VwGH 25.01.2022, Fr 2021/16/0005
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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RS 1 | Die in § 262 Abs. 2 lit. a und lit. b BAO angeführten Voraussetzungen für das Unterbleiben einer Beschwerdevorentscheidung müssen kumulativ erfüllt sein (vgl. auch EBRV 2007 BlgNR 24. GP 18). |
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RS 2 | Gemäß § 262 Abs. 1 BAO ist - von den in Abs. 2 normierten, hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen - über Bescheidbeschwerden mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen. Ist die Beschwerdevorentscheidung noch nicht erlassen, besteht auch keine Entscheidungspflicht des Bundesfinanzgerichts über ihm vorgelegte Beschwerden (vgl. ). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Fr 2018/15/0011 B RS 1 (hier nur der zweite Satz) |
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RS 3 | Gemäß § 291 Abs. 1 BAO hat das VwG unter dort genannten Voraussetzungen zu entscheiden, soweit die Bundes- oder Landesgesetze nichts anderes vorsehen. § 281a BAO sieht anderes vor, nämlich unter dort genannten Voraussetzungen die formlose Mitteilung, welche keine Entscheidung im Sinne des § 291 Abs. 1 BAO darstellt. Da die Verständigung der Parteien gemäß § 281a BAO nicht Gegenstand der Entscheidungspflicht des § 291 Abs. 1 BAO ist, ist diese auch nicht mittels Fristsetzungsantrag durchsetzbar. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mairinger sowie den Hofrat Mag. Straßegger, die Hofrätin Dr. Reinbacher, den Hofrat Dr. Bodis und die Hofrätin Dr. Funk-Leisch als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über den Fristsetzungsantrag des J G in W, vertreten durch die Brand Rechtsanwälte GmbH in 1020 Wien, Schüttelstraße 55, Carré Rotunde, betreffend Rückzahlung von Parkometerabgabe nach dem Wiener Parkometergesetz 2006, den Beschluss gefasst:
Spruch
Der Fristsetzungsantrag wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom wies der Magistrat der Stadt Wien den Antrag des Antragstellers vom auf aliquote Rückzahlung der Parkometerabgabe für einen näher bezeichneten Zeitraum gemäß § 6 iVm § 2 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 der Verordnung des Wiener Gemeinderates über die pauschale Entrichtung der Parkometerabgabe (Pauschalierungsverordnung) iVm § 45 Abs. 4 StVO zurück.
2 Der Magistrat der Stadt Wien legte die dagegen erhobene Beschwerde des Antragstellers vom mit Schreiben vom dem Verwaltungsgericht Wien vor.
3 Mit Schreiben vom leitete das Verwaltungsgericht Wien die Beschwerde des Antragstellers vom unter Anschluss der Akten gemäß § 6 AVG zuständigkeitshalber an das Bundesfinanzgericht (BFG) weiter.
4 Mit Schreiben vom legte das BFG dem Verwaltungsgerichtshof den Fristsetzungsantrag des Antragstellers vom unter Anschluss der Akten vor.
5 Der Verwaltungsgerichtshof trug dem BFG mit verfahrensleitender Anordnung vom , Fr 2021/16/0005-3, gemäß § 38 Abs. 4 VwGG auf, das Erkenntnis oder den Beschluss innerhalb von drei Monaten zu erlassen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege.
6 Mit Verständigung vom , RV/7400153/2020, setze das BFG die Parteien des Verfahrens gemäß § 281a Bundesabgabenordnung (BAO) formlos darüber in Kenntnis, dass nach Auffassung des BFG in Bezug auf die Beschwerde des Antragstellers vom gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom ein Vorlageantrag nicht eingebracht worden sei. Unter einem stellte das BFG das Beschwerdeverfahren in Bezug auf die Beschwerde des Antragstellers vom gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom ein.
7 Begründend führte das BFG zusammengefasst aus, nach Durchführung von Ermittlungen aufgrund fehlender Aktenteile sei den Unterlagen zu entnehmen, dass die belangte Behörde keine Beschwerdevorentscheidung erlassen habe. Auf die Beschwerde vom treffe auch keine der Ausnahmen des § 262 Abs. 2 bis 4 BAO zu, weshalb zwingend eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen gewesen wäre. Nach Auffassung des BFG sei auch ein Vorlageantrag nicht eingebracht worden. Das BFG könne daher über die Beschwerde vom nicht entscheiden, weshalb das Verfahren vor dem BFG einzustellen sei. Die Parteien des Verfahrens würden hiervon gemäß § 281a BAO formlos in Kenntnis gesetzt.
8 Mit Stellungnahme vom führte der Antragsteller im Verfahren über den Fristsetzungsantrag gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof aus, die Beschwerde vom sei von der belangten Behörde innerhalb der dreimonatigen Frist des § 262 Abs. 2 lit. b BAO an das Verwaltungsgericht übermittelt worden, weshalb die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung zu Recht unterblieben sei. Der Antragsteller habe ein rechtliches Interesse daran, dass sein Fristsetzungsantrag vom erledigt werde und es bleibe kein Raum dafür, - wie vom BFG getätigt - das Verfahren einzustellen und die Parteien davon gemäß § 281a BAO formlos in Kenntnis zu setzen.
