TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.01.2025, RV/7103757/2024

Eine Veranlagung 14 Monate nach Einreichen der Steuererklärung rechfertigt keinen Antrag nach § 299 BAO auf Aufhebung des Bescheides betreffend Anspruchszinsen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch fh-wirtschaftstreuhand GmbH Steuerberatungsgesellschaft, Linzer Straße 26, 3100 St.Pölten, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Aufhebung § 299 BAO / Sonstige 2021, Anspruchszinsen aus ESt 2021 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang und festgestellter Sachverhalt

Aus dem Verfahrensablauf und dem vorliegenden Akteninhalt ergibt sich folgender unstrittiger Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin (Bf.) reichte am die Einkommensteuererklärung für das Jahr 2021 über FinanzOnline ein.

Am wurde die Einkommensteuer 2021 bescheid- und antragsgemäß veranlagt. Zugleich wurden Anspruchszinsen in Höhe von 6.835,58 € festgesetzt.

Mit Schriftsatz vom wurde ein Antrag auf Aufhebung gem. § 299 BAO des Bescheides über die Festsetzung von Anspruchszinsen eingebracht. Begründend wurde nach Darstellung des bisherigen Verfahrensablaufes ausgeführt, dass die Behörde erst 14 Monate nach Abgabe der Steuererklärung die Einkommensteuer 2021 veranlagt hat. Das Verhalten der Abgabenbehörde sei klar gesetzwidrig, das sie nicht ohne unnötigen Aufschub entschieden habe und rechtfertige diese Vorgangsweise keinesfalls die Festsetzung von Anspruchszinsen. Festgehalten werde auch, dass keinerlei Ergänzungsersuchen oder andere Überprüfungshandlungen erkennbar gesetzt wurden.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom als unbegründet abgewiesen. Unter Hinweis auf den Gesetzestext führte das Finanzamt aus, dass die Festsetzung von Anspruchszinsen nicht im Ermessen liege. Der Einkommensteuerbescheid sei rechtskräftig geworden. Es seien auch keine Anzahlungen auf die Einkommensteuer geleistet worden. Der Antrag gem. § 299 BAO sei daher abzuweisen.

In der dagegen am eingebrachten Beschwerde wurde dargelegt, dass die Behörde verkenne, dass es betreffend der Entscheidungspflicht sehr enge Grenzen gebe.
§ 284 BAO regle sehr detailliert die Säumnisbeschwerde bzw. die Entscheidungspflicht der Behörde. Selbstverschuldete Verletzungen der Entscheidungspflicht würden einen Bescheid betreffend Anspruchszinsen gesetzwidrig machen.
Selbstverschuldete Verletzungen von Entscheidungspflichten durch die Finanzverwaltung machen einen Bescheid betreffend Anspruchszinsen sogar gesetzwidrig, § 284 Abs. 2 BAO enthält diesbezüglich keine Kann-Bestimmung.
Zinsvorteile der Abgabenpflichtigen entstünden nicht dadurch, dass die Finanzverwaltung gesetzwidrig ihren Entscheidungspflichten nicht nachkomme. Im Zivilverfahren gebe es diesbezüglich das Instrument der Schadensminderungspflicht.
Die Finanzverwaltung bestreite diesbezüglich ja auch nicht einmal eine gesetzwidrige Verletzung der Entscheidungspflicht, die in der Beschwerde vom erhobenen Einwendungen würden ja nicht einmal behandelt.
Dem Gesetzgeber könne keinesfalls unterstellt werden, der Finanzverwaltung die Möglichkeit einzuräumen, insofern "ein Geschäftsmodell zu kreieren", durch bloße Untätigkeit über Jahre hinweg Zinsvorteile zu lukrieren (der Zweck der Norm des § 205 BAO ist ein gänzlich anderer).
Entscheidend sei die objektive Möglichkeit der Erzielung von Zinsvorteilen bzw. Zinsnachteilen. Die Untätigkeit der Finanzverwaltung liege keinesfalls in der objektiven Möglichkeit der Einflussnahme auf die Tätigkeit der Finanzverwaltung.
Personalmangel oder auch nur der bloße Unwille zur Entscheidungsfällung lägen keinesfalls im objektiven Einflussbereich der Abgabenpflichtigen, gesetzwidriges Verhalten der Finanzverwaltung könne nur dieser selbst angelastet werden. Gesetzmäßiges Verhalten solle jedenfalls unumgänglich sein.
Warum keine den gesetzlichen Bestimmungen entsprechende Entscheidung bei der Erlassung der Einkommensteuer 2021 getroffen worden sei, sei bis heute unklar, die Finanzverwaltung habe sich diesbezüglich bis dato nicht geäußert.
Darüber hinausgehend habe man sich bloß auf formaljuristische Formulierungen bei der Abweisung beschränkt, auf den näheren Sachverhalt sei gar nicht eingegangen worden. Schon aus diesem Grund sei der Abweisungsbescheid rechtswidrig.
Da der Abweisungsbescheid auf gänzlich gesetzwidriger Grundlage basiere, könne nur der gesamte Anspruchszinsenbescheid aufgehoben werden. Die Definition im Spruch, wann der Einkommensteuerbescheid zu erlassen gewesen wäre, sei nicht möglich, weil die Finanzverwaltung nach § 85a BAO ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden habe.
Behördenwillkür als Grundlage für Anspruchszinsen sei denkunmöglich, würde auch dem verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz der "Vorhersehbarkeit verwaltungsbehördlicher Entscheidungen" bzw. dem "Gleichbehandlungsgrundsatz" widersprechen. Auch dies seien sogar verfassungsrechtlich verankerte Gründe der Rechts- wie Gesetzwidrigkeit des gegenständlichen Bescheids.

