Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend die Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag im Zeitraum Februar bis September 2023 zum Ordnungsbegriff ***OB*** zu Recht:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
A. Rückforderungsbescheid, Beschwerde
Mit Bescheid vom wurde der Beschwerdeführer zur Rückzahlung der im Zeitraum Februar bis September 2023 bezogenen Familienbeihilfe (EUR 1.197,60) sowie des Kinderabsetzbetrages (EUR 494,60) aufgefordert. Begründend wurde ausgeführt, dass für ein volljähriges Kind die Familienbeihilfe (beispielsweise) im Falle einer Berufsausbildung oder Berufsfortbildung zusteht. Da dies bei der Tochter des Beschwerdeführers im Zeitraum ab Februar bis September 2023 nicht zutreffe, sei die Familienbeihilfe sowie der Kinderabsetzbetrag entsprechend zurückzufordern.
Mit Schreiben vom wurde Beschwerde gegen den obig angeführten Rückforderungsbescheid eingebracht. Begründend wurde - im Wesentlichen - ausgeführt, dass die Tochter des Beschwerdeführers nach wie vor beabsichtige, eine Ausbildung zu absolvieren, dies jedoch derzeit gesundheitlich nicht möglich sei. So sei sie seit längerem in psychologischer Behandlung, müsse Menschenansammlungen meiden und Medikamente nehmen. Derzeit kümmere sie sich um ihre Oma, da dies für die Tochter eine sinnstiftende Tätigkeit darstelle.
B. Beschwerdevorentscheidung, Vorlageantrag
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde - nach Verweis auf die maßgeblichen Rechtsvorschriften des FLAG 1967 - ausgeführt, dass die Tochter des Beschwerdeführers ihr 18. Lebensjahr am ***Datum1*** vollendet habe und ab diesem Zeitpunkt volljährig sei. Die Rückforderung für die Monate Februar bis September 2023 sei erfolgt, da zu diesem Zeitpunkt weder eine Berufsausbildung noch eine der übrigen gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen vorgelegen seien. Gemäß dem im Rahmen des Beschwerdeverfahrens erstellten Gutachtens liege eine Erwerbsunfähigkeit der Tochter erst ab Dezember 2023 vor.
Mit Schreiben vom wurde durch den Beschwerdeführer ein Vorlageantrag eingebracht. Begründend wurde - im Wesentlichen - ausgeführt, dass das Gutachten vom aus Sicht des Beschwerdeführers unzureichend sei. So vermisse der Beschwerdeführer beispielsweise Hinweise darauf, dass sich seine Tochter keinen Menschenansammlungen aussetzen könne. Auch werde nicht jede psychotherapeutische Behandlung, sondern lediglich eine stationäre Behandlung verweigert, da dies aus Sicht seiner Tochter mehr schade als nutze. Zudem habe es im Gutachten keinen Niederschlag gefunden, dass seine Tochter bei der Gutachtenserstellung leicht schief gestanden sei und gehumpelt habe. Zudem habe sie eine Kniegelenkstütze getragen.
Die Einschränkungen seiner Tochter würden schon lange vorliegen, nicht erst seit Dezember 2023.
C. Gutachten
Im Zuge des bisherigen Verfahrens wurden insgesamt zwei Gutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle OÖ - Sozialministeriumservice (in der Folge "SMS") erstellt. Diese werden nachfolgend auszugsweise dargestellt:
Gutachten vom :
[…]
Derzeitige Beschwerden:
***T*** ist bei ihrer Großmutter und ihrem Vater aufgewachsen, sie hat die Hauptschule und Polytechnische Schule positiv abgeschlossen, hat dann eine Lehre im Gastgewerbe begonnen, nach 2 Jahren hat sie diese aufgrund Mobbings am Arbeitsplatz beendet. Ein neuerliches Dienstverhältnis wurde einige Monate später begonnen, auch hier hat sie nach einiger Zeit aufgrund zunehmender Probleme mit dem Arbeitgeber und Mobbingvorwürfen gekündigt. Zwischenzeitlich war die Patientin beim AMS gemeldet, derzeit lebt sie zu Hause und betreut ihre Großmutter. Bei ***T*** besteht ein V.a. eine Persönlichkeitsstörung, DD Anpassungsstörung DD reaktive Depressio bei Z.n. sexuellem Missbrauch, sie ist immer wieder in psychiatrischer Behandlung, hat auch immer wieder Medikamente eingenommen, derzeit nimmt sie jedoch nur fallweise Medikament ein, weil sie anamnestisch sehr viele Nebenwirkungen habe. Eine stationäre Behandlung bzw.psychotherapeutische Maßnahmen will sie derzeit nicht, weil sie sich um ihre Großmutter kümmern will.
