfahren stattgefunden hat und mit dem gegenständlichen Betriebsanlagengenehmigungsbescheid vom somit auch keine Genehmigungskonzentration erfolgt ist. Vielmehr wurde - wie vom Verwaltungsgericht in seiner Begründung darlegt (siehe oben Rn. 2) und aus den vorliegenden Verwaltungsakten auch ersichtlich - gesondert ein wasserrechtlicher Genehmigungsbescheid betreffend Maßnahmen zur Beseitigung von Dach-, Parkplatz- und Straßenwässern erlassen.

16 Liegt eine Mitanwendung wasserrechtlicher Vorschriften im gewerbebehördlichen Betriebsanlagenverfahren jedoch nicht vor, kommt es auch auf die vom Revisionswerber als grundsätzlich erachtete Rechtsfrage, ob Maßnahmen gemäß § 356b Abs. 1 Z 6 GewO 1994 von § 79a in Verbindung mit § 79 Abs. 1 GewO 1994 erfasst sind, fallbezogen nicht an. Zur Beantwortung bloß abstrakter Rechtsfragen auf Grund von Revisionen ist der Verwaltungsgerichtshof aber nicht berufen (vgl.  bis 0172, mwN).

17 5. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

18 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 

Zusatzinformationen


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Normen
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2018040193.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
RAAAF-45038