TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH 10.06.2022, Fe 2022/09/0001

VwGH 10.06.2022, Fe 2022/09/0001

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
AHG 1949 §11
B-VG Art133 Abs2 idF 2012/I/051
VwGG §67 idF 2013/I/033
RS 1
Die zu den Voraussetzungen von Feststellungsanträgen im Sinne des Art. 131 Abs. 2 B-VG aF iVm § 11 AHG 1949 maßgebenden Aussagen des VwGH (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/11/0043, mit Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , 99/19/0140) sind auf die seit Inkrafttreten (am ) der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 geltende Rechtslage übertragbar. Insbesondere ist der Umstand, dass ein Bescheid nunmehr infolge Aufhebung bzw. Abänderung durch ein VwG nicht mehr dem Rechtsbestand angehört, kein Hindernis für die Antragstellung durch ein ordentliches Gericht. Die Entscheidung über einen Antrag nach § 11 AHG 1949 iVm § 67 VwGG setzt nämlich nicht voraus, dass der vom VwGH zu überprüfende Bescheid überhaupt bzw. in seiner ursprünglichen Form weiterhin dem Rechtsbestand angehört (vgl. diesbezüglich zur früheren Rechtslage neben dem erwähnten Erkenntnis 2008/11/0043 insbesondere auch die hg. Erkenntnisse vom , 2004/11/0223, sowie vom , 2011/06/0122, mwN), zumal die Feststellung des VwGH auch dann noch Bedeutung haben kann, wenn der Bescheid infolge nachträglicher Aufhebung nicht mehr dem Rechtsbestand angehört. Diese Rechtsauffassung entspricht der ständigen Rechtsprechung des VwGH (vgl. bereits das hg. Erkenntnis vom , H 1/75 = VwSlg 9584 A/1978, mwN).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Fe 2016/01/0001 E VwSlg 19448 A/2016 RS 1 (hier ohne den letzten Satz)
Normen
AHG 1949 §11 Abs1
VwGG §41
VwGG §70
RS 2
Dem Verwaltungsgerichtshof kommt keine Überprüfungsbefugnis dahingehend zu, ob die Frage, die Entscheidung des Amtshaftungsprozesses sei von der Rechtswidrigkeit des zu überprüfenden Bescheides abhängig, vom Amtshaftungsgericht richtig oder unrichtig beurteilt wurde (vgl. den hg. Beschluss vom , Zl. 2004/01/0418, mwN).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2005/01/0003 E RS 1
Normen
AHG 1949 §11
B-VG Art133 Abs2
VwGG §41
VwGG §65 Abs2
VwGG §70
RS 3
Der VwGH hat zu entscheiden, ob die vom Amtshaftungsgericht bezeichneten Bescheide rechtswidrig waren. Die Frage des Verschuldens (im Sinn einer Unvertretbarkeit) ist vom Amtshaftungsgericht in seinem Verfahren zu beurteilen. Der VwGH hat nach der - gemäß § 70 VwGG auch im Verfahren über Feststellungsanträge in Amtshaftungssachen - anzuwendenden Bestimmung des § 41 VwGG die zu überprüfende Entscheidung - soweit nicht Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit oder infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorliegt - auf Grund des in dieser angenommenen Sachverhalts zu überprüfen. Dazu hat das Amtshaftungsgericht nach § 65 Abs. 2 VwGG den Bescheid und allenfalls die Punkte zu bezeichnen, deren Überprüfung es verlangt.
Normen
VStG §2 Abs2
VStG §27 Abs1
VwGVG 2014 §38
RS 4
Eine Verwaltungsübertretung gemäß § 27 Abs 1 VStG wird dort begangen, wo der Täter gehandelt hat oder hätte handeln sollen (§ 2 Abs 2 VStG). Bei Delikten von juristischen Personen kommt es dabei vielfach auf den Sitz der Unternehmensleitung an, wobei jedoch auf das betreffende Tatbild Bedacht zu nehmen ist.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2009/07/0180 E RS 2
Normen
VStG §2 Abs2
VStG §27 Abs1
VStG §9
VwGVG 2014 §38
RS 5
Bei Unterlassungsdelikten ist der Tatort dort anzunehmen, wo der Täter hätte handeln sollen; dieser Ort fällt dann, wenn solche Unterlassungen im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Unternehmens erfolgen, im Zweifel mit dem Sitz des Unternehmens zusammen; (nur) dann, wenn die tatsächliche Leitung eines Unternehmens an einem anderen Ort als an dem im Firmenbuch eingetragenen Sitz des Unternehmens ausgeübt wird, hat dies zur Folge, dass dieser Ort als jener Ort anzusehen ist, an dem der Täter hätte handeln sollen (vgl. ).
Normen
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita
AuslBG §28 Abs1 Z1 litb
AuslBG §28 Abs1 Z5
RS 6
Der Unterschied zwischen den Strafdrohungen nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a und lit. b bzw. Z. 5 AuslBG liegt darin, dass gemäß lit. a das "Beschäftigen" von Ausländern, in lit. b hingegen das bloße "in Anspruch nehmen" von Arbeitsleistungen betriebsentsandter Ausländer ohne ein zwischen einem inländischen Unternehmen und den Ausländern bestehendes Beschäftigungsverhältnis unter Strafe gestellt wird. Derjenige nimmt die Arbeitsleistung eines "betriebsentsandten Ausländers" in diesem Sinne "in Anspruch", zur Erfüllung dessen Werkes oder Auftrages die Arbeitsleistungen der vom ausländischen Arbeitgeber beschäftigten Ausländer dienen. Dies ist dann der Fall, wenn der Einsatz "betriebsentsandter Ausländer" als Erfüllungsgehilfen ihres ausländischen Arbeitgebers erfolgt, um dessen Verpflichtung aus einem Werkvertrag gegenüber dem inländischen Besteller zu erfüllen (vgl. E , 2001/09/0230).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2011/09/0212 E RS 1
Normen
AÜG §3 Abs4
AÜG §4
AuslBG §2 Abs2 lite
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita
AuslBG §3 Abs1
RS 7
Es macht - um die Verwendung von ausländischen Arbeitskräften als Beschäftigung iSd § 3 Abs. 1 AuslBG zu qualifizieren - keinen Unterschied, ob derjenige, der die Arbeitskräfte verwendet, selbst Arbeitgeber der Ausländer ist, oder ob iSd § 2 Abs. 2 lit. e AuslBG in Verbindung mit dem AÜG die Verwendung überlassener Arbeitskräfte erfolgt. In beiden Fällen ist derjenige, der die Arbeitskräfte verwendet, ohne dass er oder der/die Ausländer im Besitz einer entsprechenden Bewilligung oder Bestätigung nach dem AuslBG ist, wegen Übertretung des § 3 Abs. 1 iVm § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a des AuslBG strafbar (Hinweis E , 2003/09/0047).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2011/09/0114 E RS 2
Normen
AuslBG §2 Abs2
AuslBG §2 Abs3
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita
AuslBG §3 Abs1
RS 8
Dem im Ausländerbeschäftigungsgesetz geregelten Beschäftigungsbegriff (§ 2 Abs. 2) in Verbindung mit der nachfolgenden Regelung des Arbeitgeberbegriffs (§ 2 Abs. 3) ist eindeutig zu entnehmen, dass im Falle einer Arbeitskräfteüberlassung (im Sinne des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes) neben dem als Arbeitgeber der überlassenen Arbeitskräfte zu behandelnden Überlasser auch der Beschäftiger einem Arbeitgeber gleichzuhalten ist. Demnach können sowohl der Beschäftiger als der Überlasser (von überlassenen Arbeitskräften) Täter einer Verwaltungsübertretung nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG sein (Hinweis E , 95/09/0342).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2008/09/0029 E RS 1
Normen
AÜG §4 Abs1
AuslBG §28 Abs8
AVG §37
EURallg
VStG §24
VwGG §67
VwGVG 2014 §27
VwGVG 2014 §38
32014L0067 Durchsetzung-RL Entsendung Arbeitnehmern Art4 Abs1
RS 9
Für die Beurteilung, ob ein Sachverhalt als grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung zu beurteilen ist, sind aus unionsrechtlicher Sicht eindeutige Sachverhaltsfeststellungen dahin zu treffen, ob und welche der für die Arbeitskräfteüberlassung ausschlaggebenden Kriterien verwirklicht sind, um im Rahmen einer rechtlichen Gesamtbeurteilung fallbezogen das Vorliegen von grenzüberschreitender Arbeitskräfteüberlassung bejahen oder verneinen zu können (vgl. ).
Normen
AVG §45 Abs2
VStG §24
VwGG §67
VwGVG 2014 §38
RS 10
Die Ablehnung der Zeugeneinvernahme ausschließlich wegen der Befürchtung eines "Gefälligkeitszeugnisses" stellt eine unzulässige antizipierende Beweiswürdigung dar.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2008/08/0102 E RS 2
Normen
AVG §45 Abs2
AVG §52 Abs1
VStG §24
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGG §67
VwGVG 2014 §38
RS 11
Fehlt der Behörde für die Einordnung der Arbeiten der notwendige fachliche Sachverstand und erachtet sie bereits selbst - was nach der Begründung der Bescheide zumindest möglich scheint - die Einholung eines Sachverständigengutachtens für erforderlich, hätte sie einen Amtssachverständigen gemäß § 52 Abs. 1 AVG beizuziehen gehabt.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofräte Dr. Doblinger und Mag. Feiel sowie die Hofrätinnen Dr. Koprivnikar und Mag. Schindler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hotz, über den auf § 11 Abs. 1 Amtshaftungsgesetz gestützten Antrag des Landesgerichts Leoben vom , 8 Cg 6/21z-14, auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Bescheide der Bezirkshauptmannschaft Murtal jeweils vom , BH MT-15.1-4350/2016, BH MT-15.1-4356/2016, BH MT-15.1-4347/2016, BH MT-15.1-4353/2016, sowie jeweils vom , BH MT-15.1-5351/2016, BH MT-15.1-5347/2016, BH MT-15.1-5348/2016, BH MT-15.1-5349/2016, alle betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Parteien: 1. A AG in B, vertreten durch die Oberhammer Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Karlsplatz 3/1, 2. Bund, vertreten durch die Finanzprokuratur in 1010 Wien, Singerstraße 17-19, und 3. Bezirkshauptmannschaft Murtal, Kappelenweg 11 in 8750 Judenburg), zu Recht erkannt:

Spruch

Gemäß § 67 VwGG wird die Rechtswidrigkeit der Bescheide der Bezirkshauptmannschaft Murtal vom , BH MT-15.1-4350/2016, BH MT-15.1-4356/2016, BH MT-15.1-4347/2016, BH MT-15.1-4353/2016, und vom , BH MT-15.1-5351/2016, BH MT-15.1-5347/2016, BH MT-15.1-5348/2016, BH MT-15.1-5349/2016, festgestellt.