Körperlich klagt sie über Schmerzen im re. Kniegelenk und über Rückenschmerzen, ein MRT wurde bereits durchgeführt.
[…]
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Ärztlicher Befundbericht ***Dr.***, FA für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin vom : Die Patientin befindet sich seit September 2022 hierorts in regelmäßiger fachärztlicher Behandlung. Das aktuelle Zustandsbild ist wechselnd und eine weitere fortlaufende Behandlung ist notwendig, die psychosoziale Belastbarkeit ist erniedrigt, das Stresstoleranzfenster verschmälert, weshalb eine Beschäftigung im Ausmaß von 40 h/Woche aus fachärztlicher Sicht derzeit nicht möglich ist, empfohlen werden aktuell 20 h/Woche bei folgenden Diagnosen: Anpassungsstörung DD: reaktive Depressio, V.a. emotional instabile Persönlichkeitsakzentuierung DD: Borderline Persönlichkeit und Schlafstörung. Empfohlene Medikamente: Sertralin 50 mg, Lamotrigin 75 mg.
MR Befund re. Kniegelenk vom : geringer Gelenkserguss, sonst MRT unauffälliger Befund des re. Kniegelenkes;
Erstbericht Klinikum ***Ort***, Abteilung für Unfallchirurgie vom : chron. Schmerzen re. Kniegelenk DD: leichte Synovitis;
Ambulanzbefund Klinikum ***Ort***, Abteilung für Innere Medizin vom : Lumboischialgie li. nach Drehbewegung;
[…]
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
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Lfd. Nr. | Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Rahmensätze: | Pos.Nr. | GdB % |
1 | Persönlichkeits- und VerhaltensstörungInstabile Persönlichkeit DD Borderline DD reaktive Depressio, regelm. fachärztliche Kontrolle, rezid. Medikamenteneinnahme; Belastbarkeit und Arbeitsfähigkeit eingeschränkt | 50 | |
2 | Schmerzen rechtes Kniegelenk laut MRT geringer Gelenkserguss, klinisch unauffällig, Analgetika bei Bedarf | 10 |
Gesamtgrad der Behinderung50 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Führend ist Leiden Nr. 1, Leiden Nr. 2 ist zu gering, um weiter zu steigern.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Rückenschmerzen: kein aktueller Befund vorliegend, klinisch unauffällig, keine spezifische Therapie
[…]
Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 6 Monate andauern:
x jao nein
GdB liegt vor seit: 12/2023
Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:
It. ärztlicher Befundbericht ***Dr.***, FA für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin vom
Frau ***T*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
JA
Dies besteht seit: 12/2023
Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
Derzeit Anstellung am 1. Arbeitsmarkt eigeschränkt; It. fachärztlichem Befund psychosoziale Belastbarkeit erniedrigt, Stresstoleranzfenster verschmälert, Beschäftigung im Ausmaß von 40 h/Woche aus fachärztlicher Sicht derzeit nicht möglich
O Dauerzustand
X Nachuntersuchung: 03/2025
Anmerkung hins. Nachuntersuchung:
Verlaufskontrolle mit aktuellen Befunden und Therapienachweisen
[…]
Gutachten vom :
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Neuantrag ab Eintritt der Behinderung, neuerliche Prüfung des Eintrittszeitpunkts der Erwerbsunfähigkeit.
