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VwGH 21.04.2021, Fr 2020/13/0004

VwGH 21.04.2021, Fr 2020/13/0004

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
RS 1
Gemäß Art. 133 Abs. 7 B-VG kann wegen Verletzung der Entscheidungspflicht einen Antrag auf Fristsetzung stellen, wer im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt zu sein behauptet. Damit ist die Parteistellung vor dem Verwaltungsgericht jedenfalls - als eine von mehreren - Voraussetzung für die Antragslegitimation (vgl. ; , Fr 2015/03/0011, mwN).
Normen
BAO §79
IO
RS 2
Gemäß § 79 BAO gelten für die Rechts- und Handlungsfähigkeit (damit auch für die Partei- und Prozessfähigkeit) die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes; dazu gehört insbesondere auch das Insolvenzrecht (siehe dazu Stoll, BAO-Kommentar, 782).
Normen
BAO §80
IO §2 Abs2
RS 3
Auch in einem Abgabenverfahren tritt nach der Insolvenzeröffnung der Insolvenzverwalter an die Stelle des Schuldners, soweit es sich um Aktiv- oder Passivbestandteile der Insolvenzmasse handelt. Die Abgaben sind daher während des Insolvenzverfahrens gegenüber dem Insolvenzverwalter, der insofern den Schuldner repräsentiert, festzusetzen (vgl. , mwN). Während des Insolvenzverfahrens dürfen somit weder Abgabenbescheide noch Erkenntnisse bzw. Beschlüsse, mit welchen über Beschwerden gegen Abgabenbescheide abgesprochen wird, an den Schuldner gerichtet werden. Eine nach Konkurseröffnung an den Schuldner gerichtete Erledigung geht ins Leere; sie entfaltet weder eine Wirkung für den Schuldner noch für den Insolvenzverwalter.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2019/15/0128 B RS 2 (hier nur die ersten beiden Sätze)
Normen
RS 4
Ist dem Abgabepflichtigen die Verfügungsmacht über das (gesamte der Exekution unterworfene) Vermögen entzogen und betrifft die Abgabenschuld als Insolvenzforderung (Konkursforderung) des Finanzamtes die Masse, kommt das Beschwerderecht ausschließlich dem Insolvenzverwalter (Masseverwalter) zu, der insoweit den Abgabepflichtigen (als Schuldner) vertritt (vgl. ; , 2013/15/0062, VwSlg 8929 F/2014, mwN).
Normen
BAO §78 Abs1
B-VG Art133 Abs1 Z2
B-VG Art133 Abs7
IO §59
VwGG §34 Abs1
VwGG §38 Abs4
RS 5
Mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens durch rechtskräftigen Beschluss des Insolvenzgerichts tritt gemäß § 59 IO der Schuldner wieder in das Recht, über sein Vermögen frei zu verfügen. Dadurch tritt der Schuldner ipso iure als Partei in allfällige vom Insolvenzverwalter geführte Verfahren ein, ohne dass es dazu einer Prozesshandlung bedarf (vgl. ; siehe dazu Katzmayr in Koller/Lovrek/Spitzer, IO, § 59 Rz 7, und Jelinek/Nunner-Krautgasser in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 59 KO Rz 35 f; ; , 93/14/0004, VwSlg 6765 F/1993). Im vorliegenden Fall ist daher mit der Aufhebung des Konkursverfahrens die Schuldnerin - ihre fortbestehende Existenz vorausgesetzt - in das offene Beschwerdeverfahren eingetreten. Daran ändert die Sicherstellung der Quote des bestrittenen Betrags (vgl. dazu ) auf einem Konto des ehemaligen Masseverwalters (vgl. Zeitler in Koller/Lovrek/Spitzer, IO, § 133 Rz 14 ff; § 138 Rz 4) nichts, zumal eine Betrauung des (ehemaligen) Insolvenzverwalters (als solcher und nicht etwa als von der ehemaligen Gemeinschuldnerin bevollmächtigter Vertreter) mit der Weiterführung von Verfahren (vgl. dazu ; , 8 Ob 132/12p; vgl. auch ) nicht behauptet wird. Der Antragsteller (der damalige Masseverwalter) ist nicht (mehr) Partei dieses Verfahrens gemäß § 78 Abs. 1 BAO und daher nicht mehr legitimiert, einen Antrag auf Fristsetzung an den Verwaltungsgerichtshof zu stellen. Der Fristsetzungsantrag erweist sich aus den genannten Gründen als unzulässig und ist gemäß § 38 Abs. 4 erster Satz iVm § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski und die Hofräte MMag. Maislinger und Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über den Fristsetzungsantrag des Dr. S, Rechtsanwalt in S, als ehemaliger Masseverwalter im Konkursverfahren über das Vermögen der S - Bau GmbH in Steyr, vertreten durch Dr. Wolfgang Strasser und Dr. Christian Strasser, Rechtsanwälte in 4300 St. Valentin, Hauptplatz 11, gegen das Bundesfinanzgericht wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Angelegenheit betreffend Haftung für Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag, den Beschluss gefasst:

Spruch

Der Fristsetzungsantrag wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Schriftsatz vom brachte der Antragsteller den gegenständlichen Fristsetzungsantrag beim Bundesfinanzgericht ein. Darin führt der Antragsteller im Wesentlichen aus, er habe als (damaliger) Masseverwalter im Konkursverfahren über das Vermögen der S-Bau GmbH (Konkurseröffnung im September 2017) am gegen die Bescheide des Finanzamtes vom betreffend Haftung für Lohnsteuer sowie Festsetzung des Dienstgeberbeitrages und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag (für näher bezeichnete Zeiträume) Beschwerde erhoben und in der Folge am einen Vorlageantrag gestellt. Die aus den Abgabennachforderungen resultierende und vom Finanzamt im Konkursverfahren angemeldete Forderung habe der Antragsteller (zum Teil) bestritten. Beim Antragsteller sei ein - der Quote aus dem Konkursverfahren entsprechender - Geldbetrag sichergestellt.

2 Das Konkursverfahren sei zwar bereits aufgehoben worden (Aufhebung des Konkursverfahrens nach Schlussverteilung [Verteilungsquote 4,9%] mit Beschluss vom Februar 2018, Bestätigung der Rechtskraft im März 2018), dem Antragsteller sei allerdings unklar, wie er über den sichergestellten Betrag verfügen solle. Daher verletze die Untätigkeit des Bundesfinanzgerichtes den Antragsteller in seinem Recht auf fristgerechte Entscheidung über „seine“ Beschwerde. Der so begründete Fristsetzungsantrag ist vom Antragsteller „als ehemaliger Masseverwalter“, vertreten durch ihn selbst und einen zweiten Rechtsanwalt, und nicht als bevollmächtigter Vertreter der S-Bau GmbH eingebracht.

3 Das Bundesfinanzgericht legte dem Verwaltungsgerichtshof diesen Fristsetzungsantrag unter Anschluss von Aktenteilen vor und teilte mit, dass eine Entscheidung über die Beschwerde bislang nicht erfolgt sei.

4 Gemäß Art. 133 Abs. 7 B-VG kann wegen Verletzung der Entscheidungspflicht einen Antrag auf Fristsetzung stellen, wer im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt zu sein behauptet.

5 Damit ist die Parteistellung vor dem Verwaltungsgericht jedenfalls - als eine von mehreren - Voraussetzung für die Antragslegitimation (vgl. ; , Fr 2015/03/0011, mwN).

6 Partei im Abgabenverfahren ist gemäß § 78 Abs. 1 BAO der Abgabepflichtige, im Beschwerdeverfahren auch jeder, der eine Beschwerde einbringt (Beschwerdeführer), einem Beschwerdeverfahren beigetreten ist oder, ohne Beschwerdeführer zu sein, einen Vorlageantrag gestellt hat.