Die in diesem Verfahren erwachsenen Kosten der Parteien sind Kosten des Rechtsstreits vor dem antragstellenden Gericht.

Begründung

1. Sachverhalt

1.1 Vorgeschichte:

1 Am kam es in einem Zellstoffwerk, das im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Behörde, die die hier gegenständlichen Bescheide erlassen hat (Bezirkshauptmannschaft Murtal; in der Folge kurz: Behörde) liegt, zu einer Explosion, bei der große Teile eines Laugenkessels zerstört wurden. Die im Amtshaftungsverfahren klagende Partei bzw. deren Rechtsvorgängerin (in der Folge: klagende Partei) wurde von dem das Zellstoffwerk betreibenden Unternehmen (in der Folge kurz: Zellstoffwerk) als Generalunternehmerin mit der Wiederherstellung und Inbetriebnahme des Laugenkessels beauftragt. Mit der mechanischen Montage beauftragte die klagende Partei ihrerseits zunächst ein kroatisches Unternehmen (in der Folge: Bi). Da dieses die Montage nicht bis Ende August 2015 fertigstellte, wurden damit zwei weitere, ebenfalls in Kroatien ansässige Unternehmen (in der Folge: Br und M) beauftragt. Für Näheres wird an dieser Stelle auf die Darstellung in dem zu diesem Sachverhalt in einem anderen Verfahren ergangenen Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2018/11/0106, verwiesen (siehe auch Maksimovic u.a., C-64/18, u.a.; A 3/2021).

1.2 Verwaltungsstrafverfahren:

1.2.1 Verwaltungsstrafverfahren Br:

2 Mit Straferkenntnissen jeweils vom erkannte die Behörde die vier Vorstandsmitglieder der klagenden Partei schuldig, sie hätten es als im Sinn des § 9 VStG nach außen zur Vertretung berufenen Organe der klagenden Partei zu verantworten, dass die klagende Partei mit Sitz in Graz als inländische Beschäftigerin im Zuge einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung der Firma Br mit Sitz in Kroatien 200 näher bezeichnete kroatische, serbische und bosnisch-herzegowinische Arbeitnehmer entgegen § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) zu im Einzelnen angeführten Zeiträumen ab September 2015 am Ort des Zellstoffwerks beschäftigt habe. Dies sei im Zuge einer Kontrolle des Bauvorhabens „Laugenkessel II“ am Betriebsgelände des Zellstoffwerks nach den Bestimmungen des § 26 AuslBG durch die Finanzpolizei als zuständiges Organ der Abgabenbehörde festgestellt worden. Für die angeführten ausländischen Arbeitnehmer sei von Seiten der klagenden Partei weder eine Beschäftigungsbewilligung für die eingesetzten Arbeitnehmer mit Drittstaatszugehörigkeit bzw. kroatischen Staatsangehörigen oder eine Anzeigebestätigung, noch eine für diese Beschäftigung gültige Rot-Weiß-Rot-Karte, Aufenthaltsberechtigung, ein Befreiungsschein (§ 4c) oder ein Aufenthaltstitel Familienangehöriger bei Daueraufenthalt - EU beim zuständigen Arbeitsmarktservice beantragt und durch dieses erteilt/ausgestellt worden. Der Sachverhalt sei als grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung von einem anderen Mitgliedsstaat der EU an einen Beschäftiger in Österreich zu klassifizieren. Die Behörde verhängte für jede dieser insgesamt 200 Übertretungen nach § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 AuslBG gemäß § 28 Abs. 1 Z 1 AuslBG jeweils eine Geldstrafe von 12.000 Euro (sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit acht Tage Ersatzfreiheitsstrafe) und bestimmte die Verfahrenskosten mit 240.000 Euro. Ferner sprach sie die Haftung der klagenden Partei zur ungeteilten Hand gemäß § 9 Abs. 7 VStG aus.

3 In der Begründung hielt die Behörde zunächst fest, dass auf „eine Anfrage wegen Verantwortlichkeit“ von der klagenden Partei die Bestellung einer namentlich genannten Person (in der Folge: Prokuristin) zur verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen gemäß § 28a Abs. 3 AuslBG iVm § 9 Abs. 2 und 3 VStG für die klagende Partei eingelangt sei.

4 Ferner gab die Behörde in diesem Zusammenhang die Äußerung der Finanzpolizei wieder, wonach aus deren Sicht zwar eine Zuordnung der Verantwortlichkeit im sachlichen Bereich (Einhaltung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes) vorliege, jedoch in den Schriftstücken eine eindeutige Einschränkung des räumlichen Zuständigkeitsbereiches „auf bestimmte Straßen in Graz, Wien, Linz und Salzburg (bzw. im Rahmen der Aktualisierung auf Graz, zweimal Wien, Linz und Wals - Entfall Salzburg)“, erkennbar sei. Somit sei nach dem Wortlaut der Bestimmung des § 9 VStG für den verfahrensgegenständlichen Beschäftigungsort des Betriebsgeländes des Zellstoffwerks keine Zuständigkeit dieser Prokuristin gegeben. Die Bestellung erstrecke sich auf betriebliche Standorte der klagenden Partei und sei offensichtlich beabsichtigt gewesen, die Verantwortlichkeit der Prokuristin auf das Eigenpersonal der klagenden Partei zu beschränken. Die Finanzpolizei gehe aus diesen Gründen für den gegenständlichen Fall von keiner rechtmäßigen Bestellung der Prokuristin zur verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 VStG aus.

5 Nach Wiedergabe des Inhalts von von der Finanzpolizei und den Beschuldigten im Verwaltungsstrafverfahren erstatteter Schriftsätze führte die Behörde vor ihren eigenen Erwägungen aus (Schreibweise jeweils im Original, Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):

„Vermerkt wird in diesem Punkt weiters, dass auf die Einvernahme von den vom Beschuldigtenvertreter beantragten Zeugen nach Ansicht der erkennenden Behörde verzichtet werden konnte, da nicht zu erwarten war, dass diese entgegen den Ausführungen des Beschuldigten Aussagen tätigen würden, da diese durch ihre Beziehung zu der Firma [klagende Partei] bzw./und/oder Br in einem Abhängigkeitsverhältnis in enger oder weiterer Art und Weise stehen.“

6 In der Folge führte die Behörde als eigene Erwägungen aus:

„Die Behörde hat gemäß § 45 Abs. 2 AVG unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Als Beweismittel kommt dabei im Sinne des § 6 AVG alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhalts geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist.

Im gegenständlichen Fall stützt sich die erkennende Behörde auf die Angaben in der Anzeige der Finanzpolizei sowie auch auf das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens, insbesondere auf die Stellungnahmen der Finanzpolizei im Akt.

Fakt ist, dass die Firma Br zu mehreren Zeiten im Zeitraum September 2015 und EU-Entsendebestätigungen beantragt hat und diese vom AMS am untersagt wurden (260 Fälle, AMS Datenbank, Vermerk: U).

Am teilte das AMS dazu mit, dass die Firma Br die Anträge zurückgezogen hat und nunmehr die [klagende Partei] 170 Anträge auf Beschäftigungsbewilligung gestellt hat, wovon am 40 bewilligt wurden und sich die restlichen in Bearbeitungen befinden. Die Beschäftigungsbewilligungen haben eine zeitliche Gültigkeit ab .

Fakt ist weiters, dass die Organe der Finanzpolizei im Zuge der Kontrollen festgestellt haben, welche Arbeiten die Arbeiter durchgeführt haben und wurde dies in den Stellungnahmen der Finanzpolizei genau erörtert.

Nach Ansicht der Finanzpolizei (im Zuge der Kontrollwahrnehmungen) ergibt sich, dass es sich in Relation zum Gesamtwerk um einfache manuelle Tätigkeiten bzw. um reine Hilfstätigkeiten zur Finalisierung eines Gesamtwerkes, insgesamt also um reine Arbeitsleistungen ohne eigenständigen Werkscharakter handelte.

Zum Kontrollzeitpunkt durch die Finanzpolizei konnten von keiner der beteiligten Firmen bzw. deren vor Ort angetroffenen Verantwortlichen erforderliche Beschäftigungsbewilligungen nach dem AuslBG vorgelegt werden.

Tatsache ist, dass seitens der [klagenden Partei] keine nach § 3 Ausländerbeschäftigungsgesetz geforderten Beschäftigungsbewilligungen für 200 der eingesetzten Arbeitnehmer (siehe Spruch) mit Drittstaatszugehörigkeit bzw. kroatischer Staatsbürger, zum Zeitpunkt der Kontrolle durch die Finanzpolizei am beim zuständigen AMS beantragt und durch dieses erteilt wurden.

Gemäß § 2 Absatz 2 lit e AuslBG gilt als Beschäftigung die Verwendung überlassener Arbeitskräfte iSd. § 3 Absatz 4 AÜG. Den Arbeitgebern sind gemäß § 3 lit c AuslBG und in den Fällen des § 2 Absatz 2 lit e AuslBG die Beschäftiger iSd. § 3 Abs. 3 AÜG gleichzuhalten.