FLAG Vorgutachten Dr. […] vom , GdB 50% ab 12/2023, Persönlichkeits- und Verhaltensstörung, Instabile Persönlichkeit DD Borderline DD reaktive Depressio, regelm. fachärztliche Kontrolle, rezid. Medikamenteneinnahme; Belastbarkeit und Arbeitsfähigkeit eingeschränkt, 50%, Schmerzen rechtes Kniegelenk laut MRT geringer Gelenkserguss, klinisch unauffällig, Analgetika bei Bedarf, 10%;
Bestätigung Psychotherapie DSA […] vom :
Frau ***T***, geb. ***GebDat*** war in der Zeit von bis und bis bei mir in psychotherapeutischer Behandlung.
Diagnose: F43.2 Anpassungsstörung;
Behandlungsbestätigung ***Dr.***, Facharzt für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin ***Ort*** vom :
Diagnosen:
Anpassungsstörung DD reaktive Depressio
V.a. emotional instabile Persönlichkeitsakzentuierung DD Borderline Persönlichkeitsstörung
Schlafstörung;
An folgenden Tagen fand eine Behandlung/Untersuchung in meiner Ordination statt:
12.9. und , 21.2., 28.4., 15.5., 4.7. und ;
[…]
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
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Lfd. Nr. | Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Rahmensätze: | Pos.Nr. | GdB % |
1 | Persönlichkeits- und Verhaltensstörung, Instabile Persönlichkeit DD Borderline DD reaktive Depressio, bestätigte regelmäßige fachärztliche Kontrollen ,keine stat. KH Aufenthalte, keine Dauertherapie, keine Dauermedikation, keine REHA Aufenthalte, Belastbarkeit und Arbeitsfähigkeit laut Vorgutachten eingeschränkt, GdB 50% wie im Vorgutachten beschrieben mit Nachuntersuchung 3/2025; | 50 | |
2 | Schmerzen rechtes Kniegelenk laut MRT geringer Gelenkserguss, klinisch unauffällig, Analgetika bei Bedarf, unverändert zum Vorgutachten; | 10 |
Gesamtgrad der Behinderung50 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Das Leiden Nummer 1 bestimmt den Gesamtgrad der Behinderung mit 50%.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
keine
Stellungnahme zu Vorgutachten:
Der Gesamtgrad der Behinderung bleibt mit 50% unverändert. Keine Änderung der Befundlage, bisher keine stationären Krankenhausaufenthalte erfolgt, keine Dauermedikation, keine Dauertherapie, keine REHA Aufenthalte. Die Fachärztliche Begleitung ohne Dauermedikation und ohne durchgehende Dauertherapie wird ab bestätigtem Erstkontakt ab 9/2022 mit 30% berücksichtigt.
Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 6 Monate andauern:
x jao nein
GdB liegt vor seit: 12/2023
GdB 30 liegt vor seit: 09/2022
Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:
GdB 50% laut Vorgutachten.
GdB 30% ab 9/2022 laut Fachärztlicher Begleitung ***Dr.***, Facharzt für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin mit bestätigtem Erstkontakt ab 9/2022;
Frau ***T*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
JA
Dies besteht seit: 12/2023
Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
laut Vorgutachten.
O Dauerzustand
X Nachuntersuchung: 03/2025
Anmerkung hins. Nachuntersuchung:
laut Vorgutachten Verlaufskontrolle mit aktuellen Befunden und Therapienachweisen.
[…]
D. Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht
Die Beschwerde wurde dem Bundesfinanzgericht am zur Entscheidung vorgelegt.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die Tochter des Beschwerdeführers
ist am ***GebDat*** geboren und hat somit am ***Datum1*** das 18. Lebensjahr vollendet,
hat sich vom ***Datum2*** bis zum ***Datum3*** sowie vom ***Datum4*** bis zum ***Datum5*** in (jeweils vorzeitig aufgelösten) Lehrverhältnissen befunden,
war im Zeitraum vom ***Datum6*** bis zum ***Datum7*** als Angestellte beschäftigt und ab ***Datum8*** als Personenbetreuerin selbständig und
hat im streitgegenständlichen Zeitraum keine Berufsausbildung absolviert.