Am erging eine abweisende Beschwerdevorentscheidung (BVE), in der nach Darstellung des bisherigen Verfahrensganges und Vorbringens unter Zitierung der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen und der bisher dazu ergangenen Judikatur erläutert wurde, dass der Anspruchszinsenbescheid zu Recht ergangen sei.

Im Vorlageantrag vom wurde auf die Beschwerde verwiesen. Weiters wurde festgehalten, dass nicht erwähnt wurde, in welcher Höhe Anspruchszinsen angefallen wären, wenn die Finanzverwaltung den Einkommensteuerbescheid unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen erlassen hätte. Diesbezüglich habe es kein einziges Ergänzungsersuchen oder eine sonstige Kontaktaufnahme gegeben.
Erhofft werde, dass hier kein Geschäftsmodell etabliert werden solle, durch einfaches Liegenlassen von Eingaben Anspruchszinsen lukrieren zu wollen.
Die verschuldete Versäumnis der Finanzverwaltung werde in der BVE nicht einmal bestritten.
Abschließend werde die Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Mit Eingabe vom wurde der Antrag auf Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat zurückgezogen.

Am fand eine mündliche Verhandlung statt, in der die Parteien ihre jeweiligen Standpunkte neuerlich darlegten. Sollte das Finanzamt nicht von seinem Rechtsstandpunkt abweichen, stellte der steuerliche Vertreter der Bf. eine Amtshaftungsklage in Aussicht.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Ausgehend vom oben referierten Verwaltungsgeschehen ergibt sich, wiederholend und zusammengefasst, folgender Sachverhalt.

Die Einkommensteuererklärung der Bf. für das Jahr 2021 wurde über FinanzOnline am eingereicht.

Am erfolgte die erklärungsgemäße Veranlagung der Einkommensteuer 2021 mit einer Festsetzung von 109.253,00 € und zu einer Nachzahlung unter Anrechnung einer Vorauszahlung von26.330,00 € von 82.923,00 €. Daraus resultierend wurden am selben Tag Anspruchszinsen in Höhe von 6.835,58 € festgesetzt. Diese Bescheide erwuchsen in Rechtskraft.

Mit Antrag vom begehrte die Bf. durch ihre steuerliche Vertretung die Aufhebung des Anspruchszinsenbescheides gem. § 299 BAO. Die Rechtswidrigkeit wurde darin gesehen, dass die Behörde gem. § 85a BAO nicht "ohne unnötigen Aufschub" die Einkommensteuer der Bf. für das Jahr 2021, nachdem die Steuererklärung am eingereicht wurde, festgesetzt habe.
Da die Einkommensteuer erst 14 Monate nach dem Einreichen der Steuerklärung veranlagt worden sei, sei das Verhalten der Behörde klar gesetzwidrig und rechtfertige keinesfalls die Festsetzung von Anspruchszinsen. Es hätten auch keine Überprüfungshandlungen stattgefunden.