Beschäftiger ist, wer Arbeitskräfte des Überlassers zur Arbeitsleistung für betriebseigene Aufgaben einsetzt. Beschäftigt ein Unternehmen Arbeitskräfte eines anderen Unternehmens mit speziellen Schweißarbeiten auf einer bestimmten Baustelle und besteht die Verpflichtung der Koordination der Arbeiten mit dem Auftraggeber bzw. dessen Bauleitern etc. und ist dessen Anleitungen/Anweisungen Folge zu leisten, so liegt Arbeitskräfteüberlassung vor ( oder zur teilweisen Montage von Aufzugsteilen [gemeint wohl: ; Anmerkung des Verwaltungsgerichtshofes]).

Selbst wenn zivilrechtlich eine Vereinbarung als Werkvertrag einzustufen wäre, liegt eine Arbeitskräfteüberlassung vor, wenn eine der Ziffer des § 3 Abs. 2 AÜG anwendbar ist. Einer Gesamtbetrachtung würde es nur dann bedürfen, wenn der Tatbestand keine der vier Ziffern des § 3 Abs. 2 AÜG zur Gänze erfüllt ist.

Im gegenständlichen Fall sind die diesbezüglichen zwei Vereinbarungen den Kriterien eines echten Werkvertrags entsprechend und die Ziffern 1, 3 und 4 des § 4 Abs. 2 AÜG treffen zur Gänze zu (Ziffer 2 nur iZm dem vom Auftraggeber gestellten Material).

Es handelte sich im gegenständlichen Fall um eine grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung und wurden kroatische Staatsangehörige und Drittstaatsangehörige von der Firma Br an die Firma [klagende Partei] überlassen - dafür wären Beschäftigungsbewilligungen für den Beschäftiger iSd § 3 AuslBG erforderlich gewesen.

Aufgrund der abgegebenen Stellungnahmen der Finanzpolizei und des im Ermittlungsverfahren festgestellten Sachverhaltes kam die Behörde zum Ergebnis, dass es sich in den gegenständlichen Fällen um eine Arbeitskräfteüberlassung und um keine Entsendung handelte.

Im gegenständlichen Fall misst die erkennende Behörde den Ermittlungsergebnissen der Finanzpolizei bei der Kontrolle bzw. den Angaben in den Stellungnahmen der Finanzpolizei mehr Glaubwürdigkeit bei, als der Verantwortung des Beschuldigten.

Die Angaben des/der Beschuldigten konnten lediglich als Schutzbehauptung gewertet werden.

Die dem/der Beschuldigten zur Last gelegten Übertretungen gelten als erwiesen, - es war daher spruchgemäß zu entscheiden.“

7 Nach Wiedergabe maßgeblicher rechtlicher Bestimmungen folgten Ausführungen zur Strafbemessung.

8 Diese Bescheide ergingen gleichlautend an die vier Vorstandsmitglieder der klagenden Partei.

1.2.2 Verwaltungsstrafverfahren M:

9 Mit Straferkenntnissen jeweils vom erkannte die Behörde die vier Vorstandsmitglieder der klagenden Partei schuldig, sie hätten es als im Sinn des § 9 VStG nach außen zur Vertretung berufenen Organe der klagenden Partei mit Sitz in Graz als inländische Beschäftigerin zu verantworten, dass im Zuge einer grenzüberschreitenden Entsendung der Firma M an die klagende Partei, diese entgegen der Bestimmung des § 18 AuslBG die Arbeitsleistung von 50 näher bezeichneten Ausländern, die von einem ausländischen Arbeitgeber ohne einen im Bundesgebiet vorhandenen Betriebssitz im Inland beschäftigt worden seien, zu im Einzelnen angeführten Zeiträumen ab Oktober 2015 am Ort des Zellstoffwerks in Anspruch genommen habe, ohne dass für die Ausländer Beschäftigungsbewilligungen oder Entsendebewilligungen oder Anzeigebestätigungen erteilt worden seien. Der Sachverhalt sei als grenzüberschreitende Entsendung von einem anderen Mitgliedsstaat der EU an einen Auftraggeber in Österreich zu klassifizieren. Diese Beurteilung werde auch hinsichtlich der vor Ort durch die M ausgeführten „Bauarbeiten“ vom Arbeitsmarktservice (Landesgeschäftsstelle Steiermark) geteilt. Für diese Übertretungen nach § 28 Abs. 1 Z 1 lit. b iVm § 18 Abs. 1 AuslBG verhängte die Behörde gemäß § 28 Abs. 1 Z 1 AuslBG Geldstrafen von jeweils 14.000 Euro und es bestimmte die Verfahrenskosten mit 70.000 Euro. Ferner wurde gemäß § 9 Abs. 7 VStG die Haftung der klagenden Partei zur ungeteilten Hand ausgesprochen.

10 Auch in diesen Bescheiden hielt die Behörde jeweils fest, dass die klagende Partei die Bestellung der Prokuristin als verantwortliche Beauftragte gemäß § 28a Abs. 3 AuslBG bekannt gegeben habe. Ferner gab sie die in diesem Zusammenhang ergangene Stellungnahme der Finanzpolizei wieder, dass aus deren Sicht zwar eine Zuordnung der Verantwortlichkeit im sachlichen Bereich (Einhaltung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes) vorliege, jedoch in beiden Schriftstücken eine eindeutige Einschränkung des räumlichen Zuständigkeitsbereichs „auf bestimmte Straßen in Graz, Wien, Linz und Salzburg bzw. (im Rahmen der Aktualisierung auf Graz, zweimal Wien, Linz und Wals - Entfall Salzburg)“ erkennbar sei. Somit sei nach dem Wortlaut der Bestimmungen des § 9 VStG für den verfahrensgegenständlichen Beschäftigungsort, dem Betriebsgelände des Zellstoffwerks, keine Zuständigkeit der Prokuristin gegeben. Die Bestellung erstrecke sich somit auf betriebliche Standorte der klagenden Partei und sei offensichtlich beabsichtigt gewesen, die Verantwortlichkeit der Prokuristin auf das Eigenpersonal der klagenden Partei zu beschränken. Für die Finanzpolizei liege aus diesen Gründen für den gegenständlichen Fall keine rechtmäßige Bestellung der Prokuristin zur verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 VStG vor.

11 Nach Wiedergabe des Inhalts im Verwaltungsstrafverfahren erstatteter Schriftsätze führte die Behörde aus (ohne die Hervorhebungen im Original):

„Die erkennende Behörde hat dazu erwogen:

Die Behörde hat gemäß § 45 Abs. 2 AVG unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Als Beweismittel kommt dabei im Sinne des § 6 AVG alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhalts geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist.

Im gegenständlichen Fall stützt sich die erkennende Behörde auf die Angaben in der Anzeige der Finanzpolizei sowie auch auf das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens.

Zum Zeitpunkt der Kontrollhandlung durch die Finanzpolizei konnten seitens der M bzw. deren vor Ort angetroffenen Verantwortlichen (...) lediglich EU-Entsendebestätigungen nach § 18 (12) AuslBG für sämtliche der vor Ort durch den Betrieb in Österreich eingesetzten Arbeiter vorgelegt werden.

Die vorliegenden Vertragsgestaltungen und der real festgestellte Sachverhalt ergeben, dass einerseits die [klagende Partei] mit Sitz in (...) B (...) al[s] ‚Auftraggeber‘, andererseits der M als ‚Entsendebetrieb‘ fungiert.

Fakt ist, dass zum Zeitpunkt der Kontrolle durch die Finanzpolizei weder am , und keine dem Sachverhalt entsprechenden Beschäftigungsbewilligungen für sämtliche Arbeiter der M zur Verfügung gestellt oder zugänglich gemacht werden konnte.

Aufgrund der Tatsache, dass der [klagenden Partei] keine dem Ausländerbeschäftigungsgesetz entsprechenden Beschäftigungsbewilligungen für sämtlich der eingesetzten Arbeitnehmer durch das zuständige Arbeitsmarktservice erteilt wurden, gelten die im Spruch angeführten Übertretungen als erwiesen. Nur aufgrund der Klassifizierung der Tätigkeiten als Bauarbeiten war keinesfalls der geschützte Sektor anzunehmen.

Für die Frage, ob die von Arbeitnehmern eines ausländischen Unternehmens ohne Betriebssitz in Österreich im Bundesgebiet zu verrichtenden Arbeiten dem Baugewerbe zuzurechnen sind, sodass eine Erteilung von Entsendebewilligungen nicht in Betracht kommt, sondern Beschäftigungsbewilligungen zu beantragen sind, kommt es nicht auf die Klassifizierung des Unternehmens an, sondern auf jene der im Bundesgebiet erbrachten/vorgesehenen Tätigkeiten.

Auf Grund der Bestimmungen des § 32a Abs. 6 AuslBG unterliegt die Beschäftigung von EU Bürger/innen gemäß § 32a Abs. 1 AuslBG (Übergangsregime) und Drittstaatsangehörigen, die von einem Arbeitgeber mit Betriebssitz in einem Staat des Übergangsarrangements zur vorübergehenden Erbringung von Dienstleistungen nach Österreich entsandt werden, im sogenannten geschützten Bereich den Bestimmungen des § 18 Abs. 1 bis 11 AuslBG. Dieses Übergangsregime war zum verfahrensgegenständlichen Zeitraum auf Kroatien anwendbar.

Es geht um die Prüfung der konkret in Österreich verrichteten Tätigkeiten. Im vorliegenden Fall wurden zusätzlich zur Montage von Rohrleitungssystemen umfangreiche Zusatzleistungen (Schweißen, Schrauben usw.) erbracht wurden, die weit über den gem. IWD Abfrage für den ggst. Betrieb laut ÖNACE in Kroatien (Metall- und Metallerzeugnisse/Verarbeitendes Gewerbe/Herstellung von Waren‘ festgelegten und in der getätigten Dienstleistungsanzeige mit Firmenzwecke ‚Metalltechnik für Metall und Maschinenbau‘ Zweck hinausgehen.