Im bisherigen Verfahren wurden durch das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Oberösterreich - Sozialministeriumservice (idF "SMS") zwei Gutachten betreffend die Tochter des Beschwerdeführers erstellt (siehe den obigen Punkt "I.C." zum Inhalt der Gutachten). Bei der Tochter des Beschwerdeführers liegt seit 12/2023 ein Grad der Behinderung von 50% sowie die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, vor. Die im Gutachten festgestellten Funktionseinschränkungen werden voraussichtlich länger als sechs Monate andauern.
2. Beweiswürdigung
A. Allgemeines
Die Abgabenbehörde hat unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht (§ 167 Abs. 2 BAO). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. für viele ) ist von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt.
Die Feststellung betreffend das Geburtsdatum der Tochter des Beschwerdeführers ergibt sich aus der auf dem angefochtenen Bescheid enthaltenen Sozialversicherungsnummer. Die Feststellung betreffend die Dauer der Lehrverhältnisse und deren vorzeitige Auflösung ergibt sich aus den Datenbanken der Finanzverwaltung, in die vom erkennenden Richter Einsicht genommen wurde, sowie aus dem im elektronischen Akt enthaltenen Sozialversicherungsauszug vom betreffend die Tochter des Beschwerdeführers. Die Feststellung betreffend das von ***Datum6*** bis ***Datum7*** andauernde Angestelltenverhältnis sowie die ab ***Datum8*** bestehende Selbständigkeit ergibt sich ebenfalls aus dem obig angeführten Sozialversicherungsauszug bzw. den Ausführungen des Beschwerdeführers.
B. Nichtvorliegen einer Berufsausbildung
Die Feststellung, wonach die Tochter des Beschwerdeführers im streitgegenständlichen Zeitraum keine Berufsausbildung absolviert hat, ergibt sich aus den folgenden Erwägungen:
Ob ein Kind eine Berufsausbildung absolviert, ist eine Tatfrage, die die Behörden in freier Beweiswürdigung zu beantworten haben (vgl. ).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter den im Gesetz nicht definierten Begriff der Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird. Zur Qualifikation als Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG kommt es überdies nicht nur auf das (ernstliche und zielstrebige) Bemühen um den Studienfortgang an, sondern die Berufsausbildung muss auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen (vgl. erneut mwN).
Gemäß dem festgestellten Sachverhalt hat sich die Tochter des Beschwerdeführers im streitgegenständlichen Zeitraum nicht in einem Lehrverhältnis befunden. Vielmehr war sie im Zeitraum 03-07/2023 als Angestellte beschäftigt und ab 09/2023 als Personenbetreuerin selbständig. Weder das angeführte Angestelltenverhältnis noch die ab 09/2023 vorliegende selbständige Tätigkeit als Personenbetreuerin stellen eine Berufsausbildung im Sinne der obig zitierten Rechtsprechung des VwGH dar. Selbiges gilt für 02/2023 und 08/2023 - in diesen Monaten war die Tochter des Beschwerdeführers als "arbeitssuchend" gemeldet und befand sich somit auch in diesen Zeiträumen nicht in einer Berufsausbildung.
Im Ergebnis steht somit fest, dass die Tochter des Beschwerdeführers während des gesamten streitgegenständlichen Zeitraumes keine Berufsausbildung iSd FLAG 1967 absolviert hat.
C. Gutachten des SMS
Der Gesetzgeber hat durch die Bestimmung des (unten zitierten) § 8 Abs. 6 FLAG 1967 die Frage des Grades der Behinderung und auch die damit in der Regel unmittelbar zusammenhängende Frage der voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, der eigenständigen Beurteilung der Familienbeihilfenbehörden entzogen und dafür ein qualifiziertes Nachweisverfahren eingeführt, bei dem eine für diese Aufgabenstellung besonders geeignete Institution eingeschaltet wird und der ärztliche Sachverstand die ausschlaggebende Rolle spielt. Die Beihilfenbehörden haben bei ihrer Entscheidung jedenfalls von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen ().