Das Finanzamt wies diesen Antrag am mit der Begründung ab, dass die Festsetzung von Anspruchszinsen nicht im Ermessen der Behörde liege. Entrichtete Anzahlungen hätten die Bemessungsgrundlage vermindert.

Mit Schriftsatz vom wurde das Rechtsmittel der Beschwerde eingebracht.

Die abweisende Beschwerdevorentscheidung erging am .

Der Vorlageantrag wurde mit Schreiben vom eingereicht.

Am fand eine mündliche Verhandlung statt.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt und wird von den Parteien nicht in Zweifel gezogen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

3.1.1. Zum Antrag gem. § 299 BAO

Gemäß § 299 Abs 1 BAO kann die Abgabenbehörde auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist. Der Antrag hat zu enthalten:
a) die Bezeichnung des aufzuhebenden Bescheides;
b) die Gründe, auf die sich die behauptete Unrichtigkeit stützt.

Die Aufhebung setzt die Gewissheit der Rechtswidrigkeit voraus; die bloße Möglichkeit reicht nicht aus (vgl ; , 2012/13/0059).

Die Rechtswidrigkeit muss nicht offensichtlich sein.

Die Aufhebung, aber auch die Abweisung des Aufhebungsantrages, setzt die vorherige Klärung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes voraus (vgl ; , 2012/13/0059; Ritz/Koran, BAO7, § 299 Tz 13).

Der Inhalt eines Bescheides ist rechtswidrig, wenn der Spruch des Bescheides rechtswidrig ist, sei es, dass er gegen Gesetze, gegen Verordnungen oder gegen Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union verstößt. Der Bescheidspruch ist nicht nur bei unzutreffender Auslegung von Rechtsvorschriften inhaltlich rechtswidrig. Er ist auch rechtswidrig, wenn entscheidungserhebliche Tatsachen oder Beweismittel nicht berücksichtigt wurden; dies auch dann, wenn die Nichtberücksichtigung auf mangelnde Kenntnis der Abgabenbehörde (zB als Folge mangelnder Offenlegung durch die Partei) zurückzuführen ist (vgl Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 299 Tz 15).

Bei der Aufhebung auf Antrag bestimmt die betreffende Partei den Aufhebungsgrund. Sie gibt im Aufhebungsantrag an, aus welchen Gründen sie den Bescheid für inhaltlich rechtswidrig erachtet. Die Sache, über die in der Beschwerde gegen einen Bescheid, mit welchem der Aufhebungsantrag abgewiesen wird, zu entscheiden ist, wird bei der beantragten Aufhebung somit auch durch die Partei im Aufhebungsantrag festgelegt (vgl ).

Der Spruch eines Bescheides erweist sich dann als nicht richtig, wenn die Nichtberücksichtigung entscheidungserheblicher Tatsachen oder Beweismittel auf mangelnde Kenntnis der Abgabenbehörde zB als Folge mangelnder Offenlegung durch die Partei zurückzuführen ist.

3.1.2. Zu den Anspruchszinsen

§ 205 BAO der Bundesabgabenordnung (BAO) idF BGBl I 2022/108 mit der Überschrift "Anspruchszinsen" lautet:

"(1) Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen (Abs. 3), nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, sind für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide zu verzinsen (Anspruchszinsen). Dies gilt sinngemäß für Differenzbeträge aus
a) Aufhebungen von Abgabenbescheiden,
b) Bescheiden, die aussprechen, dass eine Veranlagung unterbleibt,
c) auf Grund völkerrechtlicher Verträge oder gemäß § 240 Abs. 3 oder 4 erlassenen Rückzahlungsbescheiden.

(2) Die Anspruchszinsen betragen pro Jahr 2% über dem Basiszinssatz. Anspruchszinsen, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen. Anspruchszinsen sind für einen Zeitraum von höchstens 48 Monaten festzusetzen.

