VwGH 05.05.2022, 2020/15/0049
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
RS 1 | Die Zwangsläufigkeit des Aufwands ist stets nach den Umständen des Einzelfalls zu prüfen (vgl. und , 2013/13/0064). Es kommt auf die wesentliche Ursache für das Entstehen der Aufwendungen an (). |
Normen | |
RS 2 | Bei einer Belastung, die aus der Erfüllung einer Rechtspflicht erwächst, muss bereits die Übernahme der Rechtspflicht das Merkmal der (rechtlichen oder sittlichen) Zwangsläufigkeit aufweisen (vgl. , VwSlg 8882 F/2014). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2019/13/0027 B RS 2 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und den Hofrat Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision des Finanzamts Graz-Umgebung (nunmehr: Finanzamt Österreich - Dienststelle Steiermark Mitte) in 8010 Graz, Adolf-Kolping-Gasse 7, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/2101717/2016, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für die Jahre 2014 und 2015 (mitbeteiligte Partei: U N, vertreten durch die Taferner Steuerberatungs KG in 8043 Graz, Mariatroster Straße 87a), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Mitbeteiligte machte in der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für die Jahre 2014 und 2015 Aufwendungen (2014: 40.027,06 €, 2015: 38.000 €) im Zusammenhang mit der Wiederrichtung ihres zur Gänze abgebrannten Wohnhauses als „außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt“ geltend.
2 Das Finanzamt erließ Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2014 und 2015 und erkannte die geltend gemachten Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastung an. Zur Begründung führte es aus, die Absetzbarkeit von Kosten zur Beseitigung von Katastrophenschäden werde nur bei „Naturkatastrophen“ anerkannt; ein bloßer Vermögensschaden stelle noch keine außergewöhnliche Belastung dar.
3 Der dagegen erhobenen Beschwerde der Mitbeteiligten gab das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung keine Folge und führte aus, bei der Wiederbeschaffung untergegangener Wirtschaftsgüter des Privatvermögens könne - ausgenommen bei notwendigen Aufwendungen zur Beseitigung von Katastrophenschäden - nicht von Aufwendungen im Sinne des § 34 EStG 1988 gesprochen werden. Jene Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehörten, seien von der Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung ausgeschlossen. Der Wiederaufbau des Hauses sei dem Grunde nach als Sonderausgabe gemäß § 18 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 als Wohnraumschaffung zu qualifizieren und daher von der Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung ausgeschlossen.
4 Die Mitbeteiligte beantragte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und führte im Vorlageantrag mit näherer Begründung aus, Aufwendungen nach einem Wohnungsbrand seien nach § 34 Abs. 1 EStG 1988 absetzbar.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde teilweise Folge und erkannte Aufwendungen im Ausmaß von 25.242,58 € für das Jahr 2014 und von 14.853,45 € für das Jahr 2015 als außergewöhnliche Belastung iSd § 34 EStG 1988 an. Es stellte fest, dass das Wohnhaus der Mitbeteiligten samt Inventar aufgrund eines Hitzestaus zur Gänze abgebrannt sei. Die Gesamtkosten der Wiedererrichtung des Gebäudes und Inventars in Höhe von 565.972,19 € seien zur Gänze von der geleisteten Versicherungsentschädigung in Höhe von 574.421,44 € abgedeckt worden. Allerdings sei das Wohngebäude nur über einen ca. 400 Meter langen Zufahrtsweg erreichbar, der als Servitut über Nachbargrundstücke führe. Dieser Weg werde nicht nur von den Servitutsberechtigten, sondern auch von den belasteten Grundstückseigentümern benützt. Im Zuge der Wiedererrichtung des Gebäudes habe für die Erlangung der Baubewilligung auch der Zufahrtsweg dem Stand der Technik entsprechend verbreitert und saniert werden müssen. Die Mitbeteiligte habe (in der Eingabe vom ) vorgebracht, dieser Wegebau habe als Bedingung der Gemeinde für die Baubewilligung gegolten, was die Mitbeteiligte in eine enorme Notlage gebracht und für die anderen Wegebenutzer bzw. Grundstückseigentümer „erpressbar“ gemacht habe; nur deshalb habe sie die Vereinbarung eingehen müssen, wonach sie 100% der Wegeerrichtungskosten habe tragen müssen. Folglich habe die Mitbeteiligte - neben der Leistung einer Servitutszahlung, die nach Ansicht des BFG durch den Betrag abgedeckt sei, um den die Versicherungsentschädigung die Gesamtkosten der Wiedererrichtung des Gebäudes und Inventars übersteige - die Wegerrichtungskosten in Höhe von 66.500 € (im Jahr 2014: 40.500 € und im Jahr 2015: 26.000 €) tragen müssen. Die Mitbeteiligte habe glaubhaft gemacht, dass diese alleinige Kostentragung für die Wegerrichtung, für die keine Versicherungsentschädigung geleistet worden sei, Voraussetzung für die Zustimmung der Grundstückseigentümer zur Servitutseinräumung bzw. -eintragung (Verbreiterung des Servitutsweges) gewesen sei.