In diesen Punkten sowie zur Gesamtbeurteilung wird nochmals auf die Angaben in den Stellungnahmen der Finanzpolizei verwiesen.

Fakt ist, dass bei einer Entsendung von kroatischen Staatsangehörigen von einer Firma mit Sitz in Kroatien ist für Tätigkeitsbereiche gemäß § 18 (11) AuslBG eine Beschäftigungsbewilligung erforderlich, Kroatische Staatsbürger genießen nach § 32a AuslBG keinen freien Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt und sind demnach wie Drittstaatsangehörige iSd AuslBG zu behandeln (Übergangsbestimmungen zum EU Beitritt Kroatiens).

Die Ausführungen der Leiterin der Bundesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice gelten als nachvollziehbar und schlüssig. Diese beinhalten unter Anderem, dass die Tätigkeiten der Firma Br (dieselben Tätigkeiten wie die Firma M, lediglich grenzüberschreitende Vertragsbeziehung ist unterschiedlich) Industriebauarbeiten waren, die zum geschützten Dienstleistungsbereich für die Dauer der Übergangsregelungen gehören und wären daher von der Firma [klagende Partei] Beschäftigungsbewilligungen zu beantragen gewesen. Bei der Beurteilung der Klassifizierung kommt es auf die vorgesehene Tätigkeiten an.

Die Kontrollen der Finanzpolizei haben die vertragsmäßig festgelegten Tätigkeiten Schweißen, Schlossern, Vorrichten als Arbeitsleistungen zum Bauvorhaben Laugenkessel II ergeben.

Im gegenständlichen Fall waren zusätzlich zur Montage von Rohrleitungssystemen auch umfangreiche Zusatzleistungen, wie Schweißen, Schrauben etc) zu erbringen.

Es wird auf die Ausführungen des Herrn MA der Fa. M in seinen niederschriftlichen Ausführungen vom verwiesen. Hier gab er an, dass es sich um Arbeiten an Druckteilsystemen der Kesselanlage des Laugenkessels II, im Näheren mit der Neuerstellung von Plänen, Vorrichtearbeiten, Schlosserarbeiten, Schweißerarbeiten, Arbeiten als Vorarbeiter, Arbeiten im Magazin, Arbeiten für den Transport, Arbeiten als Bauleiter, Arbeiten als interne Sicherheitsbeauftragte, Qualitätskontrollarbeiten und der Projektleitung handelte bzw. wurden die Tätigkeiten von ihm so beschrieben und konnten diese Tätigkeiten auch bei der Kontrolle der Finanzpolizei dienstlich wahrgenommen werden.

Fakt ist, dass für die verfahrensgegenständlichen entsandten Arbeitskräfte keine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurden und der Beschuldigte diese trotzdem in Anspruch genommen hat. Dass für diese Tätigkeiten eine Entsende- oder Beschäftigungsbewilligung erforderlich gewesen wäre, ergibt sich aus § 18 (11) AuslBG bzw. der Systematik des § 18 (1) bis (11) AuslBG.

Im gegenständlichen Fall misst die erkennende Behörde den Angaben in den Stellungnahmen der Finanzpolizei mehr Glaubwürdigkeit bei, als der Verantwortung des Beschuldigten.

Die Angaben des Beschuldigten/der Beschuldigten konnten lediglich als Schutzbehauptungen gewertet werden.

Es liegt nach Ansicht der erkennenden Behörde eine Entsendung im geschützten Dienstleistungssektor nach § 18 (11) AuslBG vor und gelten die dem Beschuldigten angelasteten Übertretungen als erwiesen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Betreffend Einholung eines Gutachtens zur Einordnung der von M erbrachten Leistungen innerhalb der NACE Systematik aufgrund der Einschätzung der Finanzpolizei entgegen den Gutachten von Prof. Kropik ist im Verfahren erster Instanz nicht möglich und müsste die Notwendigkeit der Einholung eines diesbezüglichen Gutachtens im Beschwerdeverfahren geklärt werden.“

12 Nach Wiedergabe maßgeblicher rechtlicher Bestimmungen folgten nähere Ausführungen zur Strafbemessung.

13 Diese Bescheide ergingen gleichlautend an die vier Vorstandsmitglieder der klagenden Partei.

14 Gegen diese Straferkenntnisse erhoben die Bestraften Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Steiermark, das mit Erkenntnissen vom die Straferkenntnisse der Behörde vom , BH MT-15.1-4350/2016, BH MT-15.1-4356/2016, BH MT-15.1-4347/2016 und BH MT-15.1-4353/2016 behob und die Verwaltungsstrafverfahren hinsichtlich aller Spruchpunkte gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG iVm § 38 VwGVG einstellte. Mit Erkenntnissen des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom wurden den Beschwerden gegen die Straferkenntnisse der Behörde vom , BH MT-15.1-5351/2016, BH MT-15.1-5347/2016, BH MT-15.1-5348/2016 und BH MT-15.1-5349/2016 stattgegeben, die angefochtenen Straferkenntnisse behoben und die Verwaltungsstrafverfahren hinsichtlich aller Spruchpunkte gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG iVm § 38 VwGVG eingestellt.

15 Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof wurden gegen diese Erkenntnisse des Landesverwaltungsgerichts Steiermark nicht erhoben.

1.3 Amtshaftungsverfahren:

16 Mit der beim Landesgericht Leoben zu 8 Cg 6/21z anhängigen Klage begehrt die klagende Partei aus dem Titel der Amtshaftung von der Republik Österreich (Bund) (beklagte Partei) 710.153,78 Euro samt Zinsen. In dem geltend gemachten Anspruch sind u.a. die der klagenden Partei nach ihrem Vorbringen in den oben dargestellten Verwaltungsstrafverfahren nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz erwachsenen Vertretungskosten enthalten.

17 Mit Beschluss vom unterbrach das Landesgericht Leoben sein Verfahren gemäß § 11 Abs. 1 AHG bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit u.a. der hier gegenständlichen Bescheide der Bezirkshauptmannschaft Murtal.

18 Nach Rechtskraft dieses Beschlusses stellte das Landesgericht Leoben unter Vorlage seines Gerichtsakts samt Beilagen beim Verwaltungsgerichtshof den hier behandelten Antrag vom , 8 Cg 6/21z-14, auf Feststellung der Rechtswidrigkeit u.a. der oben angeführten Bescheide betreffend Bestrafungen nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz. (Soweit der Antrag auch die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Bescheide der Behörde über Bestrafungen nach dem AVRAG begehrt, wird darüber von dem dafür zuständigen Senat des Verwaltungsgerichtshofes entschieden.)

19 Nach Darstellung des Verfahrensgangs und des beiderseitigen Vorbringens führt das Amtshaftungsgericht aus, die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits sei von der Frage der Rechtswidrigkeit der oben genannten Bescheide abhängig.

20 Seine Ansicht, dass die Bescheide rechtswidrig seien, begründet das Landesgericht zusammengefasst damit, dass die Behörde in keinem der Anlassverfahren einen einzigen der von den Beschuldigten beantragten Zeugen einvernommen und dies damit argumentiert habe, dass nicht zu erwarten gewesen wäre, dass diese Personen entgegen den Ausführungen der Beschuldigten aussagen würden, weil sie durch ihre Beziehungen zu der klagenden Partei bzw./und/oder Br in engerer oder weiterer Art und Weise mit diesen in einem Abhängigkeitsverhältnis stünden. Damit habe - so das Amtshaftungsgericht weiter - die Behörde bereits die Beweiswürdigung vorweggenommen und den Zeugen vorweg pauschal ein strafrechtlich relevantes Verhalten, nämlich eine falsche Zeugenaussage nach § 289 StGB, unterstellt. Ohne auf die von den Beschuldigten vorgelegten Urkunden und Ausführungen überhaupt einzugehen oder diese zu würdigen, habe die Behörde diese floskelhaft als Schutzbehauptungen bewertet und den Angaben der Finanzpolizei ebenso floskelhaft mehr Glaubwürdigkeit zugemessen, als den Angaben der Beschuldigten. Damit schienen elementare Verfahrensgrundsätze verletzt zu sein. Die Beweiswürdigung mute geradezu willkürlich an und es lasse sich die Begründung der Straferkenntnisse nicht schlüssig prüfen. Da über diese Entscheidungen der Behörde noch kein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vorliege, werde gemäß § 11 Abs. 1 AHG die Feststellung der Rechtswidrigkeit beantragt.

21 In dem vom Verwaltungsgerichtshof gemäß § 65 Abs. 3 VwGG sowie §§ 36 und 70 VwGG durchgeführten Vorverfahren legte die belangte Behörde die Verwaltungsakten vor; die klagende und die beklagte Partei des Amtshaftungsverfahrens sowie die Behörde erstatteten Äußerungen.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag erwogen:

2.1 Formales:

22 Ist die Entscheidung eines Rechtsstreits von der Frage der Rechtswidrigkeit des Bescheids einer Verwaltungsbehörde abhängig, über die noch kein Erkenntnis des Verfassungs- oder des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt und hält das Gericht den Bescheid für rechtswidrig, so hat es gemäß § 11 Abs. 1 AHG, sofern die Klage nicht gemäß § 2 Abs. 2 leg. cit. abzuweisen ist, das Verfahren zu unterbrechen und vom Verwaltungsgerichtshof mit Antrag nach Art. 133 Abs. 2 B-VG die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides zu begehren. Nach Einlangen des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes hat das Gericht das Verfahren fortzusetzen und den Rechtsstreit unter Bindung an die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes zu entscheiden.