(3) Der Abgabepflichtige kann, auch wiederholt, auf Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer Anzahlungen dem Finanzamt bekannt geben. Anzahlungen sowie Mehrbeträge zu bisher bekannt gegebenen Anzahlungen gelten für die Verrechnung nach § 214 am Tag der jeweiligen Bekanntgabe als fällig. Wird eine Anzahlung in gegenüber der bisher bekannt gegebenen Anzahlung verminderter Höhe bekannt gegeben, so wirkt die hieraus entstehende, auf die bisherige Anzahlung zu verrechnende Gutschrift auf den Tag der Bekanntgabe der verminderten Anzahlung zurück. Entrichtete Anzahlungen sind auf die Einkommensteuer- bzw. Körperschaftsteuerschuld höchstens im Ausmaß der Nachforderung zu verrechnen. Soweit keine solche Verrechnung zu erfolgen hat, sind die Anzahlungen gutzuschreiben; die Gutschrift wird mit Bekanntgabe des im Abs. 1 genannten Bescheides wirksam. Mit Ablauf des Zeitraumes des Abs. 2 dritter Satz sind noch nicht verrechnete und nicht bereits gutgeschriebene Anzahlungen gutzuschreiben.

(4) Die Bemessungsgrundlage für Anspruchszinsen zu Lasten des Abgabepflichtigen (Nachforderungszinsen) wird durch Anzahlungen in ihrer jeweils maßgeblichen Höhe vermindert. Anzahlungen (Abs. 3) mindern die Bemessungsgrundlage für die Anspruchszinsen nur insoweit, als sie entrichtet sind.

(5) Differenzbeträge zu Gunsten des Abgabepflichtigen sind nur insoweit zu verzinsen (Gutschriftszinsen), als die nach Abs. 1 gegenüberzustellenden Beträge entrichtet sind. Bei im Abzugsweg zu erhebenden Steuern findet eine Verzinsung von Gutschriften nur insoweit statt, als die betreffenden Abgaben entrichtet wurden.

(6) Auf Antrag des Abgabepflichtigen sind Nachforderungszinsen insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen,
a) als der Differenzbetrag (Abs. 1) Folge eines rückwirkenden Ereignisses (§ 295a) ist und die Zinsen die Zeit vor Eintritt des Ereignisses betreffen oder
b) als ein Guthaben (§215 Abs. 4) auf dem Abgabenkonto bestanden hat."

Nach § 4 Abs. 2 lit. a Z. 2 BAO entsteht der Abgabenanspruch bei der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer für die veranlagende Abgabe mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird.

Gemäß § 39 Abs. 1 EStG 1988 wird die Einkommensteuer nach Ablauf des Kalenderjahres (Veranlagungszeitraumes) nach dem Einkommen veranlagt, das der Steuerpflichtige in diesem Veranlagungszeitraum bezogen hat.

Nach § 46 EStG 1988 sind auf die sich ergebende Einkommensteuerschuld die für das Veranlagungsjahr festgesetzten Vorauszahlungen, Immobilienertagsteuern und durch Steuerabzug einbehaltene Beträge (wie Lohnsteuern, Kapitalertragsteuern) anzurechnen.

Regelungszweck des § 46 EStG 1988 ist die Ermittlung jenes Betrages, den der Steuerpflichtige auf Grund seiner Veranlagung zur Einkommensteuer noch zu entrichten hat ().

Aus § 205 Abs. 1 BAO ergibt sich, dass für Differenzbeträge, die sich aus Abgabenbescheiden nach Gegenüberstellung mit geleisteten Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, für aus Einkommen- und Körperschaftsteuerbescheiden resultierenden Abgabennachforderungen und -gutschriften, Anspruchszinsen (Nachforderungs- und Gutschriftszinsen) festzusetzen sind.

§ 205 BAO wurde mit Budgetbegleitgesetz 2001 (BGBl. I Nr. 142/2000) in die BAO eingefügt.

Nach den Gesetzesmaterialien sollen die Anspruchszinsen (mögliche) Zinsvorteile bzw. Zinsnachteile ausgleichen, die sich für den Abgabepflichtigen dadurch ergeben, dass der Abgabenanspruch für eine bestimmte Abgabe gemäß § 4 Abs. Abs. 2 Z 2 BAO mit Ablauf des Jahres (dh für die veranlagte Einkommensteuer 2021 mit Ablauf des Jahre 2021) entsteht, Abgabenfestsetzungen aber zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgen (ErlRV 311 BlgNR 21. GP, 196).

Sinngemäß vertritt die Bf. die Ansicht, dass die Festsetzung von Anspruchszinsen von der Einkommensteuernachforderung 2021 zu Unrecht erfolgt sei, da das Finanzamt erst 14 Monate nach dem Einreichen der Erklärung die Einkommensteuer veranlagte und somit gegen den Grundsatz verstoßen habe, dass ohne unnötigen Aufschub Anbringen zu erledigen seien.