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrundeliegenden Gutachten gebunden sind und dürfen diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig sind und im Falle mehrerer Gutachten einander nicht widersprechen (z.B. ; und 2009/16/0310, mwN).
Wurden von der Abgabenbehörde bereits solche Sachverständigengutachten eingeholt, erweisen sich diese als schlüssig und vollständig und wendet der Beschwerdeführer nichts Substantiiertes ein, besteht für das Bundesfinanzgericht kein Grund, neuerlich ein Sachverständigengutachten einzuholen ().
Eine Unschlüssigkeit oder Unvollständigkeit der gegenständlichen Gutachten vom sowie vom liegt aus den folgenden Gründen ebenso wenig vor wie ein Widerspruch zwischen den Gutachten:
Im Rahmen beider Gutachten wurden betreffend die Tochter des Beschwerdeführers die identen Funktionseinschränkungen ("Persönlichkeits- und Verhaltensstörung, Borderline, reaktive Depressio" sowie "Schmerzen rechtes Kniegelenk") festgestellt und daraus ein identer Gesamtgrad der Behinderung (50 %) abgeleitet. Wenn der Beschwerdeführer im Rahmen des Vorlageantrages aufgreift, dass seines Erachtens die Knieschmerzen (bzw. davon abgeleitet das "Humpeln" bei der Untersuchung sowie das Tragen einer Kniegelenkstütze) nicht entsprechend gewürdigt worden seien, so ist er darauf zu verweisen, dass beide Gutachter diese Schmerzen im Punkt "Schmerzen rechtes Kniegelenk" gewürdigt und diesbezüglich einen Grad der Behinderung von 10% festgestellt haben. Es wurde allerdings in beiden Gutachten darauf hingewiesen, dass das Leiden Nr. 1 (d.h. die "Persönlichkeits- und Verhaltensstörung" führend ist und das Leiden Nr. 2 (d.h. die Schmerzen im rechten Kniegelenk) nicht dazu geeignet ist, den Gesamtgrad der Behinderung weiter zu steigern.
Die rückwirkende Feststellung des Grades der Behinderung von 50% sowie der voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, wurde in beiden Gutachten ab 12/2023 festgestellt und beruht auf dem Befund des ***Dr.*** vom . Zusätzlich wurde im Gutachten vom dargelegt, weshalb für den Zeitraum 09/2022 bis 11/2023 ein geringerer Grad der Behinderung von 30% (fachärztliche Begleitung ohne Dauermedikation und ohne Dauertherapie) festgestellt wurde.
Im Ergebnis erweisen sich die Gutachten somit als schlüssig, vollständig und widerspruchsfrei. Da auch vom Beschwerdeführer weder im Rahmen der Beschwerde noch im Rahmen des Vorlageantrages weitere Befunde aus der Vergangenheit übermittelt wurden noch das Vorliegen solcher Befunde behauptet wurde, sieht sich das Bundesfinanzgericht aufgrund der festgestellten Schlüssigkeit und Vollständigkeit der vorliegenden Gutachten - und unter Verweis auf die obig zitierte Rechtsprechung des VwGH - nicht veranlasst, ein weiteres Gutachten durch die Gutachter des SMS erstellen zu lassen, sondern legt stattdessen die bereits vorliegenden Gutachten dieser Entscheidung zugrunde.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
A. Rechtsgrundlagen
§ 2 FLAG 1967 lautet auszugsweise:
(1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
[…]
b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. […]
c) für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen,
[…]
h) für volljährige Kinder, die erheblich behindert sind (§ 8 Abs. 5), das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist; § 2 Abs. 1 lit. b zweiter bis letzter Satz sind nicht anzuwenden,
[…]
§ 8 FLAG 1967 lautet auszugsweise:
[…]
(5) Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als sechs Monaten. Der Grad der Behinderung muß mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens alle fünf Jahre neu festzustellen, wenn nach Art und Umfang eine mögliche Änderung zu erwarten ist.
(6) Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) dem Finanzamt Österreich durch eine Bescheinigung auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. […]
§ 26 Abs. 1 FLAG 1967 lautet:
Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.