23 Die dazu ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wurde bereits auf die seit Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 (ab ) geltende Rechtslage übertragen. Insbesondere stellt der Umstand, dass ein Bescheid nunmehr infolge Aufhebung bzw. Abänderung durch ein Verwaltungsgericht nicht mehr dem Rechtsbestand angehört, kein Hindernis für die Antragstellung durch ein ordentliches Gericht dar. Die Entscheidung über einen Antrag nach § 11 AHG iVm § 67 VwGG setzt nämlich nicht voraus, dass der vom Verwaltungsgerichtshof zu überprüfende Bescheid überhaupt bzw. in seiner ursprünglichen Form weiterhin dem Rechtsbestand angehört, zumal die Feststellung des Verwaltungsgerichtshofes auch dann noch Bedeutung haben kann, wenn der Bescheid infolge nachträglicher Aufhebung nicht mehr dem Rechtsbestand angehört (vgl. zum Ganzen ausführlich ; , Fe 2019/01/0001, je mwN).

24 Dem Verwaltungsgerichtshof kommt jedoch dahingehend keine Überprüfungsbefugnis zu, ob die Frage, die Entscheidung des Amtshaftungsprozesses sei von der Rechtswidrigkeit des zu überprüfenden Bescheides abhängig, vom Amtshaftungsgericht richtig oder unrichtig beurteilt wurde (, mwN), weshalb die Ausführungen der Behörde zur Frage der fehlenden Kausalität der Bescheide für den geltend gemachten Schaden hier unbeachtlich sind. Auch die von der beklagten Partei in ihrem Schriftsatz angesprochene Verjährungsproblematik oder die ebenso von der Behörde hervorgehobene Vertretbarkeit einer unrichtigen Entscheidung, sind nicht Gegenstand des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof. Für die gegenständliche Entscheidung ist weder ausschlaggebend, ob das Ergebnis „vertretbar“, die Verfahrensführung „grob mangelhaft“ war oder ob eine „rechtlich vertretbare Auslegung“ gefunden wurde, worauf die Behörde in ihrer Stellungnahme abstellt. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu entscheiden, ob die vom Amtshaftungsgericht bezeichneten Bescheide rechtswidrig waren. Die Frage des Verschuldens (im Sinn einer Unvertretbarkeit) ist vom Amtshaftungsgericht in seinem Verfahren zu beurteilen.

25 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach der - gemäß § 70 VwGG auch im Verfahren über Feststellungsanträge in Amtshaftungssachen - anzuwendenden Bestimmung des § 41 VwGG die zu überprüfende Entscheidung - soweit nicht Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit oder infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorliegt - auf Grund des in dieser angenommenen Sachverhalts zu überprüfen. Dazu hat das Amtshaftungsgericht nach § 65 Abs. 2 VwGG den Bescheid und allenfalls die Punkte zu bezeichnen, deren Überprüfung es verlangt.

26 Der vorliegende Antrag erweist sich daher als zulässig. Der Antrag ist auch begründet.

2.2 In der Sache:

27 Die maßgeblichen Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975, in der hier zu beachtenden Fassung BGBl. I Nr. 72/2013, § 28 in der Fassung BGBl. I Nr. 113/2015, lauteten (auszugsweise):

„§ 2. (1) Als Ausländer im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt, wer nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt.

(2) Als Beschäftigung gilt die Verwendung

a) in einem Arbeitsverhältnis,

b) in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis,

c) in einem Ausbildungsverhältnis, einschließlich der Tätigkeiten nach § 3 Abs. 5,

d) nach den Bestimmungen des § 18 oder

e) überlassener Arbeitskräfte im Sinne des § 3 Abs. 1 und 4 des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes, BGBl. Nr. 196/1988, und des § 5a Abs. 1 des Landarbeitsgesetzes 1984, BGBl. Nr. 287.

(3) Den Arbeitgebern gleichzuhalten sind

a) in den Fällen eines arbeitnehmerähnlichen Beschäftigungsverhältnisses (Abs. 2 lit. b) der Vertragspartner,

b) in den Fällen des Abs. 2 lit. c und d der Inhaber des Betriebes, in dem der Ausländer beschäftigt wird, sofern nicht lit. d gilt, oder der Veranstalter,

c) in den Fällen des Abs. 2 lit. e auch der Beschäftiger im Sinne des § 3 Abs. 3 des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes und des § 5a Abs. 3 des Landarbeitsgesetzes 1984 und

d) der ausländische Dienstleistungserbringer, dem eine EU-Entsendebestätigung nach Maßgabe des § 18 Abs. 12 auszustellen ist.

(4) Für die Beurteilung, ob eine Beschäftigung im Sinne des Abs. 2 vorliegt, ist der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend. ...

...

Voraussetzungen für die Beschäftigung von Ausländern

§ 3. (1) Ein Arbeitgeber darf, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung erteilt oder eine Anzeigebestätigung ausgestellt wurde oder wenn der Ausländer eine für diese Beschäftigung gültige ‚Rot-Weiß-Rot - Karte‘, ‚Blaue Karte EU‘ oder ‚Aufenthaltsbewilligung - Künstler‘ oder eine ‚Rot-Weiß-Rot - Karte plus‘, eine ‚Aufenthaltsberechtigung plus‘, einen Befreiungsschein (§ 4c) oder einen Aufenthaltstitel 'Familienangehöriger‘ oder ‚Daueraufenthalt - EU‘ besitzt.

(2) Ein Ausländer darf, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, eine Beschäftigung nur antreten und ausüben, wenn für ihn eine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung erteilt oder eine Anzeigebestätigung ausgestellt wurde oder wenn er eine für diese Beschäftigung gültige ‚Rot-Weiß-Rot - Karte‘, ‚Blaue Karte EU‘ oder ‚Aufenthaltsbewilligung - Künstler‘ oder eine ‚Rot-Weiß-Rot - Karte plus‘, eine ‚Aufenthaltsberechtigung plus‘, einen Befreiungsschein (§ 4c) oder einen Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ oder ‚Daueraufenthalt - EU‘ besitzt.

...

Betriebsentsandte Ausländer

Voraussetzungen für die Beschäftigung; Entsendebewilligung

§ 18. (1) Ausländer, die von einem ausländischen Arbeitgeber ohne einen im Bundesgebiet vorhandenen Betriebssitz im Inland beschäftigt werden, bedürfen, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist, einer Beschäftigungsbewilligung. Dauern diese Arbeiten nicht länger als sechs Monate, bedürfen Ausländer einer Entsendebewilligung, welche längstens für die Dauer von vier Monaten erteilt werden darf.

(2) Für Ausländer nach Abs. 1, die ausschließlich im Zusammenhang mit kurzfristigen Arbeitsleistungen, für die ihrer Art nach inländische Arbeitskräfte nicht herangezogen werden, wie geschäftliche Besprechungen, Besuche von Messeveranstaltungen und Kongressen und dergleichen, beschäftigt werden, ist eine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung nicht erforderlich.

(3) Für Ausländer, die

1. von ihrem ausländischen Arbeitgeber im Rahmen eines Joint Venture und auf der Grundlage eines betrieblichen Schulungsprogramms nicht länger als sechs Monate zur betrieblichen Einschulung in einen Betrieb mit Betriebssitz im Bundesgebiet oder

2. im Rahmen eines international tätigen Konzerns auf Basis eines qualifizierten konzerninternen Aus- und Weiterbildungsprogramms von einem ausländischen Konzernunternehmen nicht länger als 50 Wochen in das Headquarter im Bundesgebiet

entsandt werden, ist keine Entsendebewilligung oder Beschäftigungsbewilligung erforderlich. Die Schulungs- bzw. Aus- und Weiterbildungsmaßnahme ist spätestens zwei Wochen vor Beginn vom Inhaber des inländischen Schulungsbetriebes (Z 1) bzw. vom Headquarter (Z 2) der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice unter Nachweis des Joint Venture-Vertrages und des Schulungsprogramms bzw. des Aus- und Weiterbildungsprogramms, in dem Zielsetzungen, Maßnahmen und Dauer der Schulung bzw. Ausbildung angegeben sind, anzuzeigen. Die regionale Geschäftsstelle hat binnen zwei Wochen eine Anzeigebestätigung auszustellen. Die Einschulung bzw. Aus- und Weiterbildung darf erst nach Vorliegen der Anzeigebestätigung begonnen werden.

(4) Dauert die im Abs. 1 genannte Beschäftigung länger als vier Monate, so ist eine Beschäftigungsbewilligung erforderlich. Der Antrag auf Erteilung der Beschäftigungsbewilligung ist jedenfalls noch vor Ablauf des vierten Monates nach Aufnahme der Arbeitsleistung vom Inhaber des Betriebes, in dem der Ausländer beschäftigt wird, bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice einzubringen. Im Falle der Ablehnung der Beschäftigungsbewilligung ist die Beschäftigung spätestens zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung zu beenden.

(5) Für Ausländer nach Abs. 1, die im Rahmen zwischenstaatlicher Kulturabkommen beschäftigt werden, ist eine Entsendebewilligung nicht erforderlich. Die Beschäftigung ist von der Einrichtung, in der die Arbeitsleistungen erbracht werden, bzw. vom Veranstalter spätestens am Tage der Arbeitsaufnahme der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice anzuzeigen.

(6) Für Ausländer nach Abs. 1, die bei Ensemblegastspielen im Theater beschäftigt werden, ist eine Entsendebewilligung nicht erforderlich, wenn die Beschäftigung nicht länger als eine Woche dauert. Die Beschäftigung ist vom Veranstalter spätestens am Tage der Arbeitsaufnahme der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice anzuzeigen.

(7) Dauert die Beschäftigung nach Abs. 6 länger als eine Woche, so ist der Antrag auf Erteilung der Entsendebewilligung ab Kenntnis dieses Umstandes, jedenfalls jedoch vor Ablauf einer Woche nach Aufnahme der Beschäftigung, vom Veranstalter bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice einzubringen.

(8) Bei Erteilung einer Entsendebewilligung oder einer Beschäftigungsbewilligung für einen betriebsentsandten Ausländer kann für den Fall, daß es sich um Arbeitsleistungen handelt, die von Inländern nicht erbracht werden können, von der Prüfung, ob die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt, abgesehen werden.

