Zurückweisung einer Beschwerde als verspätet, eine meritorische Entscheidung war daher nicht möglich
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RV/7500006/2025-RS1 | Aufgrund des im § 28 Abs. 1 VwGVG geregelten Vorranges von Formalentscheidungen vor meritorischen Erledigungen ist dem Bundesfinanzgericht ein Eingehen auf den Inhalt der Beschwerde – auch wenn Sie große Aussicht auf Erfolg gehabt hätte – untersagt. |
Entscheidungstext
BESCHLUSS Zurückweisung einer Beschwerde
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter **M** in der Verwaltungsstrafsache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde des Beschuldigten vom gegen den Zurückweisungsbescheid des Magistrates der Stadt Wien vom , GZ. MA6/100/2023, beschlossen:
Die Beschwerde vom wird gemäß §§ 28 Abs. 1 und 31 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als verspätet zurückgewiesen.
Eine Revision durch die beschwerdeführende Partei wegen Verletzung in Rechten nach Art. 133 Abs. 6 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist gemäß § 25a Abs. 4 Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG) kraft Gesetzes nicht zulässig.
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine ordentliche Revision durch die belangte Behörde nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG nicht zulässig.
Begründung
Mit Strafverfügung des Magistrates der Stadt Wien vom wurde der Beschwerdeführer wegen des Vorwurfes, er habe als unbeschränkt haftender Gesellschafter der **KG2** im Jahr 2022 vor näher genannten Liegenschaften den öffentlichen Gemeindegrund, der dem öffentlichen Verkehr dient, durch gesamt sieben Lampen/Scheinwerfer (Vorsprung 0,29 m, Bodenabstand 2,50 m) genutzt, wobei er hiefür bis zum weder eine Gebrauchserlaubnis erwirkt, noch die Gebrauchsabgabe entrichtet habe. Er habe dadurch die Gebrauchsabgabe für das Jahr 2022 bis zum mit dem Betrag von je € 31,00 verkürzt und sieben Verwaltungsübertretungen begangen, weswegen über ihn sieben Geldstrafen von je € 40,00 und sieben Ersatzfreiheitsstrafen von je 12 Stunden verhängt wurden sowie die **KG2** zur Haftung gemäß § 9 Abs. 7 VStG für diese € 280,00 herangezogen wurde. Die Zustellung der Strafverfügung ist laut vorliegendem Rückscheinabschnitt am an den Empfänger erfolgt, sodass die zweiwöchige Einspruchsfrist bis offenstand.
Der Einspruch datiert allerdings vom .
Mit Zurückweisungsbescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6 - Abgabenstrafen, vom , GZ. MA6/100/2023, wurde der Einspruch von Herr ***Bf1*** (in weiterer Folge: Beschwerdeführer) (ergänzt: als unbeschränkt haftender Gesellschafter der **KG2**) vom gegen die Strafverfügung vom (zugstellt am ) gemäß § 49 Abs. 1 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG als verspätet zurückgewiesen, da der Einspruch trotz richtiger und vollständiger Rechtsmittelbelehrung erst am , somit nach Ablauf der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist, mittels E-Mail eingebracht wurde.
Laut im Akt erliegenden Rückscheinabschnitten wurde der Bescheid an den Beschwerdeführer und die haftende Gesellschaft am (persönlich vom Beschuldigten übernommen, Vermerk der Post: persönlich bekannt) zugestellt.
Mit E-Mail des Beschwerdeführers vom Donnerstag, , 21:08 Uhr, wurde Folgendes übermittelt:
"hiermit erhebe ich Einspruch binnen Frist. (Zustellung )
Wie bereits am mitgeteilt war es nicht möglich irgend eine Handlung zu setzen. Mein Arzt wird dies bezeugen.
In Ihrem Begehren selbst, welches gar nicht ein Firmenschild von mir betrifft, sondern das des Vormieters, verweise ich auf den Beamten der MA46, Herrn **A**. Er hat nicht nur den Fehler seinerzeit richtiggestellt, sondern hat auch die MA6 darüber in Kenntnis gesetzt. Er hat mir in einem kürzlich geführten Telefonat wiederholt den Fehler im MA bestätigt.
Daher führe ich auch Herrn **A** als Zeugen an. Anbei die Korrespondenz hierzu (die hier mangels Relevanz nicht dargestellt wird)."
Mit Verspätungsvorhalt vom wurde der Beschwerdeführer in Kenntnis gesetzt, dass seine mit E-Mail eingebrachte als Einspruch bezeichnete Beschwerde vom nach der Aktenlage verspätet erscheint, da die Beschwerde nach Ablauf der vierwöchigen Rechtsmittelfrist eingebracht wurde.
Der Beschwerdeführer gab in seiner Stellungnahme vom an:
"Seit 2023 korrespondiere ich unermüdlich mit dem MA und mache Sie auf folgenden Fehler aufmerksam:
Die Pizzeria mit besagten 7 Leuchten wird von der **KG1** und NICHT von der **KG2** betrieben. Der zuständige Beamte **A** hat den Fehler eingestanden und wollte das in Ordnung bringen. Leider ist dieser Beamte alle paar Monate für mehrere Wochen in Krankenstand.