§ 33 Abs. 3 EStG 1988 lautet auszugsweise:
1. Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, steht im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 61,80 Euro [Anmerkung - für 2023] für jedes Kind zu. Für Kinder, die sich ständig außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz aufhalten, steht kein Kinderabsetzbetrag zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.
B. Erwägungen
a) Voraussetzungen zum Bezug der Familienbeihilfe sowie des Kinderabsetzbetrages
Gemäß dem festgestellten Sachverhalt ist die Tochter des Beschwerdeführers seit 12/2023 voraussichtlich dauernd unfähig, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Ebenfalls seit 12/2023 besteht bei der Tochter der Beschwerdeführerin ein Grad der Behinderung von 50%.
Gemäß den Ausführungen in der Beweiswürdigung (siehe oben, Punkt "II. 2. C.") ist das Bundesfinanzgericht an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrundeliegenden Gutachten gebunden und es darf diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig sind und im Falle mehrerer Gutachten einander nicht widersprechen. Diesbezüglich ist erneut auf die Ausführungen in der Beweiswürdigung zu verweisen.
Da somit der festgestellte Grad der Behinderung von 50% und die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, erst mit 12/2023 - und somit nach dem streitgegenständlichen Zeitraum (02-09/2023) - festgestellt wurden, kann daraus kein Anspruch auf Familienbeihilfe für den streitgegenständlichen Zeitraum abgeleitet werden.
Fraglich ist nunmehr, ob ein Anspruch auf Familienbeihilfe aus einem anderen in § 2 FLAG 1967 normierten Tatbestand besteht. Gemäß dem festgestellten Sachverhalt befand sich die Tochter des Beschwerdeführers im streitgegenständlichen Zeitraum 02-09/2023 nicht in einer Berufsausbildung, weshalb insbesondere aus der obig zitierten Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 kein Anspruch auf Familienbeihilfe im vorliegenden Fall abgeleitet werden kann.
Da auch keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer anderen Anspruchsgrundlage für den Bezug von Familienbeihilfe für den streitgegenständlichen Zeitraum vorliegen, ist der Bezug von Familienbeihilfe (und damit - abgeleitet aus dem obig zitierten § 33 EStG 1988 - auch des Kinderabsetzbetrages) zu Unrecht erfolgt.
b) Rückforderung von zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe sowie zu Unrecht bezogenem Kinderabsetzbetrag
§ 26 FLAG 1967 normiert eine objektive Erstattungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Geldbezüge ist von subjektiven Momenten unabhängig. Entscheidend ist somit lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat. Ob und gegebenenfalls wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat, ist unerheblich ().
Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, waren im streitgegenständlichen Zeitraum die Voraussetzungen für den Bezug von Familienbeihilfe objektiv nicht erfüllt. Somit ist die Rückforderung der Familienbeihilfe gemäß § 26 FLAG 1967 und unter Verweis auf die obig zitierte Rechtsprechung des VwGH zu Recht erfolgt.
Gemäß der obig zitierten Vorschrift des § 33 Abs. 3 Z 1 EStG 1988 hängt der Anspruch auf den Bezug des Kinderabsetzbetrages von der Gewährung der Familienbeihilfe ab. Da - gemäß den obigen Ausführungen - der Anspruch auf Familienbeihilfe betreffend die Tochter des Beschwerdeführers im streitgegenständlichen Zeitraum nicht bestanden hat, sind auch die in diesem Zeitraum ausgezahlten Kinderabsetzbeträge gemäß § 33 Abs. 3 Z 1 EStG 1988 iVm § 26 FLAG 1967 zurückzufordern.
Auf Basis der obigen Ausführungen war somit spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Der Verwaltungsgerichtshof ist als Rechtsinstanz tätig und zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Eine im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung wirft daher nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG auf (z.B. mwN). Die Prüfung der Schlüssigkeit eines Gutachtens des Sozialministeriumservice ist nichts anderes als eine Würdigung dieses Beweises. Eine ordentliche Revision ist daher im gegenständlichen Fall nicht zulässig.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 26 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.5100554.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
VAAAF-44928