(9) Die Dauer der Arbeitsleistungen bzw. der Beschäftigung ist unabhängig von der Dauer des Einsatzes des einzelnen Ausländers bei diesen Arbeitsleistungen bzw. Beschäftigungen festzustellen.

(10) Die Lohn- und Arbeitsbedingungen gemäß § 4 Abs. 1 Z 2 und § 8 Abs. 1 sind als erfüllt anzusehen, wenn die Beschäftigung keine Gefährdung der Lohn- und Arbeitsbedingungen der inländischen Arbeitnehmer mit sich bringt.

(11) Für Arbeiten, die im Bundesgebiet üblicherweise von Betrieben der Wirtschaftsklassen Hoch- und Tiefbau, Bauinstallation, sonstiges Baugewerbe und Vermietung von Baumaschinen und Baugeräten mit Bedienungspersonal gemäß der Systematik der ÖNACE erbracht werden, kann eine Entsendebewilligung nicht erteilt werden.

(12) Für Ausländer, die von einem Unternehmen mit Betriebssitz in einem anderen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes zur Erbringung einer vorübergehenden Arbeitsleistung nach Österreich entsandt werden, ist keine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung erforderlich, wenn

1. sie ordnungsgemäß zu einer Beschäftigung im Staat des Betriebssitzes über die Dauer der Entsendung nach Österreich hinaus zugelassen und beim entsendenden Unternehmen rechtmäßig beschäftigt sind und

2. die österreichischen Lohn- und Arbeitsbedingungen gemäß § 7b Abs. 1 Z 1 bis 3 und Abs. 2 des Arbeitsvertragsrechts Anpassungsgesetzes (AVRAG), BGBl. Nr. 459/1993, sowie die sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen eingehalten werden.

Die Zentrale Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz und dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz des Bundesministeriums für Finanzen hat die Meldung über die Beschäftigung betriebsentsandter Ausländer gemäß § 7b Abs. 3 und 4 AVRAG unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zu übermitteln. Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice hat binnen zwei Wochen ab Einlangen der Meldung dem Unternehmen und dem Auftraggeber, der die Arbeitsleistungen in Anspruch nimmt, das Vorliegen der Voraussetzungen zu bestätigen (EU-Entsendebestätigung) oder bei Nichtvorliegen die Entsendung zu untersagen. Unbeschadet der Meldepflicht gemäß § 7b Abs. 3 und 4 AVRAG darf die Beschäftigung bei Vorliegen der Voraussetzungen auch ohne EU-Entsendebestätigung begonnen werden.

...

Strafbestimmungen

§ 28. (1) Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet (§ 28c), begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen,

1. wer

a) entgegen § 3 einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung erteilt noch eine Anzeigebestätigung ausgestellt wurde oder der keine für diese Beschäftigung gültige ‚Rot-Weiß-Rot - Karte‘ ‚Blaue Karte EU‘ oder ‚Aufenthaltsbewilligung - Künstler‘ oder keine ‚Rot-Weiß-Rot - Karte plus‘, keine ‚Aufenthaltsberechtigung plus‘ keinen Befreiungsschein (§ 4c) oder keinen Aufenthaltstitel ‚Familienangehöriger‘ oder ‚Daueraufenthalt - EU‘ besitzt, oder

b) entgegen § 18 die Arbeitsleistungen eines Ausländers, der von einem ausländischen Arbeitgeber ohne einen im Bundesgebiet vorhandenen Betriebssitz im Inland beschäftigt wird, in Anspruch nimmt, ohne dass für den Ausländer eine Beschäftigungsbewilligung oder eine Entsendebewilligung erteilt oder eine Anzeigebestätigung ausgestellt wurde, oder

c) ...

bei unberechtigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 1 000 Euro bis 10 000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 2 000 Euro bis 20 000 Euro, bei unberechtigter Beschäftigung von mehr als drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 2 000 Euro bis 20 000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 4 000 Euro bis 50 000 Euro;

...

(8) Bei Betriebsentsendung oder grenzüberschreitender Überlassung gilt die Verwaltungsübertretung als in dem Sprengel der Bezirksverwaltungsbehörde begangen, in dem der Arbeits(Einsatz)ort der nach Österreich entsandten oder überlassenen Arbeitnehmer liegt, bei wechselnden Arbeits(Einsatz)orten am Ort der Kontrolle.

...

Übergangsbestimmungen zur EU-Erweiterung

§ 32a. (1) Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die am aufgrund des Vertrages über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union (Beitrittsvertrag von Luxemburg), Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 157 vom , Seite 11, der Europäischen Union beigetreten sind, genießen keine Arbeitnehmerfreizügigkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 lit. l, es sei denn, sie sind Angehörige eines gemeinschaftsrechtlich aufenthaltsberechtigten Staatsangehörigen eines anderen EWR-Mitgliedstaates gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 bis 3 NAG.

(2) EU-Bürger gemäß Abs. 1 haben unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt, wenn sie

1. am Tag des Beitritts oder nach dem Beitritt rechtmäßig im Bundesgebiet beschäftigt sind und ununterbrochen mindestens zwölf Monate zum Arbeitsmarkt zugelassen waren oder

2. die Voraussetzungen des § 15 sinngemäß erfüllen oder

3. seit fünf Jahren im Bundesgebiet dauernd niedergelassen sind und über ein regelmäßiges Einkommen aus erlaubter Erwerbstätigkeit verfügen.

(3) Ehegatten und eingetragene Partner von EU-Bürgern gemäß Abs. 2 und deren Verwandte in gerader absteigender Linie, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und darüber hinaus, sofern ihnen von diesen Unterhalt gewährt wird, haben unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt, wenn sie mit diesen einen gemeinsamen rechtmäßigen Wohnsitz im Bundesgebiet haben.

(4) Das Recht auf unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt gemäß Abs. 2 und 3 ist von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zu bestätigen. Die Bestätigung ist vor Beginn der Beschäftigung einzuholen. Der Arbeitgeber hat eine Ausfertigung der Bestätigung im Betrieb zur Einsichtnahme bereitzuhalten. Die Bestätigung erlischt bei Ausreise aus dem Bundesgebiet aus einem nicht nur vorübergehenden Grunde.

(6) Für die Beschäftigung von EU-Bürgern gemäß Abs. 1 oder Drittstaatsangehörigen, die von einem Arbeitgeber mit Betriebssitz in der Republik Bulgarien oder in Rumänien zur vorübergehenden Erbringung von Dienstleistungen in einem Dienstleistungssektor nach Österreich entsandt werden, für den nach Nr. 13 des Übergangsarrangements zum Kapitel Freizügigkeit im Beitrittsvertrag (Liste nach Art. 23 der Beitrittsakte in den Anhängen VI und VII) Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 49 EGV zulässig sind, ist § 18 Abs. 1 bis 11 anzuwenden. In einem Dienstleistungssektor, in dem Einschränkungen nicht zulässig sind, ist § 18 Abs. 12 anzuwenden.

(7) Für die Beschäftigung von EU-Bürgern gemäß Abs. 1, die von einem Arbeitgeber mit Betriebssitz in einem nicht in Abs. 6 genannten EWR-Mitgliedstaat zur vorübergehenden Erbringung von Dienstleistungen nach Österreich entsandt werden, ist § 18 Abs. 12 anzuwenden.

(8) Die gesetzliche Vermutung und die Verpflichtung zur Einholung eines Feststellungsbescheides gemäß § 2 Abs. 4 gelten nicht für Gesellschafter, die Staatsangehörige der in Abs. 1 genannten Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind. Die Firmenbuchgerichte haben jedoch die Eintragung solcher Gesellschafter in das Firmenbuch der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zu melden, sofern sie Grund zur Annahme haben, dass die Gesellschafter Arbeitsleistungen im Sinne des § 2 Abs. 4 für die Gesellschaft erbringen. Die regionale Geschäftsstelle hat die Tätigkeit des Gesellschafters nach ihrem wahren wirtschaftlichen Gehalt zu prüfen. Die Gesellschafter haben an der Ermittlung des Sachverhaltes mitzuwirken. Stellt die regionale Geschäftsstelle fest, dass die Tätigkeit der Bewilligungspflicht nach diesem Bundesgesetz unterliegt, oder wirkt der Gesellschafter trotz schriftlicher Aufforderung nicht binnen angemessener Frist an der Ermittlung des Sachverhaltes mit, hat sie - sofern keine entsprechende Bewilligung vorliegt - die Beschäftigung zu untersagen und die zuständige Abgabenbehörde zu verständigen.

(9) Arbeitgebern, die EU-Bürger gemäß Abs. 1 als Fach- oder Schlüsselkräfte oder als Künstler zu beschäftigen beabsichtigen, ist auf Antrag eine Beschäftigungsbewilligung zu erteilen, wenn die jeweiligen Zulassungskriterien gemäß Abschnitt III erfüllt sind. Ehegatten und minderjährige ledige Kinder von Fach- und Schlüsselkräften haben unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt, der von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zu bestätigen ist.

...

(11) Aufgrund des Vertrages über den Beitritt der Republik Kroatien zur Europäischen Union, ABL. Nr. L 112 vom S. 10, gelten die Abs. 1 bis 9 ab dem EU-Beitritt Kroatiens sinngemäß für Staatsangehörige der Republik Kroatien und für Arbeitgeber mit Betriebssitz in der Republik Kroatien. Kroatischen Staatsangehörigen, die bis zum Beitritt gemäß § 17 zur Ausübung einer Beschäftigung im gesamten Bundesgebiet berechtigt waren, ist ohne weitere Prüfung ein unbeschränkter Arbeitsmarktzugang zu bestätigen. Die Abs. 3 und 4 sind mit der Maßgabe anzuwenden, dass den dort genannten Familienangehörigen in den ersten zwei Jahren ab dem Beitritt unbeschränkter Arbeitsmarktzugang nur dann zu bestätigen ist, wenn sie mit dem kroatischen Staatsangehörigen, der bereits unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt hat, am Tag des Beitritts oder, sofern sie erst später nachziehen, mindestens achtzehn Monate einen gemeinsamen rechtmäßigen Wohnsitz im Bundesgebiet hatten. Diese Frist entfällt, wenn der kroatische Staatsangehörige bis zum Beitritt über eine ‚Rot-Weiß-Rot - Karte‘, eine ‚Rot-Weiß-Rot - Karte plus‘, eine ‚Blaue Karte EU‘ oder einen Aufenthaltstitel ‚Daueraufenthalt - EG‘ verfügt hat.