Sämtliche Behörden schreiben von Anfang bis die falsche Person an!
Erst nachdem ich angekündigt habe mit der Angelegenheit an die Öffentlichkeit zu gehen hat sich am Herr **B** (MA46) gemeldet. s. Gesprächsprotokoll und Bescheid.
Er hat sich für den Fehler entschuldigt, einen Vorschlag gemacht den ich bürokratisch interessant fand und siehe da, der richtige Bescheid (MA 46- P82), datiert mit (!) ist wenig später eingetroffen.
Ich ersuche Sie dieses Verfahren einzustellen.
Es wurden nie Abgaben von der betreibenden Person verkürzt. Das Ganze resultiert aus einem Fehler der Behörde. Sollte die Behörde an dieser Angelegenheit weiter festhalten, dann ersuche ich um Anhörung, oder ein Verfahren. Die genannten Beamten werden meine Zeugen sein und den bürokratischen Aufwand aus Fehlern des Magistrates werde ich mit der WKO und den Medien teilen. Das bisherige Vorgehen ist schikanös."
Dazu bleibt nur festzuhalten, dass nach Verspätungsvorhalt eine Information, ob der Zustelltag falsch gewesen wäre, vom Beschwerdeführer nicht übermittelt wurde. In der E-Mail vom wurde nur wiederholt auf die Fehler der Behörde hingewiesen und in der E-Mail vom wurde die Aussage zur Verspätung des Einspruches (hier nicht verfahrensgegenständlich) wiederholt.
Anmerkung: Nachdem der Beschwerdeführer am beim BFG angerufen hat wurde ihm die Sach- und Rechtslage erklärt und auf die in der gegenständlichen Entscheidung zu lösende Rechtsfrage der Verspätung der Beschwerde hingewiesen. Auch wenn der Beschwerdeführer inhaltlich im Recht scheint, ist hier als Formalentscheidung nur über die Verspätung zu entscheiden.
Folgender Sachverhalt steht fest:
Der Zurückweisungsbescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6 - Abgabenstrafen, vom , GZ. MA6/100/2023, wurde dem Beschwerdeführer laut Rückscheinabschnitt nachweislich am (persönlich von ihm übernommen; laut Vermerk der Post am Rückscheinabschnitt: persönlich bekannt) zugestellt.
In der Rechtsmittelbelehrung wurde explizit auf die Beschwerdefrist von vier Wochen nach Zustellung des Bescheides hingewiesen.
Der Beschwerdeführer hat die als Einspruch bezeichnete Beschwerde mit E-Mail am , somit nach Ablauf der vierwöchigen Beschwerdefrist (§ 7 Abs 4 VwGVG) verspätet eingebracht.
Beweiswürdigung:
Die oben getroffenen Feststellungen ergeben sich aus den im Akt erliegenden Unterlagen und sind unstrittig.
Rechtliche Würdigung:
Gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG vier Wochen. Sie beginnt gemäß § 7 Abs. 4 Z 1 VwGVG in den Fällen des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung.
Aus dem vom Magistrat vorgelegten Verwaltungsakt ergibt sich, dass die Zustellung des Zurückweisungsbescheides vom am durch die Post mit Rückscheinbrief erfolgt ist.
Der Zurückweisungsbescheid enthielt eine rechtsrichtige Rechtsmittelbelehrung, wonach die Beschwerde innerhalb von vier Wochen nach Zustellung des Bescheides schriftlich einzubringen ist.
Die Behörde (auch das Bundesfinanzgericht) hat, bevor sie die Zurückweisung eines Rechtsmittels als verspätet ausspricht, entweder von Amts wegen (§ 39 Abs. 2 AVG) zu prüfen, ob ein Zustellmangel unterlaufen ist oder dem Rechtsmittelwerber die Verspätung seines Rechtsmittels vorzuhalten. Unterlässt sie dies, trägt sie das Risiko der Aufhebung des Bescheides wegen unterlaufener Verfahrensmängel (vgl. , , , , , vgl. weiters die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2, § 66 AVG E 82 bis E 88 zitierte hg. Rechtsprechung).
Entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat das Bundesfinanzgericht den Beschwerdeführer mit Verspätungsvorhalt über das nach der Aktenlage verspätete Rechtsmittel (Beschwerde) in Kenntnis gesetzt und ihn zu einer Stellungnahme eingeladen.
Der ordnungsgemäße Zustellnachweis ist eine öffentliche Urkunde und macht Beweis über die Zustellung; ein Gegenbeweis nach § 292 Abs. 2 ZPO ist möglich (, , vgl. auch Ritz, BAO-Kommentar, Rz. 21 und 22 zu § 17 Zustellgesetz; vgl. , mwN; ). Es ist Sache des Empfängers, Umstände vorzubringen, die geeignet sind, Gegenteiliges zu beweisen oder zumindest berechtigte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Zustellvorganges aufkommen zu lassen (vgl. , , , vgl. auch Ritz, BAO Kommentar2, Rz 22 zu § 17 Zustellgesetz).