9 Der Fristsetzungsantrag erweist sich als unzulässig.
10 § 262 BAO samt Überschrift lautet:
„9. Beschwerdevorentscheidung
§ 262. (1) Über Bescheidbeschwerden ist nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen.
(2) Die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung hat zu unterbleiben,
a) wenn dies in der Bescheidbeschwerde beantragt wird und
b) wenn die Abgabenbehörde die Bescheidbeschwerde innerhalb von drei Monaten ab ihrem Einlangen dem Verwaltungsgericht vorlegt.
(3) Wird in der Bescheidbeschwerde lediglich die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen, die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen oder die Rechtswidrigkeit von Staatsverträgen behauptet, so ist keine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, sondern die Bescheidbeschwerde unverzüglich dem Verwaltungsgericht vorzulegen.
(4) Weiters ist keine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, wenn der Bundesminister für Finanzen den angefochtenen Bescheid erlassen hat.“
11 § 281a BAO samt Überschrift lautet:
„18a. Verständigung
§ 281a. Wenn das Verwaltungsgericht nach einer Vorlage (§ 265) zur Auffassung gelangt, dass noch eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen ist oder ein Vorlageantrag nicht eingebracht wurde, hat es die Parteien darüber unverzüglich formlos in Kenntnis zu setzen.“
12 § 291 BAO samt Überschrift lautet auszugsweise:
„26. Entscheidungspflicht
§ 291. (1) Soweit die Bundes- oder Landesgesetze nicht anderes vorsehen, ist das Verwaltungsgericht verpflichtet, über Anträge der Parteien und über Beschwerden ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen zu entscheiden. Im Verfahren über Bescheidbeschwerden beginnt die Entscheidungsfrist mit der Vorlage der Beschwerde (§ 265) oder nach Einbringung einer Vorlageerinnerung (§ 264 Abs. 6). In den Fällen des § 284 Abs. 5 beginnt die Entscheidungsfrist mit Ablauf der vom Verwaltungsgericht gesetzten Frist.
[...].“
13 Die in § 262 Abs. 2 lit. a und lit. b BAO angeführten Voraussetzungen für das Unterbleiben einer Beschwerdevorentscheidung müssen kumulativ erfüllt sein (vgl. auch EBRV 2007 BlgNR 24. GP 18).
14 Der Antragsteller beantragte das Unterbleiben einer Beschwerdevorentscheidung (§ 262 Abs. 2 lit. a BAO) nicht. Entgegen dem Vorbringen des Antragstellers hatte die Abgabenbehörde somit schon deshalb mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 262 Abs. 2 BAO gemäß § 262 Abs. 1 BAO eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen.
15 Ist die Beschwerdevorentscheidung noch nicht erlassen, besteht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch keine Entscheidungspflicht des Bundesfinanzgerichtes über ihm vorgelegte Beschwerden (vgl. , mwN).
16 Gelangt das Verwaltungsgericht nach einer Vorlage (§ 265 BAO) zur Auffassung, dass noch eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen ist oder ein Vorlageantrag nicht eingebracht wurde, hat es die Parteien darüber gemäß § 281a BAO unverzüglich formlos in Kenntnis zu setzen.
17 Das BFG war somit im vorliegenden Fall zur Entscheidung über die Beschwerde des Antragstellers gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom noch nicht zuständig und unterlag bezüglich dieser Beschwerde auch nicht der Entscheidungspflicht des § 291 Abs. 1 BAO. Gemäß § 291 Abs. 1 BAO hat das Verwaltungsgericht unter dort genannten Voraussetzungen zu entscheiden, soweit die Bundes- oder Landesgesetze nichts anderes vorsehen. § 281a BAO sieht anderes vor, nämlich unter dort genannten Voraussetzungen die formlose Mitteilung, welche keine Entscheidung im Sinne des § 291 Abs. 1 BAO darstellt. Da die Verständigung der Parteien gemäß § 281a BAO nicht Gegenstand der Entscheidungspflicht des § 291 Abs. 1 BAO ist, ist diese auch nicht mittels Fristsetzungsantrag durchsetzbar (vgl. etwa zur Pflicht zur Weiterleitung , mwN).
18 Der Fristsetzungsantrag war aus diesen Gründen gemäß § 38 Abs. 4 iVm § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | BAO §262 Abs1 BAO §262 Abs2 lita BAO §262 Abs2 litb BAO §281a BAO §291 Abs1 VwGG §34 Abs1 VwGG §38 Abs4 VwRallg |
Schlagworte | Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2022:FR2021160005.F00 |
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Fundstelle(n):
IAAAF-45028