Nach der Intention des Gesetzgebers sind Anspruchszinsen eine objektive Rechtsfolge, die sich aus unterschiedlichen Zeitpunkten der Abgabenfestsetzung ergeben. § 205 BAO knüpft in typisierender Betrachtung allein an die objektive Möglichkeit der Erzielung von Zinsvorteilen bzw. Zinsnachteilen an und nicht auf tatsächlich lukrierte Zinsvorteile und erwachsene Zinsnachteile.

Die Bestimmung des § 205 BAO berücksichtigt nicht die Gründe, weshalb im Einzelfall Differenzbeträge an Einkommensteuer, die sich aus Abgabenbescheiden ergeben, nicht bis 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres entrichtet wurden. Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu wiederholt ausgesprochen, dass mit der Anknüpfung an die objektive Möglichkeit der Erzielung von Zinsvorteilen bzw. Zinsnachteilen der Gesetzgeber zu erkennen gegeben hat, dass er die Ursachen, die zur Abgabenentrichtung nach dem dort genannten Zeitpunkt geführt haben, im Anwendungsbereich des § 205 BAO grundsätzlich als unmaßgeblich erachtet hat ().

Ebenso ist für die Anwendung des § 205 BAO bedeutungslos, aus welchen Gründen die Abgabenfestsetzung früher oder später erfolgte. Zinsen nach § 205 BAO sind weder Sanktion noch Druckmittel oder gar Strafe, sondern Ausgleich für die objektive Möglichkeit der Erzielung von Zinsvorteilen ( Ro 2016/15/000524).

Differenzbeträge im Sinne des § 205 Abs. 1 BAO sind Nachforderungen oder Gutschriften, die aus erstmaligen Abgabenfestsetzungen, aber auch aus Berichtigungen, Aufhebungen und Abänderungen gemäß § 295 oder 299 BAO, Wiederaufnahmen gemäß § 303 BAO, Beschwerdevorentscheidungen gemäß § 262 Abs. 1 BAO, Erkenntnissen und Beschlüssen des Bundesfinanzgerichtes und Aufhebungen oder Änderungen durch den VwGH oder VfGH resultieren. Ergeben sich aus einer Abänderung von Bescheiden Abgabennachforderungen, ist für deren Verzinsung bedeutungslos, aus welchen Gründen die ursprüngliche Abgabenfestsetzung unrichtig war (, ).

Der gesetzlich in § 205 Abs. 1 BAO vorgegebene Zinsenberechnungszeitraum erstreckt sich vom 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruches folgenden Jahres bis zur Bekanntgabe des zur Nachforderung/Gutschrift führenden Einkommensteuer-(Körperschaftsteuer)bescheides. Der Abgabenanspruch bei der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer für die veranlagende Abgabe entsteht mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird.

Der Beginn der Verzinsungsperiode ist gesetzlich zwingend mit dem 1. Oktober nach Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird, festgelegt ().

Anspruchszinsen sind jeweils für die Zeit bis zur Bekanntgabe (idR Zustellung) des zur Nachforderung oder Gutschrift führenden Bescheides festzusetzen (Ritz/Koran, BAO7, § 205, Rz 16).

Unter Bescheidbekanntgabe ist mit Bedachtnahme auf § 97 Abs. 1 BAO bei schriftlichen Erledigungen regelmäßig deren Zustellung (§ 97 Abs. 1 lit. a BAO) bzw. bei mündlichen Erledigung deren Verkündung (§ 97 Abs. 1 lit. b BAO) zu verstehen. § 205 Abs. 2 dritter Satz BAO limitiert den Zinsenberechnungszeitraum insofern, als Anspruchszinsen nur für maximal 48 Monate festgesetzt werden dürfen.

Zur Vermeidung bzw. Minderung von Nachforderungszinsen können Abgabepflichtige (auf die Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer) Anzahlungen iSd. § 205 Abs. 3 BAO entrichten, wobei der Abgabenanspruch für solche Anzahlungen dem § 4 Abs. 1 BAO zu Folge mit der Bekanntgabe durch die Abgabepflichtigen entsteht. Die Anzahlung ist demnach eine Abgabe, zu deren Entrichtung keine Verpflichtung besteht.