7 Gemäß § 79 BAO gelten für die Rechts- und Handlungsfähigkeit (damit auch für die Partei- und Prozessfähigkeit) die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes; dazu gehört insbesondere auch das Insolvenzrecht (siehe dazu Stoll, BAO-Kommentar, 782).

8 Durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Abgabepflichtigen wird das gesamte der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Abgabepflichtigen (als Schuldner) zu dieser Zeit gehört oder das er während des Insolvenzverfahrens erlangt (Insolvenzmasse), dessen freier Verfügung entzogen (§ 2 Abs. 2 IO). Auch in einem Abgabenverfahren tritt nach der Insolvenzeröffnung der Insolvenzverwalter an die Stelle des Abgabepflichtigen, soweit es sich um Aktiv- oder Passivbestandteile der Insolvenzmasse handelt (vgl. ; , Ro 2014/15/0028, mwN). Die Abgaben sind daher während des Insolvenzverfahrens gegenüber dem Insolvenzverwalter, der insofern den Abgabepflichtigen repräsentiert, festzusetzen (vgl. , mwN).

9 Ist dem Abgabepflichtigen die Verfügungsmacht über das (gesamte der Exekution unterworfene) Vermögen entzogen und betrifft die Abgabenschuld als Insolvenzforderung (Konkursforderung) des Finanzamtes die Masse, kommt das Beschwerderecht ausschließlich dem Insolvenzverwalter (Masseverwalter) zu, der insoweit den Abgabepflichtigen (als Schuldner) vertritt (vgl. ; , 2013/15/0062, VwSlg. 8929/F, mwN).

10 Mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens durch rechtskräftigen Beschluss des Insolvenzgerichts tritt gemäß § 59 IO der Schuldner wieder in das Recht, über sein Vermögen frei zu verfügen. Dadurch tritt der Schuldner ipso iure als Partei in allfällige vom Insolvenzverwalter geführte Verfahren ein, ohne dass es dazu einer Prozesshandlung bedarf (vgl. ; siehe dazu Katzmayr in Koller/Lovrek/Spitzer, IO, § 59 Rz 7, und Jelinek/Nunner-Krautgasser in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 59 KO Rz 35 f; ; , 93/14/0004, VwSlg. 6765/F).

11 Im vorliegenden Fall ist daher mit der Aufhebung des Konkursverfahrens die S-Bau GmbH - ihre fortbestehende Existenz vorausgesetzt - in das offene Beschwerdeverfahren eingetreten. Daran ändert die Sicherstellung der Quote des bestrittenen Betrags (vgl. dazu ) auf einem Konto des ehemaligen Masseverwalters (vgl. Zeitler in Koller/Lovrek/Spitzer, IO, § 133 Rz 14 ff; § 138 Rz 4) nichts, zumal eine Betrauung des (ehemaligen) Insolvenzverwalters (als solcher und nicht etwa als von der ehemaligen Gemeinschuldnerin bevollmächtigter Vertreter) mit der Weiterführung von Verfahren (vgl. dazu ; , 8 Ob 132/12p; vgl. auch ) nicht behauptet wird. Der Antragsteller ist nicht (mehr) Partei dieses Verfahrens gemäß § 78 Abs. 1 BAO und daher nicht mehr legitimiert, einen Antrag auf Fristsetzung an den Verwaltungsgerichtshof zu stellen.

12 Der Fristsetzungsantrag erweist sich aus den genannten Gründen als unzulässig und ist gemäß § 38 Abs. 4 erster Satz iVm § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am

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BAO §78 Abs1
BAO §79
BAO §80
B-VG Art132 Abs1 Z1
B-VG Art133 Abs1 Z2
B-VG Art133 Abs7
IO
IO §2 Abs2
IO §59
VwGG §34 Abs1
VwGG §38
VwGG §38 Abs4
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2021:FR2020130004.F00
Datenquelle

Fundstelle(n):
OAAAF-45026