Das Bundesfinanzgericht konnte von einer rechtswirksamen Zustellung des Straferkenntnisses am ausgehen.
Voraussetzung für die Zurückweisung eines Rechtsmittels als verspätet ist allein die Versäumung der Rechtsmittelfrist und nicht auch ein Verschulden der Partei an der Verspätung (vgl. , vgl. auch VGW-241/041/ RP07/7308/2017-3 Wien, ).
Das Verwaltungsgericht hat über eine Beschwerde gemäß § 28 Abs. 2 oder 3 VwGVG 2014 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG in der Sache selbst zu entscheiden, also über den Antrag entweder durch Zurückweisung oder aber inhaltlich abzusprechen, sofern nicht die Voraussetzungen des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG 2014 vorliegen (, , , ).
Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, es wäre - durch einen Zeugen untermauert - keine Verwaltungsübertretung begangen worden, ist festzuhalten, dass im vorliegenden Fall allein die Rechtzeitigkeit der Beschwerde - nämlich, ob das Rechtsmittel verspätet eingebracht wurde - zu prüfen war.
Insoweit war der Antrag auf Zeugeneinvernahme abzuweisen, da dessen Aussage für die Beurteilung des hier relevanten Sachverhaltes, nämlich ob hier die Rechtsmittelfrist vom Beschwerdeführer eingehalten wurde, keinen Beitrag leisten könnte.
Das Bundesfinanzgericht sieht es als erwiesen an, dass dem Beschwerdeführer das Straferkenntnis vom rechtswirksam am zugestellt wurde und die vierwöchige Beschwerdefrist (§ 7 Abs. 4 VwGVG) mit Ablauf des endete.
Da eine nicht rechtzeitig eingebrachte Beschwerde mit Beschluss zurückzuweisen ist, war es dem Bundesfinanzgericht verwehrt, auf das (materielle) Vorbringen einzugehen und eine Sachentscheidung (Einstellung des Verfahrens mangels bewirkter Verwaltungsübertretung) zu treffen (vgl. , , , , 0003, ).
Der Beschwerdeführer hat offensichtlich die Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von vier Wochen eingebracht. Es wäre an ihm gelegen, fristgerecht gegen die - wie behauptet - unrichtige Entscheidung ein Rechtsmittel einzubringen, was nicht erfolgt ist. Er verweist zwar wiederholt auf Fehler des Magistrates, übersieht dabei, dass hier allein über seinen Fehler, nämlich die Versäumung der Rechtsmittelfrist zu entscheiden ist. Die Fristversäumnis ist mit Ablauf des eingetreten.
Die am mit E-Mail eingebrachte Beschwerde war daher als verspätet zurückzuweisen.
§ 28 Abs. 1 VwGVG: Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Aufgrund des im § 28 Abs. 1 VwGVG geregelten Vorranges von Formalentscheidungen vor meritorischen Erledigungen ist dem Bundesfinanzgericht ein Eingehen auf den Inhalt der Beschwerde - auch wenn Sie große Aussicht auf Erfolg gehabt hätte - untersagt.
Zum Absehen von der mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 44 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG entfällt die (öffentliche mündliche) Verhandlung, wenn der Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Festgehalten wird, dass der Beschwerdeführer zwar erst in der Vorhaltsbeantwortung vom , in der zur Verspätung keine Aussagen getroffen wurden, eine mündliche Verhandlung beantragte. Die belangte Behörde hat keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt.
Allerdings entfällt gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG die (öffentliche mündliche) Verhandlung, wenn die Beschwerde zurückzuweisen ist. Da genau diese Formal-Voraussetzung erfüllt ist, entfällt gesetzeskonform die mündliche Verhandlung.
Explizit darf festgehalten werden, dass in diesem Beschwerdeverfahren nicht zu entscheiden war, ob der Beschwerdeführer als unbeschränkt haftender Gesellschafter der **KG2** zu Recht bestraft wurde.
[...]
Zur Unzulässigkeit einer Revision
Eine Revision durch die beschwerdeführende Partei wegen Verletzung in Rechten nach Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG ist gemäß § 25a Abs. 4 VwGG kraft Gesetzes (Geldstrafen von gesamt € 280,00) nicht zulässig.
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision durch die belangte Behörde nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Entscheidung folgt vielmehr der eindeutigen Gesetzeslage. Da sich die rechtlichen Konsequenzen einer verspätet eingebrachten Beschwerde aus dem Gesetz ergeben, war die ordentliche Revision im gegenständlichen Fall für nicht zulässig zu erklären.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Verwaltungsstrafsachen Wien |
betroffene Normen | § 28 Abs. 2 oder 3 VwGVG, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 § 7 Abs. 4 VwGVG, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 § 28 Abs. 1 VwGVG, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 § 31 Abs. 1 VwGVG, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.7500006.2025 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
QAAAF-44934