Anspruchszinsen gehören nach § 3 Abs. 2 lit. b BAO zu den Nebenansprüchen und sind zur festzusetzenden Abgabe formell akzessorisch (). Anspruchszinsenbescheide sind folglich an die im Spruch des zur Nachforderung oder Gutschrift führenden Bescheides ausgewiesene Nachforderung bzw. Gutschrift gebunden (; , u.a.)

Der Zinsenbescheid ist mit Bescheidbeschwerde anfechtbar, etwa mit der Begründung, dass der maßgebende Einkommensteuer- (Körperschaftsteuerbescheid) nicht zugestellt worden oder der im Bescheid angenommene Zustellungszeitpunkt unzutreffend sei. Anspruchszinsen sind allerdings nicht erfolgversprechend damit bekämpfbar, dass der zugrundeliegende Abgabenbescheid inhaltlich rechtswidrig sei (Ritz/Koran, BAO7, § 205, Rz 34 mit den dort angeführten Judikaturnachweisen).

Erweist sich der Stammabgabenbescheid (Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuerbescheid) nachträglich als rechtswidrig und wird dieser abgeändert oder aufgehoben, wird diesem Umstand mit einem an den Abänderungsbescheid gebundenen Zinsenbescheid Rechnung getragen. Bei Wegfall und Verminderung einer sich aus dem ursprünglichen Abgabenbescheid ergebenden Nachforderung - sei es im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens oder aus sonstigen verfahrensrechtlichen Maßnahmen (Berichtigungen, Wiederaufnahme von Verfahren) - werden dann entsprechende Gutschriftszinsen festgesetzt ().

Eine Festsetzung von Anspruchszinsen wäre dem Grunde nach dann rechtswidrig, wenn im gegenständlichen Fall kein rechtswirksam ergangener Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2021 mit einer Abgabennachforderung vorliegen würde.

Wenn die Bf. einwendet, dass die Behörde in gesetzwidriger Weise nicht in einem angemessenen Zeitraum die Einkommensteuer veranlagte, so ist dem entgegen zu halten, dass nach der Intention des Gesetzgebers im Anwendungsbereich des § 205 BAO die Gründe und ein allfälliges Verschulden am Zustandekommen einer Einkommen- oder Körperschaftsteuernachforderung unbeachtlich sind.

Nach dem Willen des Gesetzgebers löst alleine der Umstand, dass sich aus der zeitlichen Diskrepanz zwischen dem Zeitpunkt der Entstehung der Einkommen- (Körperschaft)steuerschuld mit Ende des jeweiligen Veranlagungszeitraumes und deren bescheidmäßigen Festsetzung objektiv die Möglichkeit ergibt, daraus Zinsvor- und -nachteile zu erzielen, die Festsetzung von Anspruchszinsen ab den im Gesetz determinierten Zeitpunkt- nämlich ab Oktober des Folgejahres, in dem der Abgabenanspruch nach § 4 Abs. 2 Z 2 BAO entstanden ist, aus (siehe dazu 311 Beilagen, XXI. GP, S. 196).

Nach der oben zitierten Rechtsprechung ist nicht nur ohne Bedeutung aus welchen Gründen die Abgabenfestsetzung früher oder später erfolgt ist, sondern sind auch die Gründe, weshalb Differenzbeträge entstanden sind, unerheblich.

Aus dem oben referierten Erwägungen kommt das Bundesfinanzgericht zum Ergebnis, dass der Bescheid, mit dem Anspruchszinsen aus der Veranlagung der ESt 2021 resultieren, nicht unrichtig ist. Der Zinsenbescheid verstößt gegen keine der oben angeführten Rechtsnormen, auch der Sachverhalt lässt keine entscheidungswesentlichen Fragen offen, ist somit geklärt. Für eine Bescheidaufhebung nach § 299 BAO besteht daher kein Grund.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Beschwerdefall lag keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung zukam. Die Beurteilung der zu lösenden Rechtsfrage erfolgte im Sinne der angeführten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Im Übrigen hing der Beschwerdefall von der Lösung von nicht über den Einzelfall hinausgehenden Sachverhaltsfragen ab. Tatfragen sind kein Thema für eine ordentliche Revision.

Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 299 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 205 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2025:RV.7103757.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
DAAAF-44947