6 In rechtlicher Hinsicht begründete das Bundesfinanzgericht, dass für sämtliche von der Versicherungsentschädigung abgedeckten Kosten weder eine Berücksichtigung als Sonderausgaben noch als außergewöhnliche Belastungen in Frage käme. Die Wegerrichtungskosten seien aber als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig. Es sei ein allgemeines Schadensereignis vorgelegen, das eine aufgezwungene Sachlage herbeigeführt habe, deren Beseitigung lebensnotwendig gewesen sei. Das alleinige Tragen der Sanierungsaufwendungen durch die Servitutsberechtigten, obwohl die Zufahrt auch von den Grundstückseigentümern benützt werde, entspreche nicht der zivilrechtlich vorgesehenen verhältnismäßigen Kostentragung und sei daher außergewöhnlich. Die Aufwendungen seien zur Beseitigung der Folgen eines katastrophenähnlichen Schadensereignisses aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erforderlich gewesen, insbesondere da der Zufahrtsweg den einzigen Zugang zum Wohnhaus ermögliche und daher die Befriedigung des Wohnbedürfnisses ohne diese Aufwendungen unzumutbar sei. Bei Berechnung der Höhe der anzuerkennenden Aufwendungen berücksichtigte das Bundesfinanzgericht jene Kosten als außergewöhnliche Belastung, die den bei verhältnismäßiger Kostentragung auf die Mitbeteiligte entfallenden Anteil überstiegen, brachte von diesen allerdings den Selbstbehalt nach § 34 Abs. 4 EStG 1988 in Abzug.
7 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig, weil es sich bei der Frage, ob bzw. in welcher Höhe die Aufwendungen für die Errichtung einer neuen Zufahrt außergewöhnliche Belastungen oder Sonderausgaben darstellen könnten, um eine auf der Ebene der Beweiswürdigung zu lösende Sachfrage handle.
8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision des Finanzamts.
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 Unter der Überschrift „Revisionszulässigkeit sowie Begründung der Rechtswidrigkeit des Inhalts der angefochtenen Entscheidung“ macht das Finanzamt geltend, dass die Aufwendungen für die Neuerrichtung bzw. Sanierung der Zufahrt nicht durch den Brand verursacht worden seien, sondern die Zufahrt unabhängig davon nicht den rechtlichen Vorgaben entsprochen habe und daher sanierungsbedürftig gewesen sei. Die Neuerrichtung des Gebäudes sei ua mit der Auflage der Gemeinde verbunden gewesen, die Zufahrt neu zu trassieren und zu verbreitern. Durch die Neuerrichtung des Weges seien Verbesserungen und Erweiterungen vorgenommen worden, die einen Gegenwert geschaffen hätten, sodass eine bloße Vermögensumschichtung, aber keine „Belastung“ iSd § 34 EStG 1988 vorliege. Außerdem seien die Kosten freiwillig zur Gänze übernommen worden, obwohl zivilrechtlich eine verhältnismäßige Aufteilung geboten gewesen wäre, was der nach § 34 Abs. 3 EStG 1988 erforderlichen Zwangsläufigkeit entgegenstehe.
13 Zunächst ist darauf zu verweisen, dass nach § 28 Abs. 3 VwGG eine außerordentliche Revision auch „gesondert“ die Gründe zu enthalten hat, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Diesem Gebot der gesonderten Darstellung wird dann nicht entsprochen, wenn - wie im vorliegenden Fall - das Vorbringen zur Begründung der Zulässigkeit der Revision mit Ausführungen, die Revisionsgründe darstellen, zusammengefasst wird (vgl. z.B. mwN).
14 Der Revision gelingt es aber auch im Übrigen nicht, ihre Zulässigkeit aufzuzeigen.
15 Soweit in der Revision vorgebracht wird, die Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung scheide schon deshalb aus, weil durch die Sanierung der Zufahrt ein Gegenwert geschaffen worden sei, der zu einer bloßen Vermögensumschichtung der Mitbeteiligten geführt habe, entfernt sich die Revision vom festgestellten Sachverhalt, wonach als außergewöhnliche Belastung nur die Bezahlung der an sich auf die benachbarten Grundstückseigentümer (als weitere Benutzer des Weges) entfallenden Teile der Kosten anerkannt wurden. Darüber hinaus lässt diese Argumentation unberücksichtigt, dass ein allfälliger Gegenwert nicht der Mitbeteiligten als bloßer Servitutsberechtigter, sondern den Grundstückseigentümern zukäme.
16 Dem weiteren Revisionsvorbringen, das die Zwangsläufigkeit des Aufwands bestreitet, weil die Kosten für die Neuerrichtung der Zufahrt einerseits nicht durch den Brand verursacht worden seien und andererseits freiwillig eingegangen worden seien, ist zu entgegnen, dass die Zwangsläufigkeit nach § 34 Abs. 3 EStG 1988 dann gegeben ist, wenn der Steuerpflichtige sich der Belastung aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Dabei ist die Zwangsläufigkeit des Aufwands stets nach den Umständen des Einzelfalls zu prüfen (vgl. und , 2013/13/0064). Es kommt auf die wesentliche Ursache für das Entstehen der Aufwendungen an (). Erwächst die Belastung aus der Erfüllung einer Rechtspflicht, muss bereits die Übernahme der Rechtspflicht das Merkmal der rechtlichen oder sittlichen Zwangsläufigkeit aufweisen (). Ausgehend von dem im Revisionsverfahren unstrittigen Sachverhalt, die Neuerrichtung des Wohngebäudes sei zwingend mit der Auflage der Gemeinde verbunden gewesen, die Zufahrt neu zu trassieren und zu verbreitern, und die Grundeigentümer hätten dieser Änderung des Servitutsweges nur bei voller Kostenübernahme durch die Mitbeteiligte zugestimmt, kann der Beurteilung des Bundesfinanzgerichts, das Eingehen der Verpflichtung zur Übernahme dieser Sanierungskosten (für die einzige Zufahrt zum Wohngebäude) sei durch die Mitbeteiligte zwangsläufig erfolgt, nicht mit Erfolg entgegen getreten werden.
17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020150049.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
FAAAF-44981