...“

28 Zur Zuständigkeit der Behörde ist vorweg auszuführen, dass nach § 27 Abs. 1 VStG jene Strafbehörde örtlich zuständig ist, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist. Eine Verwaltungsübertretung gemäß § 27 Abs. 1 VStG wird dort begangen, wo der Täter gehandelt hat oder hätte handeln sollen (§ 2 Abs. 2 VStG). Bei Delikten von juristischen Personen kommt es nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dabei vielfach auf den Sitz der Unternehmensleitung an, wobei jedoch auf das betreffende Tatbild Bedacht zu nehmen ist (vgl. auch dazu etwa , mwN).

29 Bei Unterlassungsdelikten ist der Tatort dort anzunehmen, wo der Täter hätte handeln sollen; dieser Ort fällt dann, wenn solche Unterlassungen im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Unternehmens erfolgen, im Zweifel mit dem Sitz des Unternehmens zusammen; (nur) dann, wenn die tatsächliche Leitung eines Unternehmens an einem anderen Ort als an dem im Firmenbuch eingetragenen Sitz des Unternehmens ausgeübt wird, hat dies zur Folge, dass dieser Ort als jener Ort anzusehen ist, an dem der Täter hätte handeln sollen ().

30 Im Fall von Übertretungen gemäß § 28 AuslBG ist im Zweifel der Sitz des Unternehmens des Arbeitgebers der Tatort, denn dort wird in der Regel die gegebenenfalls nach diesem Gesetz verpönte Beschäftigung eingegangen und von dort aus wäre die allenfalls fehlende Beschäftigungsbewilligung zu beantragen gewesen (siehe , mwN).

31 Mit Novelle BGBl. I Nr. 113/2015 wurde dem § 28 AuslBG mit Wirksamkeit vom folgender achter Absatz angefügt:

„(8) Bei Betriebsentsendung oder grenzüberschreitender Überlassung gilt die Verwaltungsübertretung als in dem Sprengel der Bezirksverwaltungsbehörde begangen, in dem der Arbeits(Einsatz)ort der nach Österreich entsandten oder überlassenen Arbeitnehmer liegt, bei wechselnden Arbeits(Einsatz)orten am Ort der Kontrolle.“

32 Zu dieser Regelung wurde in den Gesetzesmaterialien (RV 692 BlgNR 25. GP 14 f) festgehalten:

„Die vorgeschlagene Regelung dient einer effektiven Strafverfolgung bei Verstößen gegen die Entsende- bzw. Überlassungsvorschriften des § 18 AuslBG. Derzeit können sich im Ausland ansässige Entsende- bzw. Überlassungsbetriebe, die gegen einschlägige Bestimmungen verstoßen haben, der Strafverfolgung entziehen, wenn kein Betriebssitz im Inland vorhanden ist und somit kein inländischer Tatort im Sinne des § 2 Abs.1 VStG festgestellt werden kann.

In Anlehnung an die vergleichbare Bestimmung im AVRAG (§ 7i Abs. 9) soll klargestellt werden, dass bei Betriebsentsendungen und grenzüberschreitenden Überlassungen die Verwaltungsübertretung grundsätzlich als in dem Sprengel der Bezirksverwaltungsbehörde begangen gilt, in dem der Arbeits(Einsatz)ort der nach Österreich entsandten oder überlassenen Arbeitnehmer liegt. Bei wechselnden Arbeits(Einsatz)orten gilt die Verwaltungsübertretung als am Ort der Kontrolle begangen.“

33 Gegenständlich wurden der klagenden Partei einerseits die Beschäftigung ihr vom kroatischen Unternehmen Br grenzüberschreitend überlassener Ausländer ab September 2015 an der Baustelle in dem im Sprengel der Behörde gelegenen Zellstoffwerk nach § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 AuslBG vorgeworfen (Verwaltungsstrafverfahren Br), sowie andererseits die Inanspruchnahme der Arbeitsleistung der vom kroatischen Unternehmen M, einem ausländischen Arbeitgeber ohne Betriebssitz im Inland, entgegen der Bestimmung des § 18 AuslBG grenzüberschreitend entsandter Ausländer ab Oktober 2015 an der Baustelle in dem im Sprengel der Behörde gelegenen Zellstoffwerk nach § 28 Abs. 1 Z 1 lit. b iVm § 18 Abs. 1 AuslBG (Verwaltungsstrafverfahren M).

34 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, liegt der Unterschied zwischen den Strafdrohungen nach § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a und lit. b bzw. Z 5 AuslBG darin, dass gemäß lit. a das „Beschäftigen“ von Ausländern, in lit. b hingegen das bloße „in Anspruch nehmen“ von Arbeitsleistungen betriebsentsandter Ausländer ohne ein zwischen einem inländischen Unternehmen und den Ausländern bestehendes Beschäftigungsverhältnis unter Strafe gestellt wird. Derjenige nimmt die Arbeitsleistung eines „betriebsentsandten Ausländers“ in diesem Sinn „in Anspruch“, zur Erfüllung dessen Werks oder Auftrags die Arbeitsleistungen der vom ausländischen Arbeitgeber beschäftigten Ausländer dienen. Dies ist dann der Fall, wenn der Einsatz „betriebsentsandter Ausländer“ als Erfüllungsgehilfen ihres ausländischen Arbeitgebers erfolgt, um dessen Verpflichtung aus einem Werkvertrag gegenüber dem inländischen Besteller zu erfüllen (vgl. ausführlich , mwN).

35 Es macht - um die Verwendung von ausländischen Arbeitskräften als Beschäftigung im Sinn des § 3 Abs. 1 AuslBG zu qualifizieren - keinen Unterschied, ob derjenige, der die Arbeitskräfte verwendet, selbst Arbeitgeber der Ausländer ist, oder ob im Sinn des § 2 Abs. 2 lit. e AuslBG in Verbindung mit dem Arbeitskräfteüberlassungsgesetz die Verwendung überlassener Arbeitskräfte erfolgt. In beiden Fällen ist derjenige, der die Arbeitskräfte verwendet, ohne dass er oder der Ausländer im Besitz einer entsprechenden Bewilligung oder Bestätigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz ist, wegen Übertretung des § 3 Abs. 1 iVm § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a AuslBG strafbar (vgl. etwa ; , 2003/09/0025, VwSlg. 16.491 A/2004).

36 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dem im Ausländerbeschäftigungsgesetz geregelten Beschäftigungsbegriff (§ 2 Abs. 2) in Verbindung mit der nachfolgenden Regelung des Arbeitgeberbegriffs (§ 2 Abs. 3) eindeutig zu entnehmen, dass im Fall einer Arbeitskräfteüberlassung (im Sinn des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes) neben dem als Arbeitgeber der überlassenen Arbeitskräfte zu behandelnden Überlasser auch der Beschäftiger einem Arbeitgeber gleichzuhalten ist. Demnach können sowohl der Beschäftiger als auch der Überlasser (von überlassenen Arbeitskräften) Täter einer Verwaltungsübertretung nach § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a AuslBG sein (siehe , mwN).

37 In beiden hier gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz war der Einsatz grenzüberschreitend überlassener bzw. entsandter ausländischer Arbeitnehmer wegen Nichtvorliegens der dafür erforderlichen Voraussetzungen vorgeworfen. Im Hinblick auf den Gesetzeswortlaut des § 28 Abs. 8 AuslBG ist es daher - auch wenn die Materialien dazu lediglich auf § 18 AuslBG abstellen - nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass im Verwaltungsverfahren im Hinblick auf den Einsatzort die örtliche Zuständigkeit der Behörde zur Führung dieser Verfahren nach § 28 Abs. 8 AuslBG angenommen wurde.

38 Wie der Verwaltungsgerichtshof seit dem Erkenntnis vom , Ra 2017/11/0068, in ständiger Rechtsprechung im Hinblick auf das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom , Martin Meat, C-586/13, judiziert, ist für die Beurteilung, ob ein Sachverhalt als grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung - wie das hier in den Verfahren Br vorgeworfen worden war - zu beurteilen ist, aus unionsrechtlicher Sicht „jeder Anhaltspunkt“ zu berücksichtigen und somit unter mehreren Gesichtspunkten (nach dem „wahren wirtschaftlichen Gehalt“; vgl. , mit Bezugnahme auf Vicoplus u.a., C-307/09, u.a.) zu prüfen.

39 Im Speziellen sind dabei die Fragen, ob die Vergütung/das Entgelt auch von der Qualität der erbrachten Leistung abhängt bzw. wer die Folgen einer nicht vertragsgemäßen Ausführung der vertraglich festgelegten Leistung trägt, ob also der für einen Werkvertrag essenzielle „gewährleistungstaugliche“ Erfolg vereinbart wurde, wer die Zahl der für die Herstellung des Werkes jeweils konkret eingesetzten Arbeitnehmer bestimmt und von wem die Arbeitnehmer die genauen und individuellen Weisungen für die Ausführung ihrer Tätigkeiten erhalten von entscheidender Bedeutung.

40 Daher sind in einem Fall wie dem vorliegenden eindeutige Sachverhaltsfeststellungen dahin zu treffen, ob und welche der für die Arbeitskräfteüberlassung ausschlaggebenden Kriterien verwirklicht sind, um im Rahmen einer rechtlichen Gesamtbeurteilung fallbezogen das Vorliegen von grenzüberschreitender Arbeitskräfteüberlassung bejahen oder verneinen zu können (vgl. zum Ganzen abermals , mwN).

41 Nach dem - gemäß § 24 VStG im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden - § 45 Abs. 2 AVG hat die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Dies bedeutet nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass dem AVG eine antizipierende Beweiswürdigung fremd ist und Beweisanträge nur dann abgelehnt werden dürfen, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel - ohne unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung - untauglich bzw. an sich nicht geeignet ist, über den beweiserheblichen Gegenstand einen Beweis zu liefern (vgl. , mwN). „Freie Beweiswürdigung“ darf erst nach einer vollständigen Beweiserhebung einsetzen; eine vorgreifende (antizipierende) Beweiswürdigung, die darin besteht, dass der Wert eines Beweises abstrakt (im Vorhinein) beurteilt wird, ist unzulässig (; vgl. zum Ganzen auch , mwN).

42 So liegt eine unzulässige antizipierende Beweiswürdigung dann vor, wenn ein vermutetes Ergebnis noch nicht aufgenommener Beweise vorweggenommen wird (), etwa wenn die Ablehnung der Zeugeneinvernahme ausschließlich wegen der Befürchtung eines „Gefälligkeitszeugnisses“ erfolgt ().

43 Die klagende Partei hat im Verwaltungsstrafverfahren Br die Aufnahme näher bezeichneter Beweise zum Nachweis dafür beantragt, dass es sich in diesem Fall nicht um die Überlassung ausländischer Arbeitnehmer von Br an die klagende Partei gehandelt habe, sondern ein (echter) Werkvertrag vorgelegen sei.

44 Die Behörde führte diese Beweisaufnahme nicht aus und begründete dies ausschließlich damit, dass nicht zu erwarten gewesen sei, dass die beantragten Personen aufgrund ihrer Beziehungen zur klagenden Partei oder Br zu diesen in einem Abhängigkeitsverhältnis stünden, sodass nicht zu erwarten sei, dass diese Aussagen entgegen den Ausführungen der Beschuldigten machen würden. Die Ablehnung der Aufnahme der beantragten Beweise aus den von der Behörde genannten Gründe in den Verwaltungsstrafverfahren Br stellte jedoch - nach der oben dargelegten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - eine unzulässige antizipierende Beweiswürdigung dar, wodurch die Straferkenntnisse in diesen Verfahren rechtswidrig waren.

45 Die von der Behörde im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erstmals vorgebrachte Begründung, dass die Zeugen im Ausland gewesen wären und eine Einvernahme im Rechtshilfeweg innerhalb der Verjährungsfrist nicht zu bewerkstelligen gewesen wäre, findet sich in den Bescheiden nicht. Eine solche Äußerung ist aber kein geeigneter Platz, um eine im Bescheid versäumte Begründung nachzuholen (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa ; , 98/12/0506, jeweils noch zu Gegenschriften in Beschwerdeverfahren). Zudem wurde auch der beantragten Einvernahme von in Österreich befindlichen Zeugen nicht nachgekommen.

46 Ein näheres Eingehen auf die rechtliche Beurteilung der Behörde erübrigt sich in diesem Zusammenhang daher, setzt diese doch einen vollständig festgestellten Sachverhalt voraus, der in einem mängelfreien Verfahren ermittelt wurde. Die Frage der angesprochenen Änderung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Zusammenhang mit dem Vorliegen einer Arbeitskräfteüberlassung stellt sich somit nicht.

47 In den Verwaltungsstrafverfahren M war nicht eine Überlassung von Arbeitskräften an die klagende Partei vorgeworfen, sondern entgegen § 18 AuslBG die Inanspruchnahme der Arbeitsleistung von Ausländern, die von einem ausländischen Arbeitgeber ohne einen im Bundesgebiet vorhandenen Betriebssitz im Inland beschäftigt worden seien, ohne dass für diese Beschäftigungs- oder Entsendebewilligungen erteilt oder Anzeigebestätigungen ausgestellt gewesen wären.

48 In diesen Verwaltungsstrafverfahren war daher die entscheidende Frage zu klären, ob die vom kroatischen Unternehmen M geschuldeten Arbeiten Bauarbeiten (iSd NACE-Codes 45.1 bis 45.4) betrafen, die vom österreichischen Vorbehalt zum Beitritt Kroatiens zur Europäischen Union (siehe § 32a Abs. 11 AuslBG) umfasst waren, weshalb es für die Ausländer einer Beschäftigungsbewilligung nach § 18 Abs. 1 bis 11 AuslBG bedurft hätte, oder es sich bloß um - nicht vom Vorbehalt umfasste - Arbeitsgänge der Montage, der Installation und der Inbetriebnahme einer Industrieanlage in einer bestehenden Struktur handelte (vgl. ausführlich , zur Installation und Inbetriebnahme einer Industrieanlage, im Hinblick auf Danieli & C. Officine Meccaniche, u.a., C-18/17). Dazu hätte die Behörde die entsprechenden Feststellungen zu treffen gehabt (vgl. abermals , Rn. 20).

49 Die Behörde setzte sich jedoch in diesem Zusammenhang mit dem von der klagenden Partei zu diesem Thema vorgelegten Privatgutachten inhaltlich nicht auseinander. Sie begründete dies pauschal damit, dass sie den Stellungnahmen der Finanzpolizei mehr Glaubwürdigkeit beimesse, die Angaben der Beschuldigten lediglich als Schutzbehauptungen zu werten seien und die Einholung eines Gutachtens zur Einordnung der von M erbrachten Leistung im Verfahren erster Instanz nicht möglich wäre und die Notwendigkeit der Einholung eines Gutachtens im Beschwerdeverfahren geklärt werden müsse.

50 Damit verkannte die Behörde jedoch die Rechtslage. Ebenso wie ein Verwaltungsgericht trifft auch bereits die Behörde die Verpflichtung, im Rahmen der Begründung ihrer Entscheidungen ein Gutachten eines Sachverständigen auf seine Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit hin zu prüfen, weshalb sie gehalten ist, sich im Rahmen der Begründung ihrer Entscheidung mit dem Gutachten auseinanderzusetzen und dieses entsprechend zu würdigen (vgl. ; , Ra 2015/03/0058, mwN). Wenn der Behörde selbst der notwendige fachliche Sachverstand fehlt, hat sie einen Sachverständigen nach den Regeln der §§ 52 f AVG beizuziehen ().

51 Fehlte der Behörde daher für die Einordnung der Arbeiten der notwendige fachliche Sachverstand und erachtete sie bereits selbst - was nach der Begründung der Bescheide zumindest möglich scheint - die Einholung eines Sachverständigengutachtens für erforderlich, hätte sie einen Amtssachverständigen gemäß § 52 Abs. 1 AVG beizuziehen gehabt.

52 Indem die Behörde die dargelegten erforderlichen Feststellungen nicht traf, sich mit dem Privatgutachten der klagenden Partei inhaltlich nicht auseinandersetzte und mit unrichtiger rechtlicher Begründung auch keinen Amtssachverständigen beizog, belastete sie auch diese Straferkenntnisse mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

53 Zudem kann dem Amtshaftungsgericht nicht entgegengetreten werden, wenn es darauf hinweist, dass die Behörde in beiden Verfahren bloß pauschal die Angaben der Finanzpolizei für glaubwürdiger und das Vorbringen der Beschuldigten als Schutzbehauptungen wertete, ohne sich mit diesen im Einzelnen argumentativ auseinanderzusetzen.

54 Die Frage, ob eine Bestrafung der Mitglieder des Vorstands der klagenden Partei in den gegenständlichen Verfahren im Hinblick auf die Bestellung einer verantwortlichen Beauftragten nach § 9 Abs. 2 VStG für die Einhaltung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes überhaupt zulässig war, kann hier angesichts des bereits Ausgeführten dahingestellt bleiben. Es sei daher an dieser Stelle bloß festgehalten, dass die Bescheide insoweit eine - über die Wiedergabe des wechselseitigen Vorbringens hinausgehende - eigene Begründung in diesem Zusammenhang nicht enthalten. Weshalb trotz der insoweit einschlägigen Bestellung einer verantwortlichen Beauftragten, als diese für die Einhaltung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes bestellt war, nicht diese, sondern die Mitglieder des Vorstands der klagenden Partei bestraft wurden, lässt sich den Erwägungen der Behörde in den Bescheiden nicht entnehmen.

55 Es war daher gemäß § 67 VwGG die Rechtswidrigkeit der gegenständlichen Bestrafungen nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz durch die Bezirkshauptmannschaft Murtal festzustellen. Dies konnte gemäß § 66 VwGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung erfolgen.

56 Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 68 VwGG.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
AHG 1949 §11
AHG 1949 §11 Abs1
AÜG §3 Abs4
AÜG §4
AÜG §4 Abs1
AuslBG §2 Abs2
AuslBG §2 Abs2 lite
AuslBG §2 Abs3
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita
AuslBG §28 Abs1 Z1 litb
AuslBG §28 Abs1 Z5
AuslBG §28 Abs8
AuslBG §3 Abs1
AVG §37
AVG §45 Abs2
AVG §52 Abs1
B-VG Art133 Abs2
B-VG Art133 Abs2 idF 2012/I/051
EURallg
VStG §2 Abs2
VStG §24
VStG §27 Abs1
VStG §9
VwGG §41
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGG §65 Abs2
VwGG §67
VwGG §67 idF 2013/I/033
VwGG §70
VwGVG 2014 §27
VwGVG 2014 §38
32014L0067 Durchsetzung-RL Entsendung Arbeitnehmern Art4 Abs1
Schlagworte
Amtssachverständiger Person Bejahung Besondere Rechtsgebiete Beweismittel Sachverständigenbeweis Beweismittel Zeugenbeweis Beweiswürdigung antizipative vorweggenommene Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4 Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2022:FE2022090001.H00
Datenquelle

Fundstelle(n):
EAAAF-45025